Christoph Metzelder: "Das war vorbildliches Teamwork"

Christoph Metzelder ist als Kämpfertyp bekannt. Als moderner Innenverteidiger und eloquenter Vorzeige-Profi hat sich der 27 Jahre alte Abwehrspieler, der in der Bundesliga sieben Jahre das Trikot von Borussia Dortmund trug und seit Sommer 2007 in Diensten des spanischen Meisters Real Madrid steht, seit langem im internationalen Fußball einen Namen gemacht. Sein Einsatz bei der EURO 2008 in Österreich und der Schweiz war für ihn ein weiterer Höhepunkt in seiner Karriere, die von vielen gesundheitlichen Rückschlägen gekennzeichnet ist.

So musste sich der mittlerweile 47-malige Nationalspieler am 13. Februar 2008 einer Fußoperation unterziehen, doch mit einer beachtlichen Energieleistung wurde er zum EM-Start rechtzeitig fit und fehlte in allen sechs Begegnungen des deutschen Teams nicht eine einzige Minute.

Mit DFB-Mediendirektor Harald Stenger unterhält sich Metzelder im soeben erschienenen DFB-Journal über das verlorene Finale, den Unterschied zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung, sein EURO-Fazit, Bundestrainer Joachim Löw und die Perspektiven der Nationalmannschaft für die WM 2010 in Südafrika. DFB.de veröffentlicht das Gespräch vorab.

Frage: Christoph Metzelder, wie hart war der Weg ins deutsche EM-Aufgebot nach der Operation im Februar?

Christoph Metzelder: Es war für mich eine Grenzerfahrung und ein Wettlauf mit der Zeit. Es gab Ängste, Schmerzen und Zweifel. Ich bin aber stolz auf das, was ich erreicht habe.

Frage: Dabei gab es einige Polemik in den Medien zu verkraften...

Christoph Metzelder: Ich weiß als Sportler: Wenn ich die Bühne betrete, kann ich nicht nur Applaus erwarten. Man muss einiges runterschlucken, doch der Vorteil eines Fußballers gegenüber einem Politiker ist, dass auf dem Rasen die Antwort auf die Kritik möglich ist. Mich hat das immer motiviert.

Frage: Und dann wäre beinahe sogar der Titelgewinn gelungen...

Christoph Metzelder: Ja, es hat nicht viel gefehlt zum großen Coup, mit dem wir allen im Team und Millionen Fans einen großen Traum erfüllt hätten. Wir müssen allerdings ehrlich eingestehen, dass die Spanier im Finale die bessere Mannschaft waren. Sie haben von den 16 EM-Teilnehmern die konstanteste Leistung geboten und sind daher verdient Europameister geworden.

Frage: Die Leistung der DFB-Auswahl wurde von den Anhängern zu Hause vielfach enthusiastisch gefeiert, in den deutschen Medien dagegen oft kritisch kommentiert...

Christoph Metzelder: Die meisten von uns sind lange genug im Fußball-Geschäft, um überrascht oder enttäuscht zu sein. Die WM 2006, wo wirklich fast alles positiv dargestellt wurde, wird wohl für alle Zeiten eine Ausnahme bleiben. Die Mechanismen des Metiers sind bekannt. Wenn du nicht ständig eine Top-Leistung bringst, wird vieles hinterfragt und oft auch oberflächlich beurteilt. Es gibt heute nur noch schwarz oder weiß, Grautöne sind im Zeitalter einer meist effekthascherischen Berichterstattung eher unerwünscht. Deshalb bleibt diesmal die Erkenntnis: Der Unterschied zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung war bei dieser EM wieder mal sehr groß.

Frage: Wie sah das konkret aus?

Christoph Metzelder: Ich habe bei der EM nicht so viel Zeitung gelesen, allerdings waren mir die Trends in den Medien schon bekannt. Da war es ein krasser Unterschied als ich nach Deutschland zum Urlaub kam: Unbekannte Menschen haben mir gratuliert zur Vize-Europameisterschaft und zu unseren Siegen. Der Großteil der Bevölkerung hat mit uns gefiebert in schwierigen Phasen und sich am Ende über unsere Auftritte gefreut. Im gleichen Atemzug möchte ich aber betonen: Wir Spieler und genauso die Trainer können mit Sicherheit unsere Leistung selbstkritisch einstufen und sehen nicht alles rosarot. Natürlich haben wir spielerisch nicht das Optimale geboten, das Portugal-Match war da eine Ausnahme. Doch sind die Erfolge dank unserer kämpferischen Qualitäten und einem vorbildlichen Teamwork in den prestigebeladenen Duellen gegen Österreich und die Türkei deshalb etwas Minderwertiges oder gar Schlechtes?

Frage: Wie war das Miteinander im DFB-Tross bei dieser EM aus der Sicht der Spieler?

Christoph Metzelder: Joachim Löw, der Trainerstab und Manager Oliver Bierhoff haben ebenso wie alle Betreuer hervorragende Arbeit geleistet. Ich halte es ohnehin für falsch, wenn die Arbeit des Bundestrainers nur am Abschneiden bei einem einzigen Turnier gemessen wird. Mindestens ebenso wichtig ist die langfristige Entwicklung eines Teams und seiner Philosophie, gerade bei einer Fußball-Nation wie Deutschland, in der die Nationalmannschaft auf Grund des überwältigenden öffentlichen Interesses bei jedem Spiel automatisch unter Druck steht. Wir haben bei der EM bestätigt, dass wir seit zwei, drei Jahren auf dem richtigen Weg sind, jedoch weiterhin hart arbeiten müssen, um unsere internationale Spitzenposition zu behaupten.

Frage: Wie groß ist der Einfluss eines Trainers während eines Turniers wie der EM?

Christoph Metzelder: In akribischer Arbeit versucht er zunächst, sein Team technisch, taktisch und körperlich optimal vorzubereiten. Ihm alles zu vermitteln, was es benötigt. Danach gibt er ein Stück weit die Zügel aus der Hand. In dem Rahmen, den er erarbeitet und vorgegeben hat, der als gemeinsamer Nenner akzeptiert ist, ist dann die Mannschaft fast auf sich allein gestellt. Und das ist in einem Turnier, bei dem alle drei, vier Tage gespielt wird, sehr extrem. Es ist da fast unmöglich zwischen den Begegnungen im Training noch Akzente zu setzen, weil die Regeneration im Vordergrund steht. Man kann vielleicht einem Neuen eine Chance geben oder das System einen Tick verändern – das sind aber alles nur Nuancen. Ich bin der festen Überzeugung, dass ein Trainer eine Mannschaft zwischen den Turnieren personell und taktisch weiter entwickeln muss. Und da hat Joachim Löw zuletzt sein fachliches Können, seine Kreativität und auch soziale Kompetenz eindrucksvoll bewiesen.

Frage: Abschließende Frage: Was dürfen die deutschen Fans von ihrer Nationalmannschaft im Blick auf die WM 2010 in Südafrika erwarten?

Christoph Metzelder: Erst einmal werden wir die Qualifikation nicht unterschätzen, denn Russland wird ein sehr starker Gegner sein. Trotzdem muss es für uns selbstverständlich sein, in Südafrika dabei zu sein. Wir haben viele Jüngere im Team, die bereits über beträchtliche Länderspiel-Erfahrung verfügen. Deshalb hat unsere Mannschaft weiterhin gute Entwicklungsmöglichkeiten und wir können an eine erfolgreiche Zukunft glauben. Unser großes Ziel ist klar: Wie bei der WM 2006 und jetzt bei der EURO träumen wir wieder vom Titelgewinn – und im dritten Anlauf werden wir dann nach dem Finale hoffentlich wirklich unsere Hände am Pokal haben.

Einen kurzen Einblick in ausgewählte Themen des DFB-Journals sowie Informationen zu den Bestell-Möglichkeiten finden Sie hier.

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Christoph Metzelder ist als Kämpfertyp bekannt. Als moderner Innenverteidiger und eloquenter Vorzeige-Profi hat sich der 27 Jahre alte Abwehrspieler, der in der Bundesliga sieben Jahre das Trikot von Borussia Dortmund trug und seit Sommer 2007 in Diensten des spanischen Meisters Real Madrid steht, seit langem im internationalen Fußball einen Namen gemacht. Sein Einsatz bei der EURO 2008 in Österreich und der Schweiz war für ihn ein weiterer Höhepunkt in seiner Karriere, die von vielen gesundheitlichen Rückschlägen gekennzeichnet ist.

So musste sich der mittlerweile 47-malige Nationalspieler am 13. Februar 2008 einer Fußoperation unterziehen, doch mit einer beachtlichen Energieleistung wurde er zum EM-Start rechtzeitig fit und fehlte in allen sechs Begegnungen des deutschen Teams nicht eine einzige Minute.

Mit DFB-Mediendirektor Harald Stenger unterhält sich Metzelder im soeben erschienenen DFB-Journal über das verlorene Finale, den Unterschied zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung, sein EURO-Fazit, Bundestrainer Joachim Löw und die Perspektiven der Nationalmannschaft für die WM 2010 in Südafrika. DFB.de veröffentlicht das Gespräch vorab.

Frage: Christoph Metzelder, wie hart war der Weg ins deutsche EM-Aufgebot nach der Operation im Februar?

Christoph Metzelder: Es war für mich eine Grenzerfahrung und ein Wettlauf mit der Zeit. Es gab Ängste, Schmerzen und Zweifel. Ich bin aber stolz auf das, was ich erreicht habe.

Frage: Dabei gab es einige Polemik in den Medien zu verkraften...

Christoph Metzelder: Ich weiß als Sportler: Wenn ich die Bühne betrete, kann ich nicht nur Applaus erwarten. Man muss einiges runterschlucken, doch der Vorteil eines Fußballers gegenüber einem Politiker ist, dass auf dem Rasen die Antwort auf die Kritik möglich ist. Mich hat das immer motiviert.

Frage: Und dann wäre beinahe sogar der Titelgewinn gelungen...

Christoph Metzelder: Ja, es hat nicht viel gefehlt zum großen Coup, mit dem wir allen im Team und Millionen Fans einen großen Traum erfüllt hätten. Wir müssen allerdings ehrlich eingestehen, dass die Spanier im Finale die bessere Mannschaft waren. Sie haben von den 16 EM-Teilnehmern die konstanteste Leistung geboten und sind daher verdient Europameister geworden.

Frage: Die Leistung der DFB-Auswahl wurde von den Anhängern zu Hause vielfach enthusiastisch gefeiert, in den deutschen Medien dagegen oft kritisch kommentiert...

Christoph Metzelder: Die meisten von uns sind lange genug im Fußball-Geschäft, um überrascht oder enttäuscht zu sein. Die WM 2006, wo wirklich fast alles positiv dargestellt wurde, wird wohl für alle Zeiten eine Ausnahme bleiben. Die Mechanismen des Metiers sind bekannt. Wenn du nicht ständig eine Top-Leistung bringst, wird vieles hinterfragt und oft auch oberflächlich beurteilt. Es gibt heute nur noch schwarz oder weiß, Grautöne sind im Zeitalter einer meist effekthascherischen Berichterstattung eher unerwünscht. Deshalb bleibt diesmal die Erkenntnis: Der Unterschied zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung war bei dieser EM wieder mal sehr groß.

Frage: Wie sah das konkret aus?

Christoph Metzelder: Ich habe bei der EM nicht so viel Zeitung gelesen, allerdings waren mir die Trends in den Medien schon bekannt. Da war es ein krasser Unterschied als ich nach Deutschland zum Urlaub kam: Unbekannte Menschen haben mir gratuliert zur Vize-Europameisterschaft und zu unseren Siegen. Der Großteil der Bevölkerung hat mit uns gefiebert in schwierigen Phasen und sich am Ende über unsere Auftritte gefreut. Im gleichen Atemzug möchte ich aber betonen: Wir Spieler und genauso die Trainer können mit Sicherheit unsere Leistung selbstkritisch einstufen und sehen nicht alles rosarot. Natürlich haben wir spielerisch nicht das Optimale geboten, das Portugal-Match war da eine Ausnahme. Doch sind die Erfolge dank unserer kämpferischen Qualitäten und einem vorbildlichen Teamwork in den prestigebeladenen Duellen gegen Österreich und die Türkei deshalb etwas Minderwertiges oder gar Schlechtes?

Frage: Wie war das Miteinander im DFB-Tross bei dieser EM aus der Sicht der Spieler?

Christoph Metzelder: Joachim Löw, der Trainerstab und Manager Oliver Bierhoff haben ebenso wie alle Betreuer hervorragende Arbeit geleistet. Ich halte es ohnehin für falsch, wenn die Arbeit des Bundestrainers nur am Abschneiden bei einem einzigen Turnier gemessen wird. Mindestens ebenso wichtig ist die langfristige Entwicklung eines Teams und seiner Philosophie, gerade bei einer Fußball-Nation wie Deutschland, in der die Nationalmannschaft auf Grund des überwältigenden öffentlichen Interesses bei jedem Spiel automatisch unter Druck steht. Wir haben bei der EM bestätigt, dass wir seit zwei, drei Jahren auf dem richtigen Weg sind, jedoch weiterhin hart arbeiten müssen, um unsere internationale Spitzenposition zu behaupten.

Frage: Wie groß ist der Einfluss eines Trainers während eines Turniers wie der EM?

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Christoph Metzelder: In akribischer Arbeit versucht er zunächst, sein Team technisch, taktisch und körperlich optimal vorzubereiten. Ihm alles zu vermitteln, was es benötigt. Danach gibt er ein Stück weit die Zügel aus der Hand. In dem Rahmen, den er erarbeitet und vorgegeben hat, der als gemeinsamer Nenner akzeptiert ist, ist dann die Mannschaft fast auf sich allein gestellt. Und das ist in einem Turnier, bei dem alle drei, vier Tage gespielt wird, sehr extrem. Es ist da fast unmöglich zwischen den Begegnungen im Training noch Akzente zu setzen, weil die Regeneration im Vordergrund steht. Man kann vielleicht einem Neuen eine Chance geben oder das System einen Tick verändern – das sind aber alles nur Nuancen. Ich bin der festen Überzeugung, dass ein Trainer eine Mannschaft zwischen den Turnieren personell und taktisch weiter entwickeln muss. Und da hat Joachim Löw zuletzt sein fachliches Können, seine Kreativität und auch soziale Kompetenz eindrucksvoll bewiesen.

Frage: Abschließende Frage: Was dürfen die deutschen Fans von ihrer Nationalmannschaft im Blick auf die WM 2010 in Südafrika erwarten?

Christoph Metzelder: Erst einmal werden wir die Qualifikation nicht unterschätzen, denn Russland wird ein sehr starker Gegner sein. Trotzdem muss es für uns selbstverständlich sein, in Südafrika dabei zu sein. Wir haben viele Jüngere im Team, die bereits über beträchtliche Länderspiel-Erfahrung verfügen. Deshalb hat unsere Mannschaft weiterhin gute Entwicklungsmöglichkeiten und wir können an eine erfolgreiche Zukunft glauben. Unser großes Ziel ist klar: Wie bei der WM 2006 und jetzt bei der EURO träumen wir wieder vom Titelgewinn – und im dritten Anlauf werden wir dann nach dem Finale hoffentlich wirklich unsere Hände am Pokal haben.

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