Christian Sachs: „Der Sport ist gelebte Verfassung“

Brost: Das Gleiche gilt auch für mich, wobei wir in Brüssel ganz neu an den Start gegangen und erst einmal damit beschäftigt sind, die Kommunikationskanäle zu sortieren und erste Gespräche aufzunehmen. Dabei stimme ich mich auch mit Berlin hinsichtlich der Themen ab, die von Bedeutung sein können.

Frage: DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach kämpft dafür, dass der Sport im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert wird, der DFB unterstützt diese Bemühungen. Herr Sachs, wie beurteilen Sie die heutige Situation?

Sachs: Im Moment sieht die Situation so aus, dass die SPD und die Oppositionsparteien eine Aufnahme des Sports als Staatsziel im Grundgesetz befürworten, während die Unionsfraktion einschließlich Bundesinnen- und Sportminister Dr. Wolfgang Schäuble eher zurückhaltend ist. Auf der anderen Seite würde die derzeitige politische Konstellation mit einer großen Koalition die Mehrheiten erlauben, um eine Änderung des Grundgesetzes überhaupt durchzusetzen. Das ist ein Grund, warum DFB und DOSB sich gemeinsam für dieses Ziel starkmachen – DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger und Dr. Thomas Bach stehen da Seite an Seite. Wir werden hier weiter tätig sein, bis auf die Ebene der Vereine. Warum sollen nicht die Vereinsvertreter in ihren Regionen mit ihren Abgeordneten aus dem Bundestag, aus den Landtagen und in den kommunalen Parlamenten wirklich aktiv vor Ort sprechen? Sie können betonen, dass 7,5 Millionen Ehrenamtliche sich im Sport betätigen, dass wir 27 Millionen Mitgliedschaften im organisierten deutschen Sport vorweisen können. Das ist doch ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Der Sport ist gelebte Verfassung, folglich gibt es gewichtige Argumente, den Sport als Staatsziel in unser Grundgesetz aufzunehmen.

Frage: Im Profifußball gibt es die Tendenz, immer mehr auf ausländische Spieler zu setzen. Der nationale Charakter der Ligen scheint sich in den großen europäischen Ligen zu verflüchtigen. FIFA-Präsident Joseph S. Blatter äußerte mit Blick auf diese Tendenzen, er strebe eine „6+5 Regelung“ im Fußball an. Ist das auf Grundlage europäischen Rechts überhaupt denkbar?

Brost: Zielführender, als die Nationalität eines Spielers als Basis einer möglichen Regelung zu nehmen, wäre es zu unterscheiden, wo ein Spieler wie lange ausgebildet wird. Dabei geht es nicht um eine bestimmte Anzahl deutscher Spieler in deutschen Vereinen, sondern allgemein um junge Spieler aus verschiedenen Nationen, die eine bestimmte Zeit gefördert und ausgebildet werden müssen. Eine gewisse Zahl von diesen „homegrown players“ müsste dann in der Mannschaft stehen. Klar ist aber auch: Die EU-Kommission hat unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass keine nationale Quote an Spielern akzeptiert wird. Darin sieht die Kommission eine eindeutige Diskriminierung, die europäischem Recht widerspricht. Deshalb muss sich der Sport gründlich Gedanken machen, wie man etwa die Talentförderung anders definieren möchte, um eine tragfähige Lösung mit der EU zu erreichen.

Frage: Ein schwieriges Themenfeld ist auch der Bereich der Sportwetten. Wird es von europäischer Seite irgendwann ein Veto gegen die momentan in Deutschland geltenden Restriktionen geben, so dass es wieder zu einer Öffnung des Sportwettenmarktes in Deutschland kommen kann?

Brost: Im Moment sehe ich keine politische Initiative, die in Richtung einer Öffnung des Marktes führen wird, aber es gibt Bestrebungen, dieses Problem auf Ebene der europäischen Gerichte zu lösen. So wird der neue Glücksspiel-Staatsvertrag unter die Lupe genommen, der nach Ansicht der europäischen Kommission eindeutig gegen europäisches Recht verstößt. In den nächsten beiden Jahren ist mit einer Entscheidung zu rechnen.

Frage: Wagen Sie eine Prognose?



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Fast genau auf den Tag vor 50 Jahren, am 19. März 1958, trat die Europäische Versammlung zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Seitdem ist die Sportpolitik auf nationaler und internationaler Ebene immer wichtiger geworden. Grund genug für den Deutschen Fußball-Bund (DFB), als erster Fußball-Verband überhaupt eine ständige Vertretung bei der Europäischen Union (EU) aufzumachen.

In der Avenue de Cronenberg 89 in Brüssel hat der DFB zum Jahresbeginn sein Büro eingerichtet. Geleitet wird die administrative Vertretung durch Stefan Brost. Der 32-jährige Jurist betreibt schon seit vier Jahren das anspruchsvolle Geschäft, sich unter 15.000 Lobbyisten, die in der belgischen Haupt- und Residenzstadt leben, bei den politischen Entscheidern das nötige Gehör zu verschaffen. Das Arbeitsrecht der Profispieler ist nur eines von vielen wichtigen Themen des Fußballs, die in Brüssel debattiert und entschieden werden. Brost glaubt nicht, dass eine nationale Quotierung wirkliche Chancen auf die erforderliche EU-Genehmigung hätte: „Die Kommission hat klar zu verstehen gegeben, dass sie keine nationalen Quoten akzeptiert.“

Schon seit Ende 2007 leitet der ehemalige Sportjournalist Christian Sachs das Berliner Büro, das der DFB gemeinsam mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) betreibt. Sachs vertritt die Interessen beider Verbände – eine Verquickung, die der 39-Jährige als vorteilhaft ansieht. Beim Thema Sportwetten hält Sachs eine zukünftige Öffnung und Liberalisierung des Marktes für wahrscheinlich und gibt zu bedenken: „Um so wichtiger ist es, Alternativen zu entwickeln. Der organisierte Sport profitiert derzeit von den Einnahmen der staatlichen Lotterien und ist auf diese Zuwendungen angewiesen.“

Im aktuellen „DFB.de-Gespräch der Woche“ befragen die DFB-Internetredakteure Thomas Hackbarth und Christian Müller die Büroleiter des Deutschen Fußball-Bundes in Brüssel und Berlin über konkrete Aufgaben und anstehende Themen.

Frage: Herr Brost, warum ist es für den Sport und besonders für den Fußball so wichtig, in der Nachbarschaft des Europäischen Parlaments vertreten zu sein?

Stefan Brost: Weil die Europäische Union den Sport als Themenfeld erkannt hat. Gegenwärtig wird die Sportpolitik europäisiert. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es in den nächsten Jahren etliche Maßnahmen im Bereich des Sports geben, die von der EU initiiert werden.

Frage: Wie hat man sich Ihre Aufgabe generell vorzustellen?

Brost: Ich möchte dem DFB in Brüssel angemessen Gehör verschaffen. Immerhin sind wir derzeit Marktführer, denn der DFB ist dort als erster nationaler Fußball-Verband mit einem eigenen Büro vertreten. Informationsbeschaffung ist ein ganz wesentlicher Teil meiner Aufgabe. Ich stelle sicher, dass der DFB darüber informiert ist, was auf europäischer Ebene geplant wird. Darüber hinaus berate ich den Verband bei Europa-rechtlichen Fragen. Schließlich geht es darum, die DFB-Interessen direkt und konkret zu vertreten, wofür eine intensive Kontaktpflege die Voraussetzung schafft. Wir führen einen sachlichen Dialog mit den Abgeordneten im Parlament und Beamten aus der Kommission. Dass es wichtige Themen auf europäischer Ebene für den DFB gibt, ist inzwischen eindeutig.

Frage: Beispielsweise?

Brost: Nehmen wir etwa die Zentralvermarktung der Fernsehrechte. Das ist nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene ein Thema, denn die europäische Kommission als Wettbewerbsbehörde hat dabei ein gewichtiges Wort mitzureden. Was passiert künftig mit dem Markt des Glücksspiels und der Sportwetten? Auch in diesem Bereich möchte und wird die EU tätig werden.

Frage: Herr Sachs, am 12. Dezember 2007 wurde das Hauptstadtbüro des DFB eröffnet. Welche Erfahrungen haben sie bislang gesammelt?

Christian Sachs: Das Büro mit seinen Mitarbeitern ist Ausdruck der Partnerschaft zwischen dem DOSB als Dachverband aller Sportorganisationen und dem DFB. Ich vertrete beide Verbände in Berlin. Als weitere Büropartner sind die Deutsche Fußball Liga, die Deutsche Sport-Marketing und der Behindertensport-Verband vertreten. Wir profitieren von dieser Mischung und dürfen etliche Synergieeffekte mitnehmen.

Frage: Bitte beschreiben Sie uns Ihren Aufgabenbereich.

Sachs: Zuerst einmal beobachte ich regelmäßig die Sitzung des Sportausschusses im Bundestag, die Sportreferentenkonferenz und die Sportministerkonferenz. Wir veranstalten aber auch Events wie den Parlamentarischen Abend des Deutschen Sports. Es ist sicher ein unschätzbarer Vorteil, in Berlin gut aufgestellt zu sein. Spätestens seit der WM 2006 ist der DFB auf der höchsten Ebene der Bundespolitik vernetzt, jetzt wollen wir dies auch auf der Arbeitsebene anbieten. So ist mit DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach besprochen, dass unser Berliner Büro in Richtung Frauen-WM 2011 als Kommunikationsstelle zu den einzelnen Bundesressorts fungieren wird.

Frage: In welcher Form berichten Sie beide dem DFB-Generalsekretär?

Sachs: Ich treffe mich regelmäßig mit Wolfgang Niersbach und DFB-Direktor Stefan Hans. Wenn es etwa Ausschussanhörungen zum Thema Alkoholismus und Drogenmissbrauch in der Jugendausbildung im Sport gibt, dann sind dies Themen, die für den DFB von Interesse sind und über die ich ausführlich informiere, so dass wir in einem nächsten Schritt – nach einer Aufbereitung durch die Fachabteilungen – neue Positionen definieren und Lösungsansätze entwickeln können.

Brost: Das Gleiche gilt auch für mich, wobei wir in Brüssel ganz neu an den Start gegangen und erst einmal damit beschäftigt sind, die Kommunikationskanäle zu sortieren und erste Gespräche aufzunehmen. Dabei stimme ich mich auch mit Berlin hinsichtlich der Themen ab, die von Bedeutung sein können.

Frage: DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach kämpft dafür, dass der Sport im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert wird, der DFB unterstützt diese Bemühungen. Herr Sachs, wie beurteilen Sie die heutige Situation?

Sachs: Im Moment sieht die Situation so aus, dass die SPD und die Oppositionsparteien eine Aufnahme des Sports als Staatsziel im Grundgesetz befürworten, während die Unionsfraktion einschließlich Bundesinnen- und Sportminister Dr. Wolfgang Schäuble eher zurückhaltend ist. Auf der anderen Seite würde die derzeitige politische Konstellation mit einer großen Koalition die Mehrheiten erlauben, um eine Änderung des Grundgesetzes überhaupt durchzusetzen. Das ist ein Grund, warum DFB und DOSB sich gemeinsam für dieses Ziel starkmachen – DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger und Dr. Thomas Bach stehen da Seite an Seite. Wir werden hier weiter tätig sein, bis auf die Ebene der Vereine. Warum sollen nicht die Vereinsvertreter in ihren Regionen mit ihren Abgeordneten aus dem Bundestag, aus den Landtagen und in den kommunalen Parlamenten wirklich aktiv vor Ort sprechen? Sie können betonen, dass 7,5 Millionen Ehrenamtliche sich im Sport betätigen, dass wir 27 Millionen Mitgliedschaften im organisierten deutschen Sport vorweisen können. Das ist doch ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Der Sport ist gelebte Verfassung, folglich gibt es gewichtige Argumente, den Sport als Staatsziel in unser Grundgesetz aufzunehmen.

Frage: Im Profifußball gibt es die Tendenz, immer mehr auf ausländische Spieler zu setzen. Der nationale Charakter der Ligen scheint sich in den großen europäischen Ligen zu verflüchtigen. FIFA-Präsident Joseph S. Blatter äußerte mit Blick auf diese Tendenzen, er strebe eine „6+5 Regelung“ im Fußball an. Ist das auf Grundlage europäischen Rechts überhaupt denkbar?

Brost: Zielführender, als die Nationalität eines Spielers als Basis einer möglichen Regelung zu nehmen, wäre es zu unterscheiden, wo ein Spieler wie lange ausgebildet wird. Dabei geht es nicht um eine bestimmte Anzahl deutscher Spieler in deutschen Vereinen, sondern allgemein um junge Spieler aus verschiedenen Nationen, die eine bestimmte Zeit gefördert und ausgebildet werden müssen. Eine gewisse Zahl von diesen „homegrown players“ müsste dann in der Mannschaft stehen. Klar ist aber auch: Die EU-Kommission hat unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass keine nationale Quote an Spielern akzeptiert wird. Darin sieht die Kommission eine eindeutige Diskriminierung, die europäischem Recht widerspricht. Deshalb muss sich der Sport gründlich Gedanken machen, wie man etwa die Talentförderung anders definieren möchte, um eine tragfähige Lösung mit der EU zu erreichen.

Frage: Ein schwieriges Themenfeld ist auch der Bereich der Sportwetten. Wird es von europäischer Seite irgendwann ein Veto gegen die momentan in Deutschland geltenden Restriktionen geben, so dass es wieder zu einer Öffnung des Sportwettenmarktes in Deutschland kommen kann?

Brost: Im Moment sehe ich keine politische Initiative, die in Richtung einer Öffnung des Marktes führen wird, aber es gibt Bestrebungen, dieses Problem auf Ebene der europäischen Gerichte zu lösen. So wird der neue Glücksspiel-Staatsvertrag unter die Lupe genommen, der nach Ansicht der europäischen Kommission eindeutig gegen europäisches Recht verstößt. In den nächsten beiden Jahren ist mit einer Entscheidung zu rechnen.

Frage: Wagen Sie eine Prognose?

Brost: Es gibt offene Märkte für Sportwetten, und es gibt geschlossen Märkte, die staatlich kontrolliert sind. Das Wichtigste aber bleibt, dass die Integrität des Sports gewahrt wird. Was bedeutet das? Der Markt muss so gestaltet sein, dass Wettmanipulationen verhindert werden und die Geldwäsche erschwert beziehungsweise aufgespürt wird. Außerdem möchte der Sport weiter stabile Einnahmen oder Beiträge aus dem Sportwettengeschäft für die Organisationen des Breitensportes. Wenn wir das gewährleisten können, werden sich mehr Mitgliedsstaaten Gedanken über Alternativen machen. Der DFB hat bereits vorgeschlagen, dass man ein staatlich kontrolliertes Lizenzierungsverfahren auf Basis von zeitlich begrenzten Konzessionen für private Anbieter von Sportwetten einführt.

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Sachs: Beim Thema Sportwetten muss der DOSB sicherstellen, dass zum Beispiel die Ausstattung der Landessportbünde, die ihre Haushalte nicht unerheblich aus Lottomitteln speisen, auch in Zukunft gewährleistet bleibt. Bereits heute sinken die Einnahmen aus dem Bereich des Monopols, bedingt durch den laufenden Verdrängungswettbewerb. Viele Wetter weichen aus ins Internet und in Richtung unkontrollierter Sportwetten.

Frage: Werfen wir noch einen Blick auf die nächste Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land, die Frauen-WM 2011. Die WM 2006 war praktisch ein Selbstläufer auf politischer Ebene – ist bei den Frauen für 2011 nun mehr Lobbyarbeit zu leisten?

Sachs: Die positiven Erfahrungen in der Vorbereitungsphase für die WM 2006 haben gezeigt, dass es eine nationale Begeisterung für ein solches Projekt geben kann. Bei allen Beteiligten auf Seiten des DFB wie auch seitens der staatlichen Stellen in Bund und Ländern sind unglaublich positive Erfahrungen mit der WM 2006 gemacht worden. Die erfolgreichen Konzepte können nun in modifizierter Form aus der Schublade geholt und umgesetzt werden. Häufig kennen sich die handelnden Personen noch von der WM 2006 – das ist häufig für die Kommunikation ein unschätzbarer Vorteil. Die Tatsache, dass die Frauen-WM im Vergleich zum Sommer 2006 sicher eine etwas kleinere Veranstaltung sein wird, erschwert die Lobbyarbeit jedenfalls nicht.

Frage: Darf man eigentlich Fan eines einzelnen Vereins sein, wenn man die Interessen des DFB in Berlin vertritt?

Sachs: Ich bin da in meiner bisherigen aktiven Arbeit nicht auf Fallstricke gestoßen, die das verhindert hätten.

Frage: Und wem drücken Sie die Daumen?

Sachs: Dem Zweitligist VfL Osnabrück gehört mein Herz, und im Moment sieht das ganz positiv aus. Alle hatten eine Zittersaison erwartet, doch bis dato stand der VfL noch nicht auf einem Abstiegsplatz – so kann es bleiben.

Frage: Herr Brost, Sie waren ein Quereinsteiger. Waren Sie denn vor dem Engagement beim DFB schon ein Fußballfan?

Brost: Ja, ich war auch selbst aktiv und hatte den Sprung in einige Auswahlteams auf Ebene des Fußballverbandes Rheinland geschafft. Von daher begleitet mich von Kindesbeinen an die Begeisterung fürs runde Leder. Mein Verein ist Bayern München – da sieht es im Moment in drei Wettbewerben ja auch ganz positiv aus.