Cherundolo übers US-Team: "Wir geben niemals auf"

Steven Cherundolo (35) ist der Rekord-Amerikaner der Bundesliga. Von 1999 bis Anfang 2014 stand der Außenverteidiger in mehr als 300 Bundesliga-Spielen für Hannover 96 auf dem Platz. Mit den USA nahm er an drei Weltmeisterschaften teil. Für DFB.de skizziert er die Chancen des Teams von Trainer Jürgen Klinsmann vor dem letzten WM-Gruppenspiel heute (ab 18 Uhr, live im ZDF) gegen Deutschland.

Die USA sind keine große, traditionelle Fußballnation wie etwa Deutschland, England oder Brasilien. Dabei hat sich seit der WM 2010 einiges bei uns getan. Der 1:0-Erfolg im letzten Vorrundenspiel gegen Algerien mit dem Last-Minute-Tor von Landon Donovan war wie eine Initialzündung, die Fans zu Hause haben vor den Fernsehschirmen mitgefiebert. Als Gruppensieger vor England haben wir das Achtelfinale gegen Ghana erreicht, das dann ähnlich knapp war: Wir lagen zurück, haben uns herangekämpft und den Ausgleich erzielt. In der Verlängerung haben wir zwar verloren, aber der Spielverlauf hat den Amerikanern gefallen. Als wir nach der WM nach Hause gekommen sind, war die Resonanz gigantisch. Soccer war in aller Munde.

Das ist unsere Mentalität: Wir geben niemals auf. Unsere Mannschaft lebt von Entschlossenheit, von taktischer Disziplin und Fitness. Wir wissen: Uns fehlt die individuelle Klasse europäischer Topteams und einiger südamerikanischer Mannschaften. Darum müssen wir mehr investieren als unsere Gegner. Wir suchen unsere Chancen – egal, wann sie kommen und wie sie kommen.

Von Techniker bis Stratege

Clint Dempsey etwa, der einige Jahre in der englischen Premier League gespielt hat, lebt das beispielhaft vor. Er ist ein Spieler, der zu 100 Prozent für die Mannschaft kämpft. Ein hervorragender Techniker und äußerst torgefährlich. Er hat die besondere Qualität, mit der er ein Spiel entscheiden kann. Jermaine Jones ist in Deutschland ja ein guter Bekannter. Ein Kämpfer durch und durch. Michael Bradley ist ein Stratege, ein cleverer Spieler. Torgefährlich bei Standards und aus dem Spiel heraus. Jozy Altidore ist ein toller Stürmer. Und unsere Torhüter, Tim Howard, Brad Guzan und Nick Rimando, haben alle ein klasse Niveau.

Gute Fußballer hat es in den USA schon immer gegeben, aber noch nie in so großer Zahl wie heute. Der europäische Fußball ist mehr als 100 Jahre alt, unsere Liga, die Major League Soccer, gerade einmal 20. Das heißt, dass wir einen großen Rückstand haben, den wir aufholen müssen. Da sind wir auf einem guten Weg. Die Zuschauerzahlen in der MLS steigen, und Soccer im Fernsehen ist inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Kleine Kinder brauchen Idole, die sie auf der Straße nachahmen können. All das gibt es heute im amerikanischen Fußball.

Dazu haben wir mit Jürgen Klinsmann einen Trainer, der uns ständig fordert, der möchte, dass wir immer besser werden. Er ist unheimlich akribisch und achtet auf alle möglichen Details: Ernährung, Fitness, Motivation. Er hat als Spieler und als Trainer viele Erfahrungen sammeln können, die seine Vorgänger nicht hatten. Und wir haben schon einige Erfolge mit ihm gefeiert. Wir haben uns frühzeitig für die WM in Brasilien qualifiziert, im vergangenen Jahr den Gold Cup gewonnen und obendrein eine Serie von zwölf Siegen in Folge gefeiert: Das hatte es im amerikanischen Fußball noch nie gegeben.

Hohe Erwartungshaltung

Das alles erhöht natürlich auch die Erwartungen und den Druck vor der WM in Brasilien. In den USA wird davon ausgegangen, dass wir das Achtelfinale erreichen. Auch in der schweren Gruppe mit Deutschland, Portugal und Ghana. Aber das ist auch gut so. Mit der Einstellung "Dabei sein ist alles" hast du sowieso keine Chance. Der Schlüssel in der Gruppe ist das erste Spiel. Wenn du das verlierst, ist es fast vorbei. Wir beginnen gegen Ghana, und vielleicht ist es Glück, dass wir erst mal gegen den vermeintlich schwächsten Gegner spielen dürfen. Am letzten Spieltag kann alles passieren, da hätte ich gerne sechs Punkte, bevor wir auf Deutschland treffen. In dieser Partie brauchen wir einen guten Tag, und am besten erwischt das deutsche Team noch einen schlechten.

Unser 4:3 im Juni 2013 ist kein Maßstab. In Brasilien werden zwei völlig andere Mannschaften auf dem Platz stehen. Wenn dieser Sieg überhaupt etwas bewirkt hat, dann ist bei den Deutschen vielleicht der Respekt vor uns gewachsen. Dabei wäre es mir lieber, wenn sie uns unterschätzen: Dann kann man sie besser überraschen.

[dfb]

[bild1]

Steven Cherundolo (35) ist der Rekord-Amerikaner der Bundesliga. Von 1999 bis Anfang 2014 stand der Außenverteidiger in mehr als 300 Bundesliga-Spielen für Hannover 96 auf dem Platz. Mit den USA nahm er an drei Weltmeisterschaften teil. Für DFB.de skizziert er die Chancen des Teams von Trainer Jürgen Klinsmann vor dem letzten WM-Gruppenspiel heute (ab 18 Uhr, live im ZDF) gegen Deutschland.

Die USA sind keine große, traditionelle Fußballnation wie etwa Deutschland, England oder Brasilien. Dabei hat sich seit der WM 2010 einiges bei uns getan. Der 1:0-Erfolg im letzten Vorrundenspiel gegen Algerien mit dem Last-Minute-Tor von Landon Donovan war wie eine Initialzündung, die Fans zu Hause haben vor den Fernsehschirmen mitgefiebert. Als Gruppensieger vor England haben wir das Achtelfinale gegen Ghana erreicht, das dann ähnlich knapp war: Wir lagen zurück, haben uns herangekämpft und den Ausgleich erzielt. In der Verlängerung haben wir zwar verloren, aber der Spielverlauf hat den Amerikanern gefallen. Als wir nach der WM nach Hause gekommen sind, war die Resonanz gigantisch. Soccer war in aller Munde.

Das ist unsere Mentalität: Wir geben niemals auf. Unsere Mannschaft lebt von Entschlossenheit, von taktischer Disziplin und Fitness. Wir wissen: Uns fehlt die individuelle Klasse europäischer Topteams und einiger südamerikanischer Mannschaften. Darum müssen wir mehr investieren als unsere Gegner. Wir suchen unsere Chancen – egal, wann sie kommen und wie sie kommen.

Von Techniker bis Stratege

Clint Dempsey etwa, der einige Jahre in der englischen Premier League gespielt hat, lebt das beispielhaft vor. Er ist ein Spieler, der zu 100 Prozent für die Mannschaft kämpft. Ein hervorragender Techniker und äußerst torgefährlich. Er hat die besondere Qualität, mit der er ein Spiel entscheiden kann. Jermaine Jones ist in Deutschland ja ein guter Bekannter. Ein Kämpfer durch und durch. Michael Bradley ist ein Stratege, ein cleverer Spieler. Torgefährlich bei Standards und aus dem Spiel heraus. Jozy Altidore ist ein toller Stürmer. Und unsere Torhüter, Tim Howard, Brad Guzan und Nick Rimando, haben alle ein klasse Niveau.

Gute Fußballer hat es in den USA schon immer gegeben, aber noch nie in so großer Zahl wie heute. Der europäische Fußball ist mehr als 100 Jahre alt, unsere Liga, die Major League Soccer, gerade einmal 20. Das heißt, dass wir einen großen Rückstand haben, den wir aufholen müssen. Da sind wir auf einem guten Weg. Die Zuschauerzahlen in der MLS steigen, und Soccer im Fernsehen ist inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Kleine Kinder brauchen Idole, die sie auf der Straße nachahmen können. All das gibt es heute im amerikanischen Fußball.

Dazu haben wir mit Jürgen Klinsmann einen Trainer, der uns ständig fordert, der möchte, dass wir immer besser werden. Er ist unheimlich akribisch und achtet auf alle möglichen Details: Ernährung, Fitness, Motivation. Er hat als Spieler und als Trainer viele Erfahrungen sammeln können, die seine Vorgänger nicht hatten. Und wir haben schon einige Erfolge mit ihm gefeiert. Wir haben uns frühzeitig für die WM in Brasilien qualifiziert, im vergangenen Jahr den Gold Cup gewonnen und obendrein eine Serie von zwölf Siegen in Folge gefeiert: Das hatte es im amerikanischen Fußball noch nie gegeben.

[bild2]

Hohe Erwartungshaltung

Das alles erhöht natürlich auch die Erwartungen und den Druck vor der WM in Brasilien. In den USA wird davon ausgegangen, dass wir das Achtelfinale erreichen. Auch in der schweren Gruppe mit Deutschland, Portugal und Ghana. Aber das ist auch gut so. Mit der Einstellung "Dabei sein ist alles" hast du sowieso keine Chance. Der Schlüssel in der Gruppe ist das erste Spiel. Wenn du das verlierst, ist es fast vorbei. Wir beginnen gegen Ghana, und vielleicht ist es Glück, dass wir erst mal gegen den vermeintlich schwächsten Gegner spielen dürfen. Am letzten Spieltag kann alles passieren, da hätte ich gerne sechs Punkte, bevor wir auf Deutschland treffen. In dieser Partie brauchen wir einen guten Tag, und am besten erwischt das deutsche Team noch einen schlechten.

Unser 4:3 im Juni 2013 ist kein Maßstab. In Brasilien werden zwei völlig andere Mannschaften auf dem Platz stehen. Wenn dieser Sieg überhaupt etwas bewirkt hat, dann ist bei den Deutschen vielleicht der Respekt vor uns gewachsen. Dabei wäre es mir lieber, wenn sie uns unterschätzen: Dann kann man sie besser überraschen.