BVB: Nationalspieler Gündogan kann es auch auf der "Zehn"

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Vizemeister und Champions-League-Finalist - die vergangene Saison von Borussia Dortmund war trotz etlicher, vor allem internationaler Höhepunkte durchwachsen. Die von Ilkay Gündogan ganz und gar nicht, der Mittelfeldallrounder glänzte beim BVB und setzte sich im Nationalteam durch. Vor dem Ligastart am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) beim FC Augsburg porträtiert Mitarbeiter Nils Hotze für DFB.de den 22-Jährigen.

Der Pass von Jakub Blaszczykowski in die Mitte des Spielfeldes ist eigentlich einen Tick zu lang. Ilkay Gündogan muss einen kleinen Bogen laufen. Doch auch der hindert ihn nicht daran, den Ball fortan im Höchsttempo vor des Gegners Tor zu treiben. Kurz vor dem Strafraum bremst Gündogan abrupt ab, er zieht den Ball mit der linken Sohle hinter dem rechten Bein her, ändert so plötzlich die Laufrichtung, lässt Thomas Müller ins Leere laufen, um schon im nächsten Moment mit rechts aufs Tor zu schießen. Ach was, schießen. Um den Ball schon im nächsten Moment mit so viel Gefühl ins lange Eck zu schlenzen, dass der Betrachter dieser Szene in dieser Sekunde am liebsten eines wäre: der Ball.

Gündogan macht's möglich

Die Szene stammt aus dem Supercup zwischen dem BVB und FC Bayern München. Sie führt zum 3:1 der Dortmunder und in der Folge zum ersten Titelgewinn der noch jungen Saison. Sie zeigt, was aus der zentralen Position hinter der Spitze heraus generell alles möglich ist. Und sie zeigt, was speziell Ilkay Gündogan so alles möglich macht.

Gegen den Meister aus München hat der "Sechser" auf der "Zehn" gespielt. Und weil Dortmunds Neuzugang Henrikh Mkhitaryan nach seinem Syndesmose-Teilriss bis zur Wochenmitte noch nicht wieder voll mit der Mannschaft trainiert hat, ist es wahrscheinlich, dass Gündogan - der am Freitag im Training wegen einer leichten Blessur geschont wurde - diesen Part auch zum Bundesliga-Auftakt am Samstag in Augsburg spielt.

Er kann das. Der Deutsch-Türke ist nach nur zwei Jahren Herz und Hirn seiner Mannschaft. In 56 Bundesligaspielen ist er in dieser Zeit zum Einsatz gekommen; von 68 möglichen, trotz der gerade im Dortmunder Mittelfeld großen Konkurrenz.

Real und Barca haben Interesse

Ilkay Gündogan ist für diese seine Leistung zuletzt reichlich dekoriert worden. Er hat den Sprung in die A-Nationalmannschaft (aktuell sieben Länderspiele) geschafft, und jenen in die Kategorie "Weltklasse" in der Rangliste des kicker-Sportmagazins; als einziger hinter Bastian Schweinsteiger.

Er ist am Ende der vergangenen Saison als einer von fünf deutschen Nationalspielern neben Manuel Neuer, Philipp Lahm, Schweinsteiger und Thomas Müller in die ESM-Elf des Jahres der europäischen Sportjournalisten gewählt worden. Und er ist bereits mit den ganz großen Klubs in Verbindung gebracht worden, mit dem FC Barcelona und mit Real Madrid.

Nachdenken auf der Tribüne - "das war der Wendepunkt"

Eine erstaunliche Entwicklung, deren bemerkenswerteste Komponente die folgende ist: Ilkay Gündogan ist trotz all der Erfolge geblieben, wie er immer war. Freundlich, verbindlich, bescheiden. Er ist klar im Kopf und konkret in seinem Tun. Dies ist der erste Grund für sein Leistungsvermögen, es ist die Grundlage.

Hinzu kommt die Erfahrung eines frühen Rückschlags, der bestenfalls Demut lehrt. Gündogan hat ihn bereits erfahren. Als es nicht rund lief, anfangs, nachdem der Zugang aus Nürnberg medial zum Nachfolger des zuvor alles überstrahlenden Nuri Sahin überhöht worden war, zu einem Nachfolger, der er selbst nie hatte sein wollen, nahm ihn Trainer Jürgen Klopp raus. Er setzte ihn nach einem Drittel der Saison nicht auf die Bank, er setzte ihn gleich auf die Tribüne. Nicht als Strafe, sondern zum Schutz. "Das", hat Gündogan in der Sommerpause im Interview mit dem kicker gesagt, "war der Wendepunkt."

Der Platz hoch oben auf dem Rang, so fern des Spielfelds, habe ihn sehr zum Nachdenken angeregt. Danach habe sich vieles entwickelt. "Mein Spiel, meine Rolle in der Mannschaft", sagt Gündogan. "Ich habe mir das Selbstvertrauen erarbeitet, um Bälle zu erobern und das Spiel nach vorne anzutreiben. Vor zwei Jahren hätte ich mich gar nicht getraut, den Gegner anzugreifen."

Gündogan erfüllt Klopps Credo

Genau das aber ist Ausgangspunkt des so gern so genannten "BVB-Fußballs" unter Jürgen Klopp. Des Trainers Credo lautet: "Gegenpressing ist der kürzeste Weg zum Ballgewinn." Dazu braucht es bedingungslosen läuferischen Einsatz, konsequentes Verschieben, mutiges Attackieren und blitzschnelles Umschalten. Ilkay Gündogan bedient diese Voraussetzungen. Er ist sich für diese Kernkompetenzen des modernen Fußballs nicht zu schade. Er hat die Notwendigkeit dieses reagierenden Parts verinnerlicht, hat verstanden, dass er erst nach Erledigung dieser Arbeit seinen agierenden Teil bestmöglich beitragen kann. Der Rest ist Talent. Besser: Begabung.

Die Sequenzen aus Balleroberung - wie beschrieben - und Spieleröffnung gehören bei Ilkay Gündogan zu ein- und derselben Szene. Jetzt kommen seine technischen, seine strategischen Fähigkeiten zur Geltung. Und sein Mut. Gündogan traut sich, den riskanten Pass zu spielen. Den Pass nach vorn, nicht jenen zur Seite, auch wenn es eng ist. Gündogan sieht Räume, bevor sie der Zuschauer auch nur erahnt. Im selben Moment spielt er seinen Pass.

Es ist ein in der Regel nur kurzer, aber regelrecht fieser Pass. Ein Pass mit vernichtenden Folgen. Er spielt ihn haarscharf an den Abwehrbeinen vorbei, direkt in die Nahtstellen der verteidigenden Mannschaft hinein. Er kann mit diesem einen Pass ganze Abwehrketten sprengen.

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"Das Potenzial ist da für den ganz großen Wurf"

Weil Ilkay Gündogan diesen gestalterischen Part der "Doppel-Sechs" immer schon weiter vorgezogen im Feld interpretierte, als dies beispielsweise Nuri Sahin - sein Vorgänger, dessen Nachfolger er selbst nie sein wollte - tat und tut, fällt es ihm leicht, seine Fähigkeiten auch auf der offensiveren "Zehn" bestmöglich einzubringen. Solange Henrikh Mkhitaryan nicht einsatzfähig ist, dürfte die Position hinter der Spitze jedenfalls mit Gündogan besetzt sein.

Gesetzt sind auch dessen Saisonziele. Nach dem verlorenen Champions-League-Finale von Wembley, in dem der 22-Jährige wie selbstverständlich den Elfmeter zum zwischenzeitlichen 1:1 verwandelt hatte, sagte er: "Wir haben Blut geleckt, und das Potenzial ist da für den ganz großen Wurf." Wir meint hier: sie, die Dortmunder, und ihn, Ilkay Gündogan.

Immerhin steht am Ende der Saison die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien an. Dort könnten Ilkay Gündogan und Thomas Müller dann in einer Mannschaft spielen. Dem Münchner dürfte das recht sein.

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Vizemeister und Champions-League-Finalist - die vergangene Saison von Borussia Dortmund war trotz etlicher, vor allem internationaler Höhepunkte durchwachsen. Die von Ilkay Gündogan ganz und gar nicht, der Mittelfeldallrounder glänzte beim BVB und setzte sich im Nationalteam durch. Vor dem Ligastart am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) beim FC Augsburg porträtiert Mitarbeiter Nils Hotze für DFB.de den 22-Jährigen.

Der Pass von Jakub Blaszczykowski in die Mitte des Spielfeldes ist eigentlich einen Tick zu lang. Ilkay Gündogan muss einen kleinen Bogen laufen. Doch auch der hindert ihn nicht daran, den Ball fortan im Höchsttempo vor des Gegners Tor zu treiben. Kurz vor dem Strafraum bremst Gündogan abrupt ab, er zieht den Ball mit der linken Sohle hinter dem rechten Bein her, ändert so plötzlich die Laufrichtung, lässt Thomas Müller ins Leere laufen, um schon im nächsten Moment mit rechts aufs Tor zu schießen. Ach was, schießen. Um den Ball schon im nächsten Moment mit so viel Gefühl ins lange Eck zu schlenzen, dass der Betrachter dieser Szene in dieser Sekunde am liebsten eines wäre: der Ball.

Gündogan macht's möglich

Die Szene stammt aus dem Supercup zwischen dem BVB und FC Bayern München. Sie führt zum 3:1 der Dortmunder und in der Folge zum ersten Titelgewinn der noch jungen Saison. Sie zeigt, was aus der zentralen Position hinter der Spitze heraus generell alles möglich ist. Und sie zeigt, was speziell Ilkay Gündogan so alles möglich macht.

Gegen den Meister aus München hat der "Sechser" auf der "Zehn" gespielt. Und weil Dortmunds Neuzugang Henrikh Mkhitaryan nach seinem Syndesmose-Teilriss bis zur Wochenmitte noch nicht wieder voll mit der Mannschaft trainiert hat, ist es wahrscheinlich, dass Gündogan - der am Freitag im Training wegen einer leichten Blessur geschont wurde - diesen Part auch zum Bundesliga-Auftakt am Samstag in Augsburg spielt.

Er kann das. Der Deutsch-Türke ist nach nur zwei Jahren Herz und Hirn seiner Mannschaft. In 56 Bundesligaspielen ist er in dieser Zeit zum Einsatz gekommen; von 68 möglichen, trotz der gerade im Dortmunder Mittelfeld großen Konkurrenz.

Real und Barca haben Interesse

Ilkay Gündogan ist für diese seine Leistung zuletzt reichlich dekoriert worden. Er hat den Sprung in die A-Nationalmannschaft (aktuell sieben Länderspiele) geschafft, und jenen in die Kategorie "Weltklasse" in der Rangliste des kicker-Sportmagazins; als einziger hinter Bastian Schweinsteiger.

Er ist am Ende der vergangenen Saison als einer von fünf deutschen Nationalspielern neben Manuel Neuer, Philipp Lahm, Schweinsteiger und Thomas Müller in die ESM-Elf des Jahres der europäischen Sportjournalisten gewählt worden. Und er ist bereits mit den ganz großen Klubs in Verbindung gebracht worden, mit dem FC Barcelona und mit Real Madrid.

Nachdenken auf der Tribüne - "das war der Wendepunkt"

Eine erstaunliche Entwicklung, deren bemerkenswerteste Komponente die folgende ist: Ilkay Gündogan ist trotz all der Erfolge geblieben, wie er immer war. Freundlich, verbindlich, bescheiden. Er ist klar im Kopf und konkret in seinem Tun. Dies ist der erste Grund für sein Leistungsvermögen, es ist die Grundlage.

Hinzu kommt die Erfahrung eines frühen Rückschlags, der bestenfalls Demut lehrt. Gündogan hat ihn bereits erfahren. Als es nicht rund lief, anfangs, nachdem der Zugang aus Nürnberg medial zum Nachfolger des zuvor alles überstrahlenden Nuri Sahin überhöht worden war, zu einem Nachfolger, der er selbst nie hatte sein wollen, nahm ihn Trainer Jürgen Klopp raus. Er setzte ihn nach einem Drittel der Saison nicht auf die Bank, er setzte ihn gleich auf die Tribüne. Nicht als Strafe, sondern zum Schutz. "Das", hat Gündogan in der Sommerpause im Interview mit dem kicker gesagt, "war der Wendepunkt."

Der Platz hoch oben auf dem Rang, so fern des Spielfelds, habe ihn sehr zum Nachdenken angeregt. Danach habe sich vieles entwickelt. "Mein Spiel, meine Rolle in der Mannschaft", sagt Gündogan. "Ich habe mir das Selbstvertrauen erarbeitet, um Bälle zu erobern und das Spiel nach vorne anzutreiben. Vor zwei Jahren hätte ich mich gar nicht getraut, den Gegner anzugreifen."

Gündogan erfüllt Klopps Credo

Genau das aber ist Ausgangspunkt des so gern so genannten "BVB-Fußballs" unter Jürgen Klopp. Des Trainers Credo lautet: "Gegenpressing ist der kürzeste Weg zum Ballgewinn." Dazu braucht es bedingungslosen läuferischen Einsatz, konsequentes Verschieben, mutiges Attackieren und blitzschnelles Umschalten. Ilkay Gündogan bedient diese Voraussetzungen. Er ist sich für diese Kernkompetenzen des modernen Fußballs nicht zu schade. Er hat die Notwendigkeit dieses reagierenden Parts verinnerlicht, hat verstanden, dass er erst nach Erledigung dieser Arbeit seinen agierenden Teil bestmöglich beitragen kann. Der Rest ist Talent. Besser: Begabung.

Die Sequenzen aus Balleroberung - wie beschrieben - und Spieleröffnung gehören bei Ilkay Gündogan zu ein- und derselben Szene. Jetzt kommen seine technischen, seine strategischen Fähigkeiten zur Geltung. Und sein Mut. Gündogan traut sich, den riskanten Pass zu spielen. Den Pass nach vorn, nicht jenen zur Seite, auch wenn es eng ist. Gündogan sieht Räume, bevor sie der Zuschauer auch nur erahnt. Im selben Moment spielt er seinen Pass.

Es ist ein in der Regel nur kurzer, aber regelrecht fieser Pass. Ein Pass mit vernichtenden Folgen. Er spielt ihn haarscharf an den Abwehrbeinen vorbei, direkt in die Nahtstellen der verteidigenden Mannschaft hinein. Er kann mit diesem einen Pass ganze Abwehrketten sprengen.

[bild2]

"Das Potenzial ist da für den ganz großen Wurf"

Weil Ilkay Gündogan diesen gestalterischen Part der "Doppel-Sechs" immer schon weiter vorgezogen im Feld interpretierte, als dies beispielsweise Nuri Sahin - sein Vorgänger, dessen Nachfolger er selbst nie sein wollte - tat und tut, fällt es ihm leicht, seine Fähigkeiten auch auf der offensiveren "Zehn" bestmöglich einzubringen. Solange Henrikh Mkhitaryan nicht einsatzfähig ist, dürfte die Position hinter der Spitze jedenfalls mit Gündogan besetzt sein.

Gesetzt sind auch dessen Saisonziele. Nach dem verlorenen Champions-League-Finale von Wembley, in dem der 22-Jährige wie selbstverständlich den Elfmeter zum zwischenzeitlichen 1:1 verwandelt hatte, sagte er: "Wir haben Blut geleckt, und das Potenzial ist da für den ganz großen Wurf." Wir meint hier: sie, die Dortmunder, und ihn, Ilkay Gündogan.

Immerhin steht am Ende der Saison die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien an. Dort könnten Ilkay Gündogan und Thomas Müller dann in einer Mannschaft spielen. Dem Münchner dürfte das recht sein.