BVB-Legende "Aki" Schmidt: "Außenseiter sein liegt uns"

Borussia Dortmund gegen Bayern München, das erste rein deutsche Endspiel im wichtigsten Klubwettbewerb Europas, am Samstag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF und bei Sky) im Londoner Wembleystadion. Vor dem geschichtsträchtigen deutschen Duell in der Champions League schaut DFB.de zurück in die Fußballgeschichte.

Alfred Schmidt, genannt Aki, ist bei Borussia Dortmund eine Legende. Mit dem BVB gewann der Mittelfeldregisseur 1957 und 1963 die Deutsche Meisterschaft, 1965 den DFB-Pokal und ein Jahr später den Europapokal der Pokalsieger - der erste Europapokalerfolg einer deutschen Mannschaft überhaupt.

In der Nationalmannschaft war Schmidt unter Bundestrainer Sepp Herberger der erste BVB-Spieler, der Kapitän des DFB-Teams wurde. Der heute 77-Jährige lebt immer noch seine Fußball-Leidenschaft, macht bei Borussia Dortmund Stadionführungen, sitzt im BVB-Ältestenrat und ist Gründungsmitglied des Fanclubs "Einigkeit".

Im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Thorsten Langenbahn spricht der Europacupheld von 1966 über den Triumph gegen den FC Liverpool, Parallelen zum heutigen BVB-Team vor dem Champions-League-Finale gegen den FC Bayern - und er erzählt, warum Bundestrainer Sepp Herberger ihm einst ein Akkordeon schenkte.

DFB.de: Herr Schmidt, 2013 wird es nach zwölf Jahren wieder einen deutschen Champions-League-Sieger geben. Was heißt das für die Nationalmannschaft?

Alfred "Aki" Schmidt: Das hat für den gesamten Fußball in Deutschland eine große Bedeutung. Wir sind die Nummer eins in Europa. Borussia Dortmund ist schon bekannt in der Welt, aber wird dadurch noch bekannter. Und unsere Spieler, die mit zur WM fahren, kriegen noch einen Schub, wenn sie Champions-League-Sieger werden.

DFB.de: Welche Parallelen gibt es zwischen der Dortmunder Europapokalsiegermannschaft von 1966 und dem heutigen BVB-Team?

Schmidt: Die Jungs heute sind natürlich viel schneller. Aber die Mannschaft ist in den letzten beiden Jahren gewachsen und kommt wie wir damals über den Teamgeist. Bei uns kamen ja fast alle direkt aus Dortmund, die Eltern waren richtige Malocher - das hat uns einen wahnsinnigen Zusammenhalt gegeben. Sigi Held war unser einziger "Ausländer". Der kam aus Offenbach, 200 Kilometer weit weg. Und Klopp heute ist ja authentisch, der könnte auch hier geboren sein.



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Borussia Dortmund gegen Bayern München, das erste rein deutsche Endspiel im wichtigsten Klubwettbewerb Europas, am Samstag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF und bei Sky) im Londoner Wembleystadion. Vor dem geschichtsträchtigen deutschen Duell in der Champions League schaut DFB.de zurück in die Fußballgeschichte.

Alfred Schmidt, genannt Aki, ist bei Borussia Dortmund eine Legende. Mit dem BVB gewann der Mittelfeldregisseur 1957 und 1963 die Deutsche Meisterschaft, 1965 den DFB-Pokal und ein Jahr später den Europapokal der Pokalsieger - der erste Europapokalerfolg einer deutschen Mannschaft überhaupt.

In der Nationalmannschaft war Schmidt unter Bundestrainer Sepp Herberger der erste BVB-Spieler, der Kapitän des DFB-Teams wurde. Der heute 77-Jährige lebt immer noch seine Fußball-Leidenschaft, macht bei Borussia Dortmund Stadionführungen, sitzt im BVB-Ältestenrat und ist Gründungsmitglied des Fanclubs "Einigkeit".

Im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Thorsten Langenbahn spricht der Europacupheld von 1966 über den Triumph gegen den FC Liverpool, Parallelen zum heutigen BVB-Team vor dem Champions-League-Finale gegen den FC Bayern - und er erzählt, warum Bundestrainer Sepp Herberger ihm einst ein Akkordeon schenkte.

DFB.de: Herr Schmidt, 2013 wird es nach zwölf Jahren wieder einen deutschen Champions-League-Sieger geben. Was heißt das für die Nationalmannschaft?

Alfred "Aki" Schmidt: Das hat für den gesamten Fußball in Deutschland eine große Bedeutung. Wir sind die Nummer eins in Europa. Borussia Dortmund ist schon bekannt in der Welt, aber wird dadurch noch bekannter. Und unsere Spieler, die mit zur WM fahren, kriegen noch einen Schub, wenn sie Champions-League-Sieger werden.

DFB.de: Welche Parallelen gibt es zwischen der Dortmunder Europapokalsiegermannschaft von 1966 und dem heutigen BVB-Team?

Schmidt: Die Jungs heute sind natürlich viel schneller. Aber die Mannschaft ist in den letzten beiden Jahren gewachsen und kommt wie wir damals über den Teamgeist. Bei uns kamen ja fast alle direkt aus Dortmund, die Eltern waren richtige Malocher - das hat uns einen wahnsinnigen Zusammenhalt gegeben. Sigi Held war unser einziger "Ausländer". Der kam aus Offenbach, 200 Kilometer weit weg. Und Klopp heute ist ja authentisch, der könnte auch hier geboren sein.

DFB.de: Wie hat der BVB anno 1966 gespielt?

Schmidt: Sehr effektiv. Bei uns ging es nicht lange im Mittelfeld hin und her, wir waren ruckzuck vorm gegnerischen Tor. Wir haben damals schon in einem 4-3-3 gespielt, ganz vorne Stan Libuda als Rechtsaußen, Sigi Held Mittelstürmer, Lothar Emmerich links und ich zentral dahinter. Wir waren in der Spitze vorne die Kreativsten der Bundesliga, Herberger war begeistert von unserer Spielart.

DFB.de: Auf europäischer Bühne musste der BVB auch in den Sechzigern zunächst Lehrgeld bezahlen, oder?

Schmidt: Wir hatten nach der Meisterschaft 1964 im Cup der Landesmeister unsere Europaerfahrungen gesammelt. Da sind wir im Halbfinale gegen Inter Mailand ausgeschieden, die damals eine Ausnahmemannschaft waren. Diese Erfahrung kam uns 1966 zugute. Wir hatten viel Erfahrung und viele Nationalspieler mit Hans Tilkowski im Tor, Theo Redder, Libuda, Held, Emma und mir.

DFB.de: Trotzdem war der BVB im Finale 1966 gegen Liverpool Außenseiter. Wie schätzen Sie die Ausgangslage 47 Jahre später ein?

Schmidt: Der BVB ist jetzt auch wieder Außenseiter. Außenseiter sein - das liegt uns. Vielleicht liegt das an der Mentalität, an unserem ganzen Verein und den Fans. Die wollen gar nicht, dass man haushoher Favorit ist. Sollen die da unten im Süden ruhig auf den Putz kloppen. Das Volk hier ist bescheiden und immer bescheiden geblieben. Liverpool war damals die Topmannschaft in England und sehr überheblich. Der Trainer Bill Shankly hatte uns vorher nicht einmal beobachtet. Die Mannschaft kam uns entgegen. Wir kamen vom Spielerischen, die kamen von der Kraft und vom Tempo. Ausspielen konnten sie uns nicht...

DFB.de: Wie sich im Finale beweisen sollte. Wie haben Sie die Tore vom 2:1 in Erinnerung?

Schmidt: Das erste Tor von Sigi Held war aus einem Konter heraus. Ich hatte Emma auf der linken Seite angespielt, der kam gut vorbei und brachte eine Maßflanke auf Sigi Held, der den Ball direkt nahm. Das 1:1 durfte eigentlich nicht gegeben werden, weil der Ball vor der Flanke im Aus war. Beim 2:1 in der Verlängerung hat Libuda den Ball an den Innenpfosten geschossen, ein Engländer ist mit dem Ball ins Tor gefallen, ich weiß gar nicht, ob der sonst reingegangen wäre. Danach kamen die schlimmsten acht Minuten meines Lebens. Die Liverpooler haben uns noch schön in die Mangel genommen. Was wir da alles rausgedonnert haben. Wir haben’s dann über die Zeit gebracht - Wahnsinn!

DFB.de: Wie sah anschließend der Triumphzug durch Dortmund aus?

Schmidt: Der war wie noch nie - bis heute. Was sich da abgespielt hat, da war ganz Dortmund unterwegs. Wir sind in Köln gelandet, schon am Flugzeug standen die Leute, das ist normal gar nicht möglich. Die ganze Autobahn von Köln bis Dortmund war von Menschen übersät. Dann sind wir in Dortmund rein, zum Borsigplatz, da sind wir aus dem Bus in die kleinen offenen Autos umgestiegen und ein paar mal um den Borsigplatz herum. Dann ging es zum Friedensplatz, also zum Rathaus - das hat Stunden gedauert. Wir kamen überhaupt nicht durch.

DFB.de: Und die Stimmung?

Schmidt: Die war riesig. Uns haben sie die Klamotten vom Leib gerissen. Wir waren am Tag nach dem Spiel natürlich richtig kaputt, ich hatte die Nacht überhaupt nicht geschlafen, weil ich einen Schlag gegen den Kiefer bekommen hatte. Der Kiefer stand etwas schief, und ich konnte gar nichts essen, sondern nur trinken - und das war gut so. (lacht)

DFB.de: Wie groß war damals die bundesweite Anerkennung?

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Schmidt: Wir waren die Könige. Das war ja das Schlimme dabei, das man uns in den Himmel gehoben hat. Wir kamen überhaupt nicht mehr runter. Wir hatten ja noch die deutsche Meisterschaft vor der Brust. In Dortmund haben wir gegen 1860 München 0:2 verloren. Das Spiel hätten wir normal nie verloren. Aber wir kamen überhaupt nicht mehr zur Ruhe. Bei mir war jede Nacht Zirkus. Da kamen die Fans aus der Kneipe, haben uns wach gemacht - und dann musstest du noch ein Bier oder einen Wein ausgeben. Da war die Hölle los, das war unglaublich.

DFB.de: Was für eine Prämie gab es damals für den Titel?

Schmidt: 6000 Mark Gewinnprämie. Das war damals gut. Liverpool hätte 15.000 gekriegt, das haben wir alles gewusst. In der Bundesliga gab es damals 1200 Mark im Monat. Ich habe mehr gekriegt, weil ich 25 Länderspiele hatte. Auch die anderen Nationalspieler - Libuda, Held, Emmerich, Ridder, Tilkowski - haben mehr gekriegt.

DFB.de: Welcher Erinnerungen haben Sie an die Nationalmannschaft?

Schmidt: Nur gute, natürlich! Ich habe damals als Kapitän der Nationalmannschaft die Abschiedsrede von Sepp Herberger halten dürfen. Da sind mir schon die Tränen gekommen. Ich war einer seiner Freunde, er hat mich öfter angerufen, war bei mir zu Hause zu Besuch und ich bei ihm. Herberger war für mich wie ein väterlicher Freund.

DFB.de: 2011 haben Sie beim BVB-Meistersong "Rubbeldikatz am Borsigplatz" das Akkordeon gespielt. Ist das Akkordeon früher auch bei der Nationalmannschaft mit auf Reisen gegangen?

Schmidt: Nicht immer. Herberger hatte mal den Wunsch geäußert, ich solle doch das Akkordeon mitnehmen. Er hat mir dann auch von sich aus eins geschenkt, damit ich meins nicht mitzunehmen brauchte. Er hat immer gerne gemeinsame Lieder gesungen, das hat der Mannschaft noch mal einen Impuls gegeben. Bevor wir zum Training fuhren oder zurückgekommen sind, habe ich dann gespielt. Fritz Walter und Hans Schäfer wollten damals immer die gängigen Lieder hören, unter anderem "Hoch auf dem gelben Wagen". Herberger mochte besonders gerne "Fliege mit mir in den Himmel".