BVB: Gündogan und die Hebelwirkung

Vor dem letzten Gruppenspiel in der Champions League gegen RSC Anderlecht heute (ab 20.45 Uhr, live auf Sky) scheint Jürgen Klopp seine Formation für die verbleibenden Spiele bis zur Winterpause gefunden zu haben. Dass er nach der überzeugenden und erfolgreichen Vorstellung beim 1:0 gegen die TSG Hoffenheim noch einmal massiv an seinem Gebilde herumschrauben wird, ist jedenfalls unwahrscheinlich. Der Trainer selbst sagt: "Das Spiel gegen Anderlecht passt perfekt - für unseren Rhythmus und die Entwicklung unseres Spiels."

Gegen den Belgischen Meister muss Dortmunds Trainer einzig den verletzten Sebastian Kehl (Prellungen an Rippen und Oberschenkel) ersetzen. Das bedeutet: Jürgen Klopp dürfte, falls der Australier Mitch Langerak für Roman Weidenfeller im Tor bleibt, vorerst weiter ohne vier Weltmeister spielen lassen - und mit Nationalspieler Ilkay Gündogan, der das Weltturnier in Brasilien und so vieles mehr verletzt verpasst hatte.

Gündogan: "Ich hoffe, dass wir jetzt eine kleine Serie starten"

Der 24-Jährige tat am späten Freitagabend, was Dortmunder zuletzt so selten getan haben: Er lächelte. Und er gewährte einen Einblick in sein Seelenleben: "Es hat heute sehr viel Spaß gemacht", versicherte Gündogan der Journalistentraube glaubhaft. Und fügte sogleich an: "Ich hoffe, dass wir jetzt eine kleine Serie starten, aus den restlichen Spielen das Maximum rausholen und 2015 voller Kraft und voller Selbstvertrauen in die Rückrunde starten." Er genoss dabei Lob und Anerkennung für seine starke Leistung und sein erstes, den Sieg bringende Saisontor. Lange genug hatte der Hochbegabte auf diesen Moment warten müssen.

Lange genug haben Jürgen Klopp und all die anderen Entscheidungsträger beim BVB auf ihn gewartet. Diese Geduld könnte sich nun auszahlen. Denn entgegen der großen Versuchung, den 434 Tage wegen einer tückischen Reizung einer Nervenwurzel im Rücken absenten Spielgestalter sofort wieder in die zu diesem Zeitpunkt nicht funktionierende Mannschaft zu werfen, haben sie Ilkay Gündogan langsam wieder aufgebaut. Nach seinem Comeback in Köln Mitte Oktober spielte der Nationalspieler erst Ende November wieder über die volle Distanz. Mit jedem geführten Zweikampf, mit jeder überstandenen Belastungseinheit kehrte ein Stück mehr Vertrauen in seinen Körper zurück. Jenes in seine Fähigkeiten war ohnehin nie weg.

Gündogan bringt die Überraschung ins BVB-Spiel zurück

Gegen Hoffenheim legte Ilkay Gündogan nun einen Großteil dieser Qualitäten erstmals wieder über die Dauer eines ganzen Spiels offen. Sein Treffer zum 1:0 - sein erster in dieser Saison, der erste nach seiner langen Verletzungspause, der erste in der Liga seit dem 13. April 2013, sein erster per Kopf für Dortmund und überhaupt erst der zweite per Kopf in seiner Profikarriere - half dabei kurzfristig. Er linderte die größte Not, sorgte dafür, dass der BVB von diesem für seine Ansprüche absurd anmutenden letzten Tabellenplatz zumindest ein Stück nach oben kletterte. Das war wichtig.

Wichtiger indes ist das, was Ilkay Gündogan gegen Hoffenheim sonst so auf dem Rasenviereck zeigte: Kraft. Frische. Spielfreude. Mut. Stärke. Ilkay Gündogan wirkte nicht mehr wie eine ausgepresste Zitrone. Er lief satte 11,3 Kilometer. Und er traute sich was zu, war risikobereit. Seine Pässe waren kurz und hart, schnittig, dadurch schneidig. Mitunter fliegen die Bälle in seinem Dunstkreis wie in einem Flipperautomaten. Er versteht es wie nur wenige, auch enge Situationen spielerisch aufzulösen - zumeist mit einer einzigen Ballberührung. Er sieht dabei Räume, bevor sie sich auftun. Er gibt dem Dortmunder Spiel damit etwas, das man lange vermisst hat: etwas Überraschendes.

Dass der Nationalspieler dabei erstmals wieder auf der offensiveren Position wirkte, kann allenfalls ungeübte BVB-Betrachter überrascht haben. Immer mal wieder hat er bereits vorgezogen agiert. Grundsätzlich ist Ilkay Gündogan ein Spieler, der mit offenem Visier auf den Gegner drauf geht, der teilweise draufgängerisch ist, der den Ball jagt und - wenn er ihn hat - in aller Regel kurz und hart nach vorne und eben nicht lang und hoch oder gar zur Seite spielt. Hier ist er seit jeher anders veranlagt als beispielsweise Mitspieler Nuri Sahin, der eher aus der Tiefe kommt und dessen Nachfolger er entgegen all der anfänglichen Beschreibungen, die ihn als eben diesen gesehen hatten, nie sein wollte.

Spiel gegen Hoffenheim "ein Schritt in die richtige Richtung"

Die Vorstellung gegen Hoffenheim in ihrer Gesamtheit hat jedenfalls das Gefühl vermittelt, dass Ilkay Gündogan jetzt wieder richtig angekommen ist im Profifußball. Und davon wiederum könnte für Borussia Dortmund eine bedeutsame Hebelwirkung ausgehen. Denn der 24-Jährige ist unbelastet, ist frei von all den grotesken Fehlern, die seinen Mitspielern in einer verrückten Halbserie unterlaufen sind. Er könnte jetzt der Spieler sein, der die anderen mit seinen Ideen nicht nur inszeniert, sondern auch inspiriert.

Ilkay Gündogan selbst wollte naturgemäß bei weitem nicht so weit gehen. Er sagte lediglich: "Gegen Hoffenheim habe ich mich gut gefühlt. Es war ein Schritt in die richtige Richtung. Aber nach der langen Zeit merke ich, wie schwer es ist, Fuß zu fassen. Der Rücken ist top, aber der Rest muss sich erst noch anpassen."

Deutlicher wurde da schon BVB-Kapitän Mats Hummels, der daran erinnerte, wie weit Gündogan schon einmal war: "Ilkay war vor der Verletzung eineinhalb Jahre", sagte der vorerst einzig verbliebene Weltmeister in der Startformation von Borussia Dortmund, "einer der besten Sechser oder Achter der Welt." So weit ist Ilkay Gündogan noch nicht wieder. So weit kann er noch nicht wieder sein. Aber er ist auf einem guten Weg.

[nh]

Vor dem letzten Gruppenspiel in der Champions League gegen RSC Anderlecht heute (ab 20.45 Uhr, live auf Sky) scheint Jürgen Klopp seine Formation für die verbleibenden Spiele bis zur Winterpause gefunden zu haben. Dass er nach der überzeugenden und erfolgreichen Vorstellung beim 1:0 gegen die TSG Hoffenheim noch einmal massiv an seinem Gebilde herumschrauben wird, ist jedenfalls unwahrscheinlich. Der Trainer selbst sagt: "Das Spiel gegen Anderlecht passt perfekt - für unseren Rhythmus und die Entwicklung unseres Spiels."

Gegen den Belgischen Meister muss Dortmunds Trainer einzig den verletzten Sebastian Kehl (Prellungen an Rippen und Oberschenkel) ersetzen. Das bedeutet: Jürgen Klopp dürfte, falls der Australier Mitch Langerak für Roman Weidenfeller im Tor bleibt, vorerst weiter ohne vier Weltmeister spielen lassen - und mit Nationalspieler Ilkay Gündogan, der das Weltturnier in Brasilien und so vieles mehr verletzt verpasst hatte.

Gündogan: "Ich hoffe, dass wir jetzt eine kleine Serie starten"

Der 24-Jährige tat am späten Freitagabend, was Dortmunder zuletzt so selten getan haben: Er lächelte. Und er gewährte einen Einblick in sein Seelenleben: "Es hat heute sehr viel Spaß gemacht", versicherte Gündogan der Journalistentraube glaubhaft. Und fügte sogleich an: "Ich hoffe, dass wir jetzt eine kleine Serie starten, aus den restlichen Spielen das Maximum rausholen und 2015 voller Kraft und voller Selbstvertrauen in die Rückrunde starten." Er genoss dabei Lob und Anerkennung für seine starke Leistung und sein erstes, den Sieg bringende Saisontor. Lange genug hatte der Hochbegabte auf diesen Moment warten müssen.

Lange genug haben Jürgen Klopp und all die anderen Entscheidungsträger beim BVB auf ihn gewartet. Diese Geduld könnte sich nun auszahlen. Denn entgegen der großen Versuchung, den 434 Tage wegen einer tückischen Reizung einer Nervenwurzel im Rücken absenten Spielgestalter sofort wieder in die zu diesem Zeitpunkt nicht funktionierende Mannschaft zu werfen, haben sie Ilkay Gündogan langsam wieder aufgebaut. Nach seinem Comeback in Köln Mitte Oktober spielte der Nationalspieler erst Ende November wieder über die volle Distanz. Mit jedem geführten Zweikampf, mit jeder überstandenen Belastungseinheit kehrte ein Stück mehr Vertrauen in seinen Körper zurück. Jenes in seine Fähigkeiten war ohnehin nie weg.

Gündogan bringt die Überraschung ins BVB-Spiel zurück

Gegen Hoffenheim legte Ilkay Gündogan nun einen Großteil dieser Qualitäten erstmals wieder über die Dauer eines ganzen Spiels offen. Sein Treffer zum 1:0 - sein erster in dieser Saison, der erste nach seiner langen Verletzungspause, der erste in der Liga seit dem 13. April 2013, sein erster per Kopf für Dortmund und überhaupt erst der zweite per Kopf in seiner Profikarriere - half dabei kurzfristig. Er linderte die größte Not, sorgte dafür, dass der BVB von diesem für seine Ansprüche absurd anmutenden letzten Tabellenplatz zumindest ein Stück nach oben kletterte. Das war wichtig.

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Wichtiger indes ist das, was Ilkay Gündogan gegen Hoffenheim sonst so auf dem Rasenviereck zeigte: Kraft. Frische. Spielfreude. Mut. Stärke. Ilkay Gündogan wirkte nicht mehr wie eine ausgepresste Zitrone. Er lief satte 11,3 Kilometer. Und er traute sich was zu, war risikobereit. Seine Pässe waren kurz und hart, schnittig, dadurch schneidig. Mitunter fliegen die Bälle in seinem Dunstkreis wie in einem Flipperautomaten. Er versteht es wie nur wenige, auch enge Situationen spielerisch aufzulösen - zumeist mit einer einzigen Ballberührung. Er sieht dabei Räume, bevor sie sich auftun. Er gibt dem Dortmunder Spiel damit etwas, das man lange vermisst hat: etwas Überraschendes.

Dass der Nationalspieler dabei erstmals wieder auf der offensiveren Position wirkte, kann allenfalls ungeübte BVB-Betrachter überrascht haben. Immer mal wieder hat er bereits vorgezogen agiert. Grundsätzlich ist Ilkay Gündogan ein Spieler, der mit offenem Visier auf den Gegner drauf geht, der teilweise draufgängerisch ist, der den Ball jagt und - wenn er ihn hat - in aller Regel kurz und hart nach vorne und eben nicht lang und hoch oder gar zur Seite spielt. Hier ist er seit jeher anders veranlagt als beispielsweise Mitspieler Nuri Sahin, der eher aus der Tiefe kommt und dessen Nachfolger er entgegen all der anfänglichen Beschreibungen, die ihn als eben diesen gesehen hatten, nie sein wollte.

Spiel gegen Hoffenheim "ein Schritt in die richtige Richtung"

Die Vorstellung gegen Hoffenheim in ihrer Gesamtheit hat jedenfalls das Gefühl vermittelt, dass Ilkay Gündogan jetzt wieder richtig angekommen ist im Profifußball. Und davon wiederum könnte für Borussia Dortmund eine bedeutsame Hebelwirkung ausgehen. Denn der 24-Jährige ist unbelastet, ist frei von all den grotesken Fehlern, die seinen Mitspielern in einer verrückten Halbserie unterlaufen sind. Er könnte jetzt der Spieler sein, der die anderen mit seinen Ideen nicht nur inszeniert, sondern auch inspiriert.

Ilkay Gündogan selbst wollte naturgemäß bei weitem nicht so weit gehen. Er sagte lediglich: "Gegen Hoffenheim habe ich mich gut gefühlt. Es war ein Schritt in die richtige Richtung. Aber nach der langen Zeit merke ich, wie schwer es ist, Fuß zu fassen. Der Rücken ist top, aber der Rest muss sich erst noch anpassen."

Deutlicher wurde da schon BVB-Kapitän Mats Hummels, der daran erinnerte, wie weit Gündogan schon einmal war: "Ilkay war vor der Verletzung eineinhalb Jahre", sagte der vorerst einzig verbliebene Weltmeister in der Startformation von Borussia Dortmund, "einer der besten Sechser oder Achter der Welt." So weit ist Ilkay Gündogan noch nicht wieder. So weit kann er noch nicht wieder sein. Aber er ist auf einem guten Weg.