BVB gegen Schalke: Lehmanns Kopfballtor und böse Abfuhren

Die Anfänge

Am 3. Mai 1925 trifft der BVB im Rahmen einer Dreierrunde um die Bezirksmeisterschaft erstmals auf den damals weit bedeutenderen FC Schalke 04 und unterliegt 2:4. Danach wurde es in der Regel deftiger: der Serienmeister der Nazi-Zeit gewann 14 von 16 Gauligaspielen bei 84:11 Toren. Am 20. Oktober 1940 wurde es sogar zweistellig (10:0) und der Kicker verdeutlichte die Machtverhältnisse gleich im ersten Satz seines Spielberichts: "Wenn Borussia Dortmund nach Schalke muß, dann ist man im Lager der Dortmunder auf eine hohe Abfuhr gefasst." Nun, das sollte sich ändern.

Im Oktober 1943 leisteten sich die Knappen nach 18 Jahren die erste Derbyniederlage (0:1) überhaupt und die Borussia benannte das neue Klubhaus nach dem Torschützen, ihrem ersten Nationalspieler August Lenz. Nach dem Krieg wendete sich das Blatt. Borussia holte gewaltig auf, und als sie am 18. Mai 1947 gegen Schalke den Westfalen-Pokal gewann, schwänzten die Blau-Weißen verärgert die Siegerehrung. Es war nur ein Vorgeschmack: vor Bundesligagründung wurde der BVB dreimal Deutscher Meister, Schalke nur einmal (1958), und verbuchte in den Oberligaspielen, die in den Fünfzigern die bestbesuchten im deutschen Fußball waren eine positive Bilanz. Rote Erde und Glückauf-Kampfbahn meldeten stets ausverkauft in den letzten Tagen des Amateurfußballs.

Die Bundesliga-Premiere

7. September 1963, Schalke - BVB 3:1 : An diesem Tag kommt der BVB in die Glückauf-Kampfbahn, für beide ist es erst das dritte Bundesliga-Spiel überhaupt. Vor 38.000 Zuschauern schießt Reinhold Wosab den BVB früh in Führung (6. Minute), aber am Ende lacht der Schalker. Manfred Berz gleicht kurz vor der Pause durch "ein pfundiges Tor" (WAZ) aus (44.). Waldemar Gerhardt (51.) per Solo und Lothar Geisler (55.) per Eigentor nach einer scharfen Libuda-Flanke geben dem Spiel binnen vier Minuten die entscheidende Wende.

Die WAZ titelt eigentümlich: "Schalke demonstrierte Fußball-Technik". Als wäre das eine Seltenheit. Vor dem Spiel hat Schalke noch artig mit Blumen dem BVB zum Meistertitel gratuliert, zum Schluss aber hat es Spaß an der Demütigung des Rivalen. "Sie zauberten und kreiselten, sie schlugen Haken und zeichneten Arabesken, tanzten Ringelreigen und Walzer, aber das waren brotlose Künste", tadelt das Sport Magazin Schalkes Lust an der Vorführung des Lieblingsfeindes. Es sollte sich rächen.



Das Derby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 elektrisiert das Ruhrgebiet mindestens zweimal pro Saison. Am Sonntag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) ist es am 12. Spieltag der Bundesliga wieder soweit. DFB.de erzählt die Vorgeschichte des Revierderbys.

Es gibt auch in diesem Spiel nur drei Punkte und doch ist es keines wie jedes andere. Weder für die Schalker noch für die Dortmunder. Es geht um die Macht im Revier, ums Prestige die Nummer eins im "Pott" zu sein. Für die Fans beider Lager sind es stets die beiden wichtigsten Spiele der Saison, ganz egal was die Tabelle aussagt. Kaum zu glauben. Nur wer im Ruhrpott lebt weiß, dass es wirklich so ist. Das Mitglied der Dortmunder Europacupsieger-Elf anno 1966, Alfred "Aki" Schmidt, berichtete mal, schon zu seiner Zeit wäre das BVB-Motto gewesen: "Lieber Schalke schlagen als Meister werden."

Herzliche Abneigung

Und als der Kult-Schalker Yves Eigenrauch Ende 1992 ein paar Tage vor dem Derby auf einem Fanklubtreffen saß, sagten ihm blau-weiße Anhänger: "Ihr könnt ruhig absteigen, wenn ihr nur wieder gegen Dortmund gewinnt." Immerhin haben sie Dortmund gesagt, im Fanjargon ist ja mittlerweile "Lüdenscheid-Nord" Usus, so wie ein echter Borusse auch nie von Gelsenkirchen, geschweige denn Schalke, sondern nur von "Herne-West" redet. Schmähungen gehören zum Vorspiel, im Internet kursieren Seiten mit Schalke- und Dortmund-Witzen, über die jeweils nur der andere lacht.

Die herzliche Abneigung gehört zu diesem Derby wie die Portion Pommes zur Currywurst. Am Sonntag steigt schon die 169. Auflage, in der Bundesliga ist es die Nummer 87. "In diesem Spiel gibt es eigentlich keinen Favorit", sagte der mittlerweile verstorbene Ex-Nationalspieler Rolf Rüssmann, der es wissen muss. Er gehört zu den mutigen Grenzgängern, die ungeachtet aller Rivalität für beide Klubs gespielt haben. Auch Stars wie Jens Lehmann, Andreas Möller oder Stan Libuda wagten das eigentlich Undenkbare und mussten mit Anfeindungen leben. Natürlich muss sich jede echte Rivalität entwickeln. Nachbarschaft allein reicht da nicht, im fußballbegeisterten Westen mit seinem guten Dutzend von namhaften Traditionsklubs schon gar nicht.

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Die Anfänge

Am 3. Mai 1925 trifft der BVB im Rahmen einer Dreierrunde um die Bezirksmeisterschaft erstmals auf den damals weit bedeutenderen FC Schalke 04 und unterliegt 2:4. Danach wurde es in der Regel deftiger: der Serienmeister der Nazi-Zeit gewann 14 von 16 Gauligaspielen bei 84:11 Toren. Am 20. Oktober 1940 wurde es sogar zweistellig (10:0) und der Kicker verdeutlichte die Machtverhältnisse gleich im ersten Satz seines Spielberichts: "Wenn Borussia Dortmund nach Schalke muß, dann ist man im Lager der Dortmunder auf eine hohe Abfuhr gefasst." Nun, das sollte sich ändern.

Im Oktober 1943 leisteten sich die Knappen nach 18 Jahren die erste Derbyniederlage (0:1) überhaupt und die Borussia benannte das neue Klubhaus nach dem Torschützen, ihrem ersten Nationalspieler August Lenz. Nach dem Krieg wendete sich das Blatt. Borussia holte gewaltig auf, und als sie am 18. Mai 1947 gegen Schalke den Westfalen-Pokal gewann, schwänzten die Blau-Weißen verärgert die Siegerehrung. Es war nur ein Vorgeschmack: vor Bundesligagründung wurde der BVB dreimal Deutscher Meister, Schalke nur einmal (1958), und verbuchte in den Oberligaspielen, die in den Fünfzigern die bestbesuchten im deutschen Fußball waren eine positive Bilanz. Rote Erde und Glückauf-Kampfbahn meldeten stets ausverkauft in den letzten Tagen des Amateurfußballs.

Die Bundesliga-Premiere

7. September 1963, Schalke - BVB 3:1 : An diesem Tag kommt der BVB in die Glückauf-Kampfbahn, für beide ist es erst das dritte Bundesliga-Spiel überhaupt. Vor 38.000 Zuschauern schießt Reinhold Wosab den BVB früh in Führung (6. Minute), aber am Ende lacht der Schalker. Manfred Berz gleicht kurz vor der Pause durch "ein pfundiges Tor" (WAZ) aus (44.). Waldemar Gerhardt (51.) per Solo und Lothar Geisler (55.) per Eigentor nach einer scharfen Libuda-Flanke geben dem Spiel binnen vier Minuten die entscheidende Wende.

Die WAZ titelt eigentümlich: "Schalke demonstrierte Fußball-Technik". Als wäre das eine Seltenheit. Vor dem Spiel hat Schalke noch artig mit Blumen dem BVB zum Meistertitel gratuliert, zum Schluss aber hat es Spaß an der Demütigung des Rivalen. "Sie zauberten und kreiselten, sie schlugen Haken und zeichneten Arabesken, tanzten Ringelreigen und Walzer, aber das waren brotlose Künste", tadelt das Sport Magazin Schalkes Lust an der Vorführung des Lieblingsfeindes. Es sollte sich rächen.

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Der höchste Heimsieg

26. Februar 1966, BVB - Schalke 7:0: Im Dortmunder Stadion Rote Erde gerät Schalke an diesem Tag 0:7 unter die Räder. Ausschlaggebend ist ein in der Bundesliga einmaliger Dreierpack binnen drei Minuten. 1:0 durch Sigfried Held (27.), 2:0 Aki Schmidt (28.), 3:0 Sigfried Held (29.) – die Schalker kommen gar nicht mehr weg vom Anstoßpunkt. Auch nach der Pause nehmen sich die Schalker wieder eine Auszeit, binnen zehn Minuten fallen die restlichen vier Treffer: 4:0 Willi Sturm (67.), 5:0 Dieter Kurrat (72.), 6:0 Aki Schmidt (74.), 7:0 Lothar Emmerich (77.).

Allein fünf Treffer werden per Kopf erzielt, sogar der kleine Kurrat schafft das Kunststück, weshalb Trainer Willi Multhaup anerkennend den Hut zieht und Gelächter provoziert. Schalke-Keeper Josef Elting ist noch der beste Mann beim Gegner, sonst wäre es wohl zweistellig geworden. Launiger Kommentar der WAZ: "Bei der Torjagd waren die Schalker die Hasen."

Der höchste Auswärtssieg

26. September 1964, Schalke - BVB 2:6: Auch dieses Ereignis fällt in die Sechziger und schmerzt alte Schalker Herzen immer noch. An diesem Tag verliert man zuhause 2:6. 40.000 Zuschauer können schon nach 20 Minuten alle Hoffnung auf ein spannendes Revierderby begraben, da steht es bereits 0:3. Dabei versichern die Quellen der Zeit, dass die Gäste nicht mal besonders gut gespielt hätten. "Aber jeder Schuss flog ins Tor, es war der Wahnsinn", erinnert sich Borusse Aki Schmidt. Zur Halbzeit heißt es dann 0:6 – bis heute ist das die höchste Pausenführung einer Gastmannschaft in der Ligahistorie. Weshalb die Torschützen unbedingt Erwähnung verdienen:

0:1 Schmidt (10.), 0:2 Franz Brungs (11.), 0:3, 0:4 Timo Konietzka (20., 23.), 0:5 Lothar Emmerich (32.), 0:6 Brungs (36.). In der BVB-Kabine wird schon in der Halbzeit mit ausdrücklicher Genehmigung von Trainer Hermann Eppenhoff Sekt kredenzt, auch das dürfte ein Bundesliga-Novum gewesen und eine Ausnahme geblieben sein. Davon weiß die WAZ noch nichts, als sie am Montag darauf berichtet: "Die Dortmunder indes wirkten im Vergleich zur ersten Halbzeit so, als sei ihnen in der Pause Schlafpulver in den Kaffee geschüttet worden." Wir lernen einmal mehr: Alkohol und Sport, das passt nicht zusammen. Bei den Schalkern, die nach der Pause durch Werner Grau (57.) und Libuda (89.) noch verkürzen können, fließen dagegen Tränen.

Eine gleichwertige Revanche erfolgt erst 36 Jahre später, als Schalke mit dem Ex-Dortmunder Andy Möller am 23. September 2000 beim BVB 4:0 gewinnt. Die Torschützen: 0:1 Jörg Böhme (39., Elfmeter), 0:2 Emile Mpenza (45.) 0:3 Jörg Heinrich (60., Eigentor), 0:4 Ebbe Sand (76.).

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Der besondere Moment

19. Dezember 1997, Lehmanns Kopfballtor: Bis zu diesem Tag gab es keine zwei Meinungen: der Hundebiss von Dortmund übertraf alles. Am 6. September 1969 hatte ein Schäferhund eines als Ordner verkleideten BVB-Fans den Schalker Friedel Rausch in den Hintern gebissen. Auslöser war der Platzsturm Schalker Fans nach einem Tor. Die Ordnerhunde unterschieden nicht so genau zwischen Spielern und Fans – Hauptsache ein Schalker. Rausch hatte den Spott und den Schaden, die Liga etwas zu lachen. Die Bundesliga verdankt dieser Episode die Maulkorbpflicht für alle vierbeinigen Ordnungskräfte und die Errichtung von Zäunen.

Dann aber kommt jener denkwürdige Dezember-Tag. Wieder spielt man in Dortmund, nun aber längst schon im zur WM 1974 errichteten Westfalenstadion. Dort läuft die letzte Minute, Borussia führt mit 2:1. Zum zweiten Mal eilt Schalkes Keeper Jens Lehmann bereits nach vorne um das Unmögliche zu versuchen: ein Tor aus dem Spiel heraus zu erzielen. Nun, es gelingt. Per Kopf! Im Anschluss an eine umstrittene Ecke. Lehmann gibt später zu, ihn habe "das schlechte Gewissen getrieben", da er an zwei Toren schuld gewesen sei. "Dann habe ich wenigstens noch ein drittes gemacht". Nach 33.234 "normalen" Bundesligatoren ist es das erste eines Torwarts aus dem Spiel heraus. Ihm folgten nur noch Frank Rost (Werder Bremen/2002) und Marwin Hitz (FC Augsburg/2015).

Diese Episode veranlasste übrigens den Wettanbieter Partybets dazu, noch 2011 über ein Kopfballtor von Manuel Neuer (damals Schalke) im Derby zu spekulieren. Verrückt – wie auch der Maskenjubel von Pierre-Emerick Aubameyang und Marco Reus im letzten Derby in Dortmund (3:0).

Das wichtigste Spiel

19. Mai 2007, Dortmund - Schalke 2:0: An diesem Datum, Spieltag 33, kann Schalke mit einem Sieg ausgerechnet in Dortmund Meister werden. Worauf der ganze Klub fast 50 Jahre gewartet hat. Stürmer Gerald Asamoah kündigt für diesen Fall an, die 35 Kilometer nach Gelsenkirchen heim zu laufen, Manuel Neuer will immerhin das Fahrrad nehmen. Sie nahmen dann doch den Bus, es gibt nach 90 Minuten nichts zu feiern.

Die abgeschlagenen Borussen hängen sich rein, als könnten sie selbst noch Meister werden und gewinnen nach Toren von Alexander Frei und Eusebiusz Smolarek mit 2:0. Der Kicker schreibt von "in spielerischer Hinsicht an diesem Nachmittag grausam limitierten und unerklärlich passiven Schalkern". Wieder fließen Tränen in Schalkes Kabine und ein Borussen-Transparent wird berühmt: "Nur gucken, nicht anfassen". Es nahm Bezug auf einen Werbespot mit Schalkes Manager Rudi Assauer, der sich die Meisterschale wieder nur aus der Ferne angucken darf.

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Wichtigstes Spiel außerhalb der Bundesliga

Finale um die Westfalen-Meisterschaft am 18. Mai 1947: 30.000 Zuschauer im Stadion Am Schloß Strünkede zu Herne werden im strömenden Regen Zeugen einer Sensation. Dieses Finale ist eine Zäsur im Verhältnis der Revierrivalen, im Spiel eins nach dem Krieg macht der BVB deutlich, dass er Schalkes Dauerdominanz im Revier nicht länger kampflos hinnimmt. Die großen Tage des Schalker Kreisels sind ohnehin vorbei, auch wenn Ernst Kuzorra, mittlerweile 41, als Spielertrainer noch am Ball ist.

Zwar gehen die Schalker durch Heinz Hinz (43.) und Otto Tibulski (62.), per Freistoß, zweimal in Führung, aber der BVB kommt zurück. Zunächst durch Max Michaellek (62.), dann durch Adi Preißler (78.). Auf Herbert Sandmanns 3:2 (82.) haben die Schalker keine Antwort mehr. Erstmals seit 1933 heißt der Westfalen-Meister nicht Schalke, erstmals überhaupt heißt er Borussia Dortmund. Das Sport Magazin lobt dessen "unverwüstlichen Kampfgeist bis zur letzten Minute". Das Ergebnis ist zu viel für die Schalker Seele, die Verlierer schwänzen verärgert die Siegerehrung. Schon damals knistert es eben bei diesem Spiel...

Fakten

Derby-Gesamtbilanz: 59-42-67 (für Schalke) bei 260:321 Toren.

In der Oberliga West (1947 – 1963) hat der BVB eine positive Derbybilanz: 15-10-7.

In der Bundesliga auch, aber erst seit dem 3:0 am 28. Februar 2015: 31-25-30. In Dortmund: 19-13-11.

Aber Borussia gewann nur drei der letzten 16 Heimderbys.

Auffällig ist der geringe Anteil an Heimsiegen (44%).

Tor-Quote in der Bundesliga: 2,95.

Seit 24. August 1991 ist das Derby ununterbrochen ausverkauft.

Schalke-Keeper Frank Rost parierte am 30. Januar 2004 beim 1:0 in Dortmund zwei Elfmeter – Bundesliga-Rekord!

Von den vier Sonntagspartien in der Bundesliga gewann Schalke drei.