Bula: "Wir parken nicht den Bus vorm Tor"

Er trainiert einen der größten Außenseiter in der Geschichte der EM-Qualifikation. Wenn Gibraltarheute Abend (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) in Nürnberg gegen Weltmeister Deutschland antritt, ist alles andere als eine deutliche Niederlage eine Überraschung - und ein Erfolg für Allen Bula.

Bulas Spielerkarriere endete früh wegen eines Verkehrsunfalls. Er machte in England seine Trainerscheine und arbeitete danach unter anderem als Leiter der Fußballakademie beim slowakischen Erstligisten MFK Košice. Seit Ende 2010 trainiert der 49-Jährige die Nationalmannschaft seiner Heimat Gibraltar. Im DFB.de-Interview spricht Allen Bula über die Anfänge des Fußballs in dem kleinen Land, über seine Spieler und sein System. Und er erklärt, warum er bei der WM bei jedem deutschen Tor gejubelt hat.

DFB.de: Gibraltar darf sich mit Fug und Recht als "Fußball-Zwerg" bezeichnen. Empfanden Sie es als Rückschritt in Ihrer Karriere, wieder nach Hause zu gehen?

Allen Bula: Mein Land brauchte mich, also war es keine schwere Entscheidung. Am Anfang machte ich noch beide Jobs parallel und pendelte zwischen der Slowakei und zu Hause. Aber ich wollte nicht, dass es mit uns so läuft wie mit anderen Nationen, die neu im internationalen Fußball anfangen: reingehen in die UEFA, mit 15 Toren Unterschied verlieren und sich dann irgendwann entwickeln. Ich wollte schon ein bisschen entwickelt anfangen.

DFB.de: Es war bestimmt nicht einfach, als Pionier.

Bula: Die nötige Aufbauarbeit konnte ich nur leisten, wenn ich den Job hauptberuflich machte. Aber der Verband hatte damals noch kein Geld, sie konnten mich nicht bezahlen. Zum Glück war meine Frau hilfsbereit, sie sagte: "Mach' das, die nächsten Jahre leben wir erst mal von meinem Lohn." Sobald wir in die UEFA aufgenommen wurden, bekam ich dann einen offiziellen Vertrag.

DFB.de: Haben Sie viele Mitarbeiter?

Bula: Der einzige Angestellte in meinem Trainerteam bin ich. Wenn wir ein Spiel haben, sind wir etwa zwölf Leute mit Ärzten und Offiziellen. Für die meisten von ihnen ist das natürlich alles noch Neuland.

DFB.de: Ein Abenteuer?

Bula: Ja und nein. Ich arbeite seit 16 Jahren als Berufstrainer. Neu ist das alles für Gibraltar. Aber wir können uns nicht weiter damit entschuldigen, dass wir neu sind, dass wir noch lernen. Wir müssen die Herausforderung Europa bestehen. Ich hoffe deshalb, dass es schnell geht, dass man hier beim Verband versteht, was auf diesem Level benötigt wird - und dass ich ein gutes Budget bekomme, um zumindest zwei, drei Leute in Vollzeit engagieren zu können.

DFB.de: Was ist denn das dominante Gefühl derzeit bei Gibraltar: Euphorie über die erstmalige Teilnahme oder Enttäuschung über die klaren Niederlagen?

Bula: Ich sagte schon vor vielen, vielen Monaten: Das war's mit der Euphorie über den UEFA-Beitritt.

DFB.de: Nach der Aufnahme in die UEFA gab es sogar eine Parade durch die Straßen Gibraltars...

Bula: ... ja, und auf dieser Parade sagte ich: Die Flitterwochen sind vorbei. Jetzt ist Arbeit angesagt. Aber ich glaube, die Euphorie ist trotzdem noch da. Die Menschen in Gibraltar sind sehr leidenschaftlich. Und sie wollen gewinnen. Schon wegen unserer direkten Nachbarn.

DFB.de: Die Leute vergleichen Gibraltar allen Ernstes mit Spanien?

Bula: Na ja, weil Spanien nebenan ist und so viel gewonnen hat, erwarten sie einen ähnlichen Fußball.

DFB.de: Wie würden Sie denn den Spielstil Gibraltars definieren?

Bula: Typisch für einen Spieler aus Gibraltar ist seine gute Ballbehandlung. Das muss auch so sein wegen seiner Größe - wir sind sehr klein in Gibraltar. Als ich übernahm, ging es mir darum, das Beste der südländischen Spielweise und das Beste der englischen Spielweise zu kombinieren. Die Technik, das Passspiel, die schnellen Konter einerseits, die Physis andererseits, so dass wir trotz unserer Größennachteile robust sind.

DFB.de: Der klassische Ansatz kleiner Nationen in Qualifikationsspielen ist es, "den Bus vorm eigenen Tor zu parken" – sich also hinten reinzustellen.

Bula: Wenn Sie sich unsere Spiele bisher anschauen, haben wir zu keinem Zeitpunkt den Bus geparkt. Wie jede Mannschaft versuchen wir, fokussiert zu verteidigen, aber wir können auch gut angreifen und kontern. Selbst gegen Polen oder Irland, als wir schon hoch zurücklagen, haben wir sogar noch einen Schritt nach vorn gemacht. Ich wechselte zu einer 4-4-2-Formation mit einem weiteren Angreifer.

DFB.de: Normalerweise spielen Sie ein 4-5-1?

Bula: Wir spielen ein 4-1-4-1. Wenn eine kleine Mannschaft dieses System spielt, wird es 5-4-1 genannt. Bei einer großen Mannschaft nennt man es 3-5-2.

DFB.de: Sie werden auch gegen Deutschland Ihrem Ansatz treu bleiben?

Bula: Auf keinen Fall werden wir den Bus vorm Tor parken, das kann ich Ihnen garantieren. Was bringt es, zehn Spieler in die Abwehr zu stellen? Wozu? Besiegt wirst du sowieso, denn früher oder später werden die Gegner ihre Tore erzielen. Ich verliere lieber 0:5 gegen Deutschland, und die Leute sagen danach, Gibraltar hat vernünftig gespielt. Anstatt 0:1 - nur 0:1! -, und die Leute sagen, Gibraltar hat sich nur hinten reingestellt.

DFB.de: Freuen Sie sich auf das Spiel beim Weltmeister?

Bula: Von Anfang an habe ich gesagt, dass Deutschland Weltmeister wird. Um ehrlich zu sein, sind meine Familie und ich bei jedem deutschen Tor im Halbfinale und Finale aufgesprungen. Für mich war Deutschland wie mein eigenes Land, weil ich wusste: Wir werden dem Weltmeister begegnen. Was kann ein Trainer mehr verlangen? Im ersten Jahr seiner UEFA-Mitgliedschaft fährt das kleine Gibraltar zum Weltmeister.

DFB.de: Mit der Chance, weniger hoch zu verlieren als der Rekordweltmeister...

Bula: Korrekt. Alles unter sieben, und wir sind besser als Brasilien. Aber der Druck liegt nicht auf uns. Der Druck liegt auf Deutschland. Jede Minute, die heruntertickt, jede Minute, die das Resultat auf unserer Seite ist, setzt Deutschland unter Druck. Für viele haben wir ja schon 0:15 verloren. Also ist es an Deutschland, diese 15 Tore zu schießen.

DFB.de: Sie verzichten auf eine Ergebnisvorgabe an Ihre Spieler?

Bula: Wir wollen einfach ein gutes Match liefern. Für mich ist am wichtigsten, dass die deutschen Zuschauer danach gut über uns sprechen. Dass sie sagen: Gibraltar kann Fußball spielen.

[dfb]

Er trainiert einen der größten Außenseiter in der Geschichte der EM-Qualifikation. Wenn Gibraltarheute Abend (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) in Nürnberg gegen Weltmeister Deutschland antritt, ist alles andere als eine deutliche Niederlage eine Überraschung - und ein Erfolg für Allen Bula.

Bulas Spielerkarriere endete früh wegen eines Verkehrsunfalls. Er machte in England seine Trainerscheine und arbeitete danach unter anderem als Leiter der Fußballakademie beim slowakischen Erstligisten MFK Košice. Seit Ende 2010 trainiert der 49-Jährige die Nationalmannschaft seiner Heimat Gibraltar. Im DFB.de-Interview spricht Allen Bula über die Anfänge des Fußballs in dem kleinen Land, über seine Spieler und sein System. Und er erklärt, warum er bei der WM bei jedem deutschen Tor gejubelt hat.

DFB.de: Gibraltar darf sich mit Fug und Recht als "Fußball-Zwerg" bezeichnen. Empfanden Sie es als Rückschritt in Ihrer Karriere, wieder nach Hause zu gehen?

Allen Bula: Mein Land brauchte mich, also war es keine schwere Entscheidung. Am Anfang machte ich noch beide Jobs parallel und pendelte zwischen der Slowakei und zu Hause. Aber ich wollte nicht, dass es mit uns so läuft wie mit anderen Nationen, die neu im internationalen Fußball anfangen: reingehen in die UEFA, mit 15 Toren Unterschied verlieren und sich dann irgendwann entwickeln. Ich wollte schon ein bisschen entwickelt anfangen.

DFB.de: Es war bestimmt nicht einfach, als Pionier.

Bula: Die nötige Aufbauarbeit konnte ich nur leisten, wenn ich den Job hauptberuflich machte. Aber der Verband hatte damals noch kein Geld, sie konnten mich nicht bezahlen. Zum Glück war meine Frau hilfsbereit, sie sagte: "Mach' das, die nächsten Jahre leben wir erst mal von meinem Lohn." Sobald wir in die UEFA aufgenommen wurden, bekam ich dann einen offiziellen Vertrag.

DFB.de: Haben Sie viele Mitarbeiter?

Bula: Der einzige Angestellte in meinem Trainerteam bin ich. Wenn wir ein Spiel haben, sind wir etwa zwölf Leute mit Ärzten und Offiziellen. Für die meisten von ihnen ist das natürlich alles noch Neuland.

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DFB.de: Ein Abenteuer?

Bula: Ja und nein. Ich arbeite seit 16 Jahren als Berufstrainer. Neu ist das alles für Gibraltar. Aber wir können uns nicht weiter damit entschuldigen, dass wir neu sind, dass wir noch lernen. Wir müssen die Herausforderung Europa bestehen. Ich hoffe deshalb, dass es schnell geht, dass man hier beim Verband versteht, was auf diesem Level benötigt wird - und dass ich ein gutes Budget bekomme, um zumindest zwei, drei Leute in Vollzeit engagieren zu können.

DFB.de: Was ist denn das dominante Gefühl derzeit bei Gibraltar: Euphorie über die erstmalige Teilnahme oder Enttäuschung über die klaren Niederlagen?

Bula: Ich sagte schon vor vielen, vielen Monaten: Das war's mit der Euphorie über den UEFA-Beitritt.

DFB.de: Nach der Aufnahme in die UEFA gab es sogar eine Parade durch die Straßen Gibraltars...

Bula: ... ja, und auf dieser Parade sagte ich: Die Flitterwochen sind vorbei. Jetzt ist Arbeit angesagt. Aber ich glaube, die Euphorie ist trotzdem noch da. Die Menschen in Gibraltar sind sehr leidenschaftlich. Und sie wollen gewinnen. Schon wegen unserer direkten Nachbarn.

DFB.de: Die Leute vergleichen Gibraltar allen Ernstes mit Spanien?

Bula: Na ja, weil Spanien nebenan ist und so viel gewonnen hat, erwarten sie einen ähnlichen Fußball.

DFB.de: Wie würden Sie denn den Spielstil Gibraltars definieren?

Bula: Typisch für einen Spieler aus Gibraltar ist seine gute Ballbehandlung. Das muss auch so sein wegen seiner Größe - wir sind sehr klein in Gibraltar. Als ich übernahm, ging es mir darum, das Beste der südländischen Spielweise und das Beste der englischen Spielweise zu kombinieren. Die Technik, das Passspiel, die schnellen Konter einerseits, die Physis andererseits, so dass wir trotz unserer Größennachteile robust sind.

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DFB.de: Der klassische Ansatz kleiner Nationen in Qualifikationsspielen ist es, "den Bus vorm eigenen Tor zu parken" – sich also hinten reinzustellen.

Bula: Wenn Sie sich unsere Spiele bisher anschauen, haben wir zu keinem Zeitpunkt den Bus geparkt. Wie jede Mannschaft versuchen wir, fokussiert zu verteidigen, aber wir können auch gut angreifen und kontern. Selbst gegen Polen oder Irland, als wir schon hoch zurücklagen, haben wir sogar noch einen Schritt nach vorn gemacht. Ich wechselte zu einer 4-4-2-Formation mit einem weiteren Angreifer.

DFB.de: Normalerweise spielen Sie ein 4-5-1?

Bula: Wir spielen ein 4-1-4-1. Wenn eine kleine Mannschaft dieses System spielt, wird es 5-4-1 genannt. Bei einer großen Mannschaft nennt man es 3-5-2.

DFB.de: Sie werden auch gegen Deutschland Ihrem Ansatz treu bleiben?

Bula: Auf keinen Fall werden wir den Bus vorm Tor parken, das kann ich Ihnen garantieren. Was bringt es, zehn Spieler in die Abwehr zu stellen? Wozu? Besiegt wirst du sowieso, denn früher oder später werden die Gegner ihre Tore erzielen. Ich verliere lieber 0:5 gegen Deutschland, und die Leute sagen danach, Gibraltar hat vernünftig gespielt. Anstatt 0:1 - nur 0:1! -, und die Leute sagen, Gibraltar hat sich nur hinten reingestellt.

DFB.de: Freuen Sie sich auf das Spiel beim Weltmeister?

Bula: Von Anfang an habe ich gesagt, dass Deutschland Weltmeister wird. Um ehrlich zu sein, sind meine Familie und ich bei jedem deutschen Tor im Halbfinale und Finale aufgesprungen. Für mich war Deutschland wie mein eigenes Land, weil ich wusste: Wir werden dem Weltmeister begegnen. Was kann ein Trainer mehr verlangen? Im ersten Jahr seiner UEFA-Mitgliedschaft fährt das kleine Gibraltar zum Weltmeister.

DFB.de: Mit der Chance, weniger hoch zu verlieren als der Rekordweltmeister...

Bula: Korrekt. Alles unter sieben, und wir sind besser als Brasilien. Aber der Druck liegt nicht auf uns. Der Druck liegt auf Deutschland. Jede Minute, die heruntertickt, jede Minute, die das Resultat auf unserer Seite ist, setzt Deutschland unter Druck. Für viele haben wir ja schon 0:15 verloren. Also ist es an Deutschland, diese 15 Tore zu schießen.

DFB.de: Sie verzichten auf eine Ergebnisvorgabe an Ihre Spieler?

Bula: Wir wollen einfach ein gutes Match liefern. Für mich ist am wichtigsten, dass die deutschen Zuschauer danach gut über uns sprechen. Dass sie sagen: Gibraltar kann Fußball spielen.