Buchwald: "Die weltweit beste Talentförderung"

Buchwald: Vor allem die Tatsache, dass wir bis heute die einzige Mannschaft sind, die bei bisher 18 deutschen WM-Teilnahmen kein einziges Spiel verloren hat. Das gelang weder den Weltmeistern von 1954 noch denen von 1974. Auch dies beweist, dass wir 1990 absolut verdient Weltmeister geworden sind.

DFB.de: Welche Szene der WM-Endrunde 1990 wird Ihnen immer in Erinnerung bleiben?

Buchwald: Die Spuckattacke von Frank Rijkaard gegen Rudi Völler und vor allem die maßlose Ungerechtigkeit, dass auch der Rudi dabei mit der Roten Karte bestraft wurde, obwohl er absolut schuldlos war, und dadurch das Viertelfinale verpasste. Dieses totale Unrecht hat uns aber noch mehr zusammengeschweißt.

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In der persönlichen WM-Rangliste des Teamchefs stand Guido Buchwald 1990 „an erster Stelle“. Der Stuttgarter „war bei dieser WM unser bester Spieler, hat in allen sieben Spielen weit über internationalem Durchschnitt gespielt“, sagte Franz Beckenbauer am Ende von „Italia Novanta“.

Nach dem Titelgewinn in Rom spielte Buchwald bis 1994 beim VfB Stuttgart, wurde 1992 mit der Nationalmannschaft Vizeeuropameister und wechselte 1994 nach dem Ende seiner Karriere als Nationalspieler mit 76 Länderspielen zum japanischen Erstligisten Urawa. Nach der Rückkehr 1997 schloss er beim Karlsruher SC seine Laubahn als Bundesligaprofi 1998 nach 334 Spielen ab und wurde Trainer.

Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Wolfgang Tobien verweist der inzwischen 49-jährige Buchwald, der heute als Berater des Japanischen Fußball-Verbandes und Unternehmer tätig ist, anlässlich der Feier zum 20. Jahrestag des WM-Gewinns 1990 im Europapark Rust auf dessen Bedeutung und erklärt Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit Joachim Löws WM-Team 2010.

DFB.de: 20 Jahre nach dem Titelgewinn in Italien trafen sich die Weltmeister von 1990 am Wochenende mal wieder mit ihren damaligen Trainern und Betreuern. Welche Bedeutung hatte für Sie dieses Beisammensein im Europapark in Rust?

Guido Buchwald: Für mich hat solch ein Wiedersehen eine sehr große Bedeutung, weil wir zusammen etwas ganz, ganz Großes erreicht haben. Wir sind Weltmeister geworden und waren acht oder zehn Wochen ein Superteam, in dem sich alle sehr gut verstanden. Und so haben wir dann in Italien auch gespielt. Wenn man sich dann wieder mal trifft und die Erinnerung an diese wunderschöne Zeit aufleben lässt, dann ist das für mich etwas ganz Besonderes und etwas unheimlich Schönes.

DFB.de: Auch fünf WM-Endrunden später sind die „Helden von Rom“ als Weltmeister im deutschen Fußball noch immer unerreicht. Wie werten Sie die Tatsache, dass seitdem kein weiterer WM-Titel von der Nationalmannschaft gewonnen werden konnte?

Buchwald: Auf jeden Fall wird es Zeit, dass Deutschland mal wieder Fußball-Weltmeister wird. Doch Deutschland ist ja insgesamt erst dreimal Weltmeister geworden. Es weiß also jeder, wie schwer es ist, die beste Mannschaft auf der Welt zu werden. Wir haben es damals geschafft, und ich glaube, wir sind damals auch absolut verdient Weltmeister geworden. Zweiter, Dritter oder Vierter zu werden, kann aller Ehren wert sein. Als Weltmeister bist du aber einfach die beste Mannschaft von allen. Das ist unheimlich schwer, weil du bis zum Ende sieben Spiele durchstehen musst.

DFB.de: Teamchef Franz Beckenbauer lobte Sie damals als besten Spieler im deutschen WM-Team, vor allem auch, weil Sie im Finale in Rom Diego Maradona völlig aus dem Spiel nahmen. Ihre Mitspieler nannten Sie seitdem „Diego“ – auch heute noch?

Buchwald: Der eine oder andere ruft mir das hin und wieder noch mal zu. Dabei kommt dieser wunderbare Sommer von damals wieder zum Vorschein, auch wenn das nun schon lange her ist. Man denkt dann automatisch wieder zurück an Rom, an Turin und an unser damaliges WM-Heimstadion in Mailand. Diego, das ist schon ein kleiner Ehrentitel. Mich würde wohl keiner so nennen, wenn er damit nicht auch eine gewisse Anerkennung verbinden würde.

DFB.de: Maradona kehrte jetzt in Südafrika als Argentiniens Nationaltrainer auf die WM-Bühne zurück. Ihr Urteil über ihn?

Buchwald: Er präsentierte sich als ein extremer Trainer, so wie er ja auch als Spieler war. Er weiß auch als Trainer, was das Publikum von ihm erwartet. Andererseits glaube ich schon, dass er seine Mannschaft im Griff gehabt hat. Immerhin hat er sie ja ins Viertelfinale geführt. Dort war allerdings absolut verdient Schluss für Argentinien. Doch ihr Auftritt bis dahin hat meiner Meinung nach gezeigt, dass die Mannschaft Respekt vor Diego gehabt hat. Gott sei Dank hat er nach seinen vielen Eskapaden in der Vergangenheit jetzt wieder Tritt gefasst. Das freut mich für ihn, weil er zu seiner Zeit der weltbeste Fußballer war. Es wäre schade gewesen, wenn dieses Fußballgenie danach völlig untergegangen wäre.

DFB.de: Entdecken Sie beim Vergleich der beiden deutschen WM-Teams 2010 und 1990 die eine oder andere Gemeinsamkeit?

Buchwald: Man hat gespürt, dass das Team 2010, wie wir 1990, total füreinander da war. Die Ersatzspieler haben damals wie diesmal absolut mitgefiebert. Das war für mich ein Anzeichen, dass sie es in Südafrika packen und den Titel holen würden. Leider hat es nicht ganz geklappt.

DFB.de: Worin besteht der größte Unterschied?

Buchwald: Wir hatten sicherlich ein größeres Potenzial an Erfahrung im Team. Vor allem auch an Auslandserfahrung dank unserer fünf Italiener. Besonders die drei Mailänder Matthäus, Brehme und Klinsmann sorgten für einen echten Heimvorteil bei unseren fünf Spielen im San-Siro-Stadion. Im Team 2010 kamen alle nur aus der Bundesliga. Doch was heißt in diesem Zusammenhang „nur“.

DFB.de: Was heißt es?

Buchwald: Das Wort „nur“ ist völlig deplatziert. Die Verhältnisse im Vergleich der großen Ligen haben sich völlig verändert. Die Bundesliga ist heute erheblich attraktiver geworden als Italiens Serie A, die damals die Nummer eins in der Welt war.

DFB.de: Spricht dies für die deutlich angestiegene Qualität der Bundesliga? Vor 20 Jahren war Italien das Maß aller Dinge im Profifußball. Dort musste man spielen, wenn man wirklich mit den und gegen die ganz Großen am Ball sein wollte.

Buchwald: Die Bundesliga hat unheimlich aufgeholt und Italien in vieler Hinsicht überholt. Heute zieht es absolute Topstars in die Bundesliga. Allein schon wegen der großartigen Infrastruktur, die mit ihren Stadien die beste auf der Welt ist, und wegen des auch daraus resultierenden unglaublichen Zuschauerzuspruchs. In Deutschland macht es absolut Spaß, hier Fußball zu spielen. Das Publikum ist total positiv. Ich könnte wetten, wenn in einem Monat die nächste Saison beginnt, werden alle neun Spiele am ersten Spieltag ausverkauft sein.

DFB.de: Worauf führen Sie den aktuell so hohen Stellenwert der Bundesliga zurück, von dem ja auch die Nationalmannschaft profitiert?

Buchwald: Sicherlich ist dies zu einem Großteil auf die Elite- und Talentförderung beim DFB und in den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten zurückzuführen, die vor zehn, elf Jahren entstanden sind. Der DFB hat sehr viel Geld damals für die Nachwuchsförderung in die Hand genommen. Diese und andere Investitionen zahlen sich jetzt aus. Ich denke, dass in Deutschland und Spanien inzwischen die weltweit beste Talentförderung stattfindet. Holland und Frankreich, die früher für uns Vorbildcharakter in Sachen Nachwuchsausbildung besaßen, haben wir überholt. Das kann man mit einigem Stolz sagen. Wir haben heute in der Bundesliga so viele großartige Talente und herausragende Persönlichkeiten wie seit vielen Jahren nicht mehr.

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DFB.de: Die deutschen WM-Auftritte in Südafrika sind vor allem ein Versprechen für die Zukunft. Glauben Sie, dass Joachim Löw mit diesem Team bei der nächsten EM und WM die Früchte ernten will und seinen Vertrag als Bundestrainer verlängert?

Buchwald: Ich bin überzeugt davon, dass er weitermacht. Dieses WM-Team in Südafrika ist doch seine Mannschaft, die seine Handschrift trägt. Mit ihr kann er doch in den nächsten Jahren einen großen Titel holen. Es wäre für ihn schade, wenn ein anderer die Früchte ernten würde, die er gesät hat.

DFB.de: Was verbinden Sie heute noch generell mit dem WM-Triumph vor 20 Jahren?

Buchwald: Vor allem die Tatsache, dass wir bis heute die einzige Mannschaft sind, die bei bisher 18 deutschen WM-Teilnahmen kein einziges Spiel verloren hat. Das gelang weder den Weltmeistern von 1954 noch denen von 1974. Auch dies beweist, dass wir 1990 absolut verdient Weltmeister geworden sind.

DFB.de: Welche Szene der WM-Endrunde 1990 wird Ihnen immer in Erinnerung bleiben?

Buchwald: Die Spuckattacke von Frank Rijkaard gegen Rudi Völler und vor allem die maßlose Ungerechtigkeit, dass auch der Rudi dabei mit der Roten Karte bestraft wurde, obwohl er absolut schuldlos war, und dadurch das Viertelfinale verpasste. Dieses totale Unrecht hat uns aber noch mehr zusammengeschweißt.