Breitenreiter: "Jeder muss über sich hinauswachsen"

Breitenreiter: Es ist im Moment schon sehr stressig. Sonntags nach dem Spiel reise ich nach Hennef, Mittwochabend geht es zurück nach Havelse. Mir bleiben dann nur noch zwei oder drei Tage, um Einfluss auf die Mannschaft zu nehmen. Das funktioniert nur, wenn da ein Superteam hinter einem steht, das in meiner Abwesenheit die Verantwortung übernimmt. Der Erfolg zeigt, dass das bei uns der Fall ist, deshalb ist es derzeit eher ein positiver Stress.

DFB.de: Was sind Ihre persönlichen Ziele als Trainer?

Breitenreiter: Ich mache die Fußball-Lehrer-Ausbildung, um auch die Lizenz für die Bundesliga zu haben. Das ist doch das Ziel eines jeden hier. Aber ich bin mir schon bewusst, dass das nur Schritt für Schritt funktioniert. Wenn diese Treppe dann irgendwann in die Bundesliga führt, würde ich mich nicht wehren. Aber auch das funktioniert nur gemeinsam: Ich war als Spieler ein Teamplayer und bin es als Trainer ebenfalls.

DFB.de: Hilft Ihnen auf diesem Weg Ihre Erfahrung als Spieler etwas?

Breitenreiter: Das kann ich schlecht beurteilen. Es ist gewiss nie von Nachteil, eine Erfahrung als Profi und damit einen Namen in der Szene zu haben. Aber das ist sicher nicht das entscheidende Kriterium. Viel wichtiger ist meiner Meinung nach, wie man als Trainer arbeitet und welche Erfolge man in diesem Bereich nachweisen kann.

DFB.de: Das sind Sie ja auf einem guten Weg…

Breitenreiter: Das stimmt, viel besser geht es nicht. Ich habe die Mannschaft vor gut eineinhalb in der Winterpause mit elf Punkten übernommen. Havelse war praktisch abgestiegen. Aber wir haben in der Rückserie 25 Zähler geholt und den Klassenverbleib doch noch geschafft. In der vergangenen Serie sind wir dann mit unseren bescheidenen Möglichkeiten Fünfter geworden und haben den Niedersachsenpokal gewonnen, sind dadurch in den DFB-Pokal eingezogen und haben dort mit Nürnberg einen Bundesligisten besiegt. Und jetzt sind wir sogar im Aufstiegskampf. Mehr geht eigentlich nicht. Das ist schon fantastisch und macht mich mächtig stolz. Ich bin gespannt, wohin mein Weg führt - und der der Mannschaft.

DFB.de: Stimmt eigentlich die Geschichte, dass Sie in ihrem ersten Bundesligaspiel mit dem Hamburger SV gegen Bayern München erst Lothar Matthäus getunnelt und dann Oliver Kahn mit einem Schlenzer ins lange Eck überwunden haben?



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Der Nord-Regionalligist ist einer der krassesten Außenseiter in der zweiten Runde des DFB-Pokals. Aber für den TSV Havelse ist das Duell mit dem Zweitligisten VfL Bochum heute (ab 20.30 Uhr, live bei Sky) auch eine große Chance - auf die zweite Sensation. Denn zum Auftakt des Wettbewerbs hat der Viertligist den Bundesligisten 1. FC Nürnberg eliminiert, mit 3:2 nach Verlängerung.

Seit gut eineinhalb Jahren werden die Niedersachsen vom ehemaligen Profi Andre Breitenreiter betreut. Der 39-Jährige stand zu seiner aktiven Zeit unter anderem beim Hamburger SV, VfL Wolfsburg, der SpVgg Unterhaching und bei Hannover 96 unter Vertrag. Mit dem damaligen Zweitligisten gewann er 1992 sensationell den DFB-Pokal.

Im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Sven Winterschladen redet Breitenreiter über die Nacht nach dem Triumph in Berlin, über eine außergewöhnliche Szene in seinem ersten Bundesligaspiel und die Chancen gegen den VfL Bochum. Der ehemalige deutsche Junioren-Nationalspieler sagt mutig: "An einem Tag ist immer alles möglich."

DFB.de: Herr Breitenreiter, TSV Havelse gegen den VfL Bochum 2:1 - ist das ein Traum, Realität oder beides?

Andre Breitenreiter: Wenn Sie mich so fragen, wahrscheinlich beides. Ich nehme an, Sie sprechen einerseits vom Duell in der zweiten Pokalrunde und andererseits von unserem Sieg gegen den VfL im Sommer in einem Vorbereitungsspiel. Wenn wir dieses Ergebnis wiederholen könnten, wäre es eine absolute Sensation und wirklich überragend.

DFB.de: Kann es ein Nachteil sein, dass Sie Bochum vor einigen Monaten besiegt haben?

Breitenreiter: Das weiß ich nicht. Für mich hat dieses Spiel keine große Aussagekraft mehr. Beide Mannschaften haben da viel ausprobiert. Vielleicht ist Bochum dadurch etwas gewarnt, das kann durchaus sein. Aber meine Jungs wissen natürlich auch noch, dass sie gegen diesen Gegner einmal bereits gut ausgesehen haben. Aber es ist doch klar, dass alles zusammenkommen muss, damit eine Wiederholung möglich ist.

DFB.de: Vor der ersten Runde gegen den 1. FC Nürnberg haben Sie sehr mutig gesagt, dass eine Überraschung möglich ist. Sie haben 3:2 gewonnen. Würden Sie das vor dem Bochum-Spiel wiederholen?

Breitenreiter: An einem Tag ist immer alles möglich. Aber es ist doch definitiv klar, dass Bochum auf jeder Position individuell besser besetzt ist. Das sind absolute Profis, wir hingegen sind reine Amateure. Jeder muss über sich hinauswachsen, damit wir in diesem Aufeinandertreffen bestehen können.

DFB.de: Wir schwer fiel in den vergangenen Wochen die Konzentration auf den Alltag?

Breitenreiter: Ach, es ging eigentlich. Sicher gab es bei allen eine riesige Vorfreude, das ist doch ganz normal. Aber die Ergebnisse in der Regionalliga Nord zeigen doch, dass darauf unser Fokus liegt. Wir liegen in der Meisterschaft nach zwölf Begegnungen auf dem dritten Platz. Wir haben eine gute Phase, darauf sind wir stolz. Aber man darf nicht vergessen, dass wir hier von Regionalliganiveau sprechen, das hat nichts mit 2. Bundesliga zu tun. Dennoch sind wir sehr stolz auf unseren Start. Wir gehören zu den zwei oder drei Klubs mit dem mit Abstand geringsten Etat in dieser Klasse. Alle Spieler arbeiten tagsüber oder studieren. Wir haben nur vier Trainingseinheiten in der Woche, allesamt abends. Umso höher ist die Leistung einzuschätzen. Das zeugt von einer außergewöhnlichen Einstellung.

DFB.de: Schauen Sie auch nach ganz oben: Wie sieht es aus mit dem Aufstieg in die 3. Liga?

Breitenreiter: Das ist im Moment total unrealistisch. Wenn überhaupt, sind unsere Strukturen und Bedingungen gerade mal regionalligatauglich. Es wäre vermessen, in dieser Situation nach oben zu schauen. Wir freuen uns, dass wir uns in der Tabellenspitze festgebissen haben. Da wollen wir uns halten.

DFB.de: Nach Hans Siemensmeyer und Volker Finke sind Sie der dritte namhafte Trainer des TSV Havelse. Sind Ihre Vorgänger noch ein Thema?

Breitenreiter: Nein, überhaupt nicht. Dafür ist das zu lange her. Natürlich weiß ich, dass Volker Finke hier seine ersten Trainererfahrungen gesammelt hat. Ich würde mich nicht dagegen wehren, wenn mein Weg genauso weitergehen würde. Die Bedingungen haben sich völlig verändert. Für mich ist einfach nur wichtig, dass ich meine ersten Schritte machen kann. Wir wissen, woher wir kommen. Hier verliert keiner die Bodenhaftung, und Fehler werden verziehen. Das sind gute Voraussetzungen, um zu lernen.

DFB.de: Lernen ist ein gutes Stichwort, schließlich sind Sie gerade beim Fußball-Lehrer-Lehrgang in Hennef. Wie kann man trotzdem noch einen Regionalligisten betreuen?

Breitenreiter: Es ist im Moment schon sehr stressig. Sonntags nach dem Spiel reise ich nach Hennef, Mittwochabend geht es zurück nach Havelse. Mir bleiben dann nur noch zwei oder drei Tage, um Einfluss auf die Mannschaft zu nehmen. Das funktioniert nur, wenn da ein Superteam hinter einem steht, das in meiner Abwesenheit die Verantwortung übernimmt. Der Erfolg zeigt, dass das bei uns der Fall ist, deshalb ist es derzeit eher ein positiver Stress.

DFB.de: Was sind Ihre persönlichen Ziele als Trainer?

Breitenreiter: Ich mache die Fußball-Lehrer-Ausbildung, um auch die Lizenz für die Bundesliga zu haben. Das ist doch das Ziel eines jeden hier. Aber ich bin mir schon bewusst, dass das nur Schritt für Schritt funktioniert. Wenn diese Treppe dann irgendwann in die Bundesliga führt, würde ich mich nicht wehren. Aber auch das funktioniert nur gemeinsam: Ich war als Spieler ein Teamplayer und bin es als Trainer ebenfalls.

DFB.de: Hilft Ihnen auf diesem Weg Ihre Erfahrung als Spieler etwas?

Breitenreiter: Das kann ich schlecht beurteilen. Es ist gewiss nie von Nachteil, eine Erfahrung als Profi und damit einen Namen in der Szene zu haben. Aber das ist sicher nicht das entscheidende Kriterium. Viel wichtiger ist meiner Meinung nach, wie man als Trainer arbeitet und welche Erfolge man in diesem Bereich nachweisen kann.

DFB.de: Das sind Sie ja auf einem guten Weg…

Breitenreiter: Das stimmt, viel besser geht es nicht. Ich habe die Mannschaft vor gut eineinhalb in der Winterpause mit elf Punkten übernommen. Havelse war praktisch abgestiegen. Aber wir haben in der Rückserie 25 Zähler geholt und den Klassenverbleib doch noch geschafft. In der vergangenen Serie sind wir dann mit unseren bescheidenen Möglichkeiten Fünfter geworden und haben den Niedersachsenpokal gewonnen, sind dadurch in den DFB-Pokal eingezogen und haben dort mit Nürnberg einen Bundesligisten besiegt. Und jetzt sind wir sogar im Aufstiegskampf. Mehr geht eigentlich nicht. Das ist schon fantastisch und macht mich mächtig stolz. Ich bin gespannt, wohin mein Weg führt - und der der Mannschaft.

DFB.de: Stimmt eigentlich die Geschichte, dass Sie in ihrem ersten Bundesligaspiel mit dem Hamburger SV gegen Bayern München erst Lothar Matthäus getunnelt und dann Oliver Kahn mit einem Schlenzer ins lange Eck überwunden haben?

Breitenreiter: Ja, natürlich. Die Geschichte ist nicht erfunden. Ich kann mich noch an jedes Detail erinnern. So etwas vergisst man nicht mehr. Ich war damals 18 Jahre alt, das war ein riesiges Erlebnis.

DFB.de: Genauso wie der DFB-Pokalsieg 1992 mit Hannover, damals krasser Außenseiter gegen Borussia Mönchengladbach.

Breitenreiter: Ja, auch. Das war mein erstes Profijahr. Ich durfte in der Nacht nach dem Sieg als Jüngster auf den Pokal aufpassen. Zusammen mit meiner damaligen Freundin und jetzigen Frau habe ich mit dem Pokal im Bett geschlafen. Das sind außergewöhnliche Momente, die mir niemand mehr nehmen kann.

DFB.de: Gilt das auch für Ihre Einsätze für die Nachwuchsmannschaften des DFB?

Breitenreiter: Auf jeden Fall. Ich war ja von der U 16 bis zur U 21 dabei. Das war eine ganz tolle Zeit, unter anderem die U 20-Weltmeisterschaft in Australien. Wir waren viel auf Reisen, ich war mit zahlreichen späteren A-Nationalspielern in einer Mannschaft, ich durfte unter großartigen Trainern arbeiten. Auch das sind Augenblicke, die nur wenige Spieler erleben dürfen. Leider haben mich langwierige Verletzungen in entscheidenden Momenten gestoppt. Trotzdem, es war eine überragende Zeit. Viele haben diesen Traum, ich durfte ihn leben.