Brandt: "Ich verkrafte das auf jeden Fall"

DFB.de: Sie haben in Rio mit sieben Assists als Vorlagengeber geglänzt und mit der Mannschaft die Silbermedaille gewonnen. Sind Sie im Rückblick sogar ein wenig froh, dass es für Sie nicht für die EM-Teilnahme gereicht hat?

Brandt: Das ist eine gemeine Frage, aber offen gesagt: Ja. Natürlich ist die A-Mannschaft immer das Größte, natürlich geht nichts über Einsätze für diese Mannschaft. Aber ich bin auch Realist und weiß, dass ich, wenn ich in Frankreich dabei gewesen wäre, wahrscheinlich eher weniger gespielt hätte. In Brasilien habe ich sechs Spiele über 90 Minuten gemacht. So hatte ich zwar eine unübliche Vorbereitung, aber ich bin konditionell auf dem gleichen Stand wie jeder andere Spieler. Und dazu habe ich eine Silbermedaille.

DFB.de: Wie war es für Sie, während der EM die Spiele der Mannschaft zu verfolgen? Anders als früher?

Brandt: Man kennt die Jungs jetzt, schon deswegen ist es anders. Man hat einen Draht aufgebaut und fiebert noch viel mehr mit. Es ist schwer zu beschreiben, man ist kein Fan mehr, man gehört zwar auch nicht richtig dazu, aber irgendwie doch. Ich habe extrem die Daumen gedrückt und hätte mich wahnsinnig für das Team gefreut, wenn es was geworden wäre mit dem EM-Titel.

DFB.de: Jetzt sind Sie wieder Teil der Mannschaft. Sie haben inzwischen zwei Länderspiele in der Vita stehen. Fühlen Sie sich damit schon als richtiger Nationalspieler?

Brandt: Ich fühle mich auf jeden Fall jetzt viel mehr im Team angekommen. Man lernt die Leute mehr und mehr kennen, es ist nicht mehr alles neu. Auch die Akzeptanz steigt. Und das wird mit jedem Spiel noch mehr werden.

DFB.de: Im DFB-Team gab es eine Zäsur, Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger haben ihre Karrieren beendet. Joachim Löw hat angekündigt, dass er bis 2018 vielen jungen Spielern eine Chance geben will. Ist das für Sie ein positives Signal? Sie sind ja schon dabei…

Brandt: Klar ist das positiv. Die Nachwuchsarbeit in Deutschland ist extrem gut. Die Spieler werden immer früher immer besser. Ganz junge Spieler machen Druck auf junge Spieler und junge Spieler machen Druck auf etablierte. Das ist ganz normal und das sorgt dafür, dass das Niveau des Teams immer höher wird.

DFB.de: Zum Umbruch gehört auch, dass es mit Manuel Neuer einen neuen Kapitän gibt. Auch aus Ihrer Sicht die richtige Wahl?

Brandt: Ich weiß nicht, ob mir zusteht, das zu beurteilen. Aber klar: So wie ich Manuel kennen gelernt habe, ist er ein idealer Nachfolger von Basti.

DFB.de: Gegen Finnland stand der Abschied von Schweinsteiger im Vordergrund. Gegen Norwegen wird es wieder ernst. Wie erleben Sie die Mannschaft aktuell - merkt man, dass sich der Fokus langsam verschärft?

Brandt: Es stimmt: Im Spiel gegen Finnland ging es sehr darum, Basti den bestmöglichen Abschied zu bereiten. Er sollte in seinem letzten Spiel so viel Spaß haben, wie nur möglich war. Gegen Norwegen müssen und wollen wir gewinnen. Diese Ambition ist zu spüren. Nur der Erste qualifiziert sich direkt für die WM in Russland, deswegen wollen wir unbedingt mit drei Punkten starten.

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Schon vor der EM hat Julian Brandt ins DFB-Team hineingeschnuppert, nun ist er wieder dabei. Zwischendurch hat der 20-Jährige mit der deutschen Olympiamannschaft bei den Olympischen Spielen in Rio die Silbermedaille gewonnen. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke spricht Brandt über einen ereignisreichen Sommer.

DFB.de: Herr Brandt, Sie sollten eigentlich gar nicht mehr hier sein. Ursprünglich war vorgesehen, dass Sie nach dem Spiel gegen Finnland von der Nationalmannschaft abreisen. Welche Pläne hatten Sie für dieses Wochenende?

Julian Brandt: Eigentlich hatte ich frei von Donnerstag bis Montag. Ich wäre zu meiner Familie gefahren. Ich war ja im Sommer bei den Olympischen Spielen, ich sollte die freien Tage nutzen, um nachträglich den Kopf ein wenig freizubekommen.

DFB.de: Aber es ist auch keine Strafe, hier bei der Mannschaft geblieben zu sein. Oder musste der Bundestrainer Sie überreden, die Reise zum Spiel nach Norwegen mitzumachen?

Brandt: Nein, natürlich nicht. Es ist immer großartig, bei der Nationalmannschaft zu sein. Wenn der Bundestrainer zu Dir kommt und Dich bittet auszuhelfen, weil sich Spieler verletzt haben, dann muss man nicht lange überlegen. Dann ist es eine Selbstverständlichkeit. Ich bin mit Leidenschaft Nationalspieler und es erfüllt mich mit Stolz, wenn das Team mich braucht.

DFB.de: Wie nötig wäre die Pause denn gewesen - haben Sie die Strapazen der Olympischen Spiele vollends weggesteckt?

Brandt: Ich verkrafte das auf jeden Fall, gar keine Frage. Man muss natürlich immer auf sich achten, es ist wichtig, sich Ruhephasen zu nehmen. Bei vielen Verletzungen sagt man ja, dass sie entstanden sind, weil die Belastung nicht gut gesteuert war. Aber ich bin jung, ich bin 20 Jahre alt, ich bin sehr belastbar. Wobei man auch vorsichtig sein muss. Gerade wenn man jung ist, will man immer so viel spielen, wie es irgendwie geht. Am besten jedes Spiel über 90 Minuten.

DFB.de: Aber manchmal muss man sich bremsen.

Brandt: Genau. Für mich gibt es nichts Schlimmeres, als verletzt zu sein. Ich habe mir einmal das Außenband gerissen und hatte drei Wochen lang Reha. Und ich habe es gehasst, jeden Tag. Es war für mich eine Hölle. Ich will mir gar nicht ausmalen, was die Jungs durchmachen, bei denen das Kreuzband reißt. Deswegen bin ich vorsichtig und nehme mir Pausen, auch wenn mir das schwerfällt.

DFB.de: Erinnern Sie sich noch an den 31. Mai? War das für Sie auch die Hölle?

Brandt: Natürlich erinnere ich mich. An diesem Tag hat der Bundestrainer im Trainingslager in Ascona den endgültigen Kader für die EM nominiert und vier Spielern mitgeteilt, dass sie nicht mehr dabei sind. Mir unter anderem. Für mich war das aber kein schwarzer Tag oder so. Für mich war es überraschend und überragend, dass ich überhaupt mitfahren durfte. Die Woche bis zum 31. Mai war für mich eine großartige Woche voller großartiger Erfahrungen. Die Woche war für mich ein Gewinn.

DFB.de: Waren Sie kein Stück enttäuscht?

Brandt: Natürlich hat man als Spieler Ehrgeiz, natürlich wäre ich sehr gerne mitgefahren zur EM und habe auch alles dafür getan. Aber ich wusste, was mich erwartet, als mich der Bundestrainer kurz vor der Pressekonferenz zur Vorstellung des endgütigen Kaders angerufen hat. Er hat mir seine Entscheidung erklärt, und ich habe ihm gesagt, dass ich das verstehen kann.

DFB.de: Sie waren nicht bei der EM - dafür bei den Olympischen Spielen. War nach der Entscheidung durch den Bundestrainer sofort klar, dass es für Sie nach Brasilien gehen würde?

Brandt: Roger Schmidt, mein Trainer bei Bayer Leverkusen, DFB-Sportdirektor Hansi Flick und ich haben darüber diskutiert. Ehrlich gesagt war die Entscheidung nicht einfach. Ich habe auch noch einmal mit Lars Bender gesprochen, und er war dermaßen überzeugt davon, dass die Olympischen Spiele großartig werden. Er hat mir gesagt: "Junge, mach das!" Heute bin ich sehr froh, dass ich mich so entschieden habe. Für künftige Turniere kann ich jedem nur empfehlen, das mitzumachen. Wenn ich in vier Jahren noch einmal die Möglichkeit bekommen sollte – ich würde es auf jeden Fall machen.

DFB.de: Im Finale in Rio gegen Brasilien sind Sie im Elfmeterschießen angetreten, dabei haben Sie vom Punkt schlechte Erfahrungen im DFB-Trikot…

Brandt: Stimmt. Bei der U 20-WM in Neuseeland sind wir im Viertelfinale gegen Mali nach Elfmeterschießen ausgeschieden. Das Spiel lief eigentlich gut für mich, ich habe ein Tor erzielt. Im Elfmeterschießen habe ich mich eigentlich sehr sicher gefühlt. Und dann habe ich den Ball schön über das Gehäuse geknallt.

DFB.de: Warum haben Sie sich im olympischen Finale dennoch getraut?

Brandt: Man muss das abhaken. Aber die Situation in Brasilien war ganz anders. Das ganze Stadion war gegen uns, es war das Spiel um eine Goldmedaille, wir wussten, dass Millionen Menschen vor dem Fernseher sitzen. Da ist schon Druck da. Ich bin dann relativ schnell angetreten, habe das Ding versenkt und bin wieder abgehauen.

DFB.de: Sie hatten es eilig, haben Sie bewusst versucht, sich am Nachdenken zu hindern?

Brandt: Man denkt schon nach, ich glaube nicht, dass man die Umstände komplett ausblenden kann. Wichtig ist, dass man klar bleibt, dass man sich nicht vom Torhüter ablenken lässt und sein Ding durchzieht.

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DFB.de: Sie haben in Rio mit sieben Assists als Vorlagengeber geglänzt und mit der Mannschaft die Silbermedaille gewonnen. Sind Sie im Rückblick sogar ein wenig froh, dass es für Sie nicht für die EM-Teilnahme gereicht hat?

Brandt: Das ist eine gemeine Frage, aber offen gesagt: Ja. Natürlich ist die A-Mannschaft immer das Größte, natürlich geht nichts über Einsätze für diese Mannschaft. Aber ich bin auch Realist und weiß, dass ich, wenn ich in Frankreich dabei gewesen wäre, wahrscheinlich eher weniger gespielt hätte. In Brasilien habe ich sechs Spiele über 90 Minuten gemacht. So hatte ich zwar eine unübliche Vorbereitung, aber ich bin konditionell auf dem gleichen Stand wie jeder andere Spieler. Und dazu habe ich eine Silbermedaille.

DFB.de: Wie war es für Sie, während der EM die Spiele der Mannschaft zu verfolgen? Anders als früher?

Brandt: Man kennt die Jungs jetzt, schon deswegen ist es anders. Man hat einen Draht aufgebaut und fiebert noch viel mehr mit. Es ist schwer zu beschreiben, man ist kein Fan mehr, man gehört zwar auch nicht richtig dazu, aber irgendwie doch. Ich habe extrem die Daumen gedrückt und hätte mich wahnsinnig für das Team gefreut, wenn es was geworden wäre mit dem EM-Titel.

DFB.de: Jetzt sind Sie wieder Teil der Mannschaft. Sie haben inzwischen zwei Länderspiele in der Vita stehen. Fühlen Sie sich damit schon als richtiger Nationalspieler?

Brandt: Ich fühle mich auf jeden Fall jetzt viel mehr im Team angekommen. Man lernt die Leute mehr und mehr kennen, es ist nicht mehr alles neu. Auch die Akzeptanz steigt. Und das wird mit jedem Spiel noch mehr werden.

DFB.de: Im DFB-Team gab es eine Zäsur, Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger haben ihre Karrieren beendet. Joachim Löw hat angekündigt, dass er bis 2018 vielen jungen Spielern eine Chance geben will. Ist das für Sie ein positives Signal? Sie sind ja schon dabei…

Brandt: Klar ist das positiv. Die Nachwuchsarbeit in Deutschland ist extrem gut. Die Spieler werden immer früher immer besser. Ganz junge Spieler machen Druck auf junge Spieler und junge Spieler machen Druck auf etablierte. Das ist ganz normal und das sorgt dafür, dass das Niveau des Teams immer höher wird.

DFB.de: Zum Umbruch gehört auch, dass es mit Manuel Neuer einen neuen Kapitän gibt. Auch aus Ihrer Sicht die richtige Wahl?

Brandt: Ich weiß nicht, ob mir zusteht, das zu beurteilen. Aber klar: So wie ich Manuel kennen gelernt habe, ist er ein idealer Nachfolger von Basti.

DFB.de: Gegen Finnland stand der Abschied von Schweinsteiger im Vordergrund. Gegen Norwegen wird es wieder ernst. Wie erleben Sie die Mannschaft aktuell - merkt man, dass sich der Fokus langsam verschärft?

Brandt: Es stimmt: Im Spiel gegen Finnland ging es sehr darum, Basti den bestmöglichen Abschied zu bereiten. Er sollte in seinem letzten Spiel so viel Spaß haben, wie nur möglich war. Gegen Norwegen müssen und wollen wir gewinnen. Diese Ambition ist zu spüren. Nur der Erste qualifiziert sich direkt für die WM in Russland, deswegen wollen wir unbedingt mit drei Punkten starten.