Boris: "Normalerweise ruft nicht der Tabellenzweite an"

Am Mittwoch ging plötzlich alles ganz schnell. Erst mittags die Vorstellung, danach bereits die erste Übungseinheit bei seinem neuen Verein. Michael Boris hatte keine Zeit zur Eingewöhnung. Der neue Trainer des West-Regionalligisten Sportfreunde Lotte war direkt gefordert. Erst kurz vorher hatte der 38-Jährige seinen Vertrag beim Ligakonkurrenten Sportfreunde Siegen aufgelöst.

Mit Lotte will Boris den Aufstieg in die 3. Liga schaffen. Derzeit belegt sein neuer Klub den zweiten Rang, drei Punkte hinter Fortuna Köln bei einem ausgetragenen Spiel mehr. "Normalerweise ruft im Winter nicht der Tabellenzweite an, um einen neuen Trainer zu verpflichten", sagt Boris im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Sven Winterschladen. "Beim Vorletzten wäre das eher der Fall. Umso glücklicher bin ich, so eine attraktive Aufgabe übernehmen zu können."

Die Ziele von Lotte und dem neuen Coach sind identisch: Beide wollen den Sprung in den Profifußball schaffen. Deshalb besucht Boris auch gerade den Fußball-Lehrer-Lehrgang an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef: "Es ist überragend, auf welchen Ebenen die Inhalte dort vermittelt werden. Man sieht den Fußball mit ganz anderen Augen. Diese Ausbildung bringt mir unfassbar viel."

DFB.de: Herr Boris, warum dieser Wechsel in der Winterpause? Was reizt Sie am Engagement in Lotte?

Michael Boris: Ganz eindeutig die sportliche Perspektive. Man muss sich nur mal anschauen, was Lotte in den vergangenen Jahren erreicht hat: zuletzt als Meister der West-Staffel die Relegationsspiele, auch davor waren sie immer ganz weit oben dabei und haben nur knapp den Aufstieg verpasst. Auf Strecke gesehen, ist das der erfolgreichste Regionalligist der jüngeren Vergangenheit. Die ganze Konstellation ist außergewöhnlich.

DFB.de: Warum?

Michael Boris: Normalerweise ruft im Winter nicht der Tabellenzweite an, um einen neuen Trainer zu verpflichten. Beim Vorletzten wäre das eher der Fall. Umso glücklicher bin ich, so eine attraktive Aufgabe übernehmen zu können. Zumal die Sportfreunde Siegen ja kürzlich bekanntgegeben haben, dass es im Sommer womöglich mit Feierabend-Fußball weitergehen muss, weil sich wichtige Sponsoren zurückziehen werden.

DFB.de: Wie groß ist der Druck in Lotte?

Boris: Die Ansprüche sind hoch. Beim Verein. Aber auch bei mir. Wir wollen gemeinsam erfolgreich sein. Es hätte sicher leichtere Aufgaben für mich geben können, zum Beispiel wenn ich in Siegen geblieben wäre. Aber das ist nicht mein Anspruch. Ich stelle mich dieser Herausforderung, um auch persönlich den nächsten Schritt zu machen.

DFB.de: Mit welchen Zielen treten Sie in Lotte an? Geht es nur um den Aufstieg?

Boris: Der Verein hat die Ziele ja ganz klar formuliert. Zunächst ist wichtig, dass wir einen Schritt nach dem anderen machen. Kurzfristig müssen wir es schaffen, dass wir am Ende der Saison zwei Spiele mehr haben als die Konkurrenten. Dann hätten wir die Relegationsduelle um den Aufstieg in die 3. Liga erreicht.

DFB.de: Kann man sagen, dass die Ziele von Michael Boris und den Sportfreunden Lotte ziemlich identisch sind: der Sprung in den Profifußball?

Boris: Ja, ich denke, so kann man es ganz gut zusammenfassen. Ich finde es toll, dass mich alle für einen Experten der Regionalliga halten. Aber irgendwann muss man auch mal ein anderes Karussell besuchen. Dazu sehe ich in Lotte die Möglichkeit.

DFB.de: Wen schätzen Sie auf dem Weg dorthin als schärfste Gegner ein?

Boris: Ganz sicher die beiden Kölner Vereine Fortuna und Viktoria. Aber man darf auch Rot-Weiss Essen nicht aus den Augen lassen. Dazu könnte gut noch ein Überraschungsteam kommen. Vielleicht die U 23 von Fortuna Düsseldorf. Wer hatte schon damit gerechnet, dass die im Winter auf dem dritten Rang stehen?

DFB.de: Sie sind inzwischen seit einigen Jahren in der Regionalliga West tätig. Wie schätzen Sie die Spielklasse ein?

Boris: Es gibt eine Zweiklassengesellschaft. Einige Klubs arbeiten fast unter Profibedingungen und trainieren zweimal am Tag. Bei anderen Vereinen, vor allem bei den Aufsteigern, ist das nicht möglich. Dort fehlen einfach die finanziellen Möglichkeiten. Nichtsdestotrotz in die Regionalliga West mit den zahlreichen Traditionsvereinen eine hochattraktive Angelegenheit. Ich denke, da gibt es keine zwei Meinungen.

DFB.de: Wie gut kennen Sie Ihre neue Mannschaft bereits?

Boris: Ich bin absolut im Bilde. Vergangene Saison hat Lotte eine Woche vorher gegen die Gegner gespielt, gegen die wir dann mit Siegen antreten mussten. In dieser Serie beträgt der Abstand nur drei Wochen. Ich war also regelmäßiger Gast in Lotte. Daher betrete ich sicher nicht totales Neuland. In Siegen ist es mir in zweieinhalb Jahren gelungen, gute Arbeit zu leisten und die Spieler zu verbessern. Das möchte ich in Lotte fortsetzen. Aber eines ist auch klar: Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir am Maximum spielen. Dabei darf der Spaß jedoch nicht verloren gehen - das gilt für die Spieler genauso wie für das Trainerteam.

DFB.de: Wie war Ihre erste Einheit?

Boris: Die Jungs sind heiß, die Jungs sind motiviert. Ich freue mich wahnsinnig auf die kommenden Wochen.

DFB.de: Neben ihrer Tätigkeit in Lotte sind Sie gerade im Endspurt Ihrer Ausbildung zum Fußball-Lehrer an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef. Wie kompliziert ist diese Doppelbelastung?

Boris: Es ist schon sehr intensiv. Das ist die höchste Ausbildung, die es im deutschen Fußball gibt. Das ist mir bewusst, das macht man nicht so nebenbei. Ich habe mir in den vergangenen Tagen bei den Verantwortlichen Rat geholt. Denn ich möchte unbedingt diese Lizenz bekommen. Ich denke, dass beides möglich ist. Auch der Erfolg in Lotte.

DFB.de: Wie erleben Sie die Ausbildung zum Fußball-Lehrer? Helfen Ihnen die Inhalte in der täglichen Arbeit?

Boris: Natürlich. Man kann diese Ausbildung gar nicht hoch genug loben. Es ist überragend, auf welchen Ebenen die Inhalte vermittelt werden. Man sieht den Fußball mit ganz anderen Augen. Man sieht den Fußball ganz klar strukturiert. Wenn man das alles wirklich lernen und verstehen will und dann noch einen guten Abschluss schaffen möchte, muss man sich damit auch die ganze Woche über beschäftigen. Diese Ausbildung bringt mir unfassbar viel. Man darf nicht vergessen, dass ich kein Profi war. Ich habe nur Ober- und Regionalliga gespielt.

DFB.de: Ich es für jemanden wie Sie ohne Profihintergrund schwerer, als Trainer im Profifußball Fuß zu fassen? Oder macht das heutzutage keinen Unterschied mehr aus?

Boris: Wenn man Leistung bringt und mit positiven Ergebnissen überzeugen kann, dann macht es nichts aus. Der große Unterschied ist das Netzwerk. Wenn man oben gespielt hat, findet man immer wieder ehemalige Mannschaftskollegen in wichtigen Funktionen wieder. Sei es als sportlicher Leiter oder als Trainer, der vielleicht einen Assistenten sucht. Dieses Netzwerk habe ich nicht. Mir bleibt also nur die Möglichkeit, Ergebnisse zu liefern.

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Am Mittwoch ging plötzlich alles ganz schnell. Erst mittags die Vorstellung, danach bereits die erste Übungseinheit bei seinem neuen Verein. Michael Boris hatte keine Zeit zur Eingewöhnung. Der neue Trainer des West-Regionalligisten Sportfreunde Lotte war direkt gefordert. Erst kurz vorher hatte der 38-Jährige seinen Vertrag beim Ligakonkurrenten Sportfreunde Siegen aufgelöst.

Mit Lotte will Boris den Aufstieg in die 3. Liga schaffen. Derzeit belegt sein neuer Klub den zweiten Rang, drei Punkte hinter Fortuna Köln bei einem ausgetragenen Spiel mehr. "Normalerweise ruft im Winter nicht der Tabellenzweite an, um einen neuen Trainer zu verpflichten", sagt Boris im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Sven Winterschladen. "Beim Vorletzten wäre das eher der Fall. Umso glücklicher bin ich, so eine attraktive Aufgabe übernehmen zu können."

Die Ziele von Lotte und dem neuen Coach sind identisch: Beide wollen den Sprung in den Profifußball schaffen. Deshalb besucht Boris auch gerade den Fußball-Lehrer-Lehrgang an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef: "Es ist überragend, auf welchen Ebenen die Inhalte dort vermittelt werden. Man sieht den Fußball mit ganz anderen Augen. Diese Ausbildung bringt mir unfassbar viel."

DFB.de: Herr Boris, warum dieser Wechsel in der Winterpause? Was reizt Sie am Engagement in Lotte?

Michael Boris: Ganz eindeutig die sportliche Perspektive. Man muss sich nur mal anschauen, was Lotte in den vergangenen Jahren erreicht hat: zuletzt als Meister der West-Staffel die Relegationsspiele, auch davor waren sie immer ganz weit oben dabei und haben nur knapp den Aufstieg verpasst. Auf Strecke gesehen, ist das der erfolgreichste Regionalligist der jüngeren Vergangenheit. Die ganze Konstellation ist außergewöhnlich.

DFB.de: Warum?

Michael Boris: Normalerweise ruft im Winter nicht der Tabellenzweite an, um einen neuen Trainer zu verpflichten. Beim Vorletzten wäre das eher der Fall. Umso glücklicher bin ich, so eine attraktive Aufgabe übernehmen zu können. Zumal die Sportfreunde Siegen ja kürzlich bekanntgegeben haben, dass es im Sommer womöglich mit Feierabend-Fußball weitergehen muss, weil sich wichtige Sponsoren zurückziehen werden.

DFB.de: Wie groß ist der Druck in Lotte?

Boris: Die Ansprüche sind hoch. Beim Verein. Aber auch bei mir. Wir wollen gemeinsam erfolgreich sein. Es hätte sicher leichtere Aufgaben für mich geben können, zum Beispiel wenn ich in Siegen geblieben wäre. Aber das ist nicht mein Anspruch. Ich stelle mich dieser Herausforderung, um auch persönlich den nächsten Schritt zu machen.

DFB.de: Mit welchen Zielen treten Sie in Lotte an? Geht es nur um den Aufstieg?

Boris: Der Verein hat die Ziele ja ganz klar formuliert. Zunächst ist wichtig, dass wir einen Schritt nach dem anderen machen. Kurzfristig müssen wir es schaffen, dass wir am Ende der Saison zwei Spiele mehr haben als die Konkurrenten. Dann hätten wir die Relegationsduelle um den Aufstieg in die 3. Liga erreicht.

DFB.de: Kann man sagen, dass die Ziele von Michael Boris und den Sportfreunden Lotte ziemlich identisch sind: der Sprung in den Profifußball?

Boris: Ja, ich denke, so kann man es ganz gut zusammenfassen. Ich finde es toll, dass mich alle für einen Experten der Regionalliga halten. Aber irgendwann muss man auch mal ein anderes Karussell besuchen. Dazu sehe ich in Lotte die Möglichkeit.

DFB.de: Wen schätzen Sie auf dem Weg dorthin als schärfste Gegner ein?

Boris: Ganz sicher die beiden Kölner Vereine Fortuna und Viktoria. Aber man darf auch Rot-Weiss Essen nicht aus den Augen lassen. Dazu könnte gut noch ein Überraschungsteam kommen. Vielleicht die U 23 von Fortuna Düsseldorf. Wer hatte schon damit gerechnet, dass die im Winter auf dem dritten Rang stehen?

DFB.de: Sie sind inzwischen seit einigen Jahren in der Regionalliga West tätig. Wie schätzen Sie die Spielklasse ein?

Boris: Es gibt eine Zweiklassengesellschaft. Einige Klubs arbeiten fast unter Profibedingungen und trainieren zweimal am Tag. Bei anderen Vereinen, vor allem bei den Aufsteigern, ist das nicht möglich. Dort fehlen einfach die finanziellen Möglichkeiten. Nichtsdestotrotz in die Regionalliga West mit den zahlreichen Traditionsvereinen eine hochattraktive Angelegenheit. Ich denke, da gibt es keine zwei Meinungen.

DFB.de: Wie gut kennen Sie Ihre neue Mannschaft bereits?

Boris: Ich bin absolut im Bilde. Vergangene Saison hat Lotte eine Woche vorher gegen die Gegner gespielt, gegen die wir dann mit Siegen antreten mussten. In dieser Serie beträgt der Abstand nur drei Wochen. Ich war also regelmäßiger Gast in Lotte. Daher betrete ich sicher nicht totales Neuland. In Siegen ist es mir in zweieinhalb Jahren gelungen, gute Arbeit zu leisten und die Spieler zu verbessern. Das möchte ich in Lotte fortsetzen. Aber eines ist auch klar: Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir am Maximum spielen. Dabei darf der Spaß jedoch nicht verloren gehen - das gilt für die Spieler genauso wie für das Trainerteam.

DFB.de: Wie war Ihre erste Einheit?

Boris: Die Jungs sind heiß, die Jungs sind motiviert. Ich freue mich wahnsinnig auf die kommenden Wochen.

DFB.de: Neben ihrer Tätigkeit in Lotte sind Sie gerade im Endspurt Ihrer Ausbildung zum Fußball-Lehrer an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef. Wie kompliziert ist diese Doppelbelastung?

Boris: Es ist schon sehr intensiv. Das ist die höchste Ausbildung, die es im deutschen Fußball gibt. Das ist mir bewusst, das macht man nicht so nebenbei. Ich habe mir in den vergangenen Tagen bei den Verantwortlichen Rat geholt. Denn ich möchte unbedingt diese Lizenz bekommen. Ich denke, dass beides möglich ist. Auch der Erfolg in Lotte.

DFB.de: Wie erleben Sie die Ausbildung zum Fußball-Lehrer? Helfen Ihnen die Inhalte in der täglichen Arbeit?

Boris: Natürlich. Man kann diese Ausbildung gar nicht hoch genug loben. Es ist überragend, auf welchen Ebenen die Inhalte vermittelt werden. Man sieht den Fußball mit ganz anderen Augen. Man sieht den Fußball ganz klar strukturiert. Wenn man das alles wirklich lernen und verstehen will und dann noch einen guten Abschluss schaffen möchte, muss man sich damit auch die ganze Woche über beschäftigen. Diese Ausbildung bringt mir unfassbar viel. Man darf nicht vergessen, dass ich kein Profi war. Ich habe nur Ober- und Regionalliga gespielt.

DFB.de: Ich es für jemanden wie Sie ohne Profihintergrund schwerer, als Trainer im Profifußball Fuß zu fassen? Oder macht das heutzutage keinen Unterschied mehr aus?

Boris: Wenn man Leistung bringt und mit positiven Ergebnissen überzeugen kann, dann macht es nichts aus. Der große Unterschied ist das Netzwerk. Wenn man oben gespielt hat, findet man immer wieder ehemalige Mannschaftskollegen in wichtigen Funktionen wieder. Sei es als sportlicher Leiter oder als Trainer, der vielleicht einen Assistenten sucht. Dieses Netzwerk habe ich nicht. Mir bleibt also nur die Möglichkeit, Ergebnisse zu liefern.