Bonhof: "Weisweiler hat Rivalität begründet"

DFB.de: Wie ungemütlich wurde es, wenn ein Derby dann verloren ging?

Bonhof: Er hat in der Trainingssteuerung dann schon mal ein bisschen Gas gegeben. Wo wir uns dann gesagt haben: "Das könnte mit dem Ergebnis zusammenhängen."

DFB.de: Und wenn Sie gewonnen haben?

Bonhof: Dann hatten wir bis Montagnachmittag frei. Dann haben wir uns gesagt: "Samstag nach dem Spiel kannst du wegfahren und musst erst am Montag zurückkommen." Das war bei uns im Kalkül, wenn wir gegen Köln gespielt haben. Bei Weisweiler kam es auch immer darauf an, wie wir gewinnen. Wenn wir ein Granatenspiel gemacht haben, konnte es auch mal sein, dass wir erst am Dienstag trainieren mussten. Denn dann konnte er sich in Köln immerhin wieder für ein halbes Jahr blicken lassen.

DFB.de: Die Bilanz der Borussia gegen den FC ist dann auch deutlich positiv...

Bonhof: Ulrik le Fevre hat mal in Köln das Spiel kurz vor Schluss entschieden. Genau davon haben die Derbys sehr oft gelebt. Wir haben sicher häufiger dort gewonnen als Köln bei uns. Es gab auch viele klare Ergebnisse, wenn ich an die 90er Jahre denke, als Peter Wynhoff immer ein Garant für viele Tore war. Aber oft waren es ganz enge Spiele.

DFB.de: Früher wurde auch die Vereinstreue größer geschrieben. Waren die Derbys dadurch anders oder intensiver?

Bonhof: Ja, vielleicht. Das hat sicher etwas damit zu tun, dass du bei einigen Klubs immer einen Großteil der gegnerischen Spieler über Jahre wiedergetroffen hast. Ich habe in Gladbach im Grunde immer gegen die gleichen Spieler gespielt, so viele Vereinswechsel gab es damals ja nicht. Viele Spieler kamen zudem aus der näheren Umgebung, aus dem Umkreis von vielleicht 120 Kilometern. Heute hat man eine viel größere Fluktuation in der Struktur des Kaders.

DFB.de: Sie haben viele Derbys erlebt. Welches ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Bonhof: 1973 das DFB-Pokalfinale. Zum einen ging es um einen Titel, zum anderen waren die Begleitumstände besonders. Zum damaligen Zeitpunkt hieß es: „Günter Netzer draußen zu lassen, das geht gar nicht.“ Aber wenn man die Vorgeschichte kennt, muss man den Hut vor ihm ziehen. Er hatte kurz zuvor seinen Wechsel zu Real Madrid bekanntgegeben. In der Woche vor dem Spiel ist dann noch seine Mutter gestorben. Er hat sich um die Beerdigung kümmern müssen und konnte so nur wenig trainieren. Weisweiler hat dann irgendwann gesagt: „Den lasse ich nicht spielen.“ Der Mannschaftsrat hat Netzer schließlich gebeten, dass er zumindest mitfahren und sich auf die Bank setzen soll. Am Ende macht er dann dieses glorreiche Tor. Und im Kopf ist das natürlich das Spiel der Spiele gegen den FC. Es gab aber natürlich auch sonst richtig gute Spiele gegen Köln, zum Beispiel 1975 im Halbfinale des UEFA-Pokals.

DFB.de: Wie würden Sie das Derby Gladbach gegen Köln grundsätzlich einordnen in Deutschland?

Bonhof: Ich denke, dass es mit an oberster Stelle steht. 1860 gegen die Bayern war sicherlich eines der sagenumwobenen Derbys in den frühen Bundesliga-Jahren. Dann kommt schon Gladbach gegen Köln. Auch Dortmund gegen Schalke existiert ähnlich lange. Ich finde es grundsätzlich einfach nur schön, dass es sich so entwickelt hat. Dass es Derbys gibt, auf die man sich ein Jahr lang freuen kann. Das ist das, was der Fan will und was auch die Spieler wollen.

DFB.de: Sie haben später auch für den 1. FC Köln gespielt, Weisweiler war später auch wieder Trainer in Köln. War das damals alles unproblematischer?

Bonhof: Ich weiß gar nicht, ob das heute problematischer ist. Ich war damals in Valencia und wollte in die Bundesliga zurück. Der FC roch das wohl und war als erster Verein da. Da gab es dann auch nichts mehr mit anderen Klubs zu verhandeln. Der FC war kurz zuvor erst Deutscher Meister geworden und auch sonst eine richtig gute Adresse. Als ich damals mit Köln in Gladbach aufgelaufen bin gab es aber auch niemanden, der gepfiffen hat. Das war gar keine große Geschichte. Das wäre heute wahrscheinlich ein wenig anders.

DFB.de: Sie haben in Gladbach viel erlebt. War 2015 das turbulenteste Jahr?

Bonhof: Es war vor allem das kürzeste Jahr. Wir waren im Grunde jeden dritten Tag unterwegs. Das hatte ich als Spieler erlebt, aber in meiner Funktion als Vizepräsident noch nicht. Irgendwann war Dezember und ich habe mich gefragt: „Was hast du eigentlich im Januar gemacht?“. Es war sicherlich eines der schönsten Jahre, die wir in der jüngeren Vergangenheit erlebt haben.

DFB.de: Wie bewerten Sie die aktuelle Situation?

Bonhof: Wenn man unsere Serie vom Saisonbeginn mit null Punkten nach fünf Spielen bis hin zu Platz vier am Ende des Jahres sieht, erkennt man, was in so kurzer Zeit möglich ist. Das gibt es im Grunde nur im Fußball: Dass du ganz unten bist und hoffst, dass du nicht absteigst und dann geht es innerhalb von drei Monaten plötzlich ab nach oben. Ein Mittelding wäre das, was wir wollen, Stabilität in der Einstelligkeit. Der Start in die Rückrunde war nicht unbedingt prickelnd, aber wir haben jetzt gerade einmal den 22. Spieltag. Ich denke, dass wir, wenn wir stabil bleiben, um die internationalen Plätze mitkämpfen können.

DFB.de: Ihr Tipp für das Derby am Samstag?

Bonhof: Eng, aber für uns. Schön war es, als Granit Xhaka in der vergangenen Saison in der 90. Minute den 1:0-Siegtreffer erzielt hat. Da brauchte man nicht so lange leiden. Das war eigentlich ganz gut.

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Rainer Bonhof muss zwangsläufig lächeln, wenn er sich an die Vergangenheit erinnert, an die Derbys zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln. Heute (ab 15.30 Uhr, live auf Sky) steigt ligaübergreifend immerhin das bereits 95. Duell der beiden Rivalen. 18 davon hat Bonhof als Spieler erlebt, 13 im Trikot der Borussia, fünf beim 1. FC Köln. Und oft hatten die Gladbacher das bessere Ende für sich, 50 Siege gab es bei 24 Niederlagen.

Entstanden ist die Rivalität durch Trainer Hennes Weisweiler, wie der Weltmeister von 1974 und zweimalige Europameister erklärt. Für den gebürtigen Kölner Weisweiler waren die Spiele gegen den FC etwas ganz Spezielles. "Wir sollten möglichst viel tun um das Spiel zu gewinnen, damit der Weisweiler seine gute Laune behält", erinnert sich der 53-malige Nationalspieler. Falls das nicht funktionierte, konnte der 1983 verstorbene Weisweiler auch mal die Trainingsintensität erhöhen, wie Bonhof, heute Vizepräsident in Gladbach, verrät.

Im Interview mit DFB.de-Redakteur Andreas Reiners spricht der 63-Jährige zudem über die Unterschiede zwischen der Rivalität früher und heute, besondere Motivationsmaßnahmen durch Weisweiler, das Spiel der Spiele gegen den FC und die aktuelle Situation bei der Borussia.

DFB.de: Das Derby zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln steht an. Kribbelt es bei Ihnen heute noch so wie früher, Rainer Bonhof?

Rainer Bonhof: Ich spiele ja nicht mehr. Wenn ich spielen würde, würde es kribbeln, allerdings unten an den Stollen. Im Ernst: Natürlich. Man weiß ja, worum es geht. Es ist nicht umsonst ein Derby, auf das wir uns immer wieder aufs Neue freuen. Das Vorgeplänkel und die Intensität in der Woche davor sind schon recht hoch, die Spannung steigt von Tag zu Tag. Wir müssen nur schauen, dass der "Quatsch" abseits des Spiels nicht wieder ausartet.

DFB.de: Können Sie es sich erklären, warum die Derbys heute auch immer mit Auseinandersetzungen zwischen den Fans verbunden sind?

Bonhof: Das rührt aktuell noch von 2008, als die Fahne unserer Fans von den Kölner Anhängern geklaut worden und schließlich beim Auswärtsspiel in Köln im Block verbrannt worden ist. Seitdem hat sich das ein bisschen hochgeschaukelt.

DFB.de: Können Sie nachvollziehen, dass die Anhänger ausgerechnet das Derby für einen Stimmungsboykott nutzen wollen?

Bonhof: Ja, weil es die größte Aufmerksamkeit bringt. Wenn sie das vor einer Woche gemacht hätten, hätte kein Hahn danach gekräht. Es ist klar, dass sie das jetzt ausnutzen um sich darzustellen und um auf den, aus ihrer Sicht, Missstand hinzuweisen. Mein Wunsch ist, dass das Drumherum ruhig bleibt. Fußball setzt Emotionen frei, die aber nicht in Aggressionen ausarten dürfen.

DFB.de: Wie ist diese Rivalität zwischen den beiden Klubs entstanden und wie wurde sie ausgelebt?

Bonhof: Entstanden ist es dadurch, dass wir in Hennes Weisweiler einen Kölner Trainer hatten, der in Köln wohnte und dort auch als Dozent an der Sporthochschule arbeitete. Er wollte natürlich sein Gesicht nicht verlieren. Bei uns Spielern war es aber nie so eine große Rivalität. Da waren zwei Mannschaften, die die Möglichkeit hatten, um die Meisterschaft zu spielen. Das war eine Rivalität, die nie außerhalb des Platzes stattgefunden hat. Dementsprechend haben wir das auch nie so empfunden. Wenn der FC in Gladbach zu Gast war oder wir in Köln, haben sich die heimischen Fans Autogramme von der Gastmannschaft besorgt.

DFB.de: Wie hat Weisweiler die Mannschaft motiviert?

Bonhof: Das war unterschiedlich. Es gab zum Beispiel dezente und unterschwellige Hinweise, dass wir in ein paar Wochen gegen den FC spielen. Wir sollten dann lieber mal wieder gut schlafen, gut essen und uns ausruhen. Das war für ihn einfach eines der ganz wichtigen Spiele. Und wir waren immer bis zum Anschlag motiviert.

DFB.de: War rund um den Klub denn eine Anspannung wie heute spürbar?

Bonhof: Das Derby fand damals in der Öffentlichkeit nicht ganz so groß wie heute statt. Wir hatten vier Journalisten, die uns begleitet haben. Wenn man heute den Aufwand sieht merkt man, wie sich das multipliziert. Aber auch damals war das schon spürbar. Für uns war der Tenor: Wir sollten möglichst viel tun um das Spiel zu gewinnen, damit der Weisweiler seine gute Laune behält.

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DFB.de: Wie ungemütlich wurde es, wenn ein Derby dann verloren ging?

Bonhof: Er hat in der Trainingssteuerung dann schon mal ein bisschen Gas gegeben. Wo wir uns dann gesagt haben: "Das könnte mit dem Ergebnis zusammenhängen."

DFB.de: Und wenn Sie gewonnen haben?

Bonhof: Dann hatten wir bis Montagnachmittag frei. Dann haben wir uns gesagt: "Samstag nach dem Spiel kannst du wegfahren und musst erst am Montag zurückkommen." Das war bei uns im Kalkül, wenn wir gegen Köln gespielt haben. Bei Weisweiler kam es auch immer darauf an, wie wir gewinnen. Wenn wir ein Granatenspiel gemacht haben, konnte es auch mal sein, dass wir erst am Dienstag trainieren mussten. Denn dann konnte er sich in Köln immerhin wieder für ein halbes Jahr blicken lassen.

DFB.de: Die Bilanz der Borussia gegen den FC ist dann auch deutlich positiv...

Bonhof: Ulrik le Fevre hat mal in Köln das Spiel kurz vor Schluss entschieden. Genau davon haben die Derbys sehr oft gelebt. Wir haben sicher häufiger dort gewonnen als Köln bei uns. Es gab auch viele klare Ergebnisse, wenn ich an die 90er Jahre denke, als Peter Wynhoff immer ein Garant für viele Tore war. Aber oft waren es ganz enge Spiele.

DFB.de: Früher wurde auch die Vereinstreue größer geschrieben. Waren die Derbys dadurch anders oder intensiver?

Bonhof: Ja, vielleicht. Das hat sicher etwas damit zu tun, dass du bei einigen Klubs immer einen Großteil der gegnerischen Spieler über Jahre wiedergetroffen hast. Ich habe in Gladbach im Grunde immer gegen die gleichen Spieler gespielt, so viele Vereinswechsel gab es damals ja nicht. Viele Spieler kamen zudem aus der näheren Umgebung, aus dem Umkreis von vielleicht 120 Kilometern. Heute hat man eine viel größere Fluktuation in der Struktur des Kaders.

DFB.de: Sie haben viele Derbys erlebt. Welches ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Bonhof: 1973 das DFB-Pokalfinale. Zum einen ging es um einen Titel, zum anderen waren die Begleitumstände besonders. Zum damaligen Zeitpunkt hieß es: „Günter Netzer draußen zu lassen, das geht gar nicht.“ Aber wenn man die Vorgeschichte kennt, muss man den Hut vor ihm ziehen. Er hatte kurz zuvor seinen Wechsel zu Real Madrid bekanntgegeben. In der Woche vor dem Spiel ist dann noch seine Mutter gestorben. Er hat sich um die Beerdigung kümmern müssen und konnte so nur wenig trainieren. Weisweiler hat dann irgendwann gesagt: „Den lasse ich nicht spielen.“ Der Mannschaftsrat hat Netzer schließlich gebeten, dass er zumindest mitfahren und sich auf die Bank setzen soll. Am Ende macht er dann dieses glorreiche Tor. Und im Kopf ist das natürlich das Spiel der Spiele gegen den FC. Es gab aber natürlich auch sonst richtig gute Spiele gegen Köln, zum Beispiel 1975 im Halbfinale des UEFA-Pokals.

DFB.de: Wie würden Sie das Derby Gladbach gegen Köln grundsätzlich einordnen in Deutschland?

Bonhof: Ich denke, dass es mit an oberster Stelle steht. 1860 gegen die Bayern war sicherlich eines der sagenumwobenen Derbys in den frühen Bundesliga-Jahren. Dann kommt schon Gladbach gegen Köln. Auch Dortmund gegen Schalke existiert ähnlich lange. Ich finde es grundsätzlich einfach nur schön, dass es sich so entwickelt hat. Dass es Derbys gibt, auf die man sich ein Jahr lang freuen kann. Das ist das, was der Fan will und was auch die Spieler wollen.

DFB.de: Sie haben später auch für den 1. FC Köln gespielt, Weisweiler war später auch wieder Trainer in Köln. War das damals alles unproblematischer?

Bonhof: Ich weiß gar nicht, ob das heute problematischer ist. Ich war damals in Valencia und wollte in die Bundesliga zurück. Der FC roch das wohl und war als erster Verein da. Da gab es dann auch nichts mehr mit anderen Klubs zu verhandeln. Der FC war kurz zuvor erst Deutscher Meister geworden und auch sonst eine richtig gute Adresse. Als ich damals mit Köln in Gladbach aufgelaufen bin gab es aber auch niemanden, der gepfiffen hat. Das war gar keine große Geschichte. Das wäre heute wahrscheinlich ein wenig anders.

DFB.de: Sie haben in Gladbach viel erlebt. War 2015 das turbulenteste Jahr?

Bonhof: Es war vor allem das kürzeste Jahr. Wir waren im Grunde jeden dritten Tag unterwegs. Das hatte ich als Spieler erlebt, aber in meiner Funktion als Vizepräsident noch nicht. Irgendwann war Dezember und ich habe mich gefragt: „Was hast du eigentlich im Januar gemacht?“. Es war sicherlich eines der schönsten Jahre, die wir in der jüngeren Vergangenheit erlebt haben.

DFB.de: Wie bewerten Sie die aktuelle Situation?

Bonhof: Wenn man unsere Serie vom Saisonbeginn mit null Punkten nach fünf Spielen bis hin zu Platz vier am Ende des Jahres sieht, erkennt man, was in so kurzer Zeit möglich ist. Das gibt es im Grunde nur im Fußball: Dass du ganz unten bist und hoffst, dass du nicht absteigst und dann geht es innerhalb von drei Monaten plötzlich ab nach oben. Ein Mittelding wäre das, was wir wollen, Stabilität in der Einstelligkeit. Der Start in die Rückrunde war nicht unbedingt prickelnd, aber wir haben jetzt gerade einmal den 22. Spieltag. Ich denke, dass wir, wenn wir stabil bleiben, um die internationalen Plätze mitkämpfen können.

DFB.de: Ihr Tipp für das Derby am Samstag?

Bonhof: Eng, aber für uns. Schön war es, als Granit Xhaka in der vergangenen Saison in der 90. Minute den 1:0-Siegtreffer erzielt hat. Da brauchte man nicht so lange leiden. Das war eigentlich ganz gut.