Böllerwurf-Opfer Streicher: "Kein rationaler Grund"

Oliver Streicher wurde 2008 im Frankfurter Stadion Opfer eines Böllerwurfes. Der Täter hatte den Knallkörper aufgerüstet, "getuned" sagt die Szene, er wurde nie gefasst. Für Streicher hat die Detonation des Sprengkörpers bleibende gesundheitliche Schäden hinterlassen. Vier Jahre nach der feigen Attacke leidet der heute 34-jährige Familienvater an einem Tinitus und ist gezwungen, ein Hörgerät zu tragen. Auch seinen Job hat er verloren.

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hat Oliver Streicher heute in Frankfurt einen Scheck in Höhe von 10.000 Euro überreicht - möglich gemacht durch eine gemeinsame Aktion der Vereine Eintracht Frankfurt und des 1. FC Nürnberg, der Bundesliga-Stiftung und der DFB-Stiftung Sepp Herberger. DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth hat mit dem ehemaligen Greenkeeper über einen traumatischen Tag und die schlimmen Folgen gesprochen.

DFB.de: 5. April 2008, Eintracht Frankfurt im Heimspiel gegen den FC Nürnberg. Ausverkauftes Stadion, als Greenkeeper standen Sie bereit für die Rasenpflege in der Halbzeitpause. Herr Streicher, was passierte dann?

Oliver Streicher: Das Stadion war richtig voll, die Stimmung prächtig, ein schönes Spiel. Nürnberg war überlegen. An jeder Ecke der Arena führen große Marathontore ins Freie, ich stand im Tor 3, direkt neben dem Block der "Club"-Fans. Ich weiß noch, dass ich Richtung Feld ging, einfach um ein paar Schritte zu laufen, als es neben mir einen riesigen Schlag tat, viel lauter als durch einen Feuerwerkskörper. Eine richtige Explosion. Ich spürte sofort ein massives Ziehen im Kopf und direkt danach ein schnell stärker werdendes Schmerzgefühl. Ich habe den Böller nicht fliegen sehen. Von der Polizei habe ich später erfahren, dass es ein selbst gebastelter Sprengkörper war, der zwei bis drei Meter neben mir explodierte. Ich meldete mich bei meinem Vorgesetzten ab, weil ich spürte, wie auch der Kreislauf wegsackte. Ich hatte wohl einen Schock. Dass das Spiel kurz unterbrochen wurde, habe ich in dem Moment nicht mitbekommen. Die Ersthelfer haben mich notversorgt, dann wurde ich ins Krankenhaus gebracht und dort sofort stationär aufgenommen.

DFB.de: Das Spiel gegen Nürnberg war nicht Ihr erster Einsatz im vollen Stadion. Hatte Ihnen der Job Spaß gemacht?

Streicher: Ich war gerne Greenkeeper. Wenn es unter der Woche stark regnet, ist es schon nicht so leicht, den Rasen Bundesliga-tauglich zu bekommen. Das war eine Herausforderung. Am Spieltag waren wir für die Feldmarkierungen verantwortlich, wir haben den Platz gemäht, die Tornetze aufgehängt und die Eckfahnen aufgestellt. Fünf, sechs Stunden waren wir beschäftigt, bevor der Schiedsrichter den Platz abnahm. Ich bin Fußballfan, auch mit den Eintracht-Profis war es immer ein offenes Verhältnis. Mir hat es Spaß gemacht, am Samstag oder Sonntag beim Spiel im Einsatz zu sein. Sorgen hatte ich mir vor dem 5. April 2008 nie gemacht.

DFB.de: Wie ging es weiter, nachdem Sie in der Uniklinik Frankfurt waren?

Streicher: Die zuständige Ärztin sagte mir, ich hätte einen Hörsturz und müsste stationär aufgenommen werden. Bis heute leide ich an einem Tinitus und unter einem Hörverlust. Seit damals trage ich ein Hörgerät. Und bis heute bin ich bei einem Psychotherapeuten in Behandlung. Ich war seit diesem Tag in keinem Stadion mehr, meide Menschenmengen, wache nachts dauernd auf. Früher hätte ich so einen Vorfall vielleicht auch bagatellisiert, hätte gesagt: "So schlimm ist das nicht." Jetzt habe ich am eigenen Körper erlebt, dass so ein Angriff langfristige Folgen hat, für mich und für meine Familie.



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Oliver Streicher wurde 2008 im Frankfurter Stadion Opfer eines Böllerwurfes. Der Täter hatte den Knallkörper aufgerüstet, "getuned" sagt die Szene, er wurde nie gefasst. Für Streicher hat die Detonation des Sprengkörpers bleibende gesundheitliche Schäden hinterlassen. Vier Jahre nach der feigen Attacke leidet der heute 34-jährige Familienvater an einem Tinitus und ist gezwungen, ein Hörgerät zu tragen. Auch seinen Job hat er verloren.

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hat Oliver Streicher heute in Frankfurt einen Scheck in Höhe von 10.000 Euro überreicht - möglich gemacht durch eine gemeinsame Aktion der Vereine Eintracht Frankfurt und des 1. FC Nürnberg, der Bundesliga-Stiftung und der DFB-Stiftung Sepp Herberger. DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth hat mit dem ehemaligen Greenkeeper über einen traumatischen Tag und die schlimmen Folgen gesprochen.

DFB.de: 5. April 2008, Eintracht Frankfurt im Heimspiel gegen den FC Nürnberg. Ausverkauftes Stadion, als Greenkeeper standen Sie bereit für die Rasenpflege in der Halbzeitpause. Herr Streicher, was passierte dann?

Oliver Streicher: Das Stadion war richtig voll, die Stimmung prächtig, ein schönes Spiel. Nürnberg war überlegen. An jeder Ecke der Arena führen große Marathontore ins Freie, ich stand im Tor 3, direkt neben dem Block der "Club"-Fans. Ich weiß noch, dass ich Richtung Feld ging, einfach um ein paar Schritte zu laufen, als es neben mir einen riesigen Schlag tat, viel lauter als durch einen Feuerwerkskörper. Eine richtige Explosion. Ich spürte sofort ein massives Ziehen im Kopf und direkt danach ein schnell stärker werdendes Schmerzgefühl. Ich habe den Böller nicht fliegen sehen. Von der Polizei habe ich später erfahren, dass es ein selbst gebastelter Sprengkörper war, der zwei bis drei Meter neben mir explodierte. Ich meldete mich bei meinem Vorgesetzten ab, weil ich spürte, wie auch der Kreislauf wegsackte. Ich hatte wohl einen Schock. Dass das Spiel kurz unterbrochen wurde, habe ich in dem Moment nicht mitbekommen. Die Ersthelfer haben mich notversorgt, dann wurde ich ins Krankenhaus gebracht und dort sofort stationär aufgenommen.

DFB.de: Das Spiel gegen Nürnberg war nicht Ihr erster Einsatz im vollen Stadion. Hatte Ihnen der Job Spaß gemacht?

Streicher: Ich war gerne Greenkeeper. Wenn es unter der Woche stark regnet, ist es schon nicht so leicht, den Rasen Bundesliga-tauglich zu bekommen. Das war eine Herausforderung. Am Spieltag waren wir für die Feldmarkierungen verantwortlich, wir haben den Platz gemäht, die Tornetze aufgehängt und die Eckfahnen aufgestellt. Fünf, sechs Stunden waren wir beschäftigt, bevor der Schiedsrichter den Platz abnahm. Ich bin Fußballfan, auch mit den Eintracht-Profis war es immer ein offenes Verhältnis. Mir hat es Spaß gemacht, am Samstag oder Sonntag beim Spiel im Einsatz zu sein. Sorgen hatte ich mir vor dem 5. April 2008 nie gemacht.

DFB.de: Wie ging es weiter, nachdem Sie in der Uniklinik Frankfurt waren?

Streicher: Die zuständige Ärztin sagte mir, ich hätte einen Hörsturz und müsste stationär aufgenommen werden. Bis heute leide ich an einem Tinitus und unter einem Hörverlust. Seit damals trage ich ein Hörgerät. Und bis heute bin ich bei einem Psychotherapeuten in Behandlung. Ich war seit diesem Tag in keinem Stadion mehr, meide Menschenmengen, wache nachts dauernd auf. Früher hätte ich so einen Vorfall vielleicht auch bagatellisiert, hätte gesagt: "So schlimm ist das nicht." Jetzt habe ich am eigenen Körper erlebt, dass so ein Angriff langfristige Folgen hat, für mich und für meine Familie.

DFB.de: Hat die Polizei den Täter gefasst?

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Streicher: Nein, der Täter konnte nie ermittelt werden. Anfangs hatte ich Angst, dass mir irgendwann jemand auflauert. Im Internet erfuhr ich große Unterstützung, aber es gab auch Beschimpfungen und Vorwürfe. Eine Zeitlang war ich mir selbst fremd. Selbst mit meinen Kindern ging ich nicht mehr ins Schwimmbad. Da war ständig die Angst, es könnte etwas passieren.

DFB.de: Wäre es Ihnen leichter ums Herz, hätte man den Täter geschnappt?

Streicher: Dass würde jedenfalls die Frage beantworten, warum er das getan hat. Für mich wäre es eine Erleichterung, auch das direkte Gespräch mit dem Täter. Ich meine, Nürnberg machte ein gutes Spiel, es gab doch rational betrachtet überhaupt keinen Grund, etwas so eskalieren zu lassen. Ich muss jetzt damit leben.