Bodo Illgner: Unter den Palmen Floridas

Rückblende: 09. Juli 1990, Frankfurt, Römer. Zehntausende warten, zehntausende jubeln, feiern. Der Jubel wird zum Orkan, jetzt, endlich, die Mannschaft ist da, der Weltmeister ist da. Einen Tag nach dem Finale von Rom präsentiert sich das DFB-Team auf dem Rathausbalkon. Und mittendrin: Bodo Illgner, der jüngste Weltmeistertorwart. Heute vor 23 Jahren ist Illgner 23 Jahre alt. 23 Jahre später lebt er mit seiner Familie in Spanien und den USA. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke hat Illgner in Boca Raton getroffen - ein außergewöhnliches Heimspiel an der amerikanischen Ostküste.

Aus der Lobby kommt ein Torhüter, im Speisesaal sitzt ein weiterer, und aus dem Teammeetingraum macht sich der dritte Keeper auf den Weg. Wenige Augenblicke, dann treffen sie aufeinander. Ein Platz im Tor, drei Torhüter, zwei zuviel. Mittelfeldspieler können zur Not auch Verteidiger, Stürmer zu Defensivspezialisten umgeschult werden. Torhüter haben nur einen Platz: den zwischen den Pfosten. Rivalität und Freundschaft schließen einander nicht aus, einander bedingen sie noch weniger. Also knallt es gleich. Spannung liegt in der Luft, es knistert, das Marriott-Hotel in Boca Raton wird zur Bühne: Showdown im Hotelflur.

Und wie erwartet: Ein Wort gibt das andere, es wird laut und lauter. Doch, halt, da stimmt was nicht. War da ein Lachen zu hören? Ein nettes Wort? Herzlichkeit statt Hasstiraden? Ganz offensichtlich verstehen sich die drei Torhüter ganz ausgezeichnet. Ermöglicht von einer unveränderbaren Variante: Zeit. So treffen Andreas Köpke und René Adler ganz konkurrenzlos auf – Bodo Illgner. Das DFB-Team ist auf USA-Reise, und Bodo Illgner nutzt die Gelegenheit, alte Kollegen und neue Nationalspieler zu treffen.

"Ich habe mich wahnsinnig gefreut"

In Deutschland mag die USA-Reise der Nationalmannschaft umstritten gewesen sein, Illgner wusste es besser. "Ich habe mich wahnsinnig gefreut, als ich gehört habe, dass der DFB nach Miami kommt", sagt er. Erstens, weil er aus eigener Erfahrung einschätzen kann, wie junge Spieler von einer solchen Reise profitieren. Zweitens – und für ihn noch wichtiger – weil er so die Chance hat, dem Team einen Besuch abzustatten.

Seit vier Jahren verbringt er viel Zeit in den USA, Frau Bianca und die drei Kinder leben fest in Florida, Bodo Illgner wechselt zwischen den Kontinenten, pendelt zwischen Europa und den USA. Gerade ist er in Florida. Es ist der Vorabend des Spiels gegen Ecuador, Bodo Illgner verlässt seine Wohnung in Boca Raton und fährt den kurzen Weg rüber zum Boca Center, wo die Mannschaft für eine Nacht im Marriott-Hotel Quartier bezogen hat.

Spaß mit Köln-Kumpel Poldi

Und es ist, als wäre er nie weggewesen. Alle Spieler, die die ehemalige Nummer eins in Boca treffen, freuen sich über den Besuch. Mit Lukas Podolski flachst Illgner in Kölner Verbundenheit, mit Manager Oliver Bierhoff plaudert er über alte und neue Zeiten, mit Köpke über die Familien. Was machen die Kinder? So groß schon? Und dein Junge? Wie die Zeit vergeht! Mit dem heutigen Torwarttrainer der Nationalmannschaft hat Illgner 1990 und 1994 bei zwei Weltmeisterschaften um den Platz im Tor konkurriert, das Verhältnis damals war nüchtern, heute ist es freundschaftlich.



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Rückblende: 09. Juli 1990, Frankfurt, Römer. Zehntausende warten, zehntausende jubeln, feiern. Der Jubel wird zum Orkan, jetzt, endlich, die Mannschaft ist da, der Weltmeister ist da. Einen Tag nach dem Finale von Rom präsentiert sich das DFB-Team auf dem Rathausbalkon. Und mittendrin: Bodo Illgner, der jüngste Weltmeistertorwart. Heute vor 23 Jahren ist Illgner 23 Jahre alt. 23 Jahre später lebt er mit seiner Familie in Spanien und den USA. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke hat Illgner in Boca Raton getroffen - ein außergewöhnliches Heimspiel an der amerikanischen Ostküste.

Aus der Lobby kommt ein Torhüter, im Speisesaal sitzt ein weiterer, und aus dem Teammeetingraum macht sich der dritte Keeper auf den Weg. Wenige Augenblicke, dann treffen sie aufeinander. Ein Platz im Tor, drei Torhüter, zwei zuviel. Mittelfeldspieler können zur Not auch Verteidiger, Stürmer zu Defensivspezialisten umgeschult werden. Torhüter haben nur einen Platz: den zwischen den Pfosten. Rivalität und Freundschaft schließen einander nicht aus, einander bedingen sie noch weniger. Also knallt es gleich. Spannung liegt in der Luft, es knistert, das Marriott-Hotel in Boca Raton wird zur Bühne: Showdown im Hotelflur.

Und wie erwartet: Ein Wort gibt das andere, es wird laut und lauter. Doch, halt, da stimmt was nicht. War da ein Lachen zu hören? Ein nettes Wort? Herzlichkeit statt Hasstiraden? Ganz offensichtlich verstehen sich die drei Torhüter ganz ausgezeichnet. Ermöglicht von einer unveränderbaren Variante: Zeit. So treffen Andreas Köpke und René Adler ganz konkurrenzlos auf – Bodo Illgner. Das DFB-Team ist auf USA-Reise, und Bodo Illgner nutzt die Gelegenheit, alte Kollegen und neue Nationalspieler zu treffen.

"Ich habe mich wahnsinnig gefreut"

In Deutschland mag die USA-Reise der Nationalmannschaft umstritten gewesen sein, Illgner wusste es besser. "Ich habe mich wahnsinnig gefreut, als ich gehört habe, dass der DFB nach Miami kommt", sagt er. Erstens, weil er aus eigener Erfahrung einschätzen kann, wie junge Spieler von einer solchen Reise profitieren. Zweitens – und für ihn noch wichtiger – weil er so die Chance hat, dem Team einen Besuch abzustatten.

Seit vier Jahren verbringt er viel Zeit in den USA, Frau Bianca und die drei Kinder leben fest in Florida, Bodo Illgner wechselt zwischen den Kontinenten, pendelt zwischen Europa und den USA. Gerade ist er in Florida. Es ist der Vorabend des Spiels gegen Ecuador, Bodo Illgner verlässt seine Wohnung in Boca Raton und fährt den kurzen Weg rüber zum Boca Center, wo die Mannschaft für eine Nacht im Marriott-Hotel Quartier bezogen hat.

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Spaß mit Köln-Kumpel Poldi

Und es ist, als wäre er nie weggewesen. Alle Spieler, die die ehemalige Nummer eins in Boca treffen, freuen sich über den Besuch. Mit Lukas Podolski flachst Illgner in Kölner Verbundenheit, mit Manager Oliver Bierhoff plaudert er über alte und neue Zeiten, mit Köpke über die Familien. Was machen die Kinder? So groß schon? Und dein Junge? Wie die Zeit vergeht! Mit dem heutigen Torwarttrainer der Nationalmannschaft hat Illgner 1990 und 1994 bei zwei Weltmeisterschaften um den Platz im Tor konkurriert, das Verhältnis damals war nüchtern, heute ist es freundschaftlich.

"Es ist toll, die Jungs mal wiederzusehen", sagt Illgner. Hier kennt man ihn, hier muss er niemanden erklären, was Fußball ist. Und mal ist das angenehm. Auch wenn Illgner für gewöhnlich die Anonymität des Lebens in den USA genießt. "Ein Grund, hierherzukommen war, dass mich kein Mensch erkennt", sagt er. Schon während seiner Karriere waren die Illgners im Urlaub mehrfach in Miami und den USA, irgendwann reifte aus einer fixen Idee ein fester Entschluss: Die Illgners gehen über den großen Teich, nach Deutschland und Spanien wird Florida ein drittes Zuhause.

"Einfach ein tolles Land"

Das Klima war ein Grund, die Schönheit der Natur ein weiterer. In Florida lässt es sich aushalten, Illgner schwärmt von der Sonne und den Stränden Floridas. Etwa von Delray Beach oder der Atmosphäre am South Beach und dem Ocean Drive in Miami. Gemeinsam mit seiner Familie hat er das Land erkundet. Die Illgners waren an den Niagarafällen, in Las Vegas und New York. "Die USA sind so vielfältig und abwechslungsreich", sagt Illgner, "einfach ein tolles Land." Doch ausschlaggebend für den Schritt in die USA war die Ruhe, in der Familie Illgner hier leben kann. In Deutschland wird er fast überall erkannt, in Spanien fast noch mehr. In Florida nicht. Noch immer ist Fußball in den USA eine Sportart für Exoten, Basketballer können Helden sein, Baseball-Spieler auch, aber Fußballer? Nur, wenn sie die amerikanische Variante spielen.

Wenn Bodo Illgner also in Florida neue Kontakte knüpft und über Bodo Illgner den Torhüter erzählt, erntet er Verwunderung. In den USA mögen die Möglichkeiten unbegrenzt sein, die Vorstellungskraft ist es nicht. Und dass möglich ist, als Fußballer seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, erscheint vielen dann doch sehr weit hergeholt. "Sehr interessant", hört Illgner oft in typisch amerikanischer Höflichkeit als Replik auf seine Berichte, sehr interessant als freundliche Formulierung für: Die spinnen, die Deutschen. "In aller Regel, können die Amerikaner nichts damit anfangen und sind einigermaßen erstaunt", sagt Illgner. "Und mir ist das sehr recht."

Eine Wohnung ohne Trophäen

Der Deutsche erzählt amüsiert von diesen Begegnungen. Ihn stört die amerikanische Ignoranz nicht, eigentlich genießt er sie. Unerkannt fühlt er sich wohl, sein Selbstbewusstsein zieht er nicht aus der Wertschätzung seiner Erfolge. Einen WM-Titel hat er gewonnen, mit Real Madrid zweimal die Champions League, dazu zwei spanische Meisterschaften und einen Sieg im Weltpokal. Viermal war er Torhüter des Jahres in Deutschland, einmal in Europa und einmal in Spanien. Trophäen für mehr als eine Schrankwand – Illgner kommt ohne eine einzige aus.

Seine Wohnung ist keim Museum, Erinnerungstücke an seine Karriere sind in Kisten verpackt oder verschenkt. "Ich hatte tolle Erfolge, diese Erfahrungen und Erlebnisse sind in meinem Kopf und meinem Herzen. Niemand kann sie von dort entfernen. Und Erinnerungsstücke können sie auch nicht intensivieren. Ich brauche keine Pokale und Trophäen, um mich zu erinnern, wie schön die Zeit war."

"Traditionen machen wir gerne mit"

In Amerika gefällt ihm gerade, dass er nicht auf seine Vergangenheit reduziert wird. "Ich lebe in der Gegenwart", sagt Illgner. "Und diese Gegenwart genieße ich." In Florida haben die Illgners schnell neue Freunde gefunden Die Offenheit der Amerikaner hat dabei geholfen. "In Florida leben viele Zugewanderte", sagt Illgner, "sie kennen also die Situation der Neuankömmlinge und helfen ihnen bei der Integration." Die Internationalität ist ein weiterer Aspekt, der den Illgners sehr zusagt. Zum Freundeskreis der Familie gehören Brasilianer, Italiener, Chinesen. Natürlich auch Deutsche. Und selbstverständlich auch Amerikaner.

Nach vier Jahren in Florida sind die Illgners deutsch geblieben, doch einige amerikanische Traditionen sind den Deutschen nicht fremd. "Egal wo wie wohnen, wir passen uns immer ein Stück weit an", sagt Illgner. Schon der Kinder wegen. Deswegen wird in den USA bei Freunden ganz traditionell Thanksgiving und Halloween gefeiert, nicht anders war es in Spanien, wo bei den Illgners am 6. Januar das Dreikönigsfest begangen wurde. "Es gibt ein paar Traditionen, die einfach dazugehören, und wir machen das sehr gerne mit", sagt Illgner.

USA oder alte Heimat?

Auch wenn er selber noch viel Zeit in Europa verbringt. Beruflich zieht es Illgner oft nach Spanien, dort ist er ebenso wie in Deutschland bei Sky und in den USA als Experte für das Fernsehen im Einsatz. In den USA bedient Illgner beim Sender "beIN Sport" den englischen und den spanischen Kanal, mindestens einmal in der Woche analysiert und debattiert er im "Locker Room" die Geschehnisse des Wochenendes. "Mir macht das großen Spaß", sagt Illgner, "vor allem werde ich gezwungen, mich umfassend über den Fußball in der ganzen Welt zu informieren."

Illgner ist angekommen in den USA und in einem neuen Leben. Gut möglich ist dennoch, dass die Illgners bald wieder in die alte Heimat zurückkehren. Den jüngsten Weltmeistertorwart zieht es – nicht ins Rampenlicht, aber hin zu neuen Heurausforderungen. "Ich könnte mir sehr gut vorstellen, in Europa als Sportdirektor zu arbeiten", sagt er. Er will bewegen, will Dinge verändern, will sein Wissen, seine Erfahrung, seine Kontakten einbringen.

"Könnte mir Sportdirektor vorstellen"

In Spanien hat er dafür im vergangenen Jahr die Schulbank gedrückt. Beim spanischen Verband hat er sich zum Manager ausbilden und zudem den Torwarttrainerschein erworben. "Es war gut, mein praktisches Wissen durch Theorie zu ergänzen", sagt Illgner. "Vor allem in Wirtschaftsdingen habe ich nun ein breites Knowhow", sagt er. Illgner ist gerüstet für neue Aufgaben – aufdrängen will er sich nicht.

Illgner hat in 16 Jahren als Profi in drei Ländern 16 Trainer erlebt, er kennt drei Ligen und spricht drei Sprachen. "Ich schränke mich nicht ein. Wenn die Konstellation passt, gibt es nicht nur ein Land, in dem ich mir vorstellen könnte als Sportdirektor tätig zu sein", sagt er. "Die Umstände müssen stimmen, dann ist für mich vieles vorstellbar."

Illgner mit den Real-Altstars

Illgner will zurück – müssen muss er nicht. Also wartet er auf das richtige Angebot, verbringt viel Zeit mit der Familie, bildet sich fort und hält sich fit. Gerade erst hat er wieder die Fußballschuhe geschnürt und die Handschuhe übergestreift. Er war in Madrid, mit den Veteranos von Real hat er vor 80.000 im Bernabéu gegen die Legenden von Juventus Turin gespielt. Mit Zidane, mit Roberto Carlos, mit Figo, mit Morientes – gegen Cannavaro, gegen Davids, gegen Nedved, gegen Ravanelli. Für einen guten Zweck.

Die Einnahmen des Spiels fließen in die Real-Madrid-Foundation, die sich insbesondere zum Ziel gesetzt hat, bedürftigen Kindern zu helfen. "Das ist eine fantastische Sache", sagt Illgner, "ich habe dabei sehr gerne mitgemacht." Ach, so, einen Sieger gab es auch. Zwei. Die Kinder natürlich. Und Real. Madrid hat 2:1 gewonnen, Illgner ist ohne Gegentor geblieben. "Wichtig ist das nicht", sagt Illgner, schön durchaus. "Schließlich wird man als Fußballer seinen Ehrgeiz nie ganz verlieren." Auch nicht in Florida, wo Fußball noch immer nicht mehr als eine Randnotiz ist.