Blindenfußball: "Die Füße übernehmen das Sehen"

Dass Blinde Fußball spielen, hat sich rumgesprochen.

Fünf Jahre bereits schon läuft der Betrieb der Deutschen Blindenfußball-Bundesliga. So auch am Samstag. Ein paar Stunden bevor Schweinsteiger, Hummels, Gomez und Lewandowski in Berlin die große Bühne betraten, wurde auch in Neumünster Fußball gespielt. Vor kleinerer Kulisse, aber auch mit Mumm und Fantasie. Notizen aus der Mitte der Gesellschaft von DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth.

Die Unschlagbaren geschlagen: Der MTV Stuttgart dominierte den Blindenfußball, dreimal holten sich die Schwaben die Deutsche Meisterschaft. Die Stuttgarter Aufstellung war die Aufstellung der deutschen Blinden-Nationalmannschaft. Vergangene Saison hatte das Vorzeigeteam nach drei Spieltagen ein Torverhältnis von 28:1. Andere dribbelten im Watschelschritt, die Stuttgarter passten und demonstrierten blindes Spielverständnis. Andere tasteten vorsichtig über den 40 x 20 Meter großen Kunstrasenplatz, Uli Pfisterers Männer rannten. Am Samstag endete ein langer Lauf. Stuttgart in Notbesetzung unterlag dem Chemnitzer FC, 0:1 nach einem verwerteten Penalty.

Es gibt keine Kleinen mehr: Nach der ersten Niederlage in drei Jahren sagte Lukas Smirek vom MTV Stuttgart: „Dass zeigt doch nur, dass die anderen aufgeholt haben. Etwas mehr Ausgeglichenheit kann der Liga nur gut tun“. Stimmt, aber Stuttgart steckt trotzdem in der Krise. Verursacht durch Verletzungen: Nati-Kapitän Alexander Fangmann spielte wegen der akuten Personalnot auf einem dicken Knie. Sven Schwarze, ebenfalls Nationalspieler, musste wegen einer Augenoperation zuhause bleiben. Doch Vedad Sarikaya, 2011 mit 21 Treffern Torschützenkönig der Liga, fehlte unentschuldigt. Und Trainer Uli Pfisterer verpasste den Bundesliga-Spieltag aufgrund einer Tagung der IBSA (Internationaler Blindensportverband) in San Remo. Mulgheta Russom, in Neumünster bester Stuttgarter, sagte einen Satz, der tief blicken lässt: „Schuld für unsere Niederlage gebe ich denen, die heute nicht da sind.“

Land der Ideen: Die DFB-Stiftung Sepp Herberger hat die Blindenfußball-Bundesliga überhaupt möglich gemacht. In Neumünster wurde sie dafür „im Namen des Bundespräsidenten“ ausgezeichnet. Die älteste DFB-Stiftung erhielt den Preis im Wettbewerb „Land der Ideen“, der seit 2006 Projekte prämiert, die einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit Deutschland leisten. Geschäftsführer Wolfgang Watzke nahm die Auszeichnung entgegen.

Fast wie Yeboah: Norddeutsches Schmuddelwetter in Neumünster, doch wenn in den Regenpausen die Sonne durchbrach, versammelte sich dort am Großflecken schnell einige hundert Zuschauer. Und waren begeistert von Kofi Osei. Beim 4:0-Sieg der SG Berlin/Braunschweig über den VfB Gelsenkirchen schoss der 37-jährige gebürtige Ghanaer alle Tore. Dribbling, Vollspann, immer ins Dreieck. Verblüffend – aber nicht für Osei. „Ein guter Fußballer muss den Ball nicht sehen. Die Füße übernehmen das Sehen“, sagt der Berliner. Seit vergangenem Jahr veranstaltet die Herberger-Stiftung die Spieltage mitten in den Städten. Vor dem Berliner Reichstag rollte schon der Rasselball, auch vor dem Mannheimer Schloss. Ein mobiler Kunstrasenplatz wurde extra angeschafft. Kofi ist nicht nur begeistert: „Auf Hallenboden rasselt der Ball lauter. Blindenfußball ist ein akustisches Spiel, manchmal überdeckt der Wind wichtige Informationen.“ Doch den Applaus der vielen Zuschauer hört er schon gerne. Auch im Alltag hilft ihm sein Sport weiter. Er ist mutiger geworden. „Manchmal“, berichtet er, „lasse ich den Stock einfach in der Wohnung stehen.“

Ohne Ehrenamt geht nichts: Walter Moik sieht abgespannt aus. Der 74 Jährige und seine Freunde vom ‚Licktkick’ haben hart gearbeitet, um den 2. Spieltag der Blindenfußball-Bundesliga in Neumünster auszurichten. „In gewisser Weise entstand hier in Neumünster vor ein paar Jahren die Idee der Liga. Wir, der Lions Club Holsten und der Förderkreis Jugend Neumünster haben über fünf Jahre ein Turnier mit Jugendmannschaften und etwa acht Blindenteams ausgerichtet“, erzählt Moik. 2008 gründete sich dann die Blindenfußball-Bundesliga. „Wir sind stolz darauf, dass wir jetzt den 2. Spieltag der Saison ausrichten konnten“, sagt Moik. Lacht, und sieht nicht mehr ganz so abgespannt aus.

Alles Gute, Jannik: Im Rahmen des Spieltags überreichte die DFB-Stiftung Egidius Braun einen Scheck über 2500 Euro an Jannik Erdmanns Familie. Der 12-jährige Junge, ein großer Fan von Bastian Schweinsteiger, leidet an einer lebensgefährlichen Verschiebung der Wirbelsäule. Vier Fälle dieser seltenen Erkrankung gibt es weltweit. Mit dem Geld finanziert die Familie den barrierefreien Umbau des Badezimmers.



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Dass Blinde Fußball spielen, hat sich rumgesprochen.

Fünf Jahre bereits schon läuft der Betrieb der Deutschen Blindenfußball-Bundesliga. So auch am Samstag. Ein paar Stunden bevor Schweinsteiger, Hummels, Gomez und Lewandowski in Berlin die große Bühne betraten, wurde auch in Neumünster Fußball gespielt. Vor kleinerer Kulisse, aber auch mit Mumm und Fantasie. Notizen aus der Mitte der Gesellschaft von DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth.

Die Unschlagbaren geschlagen: Der MTV Stuttgart dominierte den Blindenfußball, dreimal holten sich die Schwaben die Deutsche Meisterschaft. Die Stuttgarter Aufstellung war die Aufstellung der deutschen Blinden-Nationalmannschaft. Vergangene Saison hatte das Vorzeigeteam nach drei Spieltagen ein Torverhältnis von 28:1. Andere dribbelten im Watschelschritt, die Stuttgarter passten und demonstrierten blindes Spielverständnis. Andere tasteten vorsichtig über den 40 x 20 Meter großen Kunstrasenplatz, Uli Pfisterers Männer rannten. Am Samstag endete ein langer Lauf. Stuttgart in Notbesetzung unterlag dem Chemnitzer FC, 0:1 nach einem verwerteten Penalty.

Es gibt keine Kleinen mehr: Nach der ersten Niederlage in drei Jahren sagte Lukas Smirek vom MTV Stuttgart: „Dass zeigt doch nur, dass die anderen aufgeholt haben. Etwas mehr Ausgeglichenheit kann der Liga nur gut tun“. Stimmt, aber Stuttgart steckt trotzdem in der Krise. Verursacht durch Verletzungen: Nati-Kapitän Alexander Fangmann spielte wegen der akuten Personalnot auf einem dicken Knie. Sven Schwarze, ebenfalls Nationalspieler, musste wegen einer Augenoperation zuhause bleiben. Doch Vedad Sarikaya, 2011 mit 21 Treffern Torschützenkönig der Liga, fehlte unentschuldigt. Und Trainer Uli Pfisterer verpasste den Bundesliga-Spieltag aufgrund einer Tagung der IBSA (Internationaler Blindensportverband) in San Remo. Mulgheta Russom, in Neumünster bester Stuttgarter, sagte einen Satz, der tief blicken lässt: „Schuld für unsere Niederlage gebe ich denen, die heute nicht da sind.“

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Land der Ideen: Die DFB-Stiftung Sepp Herberger hat die Blindenfußball-Bundesliga überhaupt möglich gemacht. In Neumünster wurde sie dafür „im Namen des Bundespräsidenten“ ausgezeichnet. Die älteste DFB-Stiftung erhielt den Preis im Wettbewerb „Land der Ideen“, der seit 2006 Projekte prämiert, die einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit Deutschland leisten. Geschäftsführer Wolfgang Watzke nahm die Auszeichnung entgegen.

Fast wie Yeboah: Norddeutsches Schmuddelwetter in Neumünster, doch wenn in den Regenpausen die Sonne durchbrach, versammelte sich dort am Großflecken schnell einige hundert Zuschauer. Und waren begeistert von Kofi Osei. Beim 4:0-Sieg der SG Berlin/Braunschweig über den VfB Gelsenkirchen schoss der 37-jährige gebürtige Ghanaer alle Tore. Dribbling, Vollspann, immer ins Dreieck. Verblüffend – aber nicht für Osei. „Ein guter Fußballer muss den Ball nicht sehen. Die Füße übernehmen das Sehen“, sagt der Berliner. Seit vergangenem Jahr veranstaltet die Herberger-Stiftung die Spieltage mitten in den Städten. Vor dem Berliner Reichstag rollte schon der Rasselball, auch vor dem Mannheimer Schloss. Ein mobiler Kunstrasenplatz wurde extra angeschafft. Kofi ist nicht nur begeistert: „Auf Hallenboden rasselt der Ball lauter. Blindenfußball ist ein akustisches Spiel, manchmal überdeckt der Wind wichtige Informationen.“ Doch den Applaus der vielen Zuschauer hört er schon gerne. Auch im Alltag hilft ihm sein Sport weiter. Er ist mutiger geworden. „Manchmal“, berichtet er, „lasse ich den Stock einfach in der Wohnung stehen.“

Ohne Ehrenamt geht nichts: Walter Moik sieht abgespannt aus. Der 74 Jährige und seine Freunde vom ‚Licktkick’ haben hart gearbeitet, um den 2. Spieltag der Blindenfußball-Bundesliga in Neumünster auszurichten. „In gewisser Weise entstand hier in Neumünster vor ein paar Jahren die Idee der Liga. Wir, der Lions Club Holsten und der Förderkreis Jugend Neumünster haben über fünf Jahre ein Turnier mit Jugendmannschaften und etwa acht Blindenteams ausgerichtet“, erzählt Moik. 2008 gründete sich dann die Blindenfußball-Bundesliga. „Wir sind stolz darauf, dass wir jetzt den 2. Spieltag der Saison ausrichten konnten“, sagt Moik. Lacht, und sieht nicht mehr ganz so abgespannt aus.

Alles Gute, Jannik: Im Rahmen des Spieltags überreichte die DFB-Stiftung Egidius Braun einen Scheck über 2500 Euro an Jannik Erdmanns Familie. Der 12-jährige Junge, ein großer Fan von Bastian Schweinsteiger, leidet an einer lebensgefährlichen Verschiebung der Wirbelsäule. Vier Fälle dieser seltenen Erkrankung gibt es weltweit. Mit dem Geld finanziert die Familie den barrierefreien Umbau des Badezimmers.

Die Ergebnisse in der Übersicht:
VfB Gelsenkirchen - SG Berlin/Braunschweig 0:4
MTV Stuttgart - Chemnitzer FC 0:1
SG Dortmund/St. Pauli - Würzburger VSV 4:2
SG Berlin/Braunschweig - Chemnitzer FC 3:0

Die Tabelle nach dem 2. Spieltag
Rang Team Spiele Punkte Tore Teamfouls
1. SG Berlin/Braunschweig 4 7 9:3 18
2. Sportfreunde BG Marburg 2 6 12:3 13
3. MTV Stuttgart 3 6 4:1 16
4. SG Dortmund/St. Pauli 1 3 4:2 13
5. PSV Köln 1 3 2:0 7
6. Chemnitzer FC 4 3 4:12 21
7. Würzburger VSV 3 1 4:11 10
8. VfB Gelsenkirchen 2 0 0:7 13