Blindenfußball-Bundesliga: Vedat Sarikaya - der Mann ohne Furcht

Er erzählt: "Als Sehender langsam zu erblinden, ist nicht unbedingt leichter. Anfangs hatte ich enorme Angst auf dem Feld. Die Liebe zum Fußball war stärker – heute gehe ich immer Vollgas." Der Blindenfußball hilft ihm auch im Alltag, etwa bei der Büroarbeit im elterlichen Betrieb. "Ich bewege mich heute sicherer und freier als noch vor ein paar Jahren."

Ende Mai wird die Blindenfußball-Nationalmannschaft noch ein EM-Vorbereitungsturnier im tschechischen Bulcovice bestreiten. Neben dem Gastgeber nehmen eine englische und eine brasilianische Auswahl sowie das Bundesligateam des FC St. Pauli teil. Mitte Juni startet dann in Italien die Europameisterschaft - mit Vedat Sarikaya im Sturm für Deutschland.

Saisonfinale am 14. September auf Stuttgarter Schlossplatz

Vater und Mutter haben ihn bis heute nur auf Video spielen sehen. Das soll sich ändern. Das Saisonfinale veranstaltet die Blindenfußball-Bundesliga am 14. September auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Im letzten Spiel der Saison trifft Rekordmeister MTV Stuttgart auf den aktuellen Meister Blau-Gelb Marburg. Momentan liegen beide Klubs auf den ersten beiden Tabellenplätzen. Vielleicht geht es im letzten Match des Jahres um den Titel.

"Bis heute sind meine Eltern noch nie bei einem Spieltag gewesen", sagt Vedat. "Vielleicht nehme ich sie zum Saisonfinale mit." Liebe Eltern Sarikaya, gehen Sie bitte hin! Der Besuch lohnt sich.

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Ulf Kirsten fällt einem ein, wenn man ihn sieht, der schwarze Schopf, die gedrungene Dynamik, der humorlose Abschluss. Vedat heißt übersetzt Hoffnungsträger, und genau das ist Vedat Sarikaya. Vom 12. bis 23. Juni wird in Loano bei St. Remo die Europameisterschaft ausgetragen. Der Nationaltrainer setzt auf ihn, ganz besonders auf ihn und seine Tore.

So stark ist Vedat Sarikaya am Rasselball, technisch stark, sehr athletisch und - vielleicht sein größtes Attribut - ohne Furcht. Eine Netzhautablösung hat ihm das Augenlicht genommen, bis 18 Jahre spielte er noch "sehenden Fußball". Bundestrainer Uli Pfisterer sagt: "Wäre Vedat nicht erblindet, würde er heute in der 2. Bundesliga spielen."

Sarikaya zu erleben, ist verblüffend. Am 2. Spieltag der Blindenfußball-Bundesliga, der organisiert von der DFB-Stiftung Sepp Herberger vergangenen Samstag mitten in Hamburg auf dem Rathausmarkt ausgetragen wurde, schoss er seinen Klub MTV Stuttgart an die Tabellenspitze. 4:0 über PSV Köln/Dürren und 3:0 über SG Braunschweig/Berlin siegte der Rekordmeister der 2008 gegründeten Liga. "Ohh", "Wahnsinn", "Unglaublich" entlockt sein Tordrang und sein satter Abschluss immer wieder ungläubige Reaktionen der Zuschauer: In Dreierreihen standen sie in Hamburg rund um den 20x40 Meter großen Kunstrasenplatz.

"Auf dem Feld denke ich nicht mehr an die Risiken"

"Mein Ziel und mein Traum war es, Profi zu werden. Der Blindenfußball gibt mir die Möglichkeit, das zu tun, was ich vor der Netzhautablösung am meisten geliebt habe. Wenn ich auf dem Feld stehe, denke ich nicht mehr an die Risiken. Dann zählt nur noch der Ball", sagt der 30-jährige Sarikaya, der in der Türkei geboren wurde und in der Nähe von Stuttgart aufwuchs. Es ist erstaunlich, was er kann: wie er dynamisch in die Zweikämpfe geht, wie er beschleunigt, seine Ballmitnahme, seine Direktabnahmen. Blind Fußball zu spielen, verlangt großes Können. Und vielleicht noch mehr Mumm. Stimmt ja, dass ein guter Fußballer den Ball nicht sehen muss. Aber Vedat Sarikaya kann blind mehr am Ball, als die allermeisten Sehenden.

Was auch an den Guides liegt, sehenden Co-Trainern, die an den Spielfeldseiten und hinter den Toren stehen. Die Rassel im Ball erleichtert die Ballverarbeitung, aber der blinde Spieler braucht eine Verortung auf dem Feld. Das leisten die Guides. "Ihre Kommandos sind sehr wichtig", sagt Sarikaya. "So bringe ich von zehn Schüssen etwa acht aufs Tor, ohne die Guides wären es zwei oder drei. Wenn der Guide 'spitz' sagt, weiß ich, dass ich zu weit draußen aufs Tor zudribble. Die Torentfernung wird wie ein Countdown gerufen: '10, 8, 6'. Wenn ich in idealer Position bin, ruft der Guide 'heiß'. Dann ziehe ich ab."

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Topteams spielen Tempofußball

Auch die Guides aber können nicht den Köperkontakt verhindern. Die Topmannschaften in Europas einziger nationaler Fußball-Liga für Blinde spielen Tempofußball. Und manchmal scheppert es ordentlich. Ausgeschlagene Zähne, Platzwunden, Prellungen und verdrehte Kniegelenke sind auf der Tagesordnung. Der Hoffnungsträger trägt eine Schiene, der Knöchel macht ihm zu schaffen. Nach der EM muss er vielleicht operiert werden.

Er erzählt: "Als Sehender langsam zu erblinden, ist nicht unbedingt leichter. Anfangs hatte ich enorme Angst auf dem Feld. Die Liebe zum Fußball war stärker – heute gehe ich immer Vollgas." Der Blindenfußball hilft ihm auch im Alltag, etwa bei der Büroarbeit im elterlichen Betrieb. "Ich bewege mich heute sicherer und freier als noch vor ein paar Jahren."

Ende Mai wird die Blindenfußball-Nationalmannschaft noch ein EM-Vorbereitungsturnier im tschechischen Bulcovice bestreiten. Neben dem Gastgeber nehmen eine englische und eine brasilianische Auswahl sowie das Bundesligateam des FC St. Pauli teil. Mitte Juni startet dann in Italien die Europameisterschaft - mit Vedat Sarikaya im Sturm für Deutschland.

Saisonfinale am 14. September auf Stuttgarter Schlossplatz

Vater und Mutter haben ihn bis heute nur auf Video spielen sehen. Das soll sich ändern. Das Saisonfinale veranstaltet die Blindenfußball-Bundesliga am 14. September auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Im letzten Spiel der Saison trifft Rekordmeister MTV Stuttgart auf den aktuellen Meister Blau-Gelb Marburg. Momentan liegen beide Klubs auf den ersten beiden Tabellenplätzen. Vielleicht geht es im letzten Match des Jahres um den Titel.

"Bis heute sind meine Eltern noch nie bei einem Spieltag gewesen", sagt Vedat. "Vielleicht nehme ich sie zum Saisonfinale mit." Liebe Eltern Sarikaya, gehen Sie bitte hin! Der Besuch lohnt sich.