Bierhoffs WM-Blog: "Neue Spieler beleben das Team"

Der Countdown läuft für die Weltmeisterschaft in Brasilien - und damit auch für die deutsche WM-Mission. Sportlich und organisatorisch. Genau an der Schnittstelle wirkt Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft. Jede Woche berichtet der 45-Jährige darüber, exklusiv für die User von DFB.de. Bierhoffs WM-Blog - heute über den vorläufigen Kader für Brasilien, den Endspurt in der Bundesliga und das Länderspiel gegen Polen.

Liebe Fans der Nationalmannschaft,

mit der Nominierung des erweiterten WM-Kaders hat die Sportliche Leitung der Nationalmannschaft einmal mehr gezeigt, dass sie auf der einen Seite bewährten Kräften vertraut, auf der anderen Seite aber den Mut hat, neue Wege zu gehen und jungen Spielern eine Chance zu geben. Für die Mannschaft ist dieser Input wichtig, neue Spieler beleben das Team, die Konkurrenzsituation hilft, neue Wege zu beschreiten und es ist immer gut, jungen Spielern rechtzeitig die Möglichkeit zu geben, Erfahrung auf internationalem Parkett zu machen.

Mit vielen neuen Gesichtern spielt die Nationalmannschaft am Dienstag in Hamburg. Für mich bedeutet dies auch eine Reise in die Vergangenheit. Zu Beginn meiner Karriere habe ich für den HSV gespielt, seither komme ich immer wieder gerne an die Alster zurück. Obwohl mir in Hamburg nicht der Sprung zum Stammspieler gelang erinnere ich mich gerne an meine Zeit dort. Ich war damals ein sehr junger Spieler, für mich war es toll, mit gestandenen Profis wie Manfred Kaltz, Thomas von Heesen, Uwe Bein oder Ditmar Jakobs in einem Team zu spielen. Immerhin sechs Tore sind mir für den HSV gelungen, für mich als jungen Stürmer war das keine schlechte Quote.

Der Zeitpunkt des Länderspiels ist für den HSV und seine Fans natürlich unglücklich, bzw. ist nicht der Zeitpunkt unglücklich, sondern der Umstand, dass der HSV aktuell mit großen Problemen ringt. Ich sage es ganz offen: Ich drücke dem HSV die Daumen, ich hoffe, dass das Team von Mirko Slomka die Klasse hält. Bei aller Neutralität muss ich zugeben, dass mir meine ehemaligen Vereine besonders am Herzen liegen. Und die Bundesliga ohne den Dino ist für mich irgendwie ein schmerzhafter Gedanke.

Unabhängig vom Ausgang der Relegation hoffe ich für den HSV und für seine Fans, dass die Verantwortlichen verstanden haben, dass die aktuelle Situation keine Momentaufnahme und keine Verknüpfung von unglücklichen Umständen ist. Es ist immer schwierig, aus der Ferne Fehlentwicklungen zu beurteilen und Analysen zu treffen, mir steht dies auch nicht zu. Aber offenkundig ist, dass in Hamburg in den vergangenen Jahren einige Fehler gemacht worden sind. Sonst wäre ein Verein mit solcher Tradition und so einem Potenzial nicht in der Situation, in der er sich heute befindet. Aber noch einmal: Meine Hoffnung ist, dass die Verantwortlichen in ihrer Analyse die richtigen Schlüsse ziehen, manchmal liegt in einer Krise ja auch eine Chance.

Unser Spiel am Dienstag gegen Polen ist auch eine Chance. Natürlich ist uns bewusst, dass die Mannschaft in diesem Spiel ein ungewohntes Gesicht haben wird. Wir spielen nicht mit der Stamm-Besetzung, das will ich gar nicht leugnen. Ich bin dennoch sicher, dass wir uns auf interessante 90 Minuten freuen können. Im DFB und in den Vereinen wird großartige Nachwuchsarbeit geleistet, Resultat dieser Bemühungen ist, dass wir einen Pool an Spielern haben, die schon sehr früh sehr weit sind. Und viele dieser Spieler erhalten in Hamburg die Chance, sich zum ersten Mal auf internationaler Bühne zu beweisen. In ihrer weiteren Entwicklung ist diese Erfahrung wertvoll. Jedes Länderspiel hilft, auch dabei, künftig vor großen Spielen ruhig zu sein und Aufregung und Anspannung in Leistung zu wandeln.

Eine Chance ist die Partie auch für Spieler wie Julian Draxler und Lars Bender. Sie gehören nicht erst seit gestern zum Kader des A-Teams, im Spiel gegen Polen haben sie die Möglichkeit, voran zu gehen, sich noch mehr in den Mittelpunkt zu rücken und Verantwortung zu übernehmen. Außerdem bietet jedes Länderspiel die Option, sich dem Bundestrainer zu empfehlen. Für alle Spieler. Sogar noch für die WM 2014, und wenn nicht dafür, dann auf jeden Fall für die Zeit danach.

Herzlichst
Oliver Bierhoff