BFV-Präsident: „Mono-ethnische Vereine führen zur Isolierung“

Nirgendwo sonst in Deutschland ist das Zusammenleben der Kulturen so sehr gelebter Alltag wie in der deutschen Hauptstadt. 25 Prozent der 3,5 Millionen Einwohner Berlins haben einen Migrationshintergrund, in Stadtteilen wie Berlin-Mitte (44,5 Prozent) und Friedrichshain-Kreuzberg (36,6 Prozent) liegt der Migrantenanteil deutlich höher. Das spürt auch der Fußball.

Am Samstag verlieh der BFV zum zweiten Mal seinen Integrationspreis, mit dem Vereine ausgezeichnet werden, die sich für das respektvolle Miteinander einsetzen. DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger hat die Schirmherrschaft für das Integrationsfest übernommen und war selbst vor Ort. Bernd Schultz, Präsident des Berliner Fußball-Verbandes, spricht mit DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth über leere Kassen und Mut machende Trends.

Mit wenig Geld, dafür umso mehr Fantasie schafft es der BFV, viel zu bewegen. Statt Polemik, die bestehende Trennlinien zu Gräben macht, setzt der Berliner Fußball-Verband auf verbindende Basisarbeit, die es Fußballern mit Migrationshintergrund ermöglicht, wieder ein Stück mehr in der deutschen Gesellschaft anzukommen.

Frage: Herr Schultz, dass sich der BFV so stark bei der Integration engagiert, hängt mit der Demografie der Hauptstadt zusammen. Wie sehen die aktuellen Zahlen für den Berliner Fußball aus?

Bernd Schultz: Unter unserem Dach sind 213 Vereine gemeldet, dazu kommen rund 100 beim BFV organisierte Freizeitgruppen. Wir haben 105.000 Mitglieder. Der Anteil von Mitgliedern mit einem Migrationshintergrund, die also selbst Ausländer sind oder bei denen ein Elternteil aus dem Ausland stammt, liegt zwischen 30 und 40 Prozent. Wir haben mehr als 40 Vereine mit ausländischen Wurzeln in der Stadt. Mono-ethnische Vereine haben wir überhaupt nicht in Berlin, wir sprechen lieber von multikulturellen Vereinen. Es gibt kaum einen Verein mit deutschen Wurzeln, in dem nicht auch Migranten spielen oder administrativ tätig sind. Umgekehrt gilt – in Vereinen mit einem ausländischen Namen spielen fast immer auch Deutsche, Italiener oder Spanier. Als Verband bemühen wir uns bei Vereinsgründung, auf eine Mischung hinzuwirken. Mono-ethnische Vereine führen zu einer Isolierung, dagegen gehen wir als BFV an. Aber zugegeben: Überall dort, wo Fußballvereine an eine religiöse Gemeinschaft angegliedert sind, stoßen wir an Grenzen.

Frage: Wie engagiert sich der BFV neben der Vergabe des Preises noch für die Integration?

Schultz: Gemeinsam mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bieten wir ein Bildungsprogramm an. Unter der Überschrift „Integration durch Qualifizierung“ unterbreiten wir spezielle Ausbildungsangebote. Wir schulen Funktionäre aus Vereinen mit einem hohen Migrationsanteil, denn es ist höchste Zeit, ein Verständnis für die Vereins- und Verbandsstrukturen in Deutschland schaffen, damit die Leute besser verstehen, wie etwa Rechtsordnung und Rechtsinstanzen funktionieren. Zweimal im Jahr laden wir die multikulturellen Klubs zu einem Erfahrungsaustausch ein. Auch unser Integrationspreis funktioniert - fast zehn Prozent unserer Vereine haben sich dieses Jahr beworben.

Frage: Nicht nur in Berlin, sondern in vielen Ballungsgebieten in Deutschland wächst der Anteil der Mitbürger mit Migrationshintergrund. Können andere Sportverbände von Berlin lernen?



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Nirgendwo sonst in Deutschland ist das Zusammenleben der Kulturen so sehr gelebter Alltag wie in der deutschen Hauptstadt. 25 Prozent der 3,5 Millionen Einwohner Berlins haben einen Migrationshintergrund, in Stadtteilen wie Berlin-Mitte (44,5 Prozent) und Friedrichshain-Kreuzberg (36,6 Prozent) liegt der Migrantenanteil deutlich höher. Das spürt auch der Fußball.

Am Samstag verlieh der BFV zum zweiten Mal seinen Integrationspreis, mit dem Vereine ausgezeichnet werden, die sich für das respektvolle Miteinander einsetzen. DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger hat die Schirmherrschaft für das Integrationsfest übernommen und war selbst vor Ort. Bernd Schultz, Präsident des Berliner Fußball-Verbandes, spricht mit DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth über leere Kassen und Mut machende Trends.

Mit wenig Geld, dafür umso mehr Fantasie schafft es der BFV, viel zu bewegen. Statt Polemik, die bestehende Trennlinien zu Gräben macht, setzt der Berliner Fußball-Verband auf verbindende Basisarbeit, die es Fußballern mit Migrationshintergrund ermöglicht, wieder ein Stück mehr in der deutschen Gesellschaft anzukommen.

Frage: Herr Schultz, dass sich der BFV so stark bei der Integration engagiert, hängt mit der Demografie der Hauptstadt zusammen. Wie sehen die aktuellen Zahlen für den Berliner Fußball aus?

Bernd Schultz: Unter unserem Dach sind 213 Vereine gemeldet, dazu kommen rund 100 beim BFV organisierte Freizeitgruppen. Wir haben 105.000 Mitglieder. Der Anteil von Mitgliedern mit einem Migrationshintergrund, die also selbst Ausländer sind oder bei denen ein Elternteil aus dem Ausland stammt, liegt zwischen 30 und 40 Prozent. Wir haben mehr als 40 Vereine mit ausländischen Wurzeln in der Stadt. Mono-ethnische Vereine haben wir überhaupt nicht in Berlin, wir sprechen lieber von multikulturellen Vereinen. Es gibt kaum einen Verein mit deutschen Wurzeln, in dem nicht auch Migranten spielen oder administrativ tätig sind. Umgekehrt gilt – in Vereinen mit einem ausländischen Namen spielen fast immer auch Deutsche, Italiener oder Spanier. Als Verband bemühen wir uns bei Vereinsgründung, auf eine Mischung hinzuwirken. Mono-ethnische Vereine führen zu einer Isolierung, dagegen gehen wir als BFV an. Aber zugegeben: Überall dort, wo Fußballvereine an eine religiöse Gemeinschaft angegliedert sind, stoßen wir an Grenzen.

Frage: Wie engagiert sich der BFV neben der Vergabe des Preises noch für die Integration?

Schultz: Gemeinsam mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bieten wir ein Bildungsprogramm an. Unter der Überschrift „Integration durch Qualifizierung“ unterbreiten wir spezielle Ausbildungsangebote. Wir schulen Funktionäre aus Vereinen mit einem hohen Migrationsanteil, denn es ist höchste Zeit, ein Verständnis für die Vereins- und Verbandsstrukturen in Deutschland schaffen, damit die Leute besser verstehen, wie etwa Rechtsordnung und Rechtsinstanzen funktionieren. Zweimal im Jahr laden wir die multikulturellen Klubs zu einem Erfahrungsaustausch ein. Auch unser Integrationspreis funktioniert - fast zehn Prozent unserer Vereine haben sich dieses Jahr beworben.

Frage: Nicht nur in Berlin, sondern in vielen Ballungsgebieten in Deutschland wächst der Anteil der Mitbürger mit Migrationshintergrund. Können andere Sportverbände von Berlin lernen?

Schultz: Ja, das denke ich schon, wir können bei dem Thema Integration große Hilfestellung leisten, denn die Aufgabe der Integration beschäftigt den Berliner Fußball-Verband schon über 30 Jahre. Seit den 80er Jahren haben wir uns aktiv in diesen Prozess eingebracht und unsere ehrenamtlichen Gremien haben die Berliner Vereine bei der Integrationsarbeit aktiv unterstützt. Im Jahr 2004 hat der Verbandstag dann Mehmet Matur zum Vorstandsmitglied gewählt und damit der Aufgabe eine besondere Bedeutung zugemessen. Die Integration wurde somit in die Verbandsspitze bewusst aufgenommen. Zusätzlich ist Integration als Verbandsaufgabe in unserer Satzung verankert, ein eigener Ausschuss trifft sich regelmäßig. Nebenbei kann man das nicht machen.

Frage: Inwieweit führt der Fußball auch zu Veränderungen bei den Werten und Einstellungen der Migrantenvereine?

Schultz: Wir können jetzt in allen Altersklassen eine Mädchenspielklasse stellen – ein Indiz, dass wir hier auf einem guten Weg sind. Selbst in der E- und D-Jugend bieten wir nach Jungs und Mädchen getrennte Spielklassen an. Anders können sie es vielen türkischen Eltern nicht vermitteln. Türkiyemspor hat in vier Jahren drei Mädchenteams und eine Frauenauswahl angemeldet. Übrigens haben auch die 15 DFB Mini-Spielfelder, die hier in Berlin gebaut wurden, dafür gesorgt, dass viele Mädchen mit Migrationshintergrund heute begeistert Fußball spielen. Potential ist noch vorhanden, gerade auch auf dem Weg zur WM 2011. Schließlich findet hier in Berlin das WM-Eröffnungsspiel statt. Zehn Prozent der BFV-Mitglieder sind weiblich – da ist noch Luft nach oben.

Frage: In Berlin überlappen sich kulturelle und wirtschaftliche Schichtungen. Migrantenvereine kicken in Stadtteilen, in denen aufgrund knapper Kassen auch infrastrukturelle Engpässe bestehen. Die innerstädtischen Viertel bieten kaum Sport- und Regenerationsflächen. Wie ist die Lage bei den Trainingsplätzen und Sporthallen?

Schultz: Nach wie vor sehr angespannt. Der Innenstadtbereich ist völlig unterversorgt. Bei ungedeckten wie gedeckten Sportanlagen haben wir einen Mangel. Viele Vereine stehen auf Wartelisten, und können über die Wintermonate nicht Fußball spielen. Ich kann die Unzufriedenheit etwa bei Türkiyemspor verstehen, die in der Regionalliga spielen und auch schon vom DFB mit dem Integrationspreis ausgezeichnet wurden, aber aufgrund der Platzknappheit immer noch nicht ihren kompletten Trainingsbetrieb organisiert bekommen. Dazu kommt, dass wir laut Angaben des Landessportbundes in Berlin einen Sanierungsstau von 500 Millionen Euro bei den Sportanlagen haben, die teilweise große bauliche Mängel vorweisen. Es gibt viel zu tun, bei leeren Kassen und knappen Flächen – eine schwierige Gemengelage.

Frage: Auf dem Fußballplatz begegnen sich die Kulturen wie vielleicht nirgendwo sonst in der Gesellschaft. Daraus können auch Konflikte entstehen. Wie häufig fliegen die Fäuste auf den Berliner Fußballplätzen?

Schultz: Im Bereich der Erwachsenen hatten wir vergangene Saison einen erheblichen Rückgang der Spielabbrüche. Im Jugendbereich stagnieren die Zahlen auf hohem Niveau. Seit zehn Jahren engagiert sich der BFV mit einer Gewaltprävention. Immer mehr Mannschaften verweigern sich inzwischen bei Gewalttätigkeiten. Oft wird die Partie für ein paar Minuten unterbrochen, damit sich die Kombattanten etwas abkühlen können. Bei Vorfällen sanktionieren wir hart mit Spielverboten, aber wir geben auch Bildungsangebote. Man darf den Katalog der Reaktionen nicht auf Strafen reduzieren, dann verschiebt sich das Problem nur in andere Gesellschaftsbereiche.

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Frage: Rechtsradikale spielen in Berlin politisch keine größere Rolle. NPD und Republikaner brachten es bei der Bundestagswahl addiert nicht mal auf zwei Prozent. In einigen Stadtteilen des Ostens fiel das Ergebnis für Rechts allerdings deutlich höher aus. Sehen Sie hier eine Gefahr für den Frieden im Berliner Fußball?

Schultz: Gerade da, wo sich der Staat, aus welchen Gründen auch immer, aus Jugendeinrichtungen zurückzieht, versuchen rechtsradikale Organisationen Fuß zu fassen und Jugendliche zu rekrutieren. Gemeinsam mit der Landeskommission "Berlin gegen Gewalt" gehen wir hier auch in die Bezirke und informieren darüber, wie man eine rechte Indoktrination erkennen kann. Es gab einen Fall, bei dem sogar über finanzielle Dinge versucht wurde, einen Verein für das rechte Lager umzudrehen. Die Situation wurde erkannt und gestoppt. Oft sind das Einfallstor aber eher Jugendeinrichtungen. Wir als BFV sind hier auf jeden Fall sehr wachsam.

Frage: Herr Schultz, bitte stellen Sie uns doch zum Abschluss die Nominierten für den BFV-Integrationspreis vor.

Schultz: Wir haben insgesamt vier Vereine für den BFV-Integrationspreis 2009 nominiert. Für den FSV Hansa 07 sprach die gesamte Vereinstätigkeit. Beim FC Internationale Berlin hat uns der Kampf gegen Drogen beeindruckt. Bei Al-Dersimspor hat deren Schwerpunkt auf den Frauen- und Mädchenfußball den Ausschlag gegeben. Der Lichterfelder FC schließlich setzt sich ein für den Behindertenfußball.