Bayern gegen HSV: Die Unzertrennlichen

Pralijas Fehlerfestival im Olympiastadion

Leider war es einer der letzten mit Endspiel-Charakter, die große HSV-Zeit endete nach dem Europacup-Sieg im Mai 1983 allmählich. Meister wurden die Hanseaten seitdem auch nie mehr, die Bayern dagegen jedes zweite Jahr. Im März 1987 war der HSV noch mal auf Augenhöhe, doch die Bayern gewannen das Spitzenspiel im Volkspark 2:1, als Michael Rummenigge drei Minuten vor Schluss von einem Stein-Fehler profitierte, dessen Abwurf zu kurz geraten war.

Im Sommer 1987 stand wieder ein HSV-Torwart im Blickpunkt: der bedauernswerte Mladen Pralija machte beim 0:6 in München einen Fehler nach dem anderen und wurde bundesweit verspottet. Es war der höchste Bayern-Sieg über den HSV, der in der Folge als Konkurrent weitgehend ausschied. Von 1985 bis 1991 blieben die Bayern zwölfmal ungeschlagen, wenn es auch mal knapp wurde wie am Sonntag, den 5. Mai 1991.

Es war die Zeit der ersten Live-Übertragungen von Bundesligaspielen, und diese Partie im Volksparkstadion hatte es auch verdient. Bis zur 87. Minute führte der HSV 2:1, dann schossen Olaf Thon und Stefan Reuter Bayern noch zum Sieg. Lieber denken die HSV-Fans dagegen an den 11. Februar 1996 zurück, als es andersherum lief: bis zur 85. Minute führten Otto Rehhagels Bayern, dann trafen Andre Breitenreiter und Joker Uwe Jähnig. Auf der HSV-Bank coachte damals ein gewisser Felix Magath. Es war für neun Jahre und 18 Spiele der letzte Hamburger Sieg in diesem Duell…

2001: Andersson trifft zur Last-Minute-Meisterschaft der Bayern

Historisch relevant war der Rückrundenstart 1997/1998 in München (3:0), als Giovane Elber das schnellste Tor der Bundesligageschichte gelang. Vom Anstoß weg vergingen elf Sekunden, ehe er Richard Golz überwand. Der Rekord hielt bis vergangene Saison, als Leverkusens Karim Bellarabi in Dortmund nur neun Sekunden brauchte.

Es war nichts gegen die Ereignisse des 19. Mai 2001, als die Bayern um ein Haar im neuen Hamburger Stadion die Meisterschaft verspielt hätten. Ein Punkt hätte ihnen im Fernduell mit Schalke genügt, doch in der 90. Minute köpfte Sergej Barbarez das 1:0 für den HSV. Die Bayern warfen sich zu Boden, Entsetzen auf der Bank. Nur einer gab nicht auf: Torwart Oliver Kahn rüttelte die Mitspieler auf und rief seine legendär geworden Worte aus "Weitermachen, immer weitermachen."

Es lief die fünfte Minute der Nachspielzeit, auf Schalke feierte man schon die Meisterschaft, da gab Schiedsrichter Markus Merk nach einem Rückpass von Ujfalusi auf Torwart Schober indirekten Freistoß im HSV-Strafraum. Oliver Kahn eilte nach vorne, er wollte sogar selbst schießen! Stefan Effenberg verjagte ihn, und Kahn rempelte die Hamburger, die sich in einer langen Reihe auf der Torlinie postiert hatten, an. Nicht sonderlich fair, aber lebenswichtig. Es war ein Signal an die Kollegen: hier glaubt noch einer an Wunder. Das Wunder geschah: Effenberg tippte den Ball kurz zu Patrick Andersson, der noch kein Tor für Bayern geschossen hatte. Der Schwede fand eine Lücke zuwischen Pfosten und Abwehrbeinen, flach rauschte der Ball ins Netz und Oliver Kahn riss vor Freude eine Eckfahne heraus. 1:1 - wieder ein Bayern-Remis in Hamburg, das ein Sieg war. "Dieses Glück hat hier in Deutschland nur der FC Bayern", sagte Elber. Kahn sah es sachlicher: "Man kann die Dinge anscheinend erzwingen. Genau dieser Charakter hat uns zum Meister gemacht." Vier Tage später gewannen die Bayern auch die Champions League.



Bevor es die Bundesliga gab, hatten sie wenig miteinander zu tun. Hamburg und München, viel weiter können deutsche Städte nicht auseinander liegen und so kam es natürlich niemals vor, dass der HSV und der FC Bayern in einer Liga spielten. Seit 1965 jedoch, als die Bayern aufstiegen, wird die Partie jede Saison zweimal aufgeführt - und da keiner von ihnen jemals abgestiegen ist, geht das schon seit 50 Jahren ununterbrochen so. Das ist Bundesligarekord.

Zwar wurde der Nordgipfel zwischen dem HSV und Werder Bremen noch um ein Jahr mehr ausgetragen, doch es gab bekanntlich 1980/1981 eine Unterbrechung durch den Bremer Abstieg. Bayern und der HSV aber scheinen unzertrennlich zu sein. Vor über 30 Jahren war es die spannendste Paarung Deutschlands, zwischen 1979 und 1983 kam der Meister stets aus einer dieser beiden Städte. Damals wurde das Nord-Süd-Gipfel zum Klassiker. Vor dem 101. Vergleich am Freitag (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) zum Saisonauftakt wirft DFB.de einen Blick in die lange Geschichte des Prestigeduells, das seit einer Weile kein Spitzenspiel mehr ist.

Bundesliga-Premiere endet mit Münchner Auswärtssieg

Die Partien vor der Bundesligagründung sind von geringer Anzahl und Bedeutung gewesen. Im Mai 1926 sah man sich erstmals überhaupt, die Bayern gewannen sowohl das Freundschaftsspiel daheim als auch das Rückspiel im August jeweils mit 4:3. Als es erstmals um etwas ging, triumphierte der HSV. Am 22. Juli 1928 traf man sich in Duisburg im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft und obwohl die Bayern durch Nationalspieler Josef Pöttinger in Führung gingen und man mit 1:1 die Seiten wechselte, hieß es nach 90 Minuten 2:8! Entscheidend waren die beiden HSV-Tore in der 46. und 47. Minute. Was war da wohl im Pausentee der Bayern gewesen? Der große HSV-Torjäger jener Epoche, Tull Harder, erfüllte seinen Job und traf gleich dreimal. Kleiner Trost für die Bayern: sie hatten gegen den kommenden Meister verloren.

Es war das einzige Pflichtspiel vor dem Krieg, der Klassiker nahm einen langen Anlauf. Erst 37 Jahre später wurde es wieder ernst; in der Bundesliga. Der HSV war von Beginn an dabei, die Bayern kamen zwei Jahre später. Deswegen reisten sie nicht gerade als Favorit am 20. Oktober 1965 an den Rothenbaum, doch so traten sie von Beginn an auf. Schon nach 20 Minuten hieß es nach Toren von Rudolf Nafziger und Gerd Müller, der in seiner Karriere 26 Bundesliga-Tore gegen den HSV erzielte, 0:2. In der Schlussphase sorgten erneut Nafziger und Dieter Brenninger für ein damals sensationelles 0:4. Selbst die HSV-Fans spendeten Beifall. Es war ein wegweisendes Spiel für dieses Duell, das die Bayern statistisch klar dominieren: Nach Siegen führen sie in der Bundesliga mit 59:19, selbst in Hamburg 22:14. Keiner hat mehr Siege beim HSV errungen als der FC Bayern.

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1967: Bayern gewinnt einziges Pokalfinalduell gegen HSV

Im folgenden Jahr gelang dem HSV dann der erste Sieg im Oberhaus (3:1), der mit dem Sprung an die Tabellenspitze versüßt wurde. Charly Dörfel war an jenem 10. Dezember 1966 der Mann des Tages, zwei Tore schoss er bereits in den ersten sechs Minuten und das entscheidende von Uwe Seeler bereitete er vor. Müllers Tor war ausnahmsweise wertlos.

Die Bayern revanchierten sich noch in derselben Saison: Im Heimspiel gewannen sie 3:1, und zwei Wochen darauf im bis dato einzigen DFB-Pokalfinale dieser Rivalen glatt mit 4:0. Dennoch sahen 69.000 Zuschauer in Stuttgart über weite Strecken ein offenes Spiel, in dem Gerd Müller den Torreigen nach 23 Minuten eröffnete. Sepp Maier verhinderte mehrmals den Ausgleich und erst ein Doppelschlag von Ohlhauser und wieder Müller machte nach 76 Minuten alles klar. Im Gefühl des sicheren Sieges verletzte "Mucki" Brenninger dann ein ungeschriebenes Gesetz und verwandelte als Gefoulter einen Elfmeter. Einziger Verlust der Bayern an diesem Tag: ein Zahn von Kapitän Werner Olk nach einem Zusammenprall mit Uwe Seeler. Die von Trainer Tschik Cajkovski väterlich betreuten jungen Bayern feierten ausgelassen ihren dritten DFB-Pokal-Triumph. Franz Beckenbauer spielte am Klavier "Hänschen-Klein", während Sepp Maier den Funktionären unter dem Tisch die Schnürsenkel verknotete.

Hamburger Leiden in den 70er-Jahren

Für den HSV begannen nun schwere Zeiten, mit Titeln hatte er bis 1976 (DFB-Pokal) nichts mehr zu tun. Der FC Bayern dagegen entwickelte sich zu einer Weltklassemannschaft, die den Grundstein für den heutigen Status des Rekordmeisters legte. Die Bilanz der sieben Jahre zwischen 1967 und 1974 spiegelte das deutlich wider: Bayern gewann zwölf Mal, davon zehnmal in Serie, bei einem Remis und einem einzigen HSV-Sieg am 2. März 1968 (2:1). In München verloren die Hanseaten ihre ersten neun Gastspiele, so dass der Münchner Merkur 1971 schrieb: "Hamburger stets ein gefundenes Fressen".

In jene Zeit bis 1974/1975 fielen etliche HSV-Debakel wie das 1:5 im August 1968 in München (vier Müller-Tore), das 1:5 im September 1970 in Hamburg, als Franz "Bulle" Roth drei Tore schoss und Sepp Maier sogar einen Elfmeter hielt, was nicht seine Spezialität war. Oder das 2:6 in München im März 1971 (drei Müller-Tore), das zu den fünf torreichsten Duellen zählt.

Im Oktober 1971 glückte Gerd Müller beim 4:1 in Hamburg nach der Pause ein echter Hattrick und wieder hielt Maier einen Elfmeter, nun gegen Peter Nogly. Im Rückspiel wurde es ungewohnt dramatisch, der HSV holte einen 0:2- und 2:3-Rückstand auf, Manfred Kaltz traf sogar aus 30 Metern. Erst in der Nachspielzeit gewann der kommende Meister durch einen Roth-Strafstoß mit 4:3. Die Hamburger tobten, Trainer Klaus Ochs sagte: "Wir sind diesmal verschaukelt worden". HSV-Abwehrchef Willi Schulz, der den Elfmeter verschuldete, sagte süffisant: "Wir sind so paargelaufen, der Gerd Müller und ich. Der Ball prallte dem Gerd vor die Brust ins Aus. Ich ging hinters Tor und wollte Abstoß machen, da sah ich: Elfmeter." Schiedsrichter Kindervater ließ sich auch nachher nicht beirren: "Nach der Regel 12 ist Stoßen im Strafraum mit einem Strafstoß zu belegen."

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1974: Bayern siegt auch ohne Müller-Tor

Danach wurde es wieder einseitiger, 1973/1974 trieben es die Bayern auf die Spitze: Dem 4:1 in München folgte am 4. Mai 1974 ein 5:0 in Hamburg, das ist bis heute die höchste Heimniederlage des HSV in der Bundesliga. Linksverteidiger Paul Breitner erzielte zwei Tore, aber das eigentlich besondere an diesem Schützenfest war: Gerd Müller ging leer aus, wie schon in den Wochen zuvor. Prompt wurde ihm geraten, sich den Schnauzbart abzurasieren. Aber der Bomber der Nation war nicht abergläubisch: "Das ist doch Quatsch." Uli Hoeneß schoss an diesem Tag seinen ersten Bundesliga-Elfmeter, und der Kicker titelte: "Jetzt macht Hoeneß alles". Der HSV tröstete sich mit der Rekordeinnahme seiner Liga-Historie, 54.017 Zuschauer brachten der Klubkasse 605.000 Mark ein.

Im großen Krisenjahr der Bayern 1974/1975, als sich nach dem Dreifach-Triumph Meister/ Europacupsieger/Weltmeister bei den Stars im Team eine gewisse Sättigung einstellte, gewann der HSV erstmals beide Spiele - jeweils 1:0. In München beendete ein Treffer von Hans-Jürgen Sperlich die schwarze HSV-Serie, es waren die ersten Auswärtspunkte im zehnten Anlauf. Auffallend, dass es in den ersten zwölf Jahren nur ein Unentschieden in diesem Duell gab (2:2 in Hamburg im Januar 1969).

Gerd Müller und sein Lieblingsgegner

Erst ein Pokalspiel brachte wieder ein Remis: im Mai 1976 trennte man sich im Halbfinale in Hamburg 2:2. In der Wiederholung stand es in der 90. Minute noch 0:0, Müller scheiterte per Elfmeter an Rudi Kargus, da schoss ein gewisser Kurt Eigl den HSV ins Finale, das die Hamburger dann auch gewannen. Bayern nahm schon im Herbst 1976 Revanche, als man binnen zwei Wochen in München elf Tore gegen den HSV schoss. Dem 5:1 im Pokal folgte ein 6:2 in der Liga, Gerd Müller schoss im Punktspiel gegen seinen Lieblingsgegner wieder vier Tore.

Danach waren solche Resultate die Ausnahme, der HSV avancierte Ende der Siebziger endlich zu einer Macht, wovon schon im Rückspiel etwas zu spüren war: Das 5:0 vom 1. April 1977 ist der höchste HSV-Sieg gegen Bayern. Am 9. Juni 1979 standen sie dann Pate bei der ersten Hamburger Meisterfeier in der Bundesliga, die leider überschattet wurde von bedauerlichen Vorfällen auf den Rängen. Unter den in ihrer Euphorie auf den Rasen drängenden HSV-Fans, die einen Zaun einbrechen ließen, gab es 71 Verletzte, Krankenwagen rasten durchs Volksparkstadion. Das trübte die Meisterfeier stärker als das Resultat von 1:2. Bayerns Paul Breitner ließ sich in dieser Partie übrigens für einen Fußballfilm verkabeln, um seine Kommandos zu dokumentieren.

"Duell der Giganten" in den 80ern

Es begannen die Jahre, in denen jedes Duell zwischen Bayern und dem HSV ein Spitzenspiel war. 1979/1980 hätte der HSV nach der Europacupwertung zwar die Nase vorn gehabt (1:1 in München, 3:1 zu Hause), Meister aber wurde der FC Bayern. In Hamburg fielen die Tore erst ab der 60. Minute. Auch in den beiden Duellen 1980/1981 war Geduld gefragt, aber das Warten lohnte sich. In München feierten die meisten der 78.000 Zuschauer, die auf dem Schwarzmarkt bis zu 150 D-Mark bezahlten, Klaus Augenthaler, der kurz vor Schluss das 2:1 köpfte.

Für den Kicker war es das "Duell der Giganten", sieben aktuelle Nationalspieler standen auf dem Platz. Bundestrainer Jupp Derwall durfte sich das nicht entgehen lassen. Sein Kommentar zur Pause: "Intelligenter Fußball, sicherlich. Aber ob die Zuschauer so was sehen wollen?". Nun, Rasenschach gab es häufiger in jenen Tagen. Die Giganten kannten sich bestens und häufig neutralisierten sie sich, so dass außergewöhnliche Einzelleistungen die Entscheidung bringen mussten. Ein Kopfballtor von Verteidiger Klaus Augenthaler, sonst eher als Scharfschütze gefürchtet, gehörte dazu.

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1981: HSV leidet unter dem "Bayern-Gen"

Im Rückspiel entschied sich die Meisterschaft 1980/1981 bereits im März - jedenfalls aus der Retrospektive. 2:0 führte Tabellenführer HSV unter den Augen von Bundeskanzler Helmut Schmidt ("Mein Herz schlägt für den HSV") durch Tore von Felix Magath und Horst Hrubesch bis zur 67. Minute, in der virtuellen Tabelle betrug der Vorsprung fünf Punkte - damals waren das zwei Siege und ein Unentschieden. Neun Spiele vor Schluss kaum noch aufzuholen. Doch die großen Bayern-Stars jener Epoche, Karl-Heinz Rummenigge und Paul Breitner, drehten mit ihren Toren das Spiel noch. Der Ausgleich fiel in der 89. Minute, Breitner machte damit seinen Fehler vor dem 0:2 wett. Frust und Selbstzweifel bei den Hamburgern, Felix Magath sagte: "Die ganz abgebrühten Spieler sind wir wohl doch nicht."

Auf dem Flughafen Fuhlsbüttel fingen die Reporter dagegen markige Worte aus dem Bayern-Lager ein. "An die Wand gespielt haben wir die" (Rummenigge). Oder "Jetzt sind wir wieder wir selbst" (Trainer Pal Csernai). Der Kicker schrieb: "Nach diesem Spiel hätten die Münchner kein Flugzeug gebraucht, um nach München zurückzukehren - sie schwebten auch so auf Wolke 17, rosarot." Es gehört zu den Spielen, die sich bestens eignen, um jüngeren Menschen zu erklären, was das "Bayern-Gen" ist. Der HSV brach anschließend jedenfalls ein, und die Schale ging wieder nach München.

1982: HSV siegt 4:3 in München und wird Meister

1981/1982 war es anders herum. Mit Ernst Happel auf der Bank wurden die Hamburger sofort Meister und nun legten sie den Grundstein dafür durch einen Sieg beim Rivalen. Am 24. April 1982 kamen sie als Spitzenreiter zum Verfolger und spielten zunächst wie immer bei Bayern, wo sie bis zu jenem Tag erst zweimal gewonnen hatten. Zur Pause führte Bayern 2:1, und als sich Torwart Uli Stein bei einem harmlosen Kopfball von Dieter Hoeneß verschätzte und nach 65 Minuten das 1:3 zuließ, wähnten sich die Bayern als Sieger. "Wir hatten das Spiel fest im Griff, doch wieder einmal war es für einige schon vor dem Abpfiff zu Ende", grollte Csernai.

Was geschah dann? Der junge Thomas von Heesen durfte ein Solo übers ganze Feld machen und auf 2:3 verkürzen. Es folgte die große Viertelstunde von Nationalstürmer Horst Hrubesch, der in der 75. Minute per Fuß ausglich und mit dem Schlusspfiff einen seiner gefürchteten Kopfbälle im Tor von Walter Junghans unterbrachte. Fertig war Bayerns erste Heimniederlage nach 43 Ligaspielen und das dritte 3:4 binnen zwei Wochen (inklusive Europacup) – und Rudi Carrell witzelte in seiner Show "Am laufenden Band": "Die Bayern haben eine neue Telefonnummer: 343434".

Ausgerechnet Kaltz: Pfaff pariert 1983 Elfmeter

Vor allem hatten sie den Schaden, der Titel war futsch, was ihnen schon mit Abpfiff bewusst war. Präsident Willi O. Hoffmann gratulierte Ernst Happel bereits, der ihm entgegnete: "Wenn wir jetzt nicht Meister werden, dann nie." Sie wurden es, auch im Folgejahr 1983, das ebenfalls ein legendäres Duell in München brachte. 2:2 stand es nach 90 Minuten, wieder hatten Tore von "Breitnigge" ein 0:2 wettgemacht, da entschied Schiedsrichter Walter Eschweiler in der 90. Minute auf Elfmeter für den HSV.

In der Südkurve rasteten Fans aus, Leuchtraketen flogen und es gab eine fünfminütige Unterbrechung. Zeit genug, um nervös zu werden, auch einen zuverlässigen Schützen wie Manfred Kaltz ließ das Warten nicht kalt. Jean-Marie Pfaff, von Paul Breitner noch flugs über Kaltz’ Ecke informiert, hielt prompt. "Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte mal verschossen habe", sagte Kaltz frustriert. Der Kicker feierte das Spiel hymnisch als "Festtag des Fußballs".

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Pralijas Fehlerfestival im Olympiastadion

Leider war es einer der letzten mit Endspiel-Charakter, die große HSV-Zeit endete nach dem Europacup-Sieg im Mai 1983 allmählich. Meister wurden die Hanseaten seitdem auch nie mehr, die Bayern dagegen jedes zweite Jahr. Im März 1987 war der HSV noch mal auf Augenhöhe, doch die Bayern gewannen das Spitzenspiel im Volkspark 2:1, als Michael Rummenigge drei Minuten vor Schluss von einem Stein-Fehler profitierte, dessen Abwurf zu kurz geraten war.

Im Sommer 1987 stand wieder ein HSV-Torwart im Blickpunkt: der bedauernswerte Mladen Pralija machte beim 0:6 in München einen Fehler nach dem anderen und wurde bundesweit verspottet. Es war der höchste Bayern-Sieg über den HSV, der in der Folge als Konkurrent weitgehend ausschied. Von 1985 bis 1991 blieben die Bayern zwölfmal ungeschlagen, wenn es auch mal knapp wurde wie am Sonntag, den 5. Mai 1991.

Es war die Zeit der ersten Live-Übertragungen von Bundesligaspielen, und diese Partie im Volksparkstadion hatte es auch verdient. Bis zur 87. Minute führte der HSV 2:1, dann schossen Olaf Thon und Stefan Reuter Bayern noch zum Sieg. Lieber denken die HSV-Fans dagegen an den 11. Februar 1996 zurück, als es andersherum lief: bis zur 85. Minute führten Otto Rehhagels Bayern, dann trafen Andre Breitenreiter und Joker Uwe Jähnig. Auf der HSV-Bank coachte damals ein gewisser Felix Magath. Es war für neun Jahre und 18 Spiele der letzte Hamburger Sieg in diesem Duell…

2001: Andersson trifft zur Last-Minute-Meisterschaft der Bayern

Historisch relevant war der Rückrundenstart 1997/1998 in München (3:0), als Giovane Elber das schnellste Tor der Bundesligageschichte gelang. Vom Anstoß weg vergingen elf Sekunden, ehe er Richard Golz überwand. Der Rekord hielt bis vergangene Saison, als Leverkusens Karim Bellarabi in Dortmund nur neun Sekunden brauchte.

Es war nichts gegen die Ereignisse des 19. Mai 2001, als die Bayern um ein Haar im neuen Hamburger Stadion die Meisterschaft verspielt hätten. Ein Punkt hätte ihnen im Fernduell mit Schalke genügt, doch in der 90. Minute köpfte Sergej Barbarez das 1:0 für den HSV. Die Bayern warfen sich zu Boden, Entsetzen auf der Bank. Nur einer gab nicht auf: Torwart Oliver Kahn rüttelte die Mitspieler auf und rief seine legendär geworden Worte aus "Weitermachen, immer weitermachen."

Es lief die fünfte Minute der Nachspielzeit, auf Schalke feierte man schon die Meisterschaft, da gab Schiedsrichter Markus Merk nach einem Rückpass von Ujfalusi auf Torwart Schober indirekten Freistoß im HSV-Strafraum. Oliver Kahn eilte nach vorne, er wollte sogar selbst schießen! Stefan Effenberg verjagte ihn, und Kahn rempelte die Hamburger, die sich in einer langen Reihe auf der Torlinie postiert hatten, an. Nicht sonderlich fair, aber lebenswichtig. Es war ein Signal an die Kollegen: hier glaubt noch einer an Wunder. Das Wunder geschah: Effenberg tippte den Ball kurz zu Patrick Andersson, der noch kein Tor für Bayern geschossen hatte. Der Schwede fand eine Lücke zuwischen Pfosten und Abwehrbeinen, flach rauschte der Ball ins Netz und Oliver Kahn riss vor Freude eine Eckfahne heraus. 1:1 - wieder ein Bayern-Remis in Hamburg, das ein Sieg war. "Dieses Glück hat hier in Deutschland nur der FC Bayern", sagte Elber. Kahn sah es sachlicher: "Man kann die Dinge anscheinend erzwingen. Genau dieser Charakter hat uns zum Meister gemacht." Vier Tage später gewannen die Bayern auch die Champions League.

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Van der Vaart und Trochowski beenden schwarze HSV-Serie

Zweimal hat ihnen der HSV seitdem aber noch richtig weh getan: am 24. September 2005 beendeten Tore von Rafael van der Vaart und Piotr Trochowski in Hamburg die damals längste Siegesserie der Bundesliga-Historie (15 Spiele) und nebenbei auch die schwarze HSV-Serie nach neun sieglosen Jahren gegen Bayern. Im Rückspiel fügte ein spätes Tor von Nigel de Jong dem kommenden Meister seine allererste Niederlage (1:2) in der Allianz-Arena zu – und wieder tobte Oliver Kahn. Viermal in Folge sollte der HSV in München nicht verlieren, erst im Februar 2010 riss die Serie (1:0) durch ein Tor von Franck Ribery, der HSV-Ersatzkeeper Wolfgang Hesl schlecht aussehen ließ.

Es war der Anfang der nächsten schwarzen HSV-Serie, der nun sieben Mal in Folge in München verloren hat. Und das meist nicht zu knapp: Am 12. März 2011 bedeutete das 6:0 der Bayern das vorzeitige Ende des HSV-Trainers Armin Veh, Nachfolger Michael Oenning musste fünf Monate später ein 0:5 quittieren.

2:9 und 0:8

Dann kam der legendäre 30. März 2013, auf der HSV-Bank saß nun der Ex-Bayern-Profi Thorsten Fink. Sein alter Verein schenkte ihm nichts, 5:0 stand es hier schon zur Halbzeit, aber die torhungrigen Bayern-Stars konnten in ihrem Triple-Jahr nicht genug bekommen. Als Franck Ribery in der 76. Minute das 9:1 erzielte, war die erste zweistellige Bundesliga-Niederlage des Dinos fast nur noch eine Formsache. Das blieb ihm dann doch erspart, nur der HSV traf noch, Heiko Westermann stellte den 9:2-Endstand her. Der Peruaner Claudio Pizarro hatte mit vier Toren den größten Anteil daran, Arjen Robben traf doppelt, den Rest besorgten Xherdan Shaqiri, Bastian Schweinsteiger und Ribery.

Die ältesten HSV-Fans hatten ein Deja-vu-Erlebnis, mit demselben Resultat war ihre Elf 1964 auch aus München heimgekehrt, damals aber gegen die Löwen. Kapitän Westermann fand deutliche Worte: "Ich schäme mich für mich und für die Mannschaft. Es war unglaublich. Wir haben mindestens sieben Tore hergeschenkt, indem wir dem Gegner den Ball einfach in den Fuß gespielt haben. Es tut mir leid für die Fans, die mitgereist sind. Es tut mir leid für den Verein." Der peinlich berührte Vorstand beschloss, die Fans zu besänftigen und veranstaltete im April für alle "Geschädigten" jenes Ostersamstags ein Grillfest.

Dazu hätte es beim letzten Gastspiel wieder Anlass gegeben, bloß die Jahreszeit sprach dagegen. Am 14. Februar 2015 kam es noch schlimmer, Bayern verputzte die Hamburger unter Trainer Joe Zinnbauer diesmal mit 8:0. Das ist aktuell die höchste Hamburger Bundesliga-Pleite überhaupt, ausgerechnet im 100. Treffen dieser Bundesliga-Giganten. Die Tore entfielen ausnahmslos auf Offensivspieler, an denen es in Pep Guardiolas Ensemble nicht mangelt. Thomas Müller, Mario Götze und Arjen Robben trafen doppelt, Robert Lewandowski und Franck Ribery je einmal. Hinterher war es allen umso unverständlicher, wie diese Bayern bei diesem HSV im Hinspiel (0:0) bei Zinnbauers Debüt einen Punkt lassen konnten. Es war der einzige aus den letzten sechs Partien, der Klassiker bezog seinen Reiz zuletzt nur noch aus der Erwartung auf viele Tore. Mal sehen, ab wann es wieder spannend wird.