Asamoah: "Dem Rechtsradikalismus keine Chance geben"

Gerald Asamoah war fest eingeplant für das Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft für die Länderspiele gegen Georgien heute (ab 20 Uhr/live im ZDF) und in der Slowakei am Mittwoch (ab 20.45 Uhr/live in der ARD). Doch einen Tag vor der Nominierung erlitt der 28 Jahre alte Angreifer beim UEFA-Pokal-Aus von Schalke 04 bei AS Nancy einen Schien- und Wadenbeinbruch. Eine längere Pause nach der sofortigen Operation ist nun für den 43-maligen Nationalspieler die bittere Konsequenz.

Asamoah, der im WM-Finale 2002 gegen Brasilien in Yokohama eingewechselt wurde und auch bei der WM 2006 im DFB-Trikot am Ball war, wird deshalb in Rostock fehlen. In jenem Stadion, in dem er zu Saisonbeginn bei einem DFB-Pokalspiel zur Zielscheibe rassistischer Schmähungen wurde. Angesichts dieses Vorfalls führte Michael Ashelm für das Stadionheft "DFB aktuell" das folgende Interview mit Asamoah.

Frage: Die rassistischen Schmähungen gegen Sie im Ostseestadion liegen vier Wochen zurück. Haben Sie nach den tollen WM-Erlebnissen noch mit solchen Ausbrüchen gerechnet?

Gerald Asamoah: Vor der Weltmeisterschaft hatte man in Deutschland gewisse Befürchtungen vor rassistischen Übergriffen, was sich glücklicherweise als unbegründet erwies. Umso erschreckender ist es jetzt, dass Rechtsradikale auf einen deutschen Nationalspieler losgehen. Ich finde es schlimm, welche Blüten der Rechtsradikalismus in Deutschland treibt. Das ist sehr traurig. Die jüngsten Vorfälle in deutschen Stadien sind daher auch Grund zu großer Wachsamkeit. Wir dürfen dem Rechtsradikalismus keine Chance geben.

Frage: Was schlagen Sie vor?

Gerald Asamoah: Ich finde gut, mit welcher Konsequenz der DFB harte Strafen ausspricht. Dadurch wird auch die Zivilcourage der vielen echten Fans im Stadion gefördert, die keine Rassisten sind. Wir müssen es schaffen, die kleine Gruppe der rechtsradikalen Schreihälse, die das Interesse am Fußball auf so beschämende Weise ausnutzt, durch eindeutige Reaktionen auszugrenzen. Wir müssen aufpassen, dass nicht ein falsches Bild von Deutschland entsteht. Ein richtiges Zeichen ist da beispielsweise die Aktion in der Bundesliga unter dem Motto "Zeig´ dem Rassismus die Rote Karte", die am übernächsten Wochenende stattfindet.

Frage: Was empfinden Sie auf dem Platz, wenn das "Affengebrüll" von den Rängen dröhnt?

Gerald Asamoah: Das tut weh. Es ist beschämend und macht mich traurig. Ich versuche es dann in diesem Moment zu ignorieren, aber es geht nicht. Am liebsten würde ich losschreien vor Wut, doch ich bin natürlich als Nationalspieler ein Vorbild. Ich kann mich nicht gehen lassen und muss das erst einmal herunterschlucken.

Frage: Eine Neonazi-Organisation hat schon Poster und Hemden mit Ihrem Foto und der Parole "Nein, Gerald, du bist nicht Deutschland" verbreitet. Was haben Sie dagegen unternommen?

Gerald Asamoah: Das hat mich sehr verletzt, aber ich bin zuerst nicht juristisch dagegen vorgegangen. Mit Unterstützung des DFB habe ich dann jedoch rechtliche Schritte eingeleitet und per einstweiliger Verfügung generell die Veröffentlichung und Verbreitung dieses Plakats und des dazugehörigen Bildes untersagen lassen.

Frage: Im Verfassungsschutzbericht steht, dass rechte Straftaten um 27 Prozent zugenommen haben. Spüren Sie am eigenen Leib eine direkte Gefahr?

Gerald Asamoah: Ich habe natürlich gegenüber vielen anderen Farbigen oder Ausländern in Deutschland den großen Vorteil, dass ich eine prominente Person bin. Auf der Straße traut sich keiner so leicht, mich in der Öffentlichkeit anzupöbeln, auch wenn er es vielleicht wollte. Ich selbst fühle mich nicht in Gefahr, aber ich habe Freunde, die sich im Moment nicht besonders wohl fühlen und auf der Straße beleidigt werden.

Frage: Unterhalten Sie sich im Nationalteam über dieses Thema?

Gerald Asamoah: Natürlich wird mal darüber gesprochen. Aber vor Länderspielen möchte ich mich damit gar nicht zu sehr belasten.

Frage: Wie sollte man in Deutschland ganz allgemein mit der Rassismusgefahr umgehen?

Gerald Asamoah: Da fragen Sie mich? Ich habe einen Bericht im Fernsehen gesehen über einen 13 Jahre alten Jungen, der durch Freunde in diese Szene gekommen und fest dabei ist. Das hat mich schockiert. Ein Junge in diesem Alter, wie kann das sein?

Frage: Ist es für Sie vorstellbar, sich als eine Art prominenter Streetworker für rechte Jugendliche zu engagieren, um sie vom Gegenteil zu überzeugen?

Gerald Asamoah: Natürlich. Was ich als bekannter Fußballer sage, kommt bei gewissen Leuten vielleicht besser an. Der Kampf gegen Rechtsradikalismus könnte eine Aufgabe für die Zukunft sein, wenn ich meine Fußballkarriere beendet habe.

Frage: Was sagen Ihre Angehörigen und Freunde in Ihrem Geburtsland Ghana zu dieser Entwicklung?

Gerald Asamoah: Die meisten wissen ja, was in Deutschland passiert. Sie kennen das Positive und Negative. Die tolle Stimmung bei der WM 2006 und das friedliche Fest der Fans aus aller Welt in den Stadien und Städten in Deutschland haben die richtigen Akzente gesetzt und alle beeindruckt. Es war ein nachhaltiger Beweis dafür, wie die große Mehrheit in unserem Land denkt. Wir dürfen uns jetzt gerade nach der WM nicht damit zufriedengeben, dass Deutschland mit seiner Multi-Kulti-Gesellschaft eine tolle und unvergessliche Sommer-Party gefeiert hat. Wir müssen uns weiterhin entschieden dafür einsetzen, dass der Kampf gegen Rassismus einen entsprechenden Stellenwert hat und bei Entgleisungen sofort klar Positionen von allen gesellschaftlichen Kräften bezogen wird. Der Sport und der Fußball spielen dabei eine wichtige Rolle.

Frage: Ist die deutsche Gesellschaft aus Ihrer Sicht wirklich eine offene, fremdenfreundliche Gesellschaft?

Gerald Asamoah: Ja, schon. Sicher weiß ich auch, dass manche im Ausland sehr negativ über Deutschland denken und sagen, es sei ein Land der Rassisten. Es gibt auch Leute, die mich fragen, weshalb ich überhaupt für Deutschland Fußball spiele – für ein Land, welches Schwarze nicht akzeptiert, so sagen sie dann. Aber ich fühle mich heimisch in Deutschland. Deutschland ist ein Land, in dem man sich als Ausländer wohlfühlen kann. Ich lebe schon lange hier und habe mich nie richtig unwohl gefühlt. [dfb]


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Gerald Asamoah war fest eingeplant für das Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft für die Länderspiele gegen Georgien heute (ab 20 Uhr/live im ZDF) und in der Slowakei am Mittwoch (ab 20.45 Uhr/live in der ARD). Doch einen Tag vor der Nominierung erlitt der 28 Jahre alte Angreifer beim UEFA-Pokal-Aus von Schalke 04 bei AS Nancy einen Schien- und Wadenbeinbruch. Eine längere Pause nach der sofortigen Operation ist nun für den 43-maligen Nationalspieler die bittere Konsequenz.



Asamoah, der im WM-Finale 2002 gegen Brasilien in Yokohama eingewechselt wurde und auch bei der WM 2006 im DFB-Trikot am Ball war, wird deshalb in Rostock fehlen. In jenem Stadion, in dem er zu Saisonbeginn bei einem DFB-Pokalspiel zur Zielscheibe rassistischer Schmähungen wurde. Angesichts dieses Vorfalls führte Michael Ashelm für das Stadionheft "DFB aktuell" das folgende Interview mit Asamoah.



Frage: Die rassistischen Schmähungen gegen Sie im Ostseestadion liegen vier Wochen zurück. Haben Sie nach den tollen WM-Erlebnissen noch mit solchen Ausbrüchen gerechnet?



Gerald Asamoah: Vor der Weltmeisterschaft hatte man in Deutschland gewisse Befürchtungen vor rassistischen Übergriffen, was sich glücklicherweise als unbegründet erwies. Umso erschreckender ist es jetzt, dass Rechtsradikale auf einen deutschen Nationalspieler losgehen. Ich finde es schlimm, welche Blüten der Rechtsradikalismus in Deutschland treibt. Das ist sehr traurig. Die jüngsten Vorfälle in deutschen Stadien sind daher auch Grund zu großer Wachsamkeit. Wir dürfen dem Rechtsradikalismus keine Chance geben.



Frage: Was schlagen Sie vor?



Gerald Asamoah: Ich finde gut, mit welcher Konsequenz der DFB harte Strafen ausspricht. Dadurch wird auch die Zivilcourage der vielen echten Fans im Stadion gefördert, die keine Rassisten sind. Wir müssen es schaffen, die kleine Gruppe der rechtsradikalen Schreihälse, die das Interesse am Fußball auf so beschämende Weise ausnutzt, durch eindeutige Reaktionen auszugrenzen. Wir müssen aufpassen, dass nicht ein falsches Bild von Deutschland entsteht. Ein richtiges Zeichen ist da beispielsweise die Aktion in der Bundesliga unter dem Motto "Zeig´ dem Rassismus die Rote Karte", die am übernächsten Wochenende stattfindet.



Frage: Was empfinden Sie auf dem Platz, wenn das "Affengebrüll" von den Rängen dröhnt?



Gerald Asamoah: Das tut weh. Es ist beschämend und macht mich traurig. Ich versuche es dann in diesem Moment zu ignorieren, aber es geht nicht. Am liebsten würde ich losschreien vor Wut, doch ich bin natürlich als Nationalspieler ein Vorbild. Ich kann mich nicht gehen lassen und muss das erst einmal herunterschlucken.



Frage: Eine Neonazi-Organisation hat schon Poster und Hemden mit Ihrem Foto und der Parole "Nein, Gerald, du bist nicht Deutschland" verbreitet. Was haben Sie dagegen unternommen?



Gerald Asamoah: Das hat mich sehr verletzt, aber ich bin zuerst nicht juristisch dagegen vorgegangen. Mit Unterstützung des DFB habe ich dann jedoch rechtliche Schritte eingeleitet und per einstweiliger Verfügung generell die Veröffentlichung und Verbreitung dieses Plakats und des dazugehörigen Bildes untersagen lassen.



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Frage: Im Verfassungsschutzbericht steht, dass rechte Straftaten um 27 Prozent zugenommen haben. Spüren Sie am eigenen Leib eine direkte Gefahr?



Gerald Asamoah: Ich habe natürlich gegenüber vielen anderen Farbigen oder Ausländern in Deutschland den großen Vorteil, dass ich eine prominente Person bin. Auf der Straße traut sich keiner so leicht, mich in der Öffentlichkeit anzupöbeln, auch wenn er es vielleicht wollte. Ich selbst fühle mich nicht in Gefahr, aber ich habe Freunde, die sich im Moment nicht besonders wohl fühlen und auf der Straße beleidigt werden.



Frage: Unterhalten Sie sich im Nationalteam über dieses Thema?



Gerald Asamoah: Natürlich wird mal darüber gesprochen. Aber vor Länderspielen möchte ich mich damit gar nicht zu sehr belasten.



Frage: Wie sollte man in Deutschland ganz allgemein mit der Rassismusgefahr umgehen?



Gerald Asamoah: Da fragen Sie mich? Ich habe einen Bericht im Fernsehen gesehen über einen 13 Jahre alten Jungen, der durch Freunde in diese Szene gekommen und fest dabei ist. Das hat mich schockiert. Ein Junge in diesem Alter, wie kann das sein?



Frage: Ist es für Sie vorstellbar, sich als eine Art prominenter Streetworker für rechte Jugendliche zu engagieren, um sie vom Gegenteil zu überzeugen?



Gerald Asamoah: Natürlich. Was ich als bekannter Fußballer sage, kommt bei gewissen Leuten vielleicht besser an. Der Kampf gegen Rechtsradikalismus könnte eine Aufgabe für die Zukunft sein, wenn ich meine Fußballkarriere beendet habe.



Frage: Was sagen Ihre Angehörigen und Freunde in Ihrem Geburtsland Ghana zu dieser Entwicklung?



Gerald Asamoah: Die meisten wissen ja, was in Deutschland passiert. Sie kennen das Positive und Negative. Die tolle Stimmung bei der WM 2006 und das friedliche Fest der Fans aus aller Welt in den Stadien und Städten in Deutschland haben die richtigen Akzente gesetzt und alle beeindruckt. Es war ein nachhaltiger Beweis dafür, wie die große Mehrheit in unserem Land denkt. Wir dürfen uns jetzt gerade nach der WM nicht damit zufriedengeben, dass Deutschland mit seiner Multi-Kulti-Gesellschaft eine tolle und unvergessliche Sommer-Party gefeiert hat. Wir müssen uns weiterhin entschieden dafür einsetzen, dass der Kampf gegen Rassismus einen entsprechenden Stellenwert hat und bei Entgleisungen sofort klar Positionen von allen gesellschaftlichen Kräften bezogen wird. Der Sport und der Fußball spielen dabei eine wichtige Rolle.



Frage: Ist die deutsche Gesellschaft aus Ihrer Sicht wirklich eine offene, fremdenfreundliche Gesellschaft?



Gerald Asamoah: Ja, schon. Sicher weiß ich auch, dass manche im Ausland sehr negativ über Deutschland denken und sagen, es sei ein Land der Rassisten. Es gibt auch Leute, die mich fragen, weshalb ich überhaupt für Deutschland Fußball spiele – für ein Land, welches Schwarze nicht akzeptiert, so sagen sie dann. Aber ich fühle mich heimisch in Deutschland. Deutschland ist ein Land, in dem man sich als Ausländer wohlfühlen kann. Ich lebe schon lange hier und habe mich nie richtig unwohl gefühlt.