Arnesen: "Moderne Philosophie im Nachwuchs dank Sammer"

DFB.de: Lassen Sie uns abschließend noch einmal über das Champions-League-Finale sprechen. Der FC Bayern München tritt gegen ihren ehemaligen Verein, den FC Chelsea, an. Sind die Münchner der klare Favorit?

Arnesen: Das glaube ich nicht. Natürlich hat Bayern zuletzt einen sehr guten Eindruck gemacht und nun den sehr wichtigen Heimvorteil. Aber man darf Chelsea nicht unterschätzen. Sie haben eine starke Mannschaft mit viel Erfahrung. Gerade in den Pokalwettbewerben sind sie immer weit gekommen. Für sie ist es überhaupt kein Problem, ob sie zu Hause oder auswärts spielen.

DFB.de: Wem drücken Sie die Daumen?

Arnesen: Ich bin ein ehemaliger Chelsea-Angehöriger, also bin ich natürlich für Chelsea.

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Vor einem Jahr wechselte Frank Arnesen vom FC Chelsea zum Hamburger SV. Als Sportchef sollte er den Umbruch vorantreiben und eine neue Mannschaft formen. Das erste Ziel, der Klassenverbleib, ist nun geschafft. In der kommenden Saison möchte der 55-Jährige den Abstiegsrängen endgültig fern bleiben.

Im DFB.de-Interview hat der Journalist Oliver Jensen mit Frank Arnesen über die Situation beim Hamburger SV, die Nachwuchsarbeit in Deutschland und England sowie das Champions-League-Finale zwischen Bayern München und dem FC Chelsea gesprochen.

DFB.de: Frank Arnesen, der Klassenverbleib ist gelungen, Sie können für die Bundesliga planen. Wann wird die Verpflichtung von Rene Adler bekanntgegeben?

Arnesen: Wir sind erst einmal sehr zufrieden über den Klassenverbleib. Nun geht es an die Vorbereitung für die kommende Saison. Es ist wichtig, dass potenzielle Zugänge wissen, dass wir auch in der kommenden Saison in der Bundesliga spielen. Aber ich kenne den Fußball: Wenn mehrere Parteien involviert sind, braucht man viel Geduld. Bei Maximilian Beister haben wir zum Beispiel vier Monate über den Vertrag gesprochen.

DFB.de: Lässt sich die Verpflichtung von Rene Adler nur realisieren, wenn Drobny verkauft wird?

Arnesen: Nicht unbedingt. Bevor ich kam, standen mit Jaroslav Drobny und Frank Rost ebenfalls zwei teure Torhüter unter Vertrag. Für einen Trainer ist das eine angenehme Situation. Finanziell mag das nicht ideal sein. Aber ich würde es nicht ausschließen. Zumal der Vertrag von Drobny nur noch ein Jahr gilt.

DFB.de: Wissen Sie bereits, welche Spieler sonst noch den Verein im Sommer verlassen sollen?

Arnesen: Natürlich haben wir unsere Planung. Aber die lässt sich nicht immer umsetzen. Sie dürfen nicht vergessen, dass viele Länder in unserer Umgebung finanzielle Probleme haben. Ob nun Spanien, Italien oder Frankreich - vor ein oder zwei Jahren wurde in diesen Ländern noch munter eingekauft. Das ist jetzt nicht mehr so, der Markt ist kleiner geworden. Es war noch nie so schwierig, Spieler zu verkaufen.

DFB.de: Diese Saison fand ein großer Umbruch statt. Mit welchen Spielern waren Sie zufrieden?

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Arnesen: Jeffrey Bruma, Dennis Diekmeier und Tomas Rincon haben sich zum Beispiel stark entwickelt. Bei Michael Mancienne möchte ich nicht unbedingt von einer starken Entwicklung sprechen. Aber er hat die Bundesliga kennengelernt, das ist auch sehr wichtig. Ich sage immer wieder: Wir haben in der vergangenen Sommerpause acht Stammspieler gehen lassen. Das war ein Risiko, aber es ist gut gegangen. Außerdem möchte ich Heung Min-Son nennen...

DFB.de: ...der beim Heimspiel gegen Hannover den Siegtreffer erzielt hat.

Arnesen: In der vergangenen Saison hat er frei aufgespielt. In diesem Jahr spürte er plötzlich mehr Druck. Das ist bei einem jungen Spieler ganz normal. Es ist wichtig, trotzdem ruhig zu bleiben. Son hat gut trainiert, er ist ein vernünftiger und schlauer Junge. Es dauerte ein halbes Jahr, bis er wieder seine alte Form wiederfand. Und ganz wichtig ist für ihn die Erfahrung, dass er sein Tief überwunden hat.

DFB.de: Wie lautet die Zielsetzung für die kommende Saison?

Arnesen: In den nächsten Jahren müssen wir zwischen Platz sechs und Platz acht stehen. Für die kommende Saison mag das noch unrealistisch sein. Aber wir möchten besser abschneiden als in dieser Saison.

DFB.de: Was macht Ihnen Mut?

Arnesen: Thorsten Fink kennt die Mannschaft und das Umfeld nun deutlich besser. Er hat sechs bis acht Wochen Zeit, um sich auf die neue Saison vorzubereiten. Die Mannschaft kann sich besser einspielen. Auch die Einstellung unserer Spieler ist positiv. Selbst wenn wir schlecht gespielt haben, gab es in der Kabine keine negative Einstellung. Es gab auch niemanden, der deswegen zu einem anderen Verein wollte. Und außerdem sind die Zuschauer super. Gerade in einer Großstadt ist es keine Selbstverständlichkeit, in einer schlechten Phase so unterstützt zu werden.

DFB.de: Sprechen wir über den Nachwuchs: Sie waren viele Jahre beim FC Chelsea Nachwuchsleiter, sind nun ein Jahr beim Hamburger SV. Inwiefern unterscheidet sich die deutsche von der englischen Nachwuchsarbeit?

Arnesen: In England wird bereits in jungen Jahren auf ganz hohem Niveau gespielt. Wir traten mit Chelsea jedes Wochenende gegen Vereine wie Arsenal London, Tottenham Hotspur, West Ham United oder die Bolton Wanderers an. Alle Altersklassen, bis runter zu den Neunjährigen, haben gegen den gleichen Verein gespielt. Dabei haben die jungen Spieler viel gelernt, es ging richtig zur Sache. In Deutschland fehlt mir, dass sich die Spieler wirklich Woche für Woche nur mit den besten Mannschaften des Landes messen.

DFB.de: Und was gefällt Ihnen an der deutschen Nachwuchsarbeit besser?

Arnesen: Die Taktik. Die Deutschen haben vor einigen Jahren angefangen, anders zu spielen. Zum Beispiel im 4-3-3 und auf hohem technischen Niveau. Das ist vor allem Matthias Sammer zu verdanken. Er hat eine neue Spielphilosophie in die Jugend eingebracht. Deswegen gibt es hier so tolle Spieler wie Mario Götze, Mesut Özil oder Marco Reus. Früher wurde in Deutschland zu viel auf die körperliche Stärke gesetzt. Damit konnte vielleicht ein 15-Jähriger auffallen. Aber sobald dieser bei den Männern mitspielte, waren alle groß und stark. Es fehlten die technischen Fähigkeiten, um sich dann durchzusetzen.

DFB.de: Diese moderne Spielphilosophie gibt es in England noch nicht?

Arnesen: So langsam fängt es an. Außer Deutschland hat vor allem Belgien eine tolle Spielphilosophie in die Jugend eingebracht.

DFB.de: Und diese möchten Sie nun auch in der HSV-Jugend realisieren?

Arnesen: Ganz genau. Ich möchte, dass unsere Jugendmannschaft in einem 4-3-3 spielen, mit einem richtigen Zehner und einem starken Angriff. Die Priorität ist es, junge Spieler auszubilden. Die Spiele zu gewinnen, hat nur zweite Priorität. Das ist ganz wichtig. Als ich zu Chelsea kam, wollten alle Jugendmannschaften gewinnen, gewinnen, gewinnen. Ich habe damals gesagt, es ist viel wichtiger, dass unsere gesamte Jugendabteilung eine gemeinsame Spielphilosophie hat. Das Gewinnen kommt letztendlich ganz von alleine.

DFB.de: Lassen Sie uns abschließend noch einmal über das Champions-League-Finale sprechen. Der FC Bayern München tritt gegen ihren ehemaligen Verein, den FC Chelsea, an. Sind die Münchner der klare Favorit?

Arnesen: Das glaube ich nicht. Natürlich hat Bayern zuletzt einen sehr guten Eindruck gemacht und nun den sehr wichtigen Heimvorteil. Aber man darf Chelsea nicht unterschätzen. Sie haben eine starke Mannschaft mit viel Erfahrung. Gerade in den Pokalwettbewerben sind sie immer weit gekommen. Für sie ist es überhaupt kein Problem, ob sie zu Hause oder auswärts spielen.

DFB.de: Wem drücken Sie die Daumen?

Arnesen: Ich bin ein ehemaliger Chelsea-Angehöriger, also bin ich natürlich für Chelsea.