Arne Friedrich: "WM war wie ein persönlicher Titel"

Arne Friedrich ist emotional Achterbahn gefahren im Jahr 2010. Abstieg, Riesen-WM, Wechsel, Verletzung. So viel erleben manche nicht in einer ganzen Karriere. Am vergangenen Samstag feierte der 31-jährige Abwehrspieler sein Comeback, es war sein Ligadebüt für den VfL Wolfsburg.

Und was für eins: gegen die Bayern gab es nach engagiertem Kampf ein 1:1. Friedrich ging sogar als Sieger vom Platz. Er hatte gespielt, als wäre er nie weg gewesen, war bester Mann auf dem Platz. Und überraschte angesichts dieser Leistung mit der Aussage: "Ich bin noch nicht bei 100 Prozent."

Im aktuellen DFB.de-Interview mit Onlineredakteur Gereon Tönnihsen spricht Friedrich über verlorene Punkte, Stunden auf der Couch, den nächsten Gegner Mainz 05 am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) und die Konkurrenz in der Nationalmannschaft.

DFB.de: Herr Friedrich, wenn Sie auf 2010 zurückschauen: Kann man sagen, dass es eine Fußballerkarriere im Schnelldurchlauf war?

Arne Friedrich: Ja, es war im Grunde alles drin, negative wie positive Höhepunkte. Vom Abstieg mit Hertha und viel Kritik über eine super WM bis zur schweren Verletzung. So ein Jahr brauche ich nicht noch mal, das war schon ziemlich turbulent. Ich bin froh, dass es vorbei ist.

DFB.de: Eigentlich fehlte im vorigen Jahr nur ein Titel, dann wäre die ganze Bandbreite abgedeckt gewesen.

Friedrich: Ja, dann wäre es komplett gewesen. Aber bei der WM spielen zu dürfen, war für mich auch so wie ein Titel, ein persönlicher. Ich glaube, die wenigsten hatten mit mir gerechnet, nachdem wir abgestiegen waren. Es war für mich eine Genugtuung, dass ich dort zeigen konnte, was ich kann.

DFB.de: Haben Sie den Eindruck, dass Sie seither in der Öffentlichkeit mit anderen Augen gesehen werden?

Friedrich: Ja, manchmal habe ich diesen Eindruck. Gerade was die Wahrnehmung in die Medien angeht, glaube ich schon, dass man jetzt mehr von mir hält und erwartet. Auf der Straße und von den Fans bin ich eigentlich immer freundlich angesprochen worden.

DFB.de: Sie verletzten sich noch vor dem ersten Bundesligaspiel. Waren Sie zuvor schon mal so lange ausgefallen?

Friedrich: Ich hatte einmal einen Sehnenkanalriss im Sprunggelenk, bevor ich von Bielefeld nach Berlin gewechselt bin, da musste ich dreieinhalb Monate aussetzen. Das war bis dato die schwerste Verletzung. So lange wie jetzt war ich noch nie draußen. Und ein Bandscheibenvorfall ist wirklich alles andere als nett. Aber jetzt fühle ich mich gut, ich schaue nicht mehr zurück.

DFB.de: Nach der Operation mussten Sie einige Zeit im Bett liegen, konnten sich nur wenig bewegen. Wie geht ein Leistungssportler damit um?

Friedrich: Das war eigentlich das schwierigste an der Geschichte. Ich musste nach der OP fünf Wochen wirklich zu 90 Prozent liegen. Ich habe mir dann eine Massagebank ins Wohnzimmer gestellt. Irgendwann ist man durchgelegen, wenn man zu lange auf der Couch hängt. Und die Couch auch. (lacht) Zweimal am Tag durfte ich zehn Minuten spazieren. Sitzen sollte ich vermeiden. Das war eine harte Zeit, aber ich habe das durchgezogen, weil die Ärzte sagten, wie wichtig das für den Heilungsverlauf sei. Ich war sehr schnell beschwerdefrei. Natürlich habe ich den Nerv hier und da noch gemerkt, der war ja ziemlich stark eingeklemmt. Aber ansonsten ging es mir gut.

DFB.de: Besteht dann nicht die Gefahr, gleich zu viel zu wollen, wenn merkt, das die Schmerzen weg sind?

Friedrich: Ja, auf jeden Fall. Ich musste zwischendurch von den Therapeuten auch gebremst und zurückgehalten werden, weil ich mich besser fühlte, als es mir tatsächlich ging. Ein Bändchen in meinem Rücken musste erst wieder zusammenwachsen, und das ging natürlich nur über Ruhe. Das muss man dann so akzeptieren. Auch wenn’s schwer fällt.

DFB.de: Wann haben Sie wieder angefangen?

Friedrich: Fünf Wochen nach der Operation habe ich mit der Reha angefangen, mit Stabilisationsübungen und leichtem Krafttraining. Das wurde dann sukzessive gesteigert. Zwei Wochen vor Weihnachten habe ich dann wieder die ersten Übungen mit dem Ball gemacht. Im Pokalspiel gegen Cottbus hat mich unser Trainer Steve McClaren für die letzten fünf Minuten gebracht. Es war wichtig für den Kopf zu wissen, dass man wieder voll dazu gehörte.

DFB.de: Wie schwierig war es, nach dieser beeindruckenden WM mit so viel Euphorie plötzlich wieder auf dem Boden der Tatsachen zu landen und sich ganz neu herankämpfen zu müssen?

Friedrich: Natürlich ist das großer Mist. Ich war aber, ehrlich gesagt, ein bisschen froh, dass die Verletzung nicht vor der WM passiert ist, weil es mir sehr wichtig war, nach dieser Saison mit Hertha auf dieser großen Bühne zeigen zu können, was in mir steckt. Es ist natürlich unglücklich, zu einem neuen Verein zu kommen und sich dann gleich zu Beginn im Training zu verletzen. Aber ich konnte ja nichts machen, konnte nichts daran ändern. Die Diagnose und die Tatsache, dass ich operiert werden musste, stand schon schnell fest. Bei Prof. Tonn und Dr. Müller-Wohlfahrt habe ich mich in den besten Händen gefühlt, deshalb gab es da überhaupt keine Probleme, ich habe ihnen vertraut. Und sie haben mir auch sehr schnell zu verstehen gegeben, dass ich wieder zu 100 Prozent fit werden könne. Das war wichtig.

DFB.de: Zehrt man in so einer langen Zeit auch von positiven Erinnerungen und Erlebnissen wie der WM?

Friedrich: Ich habe während der Verletzungsphase eigentlich gar nicht mehr groß über die WM nachgedacht. Da habe ich versucht, mich anderweitig abzulenken. Einmal habe ich mir den WM-Film angeschaut, den wir bekommen haben. Das war großartig. Das Turnier war ein besonderes Ereignis, und ich bin froh, dass ich dabei sein konnte. Aber jetzt geht es weiter.

DFB.de: Wie ist es, andere auf der Position spielen zu sehen, die Sie bei der WM so großartig ausgefüllt haben: Holger Badstuber, Heiko Westermann oder Mats Hummels etwa?

Friedrich: Ich habe schon über Jahre hinweg immer mit Konkurrenz zu tun gehabt. Und ich habe immer gesagt: Die Besten sollen spielen. Ich habe überhaupt keine Angst davor. Ich habe gerade ein sehr gutes Comeback gegeben, ich weiß, was ich kann. Der Trainer weiß, was er an mir hat. Ich habe vor meiner Verletzung gesagt, dass ich gestärkt zurückkommen werde. Das ist jetzt auch passiert. Ich habe mich für die Jungs gefreut. Deutschland kann immer gute Spieler gebrauchen. Je größer die Konkurrenz ist, umso höher wird die Qualität der Mannschaft.

DFB.de: Waren Sie immer so gelassen?

Friedrich: Ich glaube, das kommt mit der Zeit, wenn man schon einige Jahre als Profi hinter sich hat. Mich kann nach 2010 nicht mehr viel schocken.

DFB.de: Waren Sie auch vor Ihrem Bundesliga-Comeback gegen Bayern München am vergangenen Samstag so ruhig?

Friedrich: Ja, doch. Ich habe mich gefreut, dass es wieder los geht. Ich habe mich gut gefühlt, meinem Körper vertraut. Deshalb gab es keinen Grund für Nervosität.

DFB.de: Ist es für einen Spieler, der lange verletzt war, einfacher, in eine Mannschaft zu kommen, in der es nicht ganz nach Plan verläuft?

Friedrich: Es ist eher andersherum. Wenn es läuft, ist das Selbstvertrauen in der ganzen Mannschaft da. Davon profitiert man auch, wenn man ins Team kommt. Fakt ist, dass wir eine gute Vorbereitung auf die Rückrunde in Marbella hinter uns haben, wir haben gut trainiert, neues Selbstbewusstsein getankt. Deshalb verlief der Start auch ganz ordentlich.

DFB.de: Sie gelten als Hoffnungsträger in Wolfsburg. Wie gehen Sie mit dieser Rolle um?

Friedrich: Ich war ja in Berlin schon lange Kapitän und so eine Art Zugpferd. Deswegen kenne ich das schon. Damit habe ich kein Problem.

DFB.de: Wünscht man sich zum Comeback einen Gegner wie Bayern München, bei dem man weiß, dass man viel zu tun bekommt?

Friedrich: Das habe ich mich vorher auch gefragt, ob das gut oder schlecht ist. Im Endeffekt ist es gut gegangen, das zählt. Ich kann es mir ja sowieso nicht aussuchen.

DFB.de: Sie haben vor dem Spiel gesagt, dass Sie noch nicht bei 100 Prozent seien. Ihre Leistung war jedoch sehr stark. Was fehlte denn noch?

Friedrich: In den letzten 20 Minuten habe ich gemerkt, wie die Kräfte nachließen. In dem Bereich bin ich ganz sicher noch ausbaufähig, aber das ist ganz normal. Eines ist auch klar: Es kann immer sein, dass nach so einer langen Verletzung Rückschläge kommen, was die Kraft oder die Form angeht. Ich hoffe, dass ich das durch Training und Spiele kompensieren kann. Aber ich wäre auch relativ gelassen, wenn mal ein Spiel dabei wäre, das nicht so gut läuft.

DFB.de: Kapitän Edin Dzeko hat den Verein im Winter verlassen. Wie kann man diesen Abgang kompensieren?

Friedrich: Durch mannschaftliche Geschlossenheit. Es gab ja von Beginn der Saison an immer wieder Gerüchte und Diskussionen, ob er geht oder nicht. Vielleicht ist es jetzt ganz gut, dass er gegangen ist. Natürlich haben wir an Qualität verloren, aber das müssen wir jetzt gemeinsam auffangen. Und ich glaube, dass uns das gelingen kann. Es ist ja ähnlich wie beim Ausfall von Michael Ballack vor der WM, da haben wir auch als Mannschaft diesen schwerwiegenden Verlust kompensiert und eine erfolgreiche Weltmeisterschaft gespielt.

DFB.de: Erzählen Sie davon Ihren Kollegen in Wolfsburg?

Friedrich: Auf jeden Fall. Ich glaube, dass wir einen sehr guten Job machen, dass wir uns optimal vorbereitet haben. So müssen wir jetzt einfach weitermachen. Wir wissen, dass es in dieser Saison noch nicht so lief, wie gewünscht. Es bringt jedoch nichts, jetzt zurückschauen. Wir können nichts mehr ändern, sondern sollten nur nach vorne blicken.

DFB.de: Dann blicken Sie doch mal als erstes auf Mainz, den Gegner am Wochenende. Die 05er stehen in der Spitzengruppe, deutlich vor Wolfsburg. Sind sie also Favorit?

Friedrich: Vom Papier her sind wir Außenseiter, ganz eindeutig. Doch ich glaube schon, wenn man unseren Kader anschaut, dass wir das Spiel gewinnen können. Wir müssen aber unser ganzes Potenzial abrufen.

DFB.de: Mainz hat zu Saisonbeginn viele überrascht. Sie auch?

Friedrich: Ja, auf jeden Fall. Ich würde lügen, wenn ich etwas anderes sagen würde. Man muss aber auch sagen, dass die Mainzer verdient oben stehen. Sie spielen einen gut strukturierten Fußball, der ganz klar die Handschrift Thomas Tuchels trägt. Von der Spielidee mit dem schnellen Umschalten erinnert das ein bisschen an die Nationalmannschaft.

DFB.de: Im Hinspiel führte Wolfsburg zu Hause mit 3:0, verlor am Ende aber noch mit 3:4. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Friedrich: Das habe ich auf dem Krankenbett gesehen, ich war gerade erst operiert worden. Das war natürlich der Horror, ein Schock. Nach dem 3:0 habe ich schon überlegt, ob ich vielleicht was anderes mache. Und dann passierte so etwas. Wir haben durch eigene Dummheit die Punkte liegen gelassen. Diese wollen wir uns jetzt zurückholen.

DFB.de: Mit welchen Zielen und Erwartungen sind Sie ins Jahr 2011 gegangen?

Friedrich: In erster Linie ist es mein Ziel, gesund zu bleiben. Das ist für mich ganz wichtig. Alles andere kommt dann von alleine. In der Nationalmannschaft ist mein großes Ziel die EM 2012, darauf werde ich hinarbeiten mit hoffentlich guten Leistungen für den VfL Wolfsburg.

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Arne Friedrich ist emotional Achterbahn gefahren im Jahr 2010. Abstieg, Riesen-WM, Wechsel, Verletzung. So viel erleben manche nicht in einer ganzen Karriere. Am vergangenen Samstag feierte der 31-jährige Abwehrspieler sein Comeback, es war sein Ligadebüt für den VfL Wolfsburg.

Und was für eins: gegen die Bayern gab es nach engagiertem Kampf ein 1:1. Friedrich ging sogar als Sieger vom Platz. Er hatte gespielt, als wäre er nie weg gewesen, war bester Mann auf dem Platz. Und überraschte angesichts dieser Leistung mit der Aussage: "Ich bin noch nicht bei 100 Prozent."

Im aktuellen DFB.de-Interview mit Onlineredakteur Gereon Tönnihsen spricht Friedrich über verlorene Punkte, Stunden auf der Couch, den nächsten Gegner Mainz 05 am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) und die Konkurrenz in der Nationalmannschaft.

DFB.de: Herr Friedrich, wenn Sie auf 2010 zurückschauen: Kann man sagen, dass es eine Fußballerkarriere im Schnelldurchlauf war?

Arne Friedrich: Ja, es war im Grunde alles drin, negative wie positive Höhepunkte. Vom Abstieg mit Hertha und viel Kritik über eine super WM bis zur schweren Verletzung. So ein Jahr brauche ich nicht noch mal, das war schon ziemlich turbulent. Ich bin froh, dass es vorbei ist.

DFB.de: Eigentlich fehlte im vorigen Jahr nur ein Titel, dann wäre die ganze Bandbreite abgedeckt gewesen.

Friedrich: Ja, dann wäre es komplett gewesen. Aber bei der WM spielen zu dürfen, war für mich auch so wie ein Titel, ein persönlicher. Ich glaube, die wenigsten hatten mit mir gerechnet, nachdem wir abgestiegen waren. Es war für mich eine Genugtuung, dass ich dort zeigen konnte, was ich kann.

DFB.de: Haben Sie den Eindruck, dass Sie seither in der Öffentlichkeit mit anderen Augen gesehen werden?

Friedrich: Ja, manchmal habe ich diesen Eindruck. Gerade was die Wahrnehmung in die Medien angeht, glaube ich schon, dass man jetzt mehr von mir hält und erwartet. Auf der Straße und von den Fans bin ich eigentlich immer freundlich angesprochen worden.

DFB.de: Sie verletzten sich noch vor dem ersten Bundesligaspiel. Waren Sie zuvor schon mal so lange ausgefallen?

Friedrich: Ich hatte einmal einen Sehnenkanalriss im Sprunggelenk, bevor ich von Bielefeld nach Berlin gewechselt bin, da musste ich dreieinhalb Monate aussetzen. Das war bis dato die schwerste Verletzung. So lange wie jetzt war ich noch nie draußen. Und ein Bandscheibenvorfall ist wirklich alles andere als nett. Aber jetzt fühle ich mich gut, ich schaue nicht mehr zurück.

DFB.de: Nach der Operation mussten Sie einige Zeit im Bett liegen, konnten sich nur wenig bewegen. Wie geht ein Leistungssportler damit um?

Friedrich: Das war eigentlich das schwierigste an der Geschichte. Ich musste nach der OP fünf Wochen wirklich zu 90 Prozent liegen. Ich habe mir dann eine Massagebank ins Wohnzimmer gestellt. Irgendwann ist man durchgelegen, wenn man zu lange auf der Couch hängt. Und die Couch auch. (lacht) Zweimal am Tag durfte ich zehn Minuten spazieren. Sitzen sollte ich vermeiden. Das war eine harte Zeit, aber ich habe das durchgezogen, weil die Ärzte sagten, wie wichtig das für den Heilungsverlauf sei. Ich war sehr schnell beschwerdefrei. Natürlich habe ich den Nerv hier und da noch gemerkt, der war ja ziemlich stark eingeklemmt. Aber ansonsten ging es mir gut.

DFB.de: Besteht dann nicht die Gefahr, gleich zu viel zu wollen, wenn merkt, das die Schmerzen weg sind?

Friedrich: Ja, auf jeden Fall. Ich musste zwischendurch von den Therapeuten auch gebremst und zurückgehalten werden, weil ich mich besser fühlte, als es mir tatsächlich ging. Ein Bändchen in meinem Rücken musste erst wieder zusammenwachsen, und das ging natürlich nur über Ruhe. Das muss man dann so akzeptieren. Auch wenn’s schwer fällt.

DFB.de: Wann haben Sie wieder angefangen?

Friedrich: Fünf Wochen nach der Operation habe ich mit der Reha angefangen, mit Stabilisationsübungen und leichtem Krafttraining. Das wurde dann sukzessive gesteigert. Zwei Wochen vor Weihnachten habe ich dann wieder die ersten Übungen mit dem Ball gemacht. Im Pokalspiel gegen Cottbus hat mich unser Trainer Steve McClaren für die letzten fünf Minuten gebracht. Es war wichtig für den Kopf zu wissen, dass man wieder voll dazu gehörte.

DFB.de: Wie schwierig war es, nach dieser beeindruckenden WM mit so viel Euphorie plötzlich wieder auf dem Boden der Tatsachen zu landen und sich ganz neu herankämpfen zu müssen?

Friedrich: Natürlich ist das großer Mist. Ich war aber, ehrlich gesagt, ein bisschen froh, dass die Verletzung nicht vor der WM passiert ist, weil es mir sehr wichtig war, nach dieser Saison mit Hertha auf dieser großen Bühne zeigen zu können, was in mir steckt. Es ist natürlich unglücklich, zu einem neuen Verein zu kommen und sich dann gleich zu Beginn im Training zu verletzen. Aber ich konnte ja nichts machen, konnte nichts daran ändern. Die Diagnose und die Tatsache, dass ich operiert werden musste, stand schon schnell fest. Bei Prof. Tonn und Dr. Müller-Wohlfahrt habe ich mich in den besten Händen gefühlt, deshalb gab es da überhaupt keine Probleme, ich habe ihnen vertraut. Und sie haben mir auch sehr schnell zu verstehen gegeben, dass ich wieder zu 100 Prozent fit werden könne. Das war wichtig.

DFB.de: Zehrt man in so einer langen Zeit auch von positiven Erinnerungen und Erlebnissen wie der WM?

Friedrich: Ich habe während der Verletzungsphase eigentlich gar nicht mehr groß über die WM nachgedacht. Da habe ich versucht, mich anderweitig abzulenken. Einmal habe ich mir den WM-Film angeschaut, den wir bekommen haben. Das war großartig. Das Turnier war ein besonderes Ereignis, und ich bin froh, dass ich dabei sein konnte. Aber jetzt geht es weiter.

DFB.de: Wie ist es, andere auf der Position spielen zu sehen, die Sie bei der WM so großartig ausgefüllt haben: Holger Badstuber, Heiko Westermann oder Mats Hummels etwa?

Friedrich: Ich habe schon über Jahre hinweg immer mit Konkurrenz zu tun gehabt. Und ich habe immer gesagt: Die Besten sollen spielen. Ich habe überhaupt keine Angst davor. Ich habe gerade ein sehr gutes Comeback gegeben, ich weiß, was ich kann. Der Trainer weiß, was er an mir hat. Ich habe vor meiner Verletzung gesagt, dass ich gestärkt zurückkommen werde. Das ist jetzt auch passiert. Ich habe mich für die Jungs gefreut. Deutschland kann immer gute Spieler gebrauchen. Je größer die Konkurrenz ist, umso höher wird die Qualität der Mannschaft.

DFB.de: Waren Sie immer so gelassen?

Friedrich: Ich glaube, das kommt mit der Zeit, wenn man schon einige Jahre als Profi hinter sich hat. Mich kann nach 2010 nicht mehr viel schocken.

DFB.de: Waren Sie auch vor Ihrem Bundesliga-Comeback gegen Bayern München am vergangenen Samstag so ruhig?

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Friedrich: Ja, doch. Ich habe mich gefreut, dass es wieder los geht. Ich habe mich gut gefühlt, meinem Körper vertraut. Deshalb gab es keinen Grund für Nervosität.

DFB.de: Ist es für einen Spieler, der lange verletzt war, einfacher, in eine Mannschaft zu kommen, in der es nicht ganz nach Plan verläuft?

Friedrich: Es ist eher andersherum. Wenn es läuft, ist das Selbstvertrauen in der ganzen Mannschaft da. Davon profitiert man auch, wenn man ins Team kommt. Fakt ist, dass wir eine gute Vorbereitung auf die Rückrunde in Marbella hinter uns haben, wir haben gut trainiert, neues Selbstbewusstsein getankt. Deshalb verlief der Start auch ganz ordentlich.

DFB.de: Sie gelten als Hoffnungsträger in Wolfsburg. Wie gehen Sie mit dieser Rolle um?

Friedrich: Ich war ja in Berlin schon lange Kapitän und so eine Art Zugpferd. Deswegen kenne ich das schon. Damit habe ich kein Problem.

DFB.de: Wünscht man sich zum Comeback einen Gegner wie Bayern München, bei dem man weiß, dass man viel zu tun bekommt?

Friedrich: Das habe ich mich vorher auch gefragt, ob das gut oder schlecht ist. Im Endeffekt ist es gut gegangen, das zählt. Ich kann es mir ja sowieso nicht aussuchen.

DFB.de: Sie haben vor dem Spiel gesagt, dass Sie noch nicht bei 100 Prozent seien. Ihre Leistung war jedoch sehr stark. Was fehlte denn noch?

Friedrich: In den letzten 20 Minuten habe ich gemerkt, wie die Kräfte nachließen. In dem Bereich bin ich ganz sicher noch ausbaufähig, aber das ist ganz normal. Eines ist auch klar: Es kann immer sein, dass nach so einer langen Verletzung Rückschläge kommen, was die Kraft oder die Form angeht. Ich hoffe, dass ich das durch Training und Spiele kompensieren kann. Aber ich wäre auch relativ gelassen, wenn mal ein Spiel dabei wäre, das nicht so gut läuft.

DFB.de: Kapitän Edin Dzeko hat den Verein im Winter verlassen. Wie kann man diesen Abgang kompensieren?

Friedrich: Durch mannschaftliche Geschlossenheit. Es gab ja von Beginn der Saison an immer wieder Gerüchte und Diskussionen, ob er geht oder nicht. Vielleicht ist es jetzt ganz gut, dass er gegangen ist. Natürlich haben wir an Qualität verloren, aber das müssen wir jetzt gemeinsam auffangen. Und ich glaube, dass uns das gelingen kann. Es ist ja ähnlich wie beim Ausfall von Michael Ballack vor der WM, da haben wir auch als Mannschaft diesen schwerwiegenden Verlust kompensiert und eine erfolgreiche Weltmeisterschaft gespielt.

DFB.de: Erzählen Sie davon Ihren Kollegen in Wolfsburg?

Friedrich: Auf jeden Fall. Ich glaube, dass wir einen sehr guten Job machen, dass wir uns optimal vorbereitet haben. So müssen wir jetzt einfach weitermachen. Wir wissen, dass es in dieser Saison noch nicht so lief, wie gewünscht. Es bringt jedoch nichts, jetzt zurückschauen. Wir können nichts mehr ändern, sondern sollten nur nach vorne blicken.

DFB.de: Dann blicken Sie doch mal als erstes auf Mainz, den Gegner am Wochenende. Die 05er stehen in der Spitzengruppe, deutlich vor Wolfsburg. Sind sie also Favorit?

Friedrich: Vom Papier her sind wir Außenseiter, ganz eindeutig. Doch ich glaube schon, wenn man unseren Kader anschaut, dass wir das Spiel gewinnen können. Wir müssen aber unser ganzes Potenzial abrufen.

DFB.de: Mainz hat zu Saisonbeginn viele überrascht. Sie auch?

Friedrich: Ja, auf jeden Fall. Ich würde lügen, wenn ich etwas anderes sagen würde. Man muss aber auch sagen, dass die Mainzer verdient oben stehen. Sie spielen einen gut strukturierten Fußball, der ganz klar die Handschrift Thomas Tuchels trägt. Von der Spielidee mit dem schnellen Umschalten erinnert das ein bisschen an die Nationalmannschaft.

DFB.de: Im Hinspiel führte Wolfsburg zu Hause mit 3:0, verlor am Ende aber noch mit 3:4. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Friedrich: Das habe ich auf dem Krankenbett gesehen, ich war gerade erst operiert worden. Das war natürlich der Horror, ein Schock. Nach dem 3:0 habe ich schon überlegt, ob ich vielleicht was anderes mache. Und dann passierte so etwas. Wir haben durch eigene Dummheit die Punkte liegen gelassen. Diese wollen wir uns jetzt zurückholen.

DFB.de: Mit welchen Zielen und Erwartungen sind Sie ins Jahr 2011 gegangen?

Friedrich: In erster Linie ist es mein Ziel, gesund zu bleiben. Das ist für mich ganz wichtig. Alles andere kommt dann von alleine. In der Nationalmannschaft ist mein großes Ziel die EM 2012, darauf werde ich hinarbeiten mit hoffentlich guten Leistungen für den VfL Wolfsburg.