Ariane Hingst und Arne Friedrich über Fußball-Genuss

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Ariane Hingst und Arne Friedrich verbindet mehr, als man denkt. Längst nicht nur der Umstand, dass beide für die deutsche Nationalmannschaft spielen und dort Säulen in der Defensive sind, eint sie. Die Verteidigerin des 1. FFC Frankfurt und der Abwehrspieler des VfL Wolfsburg haben leidige Erfahrungen mit Verletzungen und der anschließenden Reha gemacht, sie ähneln sich in der Herangehensweise an große Turniere und schauen gespannt der WM 2011 entgegen. Ariane Hingst und Arne Friedrich haben sich vor dem Frauen-Länderspiel der DFB-Auswahl gegen Australien am 28. Oktober in der Wolfsburger Volkswagen Arena ausgetauscht. DFB-Redakteur Niels Barnhofer hat mitgeschrieben.

Ariane Hingst: Ich hab ja leider auch schon mehrfach Reha-Erfahrungen machen müssen, insofern weiß ich, was für eine harte Zeit das derzeit für Dich ist. Wie läuft es denn?

Arne Friedrich: Ich musste an der Bandscheibe operiert werden. Da ist Gallertmasse ausgetreten und hat auf die Nerven gedrückt. Das ist eine Verletzung, mit der ich überhaupt keine Erfahrung hatte. Das ist eine relativ schwierige Geschichte gewesen. Aber jetzt läuft es super. Ich habe die Therapie so eingehalten, wie sie Dr. Müller-Wohlfahrt mir empfohlen hat. Ich habe nach dem Eingriff sechs Wochen gar nichts gemacht. Das war für mich eine schwere Zeit, da musste ich sehr diszipliniert sein, weil ich auch sehr, sehr viel liegen sollte. Das ist nicht nur für einen Profi-Sportler nicht so einfach. Jetzt bin ich wieder im Krafttraining und habe dabei keine Probleme. Mal sehen, wie es weitergeht, wenn ich wieder draußen mit der Mannschaft trainiere.

Arne Friedrich: Kennst Du auch das Gefühl, nach so langer Verletzungszeit zurückzukehren?

Ariane Hingst: Ich musste es innerhalb verdammt kurzer Zeit am eigenen Leib spüren wie das ist, wenn man lange ausfällt. Diese Situation ist natürlich belastend. Was man in dieser Zeit am meisten zu schätzen weiß, sind Freunde, Verwandte, Bekannte, die hinter einem stehen, einen immer wieder aufbauen. Wichtig ist auch ein gutes Trainer-, Ärzte- und Physio-Gespann, die einen aufmuntern und auch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Es war eine sehr harte Zeit, aber auf der anderen Seite hat die einen auch geprägt. Aus so einer Verletzungspause kommt man definitiv gestärkt wieder raus. Man wünscht es niemanden, so etwas mitzumachen. Aber wenn man etwas Positives raus ziehen will, dann kann man einiges draus lernen.

Arne Friedrich: Kennst Du auch dieses starke Bedürfnis, jetzt wieder rauszugehen und mit dem Ball zu arbeiten? Ariane Hingst: Auf jeden Fall. Jeder kleine Schritt in der Reha ist ein riesiges Highlight. Wenn es heißt, schmeiß die Krücken zur Seite, Du kannst wieder ohne gehen. Oder wenn man die Widerstände beim Fahrradfahren erhöhen darf. Wenn der Crosstrainer dazukommt. Fünf Minuten gehen auf dem Laufband. Die kleinen Etappenziele hat man. Und man freut sich wie Bolle aufn Milchwagen, wenn es heißt, man darf wieder mit Ball trainieren. Wobei das fängt ja mit Verhandlungen mit den Physiotherapeuten und Ärzten an. Da geht es darum, was schon machbar ist. Mit Laufschuhen auf dem Fußball-Platz, da heißt es dann, so ein bisschen gegen den Ball treten, darf ich doch bestimmt schon. Und es ist einfach ein Hochgefühl, wenn man dann tatsächlich wieder spielen darf.

Ariane Hingst: Wie kommst Du als „Berliner“ in Wolfsburg klar? Schon eingelebt oder pendelst Du?

Arne Friedrich: Ich liebe Berlin. Ich wohne jetzt schon seit acht Jahren hier. Ich habe eine Wohnung in Wolfsburg, aber ich habe auch meine Wohnung in Berlin behalten. Da pendele ich häufig. Mit den Bahn-Verbindungen von Spandau nach Wolfsburg geht das ruckzuck, man ist in 50 Minuten von A nach B gekommen. Durch meine Verletzung hatte ich zuletzt viel Zeit in Berlin verbracht. Das heißt, ich habe Berlin nicht den Rücken gekehrt.

Arne Friedrich: Aber Du bist ja gebürtige Berlinerin. Wie sehr vermisst Du Deine Heimatstadt?

Ariane Hingst: Ich vermisse sie sehr. Gerade meine Familie. Insbesondere jetzt, da es in meiner Familie Nachwuchs gab. Meinen Neffen kann ich leider viel zu wenig sehen. Ich mache schon Scherze, dass ich ihn wiedersehe, wenn er eingeschult wird. Ich schaffe es leider viel zu selten, nach Berlin zu reisen. Solche Pausen sieht der Trainings- und Wettkampfplan einfach nicht vor. Aber wenn ich dann da bin, freue ich mich immer wieder sehr. Ich finde es spannend, zu sehen, wie sich die Stadt innerhalb so kurzer Zeit verändert. Kurzum: ich habe noch einen Koffer in Berlin. Was aber nicht heißen soll, dass ich meine Zeit in Stockholm und jetzt hier in Frankfurt nicht auch sehr genossen habe und noch genieße.

Ariane Hingst: Wo trifft man Dich denn in Berlin?

Arne Friedrich: Mich findet man meistens in Charlottenburg. Eben gerade war ich aber auch mal in Schöneberg. Mal bin ich in Prenzlauer Berg, mal in Mitte. Ich versuche, die ganzen Vorzüge der Stadt zu genießen. Berlin hat einfach sehr viel zu bieten.

Arne Friedrich: Hätten wir uns da nicht irgendwo über den Weg laufen müssen?

Ariane Hingst: Am Ende habe ich auch in Friedrichshain gewohnt und war da viel zu Fuß und mit dem Fahrrad unterwegs. Rein theoretisch hätten wir uns irgendwo schon mal über den Weg laufen müssen. Aber bei über 3,5 Millionen Berlinern ist das auch nicht so einfach, sich in einem Cafe zufällig zu treffen. Da kann man sich wahrscheinlich auch mal übersehen.

Ariane Hingst: Du hast ja sowohl eine Heim-WM als auch eine auswärts gespielt. Worauf, glaubst Du, können wir uns 2011 am meisten freuen? Vergleiche sind ja immer schwierig, aber gab es vielleicht etwas, das in Südafrika schöner, besser oder anders war als in Deutschland oder umgekehrt?

Arne Friedrich: Ich glaube, man sollte einfach versuchen, die großen Turniere ganz bewusst zu erleben. Ich habe jetzt vier gespielt. Und am Anfang habe ich das noch nicht getan. Jetzt in Südafrika war ich von meiner Persönlichkeit gereift. Das heißt, ich bin mit der Einstellung an das Turnier gegangen, es einfach nur genießen zu wollen. Weil eine WM ein riesiges Spektakel ist. Ich wollte das genießen – und ich glaube, das habe ich auch geschafft.

Ariane Hingst: War das auch ein Schlüssel für Deine Leistung bei der WM in Südafrika? Du hast ja sehr gute Kritiken erhalten.

Arne Friedrich: Ja, für mich war es wichtig, dass ich das Turnier aktiv genossen habe. Ich hatte im Vorfeld keine großen Erwartungen, weil ich mit Hertha abgestiegen war. Habe dann stark trainiert und anschließend das Spiel so gespielt, wie ich es eben spielen kann. Vom Kopf her war ich stark. Und körperlich ist bei einer WM ja jeder gut vorbereitet.

Arne Friedrich: Du hast ja auch schon einige große Turniere gespielt. Wie angespannt bist Du davor? Wie sehr kannst Du die Turniere genießen?

Ariane Hingst: Das ist interessant, dass Du das sagst. Bei unserem letzten großen Turnier, der Europameisterschaft 2009 in Finnland, habe ich mich darüber viel mit Birgit Prinz unterhalten. Und es war wahrscheinlich das erste Turnier, das wir wirklich in vollen Zügen genossen haben. Auch ganz bewusst. Und zwar alles, was wir gemacht haben. Jedes Spiel, jede Vorbereitung, jedes Training und auch die Zeit außerhalb. Und wir hatten auch das Gefühl, dass wir die Turnier davor nicht richtig genossen hatten. Man war extrem angespannt. Es war häufig Neuland, dass man betreten hat. Insofern kann ich das sehr gut nachvollziehen, was Du sagst.

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Arne Friedrich: Hatte das auch Auswirkung auf Deine Leistung?

Ariane Hingst: Das glaube ich nicht. Ich bin zwar auch jemand, der ziemlich angespannt und nervös vor einem Spiel sein kann, aber in einer angenehmen Art und Weise. Also eher mit einem positiven Kribbeln. Das heißt, ich bin kein Typ der hypernervös in ein Spiel reingeht. Und auch vor dem Hintergrund, dass man mittlerweile einige Final-Spiele bestritten hat, ist man ein wenig abgebrühter geworden. Was ich sagen will, die größte Nervosität hatte ich bei meinem ersten Turnier, bei der Europameisterschaft 1997, verspürt. Aber ansonsten bin ich auch nie vor Nervosität geplatzt. Jetzt war es für mich als Mensch einfach anders. Ein anderes Erleben.

Ariane Hingst: Vor dem Hintergrund Deiner Erfahrung von 2006: Auf was für eine WM können wir uns im kommenden Jahr einstellen?

Arne Friedrich: Ich denke, es können sich alle wieder auf einen wunderbaren Gastgeber freuen. Der DFB und das WM-OK werden das Turnier unheimlich gut organisieren. Unsere Fans werden es wieder aufnehmen, sie sind Weltklasse. Und diese Unterstützung aus dem Land, die Ihr genießen könnt, wird ein riesiger Vorteil sein. Das war auch aus Afrika wunderbar zu sehen, wenn man Bilder von irgendwelchen Straßenfesten und Public Viewings gesehen hat, wie die Fans hinter einem stehen. Und das wird bei der Frauen-WM garantiert wieder so sein.

Arne Friedrich: Welche Unterstützung erfahrt Ihr denn bei Euren Länderspielen oder großen Turnieren von den Fans?

Ariane Hingst: Mittlerweile erfahren wir auch eine enorme Unterstützung. Man sieht es ja an den Zuschauerzahlen. Wir spielen ja jetzt in mittelgroßen Stadien und da ist die Atmosphäre wirklich toll. Leider habe ich unser Länderspiel in Frankfurt gegen Brasilien verpasst, bei dem der europäische Zuschauerrekord für ein Frauenfußball-Spiel aufgestellt wurde. Aber ich konnte bei dem Spiel auf der Tribüne sitzen und auch dort war das Gefühl ergreifend. Das macht einfach Spaß. Man sieht die Begeisterung. Zum Vergleich: Als ich angefangen hatte, waren vielleicht 2.000 Leute bei Länderspielen und jetzt sind es in der Regel um die 20.000. Man sieht bei uns auch Choreografien. Die Leute haben Fan-Shirts an. Tragen unsere Trikots. Das macht einfach Freude, das zu sehen.

Arne Friedrich: Und die Lautstärke in den Stadien ist auch größer geworden?

Ariane Hingst: Auf jeden Fall. Und ich bin sehr froh, dass ich noch keine Vuvuzela-Erfahrung machen musste.

Ariane Hingst: Du hast ja viel Erfahrung mit ausverkauften Stadien, mit super Stimmung auf den Rängen, die eine Kommunikation auf dem Platz so gut wie unmöglich machen. Hast Du einen Tipp für mich, wie ich mir dennoch „Gehör“ verschaffen kann?

Arne Friedrich: Am besten beugt man den Verständigungsproblemen vor, indem man sich so gut einspielt, dass man sich blind versteht. Wir hatten in Südafrika die Vorgaben des Trainers gut umgesetzt. Gerade wenn der Gegner in Ballbesitz ist, wollten wir sehr eng zusammenstehen. Immer nur zehn bis zwölf Meter von einander entfernt. Dann klappt das auch mit der Verständigung. Selbst in Johannesburg, wo 90.000 Menschen im Stadion waren und mit den Vuvuzelas für einen enormen Lärmpegel gesorgt hatte, hat das funktioniert. Ich habe es aber auch noch nirgends erlebt, dass man gar nicht mehr miteinander kommunizieren kann. Am schwierigsten war das schon in Johannesburg. Aber auch da hat es im Endeffekt geklappt.

Arne Friedrich: Ich weiß, das ist eine unspektakuläre Antwort. Wolltest Du lieber Tipps fürs Stimmband-Training haben? Ariane Hingst: (lacht) Ja, klar, ich hatte gehofft, Du würdest mir erzählen, mit welchen Gesängen unter der Dusche Du Dein Stimmband trainierst. Da hätte ich wirklich mehr von Dir erwartet.

Ariane Hingst: Hast Du Dir schon Deine Tickets für 2011 gesichert?! Und wie viele Freunde, Verwandte, Bekannte haben schon Ihre Karten für Berlin und Wolfsburg?

Arne Friedrich: So weit bin ich noch nicht. Aber ich werde mit Sicherheit mal bei dem einen oder anderen Spiel vorbeischauen. Werde die deutschen Frauen genauso unterstützen, wie sie das bei uns sicherlich auch gemacht haben.

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Ariane Hingst und Arne Friedrich verbindet mehr, als man denkt. Längst nicht nur der Umstand, dass beide für die deutsche Nationalmannschaft spielen und dort Säulen in der Defensive sind, eint sie. Die Verteidigerin des 1. FFC Frankfurt und der Abwehrspieler des VfL Wolfsburg haben leidige Erfahrungen mit Verletzungen und der anschließenden Reha gemacht, sie ähneln sich in der Herangehensweise an große Turniere und schauen gespannt der WM 2011 entgegen. Ariane Hingst und Arne Friedrich haben sich vor dem Frauen-Länderspiel der DFB-Auswahl gegen Australien am 28. Oktober in der Wolfsburger Volkswagen Arena ausgetauscht. DFB-Redakteur Niels Barnhofer hat mitgeschrieben.

Ariane Hingst: Ich hab ja leider auch schon mehrfach Reha-Erfahrungen machen müssen, insofern weiß ich, was für eine harte Zeit das derzeit für Dich ist. Wie läuft es denn?

Arne Friedrich: Ich musste an der Bandscheibe operiert werden. Da ist Gallertmasse ausgetreten und hat auf die Nerven gedrückt. Das ist eine Verletzung, mit der ich überhaupt keine Erfahrung hatte. Das ist eine relativ schwierige Geschichte gewesen. Aber jetzt läuft es super. Ich habe die Therapie so eingehalten, wie sie Dr. Müller-Wohlfahrt mir empfohlen hat. Ich habe nach dem Eingriff sechs Wochen gar nichts gemacht. Das war für mich eine schwere Zeit, da musste ich sehr diszipliniert sein, weil ich auch sehr, sehr viel liegen sollte. Das ist nicht nur für einen Profi-Sportler nicht so einfach. Jetzt bin ich wieder im Krafttraining und habe dabei keine Probleme. Mal sehen, wie es weitergeht, wenn ich wieder draußen mit der Mannschaft trainiere.

Arne Friedrich: Kennst Du auch das Gefühl, nach so langer Verletzungszeit zurückzukehren?

Ariane Hingst: Ich musste es innerhalb verdammt kurzer Zeit am eigenen Leib spüren wie das ist, wenn man lange ausfällt. Diese Situation ist natürlich belastend. Was man in dieser Zeit am meisten zu schätzen weiß, sind Freunde, Verwandte, Bekannte, die hinter einem stehen, einen immer wieder aufbauen. Wichtig ist auch ein gutes Trainer-, Ärzte- und Physio-Gespann, die einen aufmuntern und auch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Es war eine sehr harte Zeit, aber auf der anderen Seite hat die einen auch geprägt. Aus so einer Verletzungspause kommt man definitiv gestärkt wieder raus. Man wünscht es niemanden, so etwas mitzumachen. Aber wenn man etwas Positives raus ziehen will, dann kann man einiges draus lernen.

Arne Friedrich: Kennst Du auch dieses starke Bedürfnis, jetzt wieder rauszugehen und mit dem Ball zu arbeiten? Ariane Hingst: Auf jeden Fall. Jeder kleine Schritt in der Reha ist ein riesiges Highlight. Wenn es heißt, schmeiß die Krücken zur Seite, Du kannst wieder ohne gehen. Oder wenn man die Widerstände beim Fahrradfahren erhöhen darf. Wenn der Crosstrainer dazukommt. Fünf Minuten gehen auf dem Laufband. Die kleinen Etappenziele hat man. Und man freut sich wie Bolle aufn Milchwagen, wenn es heißt, man darf wieder mit Ball trainieren. Wobei das fängt ja mit Verhandlungen mit den Physiotherapeuten und Ärzten an. Da geht es darum, was schon machbar ist. Mit Laufschuhen auf dem Fußball-Platz, da heißt es dann, so ein bisschen gegen den Ball treten, darf ich doch bestimmt schon. Und es ist einfach ein Hochgefühl, wenn man dann tatsächlich wieder spielen darf.

Ariane Hingst: Wie kommst Du als „Berliner“ in Wolfsburg klar? Schon eingelebt oder pendelst Du?

Arne Friedrich: Ich liebe Berlin. Ich wohne jetzt schon seit acht Jahren hier. Ich habe eine Wohnung in Wolfsburg, aber ich habe auch meine Wohnung in Berlin behalten. Da pendele ich häufig. Mit den Bahn-Verbindungen von Spandau nach Wolfsburg geht das ruckzuck, man ist in 50 Minuten von A nach B gekommen. Durch meine Verletzung hatte ich zuletzt viel Zeit in Berlin verbracht. Das heißt, ich habe Berlin nicht den Rücken gekehrt.

Arne Friedrich: Aber Du bist ja gebürtige Berlinerin. Wie sehr vermisst Du Deine Heimatstadt?

Ariane Hingst: Ich vermisse sie sehr. Gerade meine Familie. Insbesondere jetzt, da es in meiner Familie Nachwuchs gab. Meinen Neffen kann ich leider viel zu wenig sehen. Ich mache schon Scherze, dass ich ihn wiedersehe, wenn er eingeschult wird. Ich schaffe es leider viel zu selten, nach Berlin zu reisen. Solche Pausen sieht der Trainings- und Wettkampfplan einfach nicht vor. Aber wenn ich dann da bin, freue ich mich immer wieder sehr. Ich finde es spannend, zu sehen, wie sich die Stadt innerhalb so kurzer Zeit verändert. Kurzum: ich habe noch einen Koffer in Berlin. Was aber nicht heißen soll, dass ich meine Zeit in Stockholm und jetzt hier in Frankfurt nicht auch sehr genossen habe und noch genieße.

Ariane Hingst: Wo trifft man Dich denn in Berlin?

Arne Friedrich: Mich findet man meistens in Charlottenburg. Eben gerade war ich aber auch mal in Schöneberg. Mal bin ich in Prenzlauer Berg, mal in Mitte. Ich versuche, die ganzen Vorzüge der Stadt zu genießen. Berlin hat einfach sehr viel zu bieten.

Arne Friedrich: Hätten wir uns da nicht irgendwo über den Weg laufen müssen?

Ariane Hingst: Am Ende habe ich auch in Friedrichshain gewohnt und war da viel zu Fuß und mit dem Fahrrad unterwegs. Rein theoretisch hätten wir uns irgendwo schon mal über den Weg laufen müssen. Aber bei über 3,5 Millionen Berlinern ist das auch nicht so einfach, sich in einem Cafe zufällig zu treffen. Da kann man sich wahrscheinlich auch mal übersehen.

Ariane Hingst: Du hast ja sowohl eine Heim-WM als auch eine auswärts gespielt. Worauf, glaubst Du, können wir uns 2011 am meisten freuen? Vergleiche sind ja immer schwierig, aber gab es vielleicht etwas, das in Südafrika schöner, besser oder anders war als in Deutschland oder umgekehrt?

Arne Friedrich: Ich glaube, man sollte einfach versuchen, die großen Turniere ganz bewusst zu erleben. Ich habe jetzt vier gespielt. Und am Anfang habe ich das noch nicht getan. Jetzt in Südafrika war ich von meiner Persönlichkeit gereift. Das heißt, ich bin mit der Einstellung an das Turnier gegangen, es einfach nur genießen zu wollen. Weil eine WM ein riesiges Spektakel ist. Ich wollte das genießen – und ich glaube, das habe ich auch geschafft.

Ariane Hingst: War das auch ein Schlüssel für Deine Leistung bei der WM in Südafrika? Du hast ja sehr gute Kritiken erhalten.

Arne Friedrich: Ja, für mich war es wichtig, dass ich das Turnier aktiv genossen habe. Ich hatte im Vorfeld keine großen Erwartungen, weil ich mit Hertha abgestiegen war. Habe dann stark trainiert und anschließend das Spiel so gespielt, wie ich es eben spielen kann. Vom Kopf her war ich stark. Und körperlich ist bei einer WM ja jeder gut vorbereitet.

Arne Friedrich: Du hast ja auch schon einige große Turniere gespielt. Wie angespannt bist Du davor? Wie sehr kannst Du die Turniere genießen?

Ariane Hingst: Das ist interessant, dass Du das sagst. Bei unserem letzten großen Turnier, der Europameisterschaft 2009 in Finnland, habe ich mich darüber viel mit Birgit Prinz unterhalten. Und es war wahrscheinlich das erste Turnier, das wir wirklich in vollen Zügen genossen haben. Auch ganz bewusst. Und zwar alles, was wir gemacht haben. Jedes Spiel, jede Vorbereitung, jedes Training und auch die Zeit außerhalb. Und wir hatten auch das Gefühl, dass wir die Turnier davor nicht richtig genossen hatten. Man war extrem angespannt. Es war häufig Neuland, dass man betreten hat. Insofern kann ich das sehr gut nachvollziehen, was Du sagst.

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Arne Friedrich: Hatte das auch Auswirkung auf Deine Leistung?

Ariane Hingst: Das glaube ich nicht. Ich bin zwar auch jemand, der ziemlich angespannt und nervös vor einem Spiel sein kann, aber in einer angenehmen Art und Weise. Also eher mit einem positiven Kribbeln. Das heißt, ich bin kein Typ der hypernervös in ein Spiel reingeht. Und auch vor dem Hintergrund, dass man mittlerweile einige Final-Spiele bestritten hat, ist man ein wenig abgebrühter geworden. Was ich sagen will, die größte Nervosität hatte ich bei meinem ersten Turnier, bei der Europameisterschaft 1997, verspürt. Aber ansonsten bin ich auch nie vor Nervosität geplatzt. Jetzt war es für mich als Mensch einfach anders. Ein anderes Erleben.

Ariane Hingst: Vor dem Hintergrund Deiner Erfahrung von 2006: Auf was für eine WM können wir uns im kommenden Jahr einstellen?

Arne Friedrich: Ich denke, es können sich alle wieder auf einen wunderbaren Gastgeber freuen. Der DFB und das WM-OK werden das Turnier unheimlich gut organisieren. Unsere Fans werden es wieder aufnehmen, sie sind Weltklasse. Und diese Unterstützung aus dem Land, die Ihr genießen könnt, wird ein riesiger Vorteil sein. Das war auch aus Afrika wunderbar zu sehen, wenn man Bilder von irgendwelchen Straßenfesten und Public Viewings gesehen hat, wie die Fans hinter einem stehen. Und das wird bei der Frauen-WM garantiert wieder so sein.

Arne Friedrich: Welche Unterstützung erfahrt Ihr denn bei Euren Länderspielen oder großen Turnieren von den Fans?

Ariane Hingst: Mittlerweile erfahren wir auch eine enorme Unterstützung. Man sieht es ja an den Zuschauerzahlen. Wir spielen ja jetzt in mittelgroßen Stadien und da ist die Atmosphäre wirklich toll. Leider habe ich unser Länderspiel in Frankfurt gegen Brasilien verpasst, bei dem der europäische Zuschauerrekord für ein Frauenfußball-Spiel aufgestellt wurde. Aber ich konnte bei dem Spiel auf der Tribüne sitzen und auch dort war das Gefühl ergreifend. Das macht einfach Spaß. Man sieht die Begeisterung. Zum Vergleich: Als ich angefangen hatte, waren vielleicht 2.000 Leute bei Länderspielen und jetzt sind es in der Regel um die 20.000. Man sieht bei uns auch Choreografien. Die Leute haben Fan-Shirts an. Tragen unsere Trikots. Das macht einfach Freude, das zu sehen.

Arne Friedrich: Und die Lautstärke in den Stadien ist auch größer geworden?

Ariane Hingst: Auf jeden Fall. Und ich bin sehr froh, dass ich noch keine Vuvuzela-Erfahrung machen musste.

Ariane Hingst: Du hast ja viel Erfahrung mit ausverkauften Stadien, mit super Stimmung auf den Rängen, die eine Kommunikation auf dem Platz so gut wie unmöglich machen. Hast Du einen Tipp für mich, wie ich mir dennoch „Gehör“ verschaffen kann?

Arne Friedrich: Am besten beugt man den Verständigungsproblemen vor, indem man sich so gut einspielt, dass man sich blind versteht. Wir hatten in Südafrika die Vorgaben des Trainers gut umgesetzt. Gerade wenn der Gegner in Ballbesitz ist, wollten wir sehr eng zusammenstehen. Immer nur zehn bis zwölf Meter von einander entfernt. Dann klappt das auch mit der Verständigung. Selbst in Johannesburg, wo 90.000 Menschen im Stadion waren und mit den Vuvuzelas für einen enormen Lärmpegel gesorgt hatte, hat das funktioniert. Ich habe es aber auch noch nirgends erlebt, dass man gar nicht mehr miteinander kommunizieren kann. Am schwierigsten war das schon in Johannesburg. Aber auch da hat es im Endeffekt geklappt.

Arne Friedrich: Ich weiß, das ist eine unspektakuläre Antwort. Wolltest Du lieber Tipps fürs Stimmband-Training haben? Ariane Hingst: (lacht) Ja, klar, ich hatte gehofft, Du würdest mir erzählen, mit welchen Gesängen unter der Dusche Du Dein Stimmband trainierst. Da hätte ich wirklich mehr von Dir erwartet.

Ariane Hingst: Hast Du Dir schon Deine Tickets für 2011 gesichert?! Und wie viele Freunde, Verwandte, Bekannte haben schon Ihre Karten für Berlin und Wolfsburg?

Arne Friedrich: So weit bin ich noch nicht. Aber ich werde mit Sicherheit mal bei dem einen oder anderen Spiel vorbeischauen. Werde die deutschen Frauen genauso unterstützen, wie sie das bei uns sicherlich auch gemacht haben.