Andreas Thom: "Auch in der DDR haben wir guten Fußball gespielt"

Andreas Thom hat beides kennengelernt – den Fußball in der ehemaligen DDR und später im Westen bei Bayer 04 Leverkusen, Celtic Glasgow und Hertha BSC. Der 47-Jährige war der erste prominente Spieler, der nach dem Mauerfall aus dem Osten in die Bundesliga wechselte.

Heute, am Tag der deutschen Einheit, erinnert sich der Trainer des B-Junioren-Bundesligisten Hertha BSC Berlin an diese aufregende Zeit. Im exklusiven DFB.de-Gespräch erzählt Andreas Thom Mitarbeiter Sven Winterschladen, wie der frühere Bayer-Manager Rainer Calmund nach einem Länderspiel der DDR gegen Österreich über einen Strohmann Kontakt zu ihm aufgenommen hat. Aber der zehnmalige DFB-Nationalspieler sagt auch, warum für ihn die Trennung zwischen Ost und West schon lange nicht mehr existiert - und ob der erneute Gewinn der Deutschen U 17-Meisterschaft realistisch ist.

DFB.de: Herr Thom, heute ist Tag der Deutschen Einheit. Ist das für Sie noch ein besonderes Datum?

Andreas Thom: Im Grunde ist der Tag für mich nach all den Jahren nicht mehr so außergewöhnlich. Aber dass man am 3. Oktober mal in Erinnerungen schwelgt und an die Zeit vor dem Mauerfall zurückdenkt, ist wahrscheinlich auch völlig normal. Ich habe viel erlebt, auch sportlich. Spontan fallen mir die Meisterschaften, die Pokalsiege, die engen Freundschaften mit anderen Sportlern ein, die dort entstanden sind. Ich bin in jener Zeit als Persönlichkeit geprägt worden und habe eine Menge lernen dürfen.

DFB.de: Sie waren der erste Spieler mit großem Namen, der nach dem Mauerfall aus der ehemaligen DDR in die Bundesliga gewechselt ist. Haben Sie damit gerechnet, dass das solche Wellen schlagen würde?

Thom: Es war schon beachtlich. Ich habe es als sehr ereignisreiche und interessante Zeit in Erinnerung. Da ist eine Menge auf mich eingestürzt. Ich war damals Mitte 20, also noch ein eher junger Spieler. Es war schon einerseits beeindruckend, welche Aufmerksamkeit der Wechsel eines Fußballspielers auslösen kann. Aber andererseits war es auch eine besondere Situation. Aber ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Ich war froh, als es endlich wieder um den Sport ging. Nichtsdestotrotz würde ich diesen Schritt jederzeit wieder so machen.

DFB.de: Wie ging der Wechsel über die Bühne?

Thom: Das war eine ziemlich schnelle und spontane Angelegenheit. Rainer Calmund war damals Manager bei Bayer 04 Leverkusen, Gert-Achim Fischer der Präsident. Calmund hat erst mit mir gesprochen und die Perspektiven aufgezeigt. Das war unmittelbar nach unserem Qualifikationsspiel Österreich gegen die DDR, bei der er sich über einen Kontaktmann meine Telefonnummer und Adresse besorgt hatte. Am nächsten Tag stand er schon in meinem Wohnzimmer. Er hat wirklich alle Register gezogen, um mich zu überzeugen. Das war schon beeindruckend. Dann hat er mit den Verantwortlichen von Dynamo Berlin und den Verantwortlichen des Deutschen Fußball-Verbandes der DDR verhandelt.



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Andreas Thom hat beides kennengelernt – den Fußball in der ehemaligen DDR und später im Westen bei Bayer 04 Leverkusen, Celtic Glasgow und Hertha BSC. Der 47-Jährige war der erste prominente Spieler, der nach dem Mauerfall aus dem Osten in die Bundesliga wechselte.

Heute, am Tag der deutschen Einheit, erinnert sich der Trainer des B-Junioren-Bundesligisten Hertha BSC Berlin an diese aufregende Zeit. Im exklusiven DFB.de-Gespräch erzählt Andreas Thom Mitarbeiter Sven Winterschladen, wie der frühere Bayer-Manager Rainer Calmund nach einem Länderspiel der DDR gegen Österreich über einen Strohmann Kontakt zu ihm aufgenommen hat. Aber der zehnmalige DFB-Nationalspieler sagt auch, warum für ihn die Trennung zwischen Ost und West schon lange nicht mehr existiert - und ob der erneute Gewinn der Deutschen U 17-Meisterschaft realistisch ist.

DFB.de: Herr Thom, heute ist Tag der Deutschen Einheit. Ist das für Sie noch ein besonderes Datum?

Andreas Thom: Im Grunde ist der Tag für mich nach all den Jahren nicht mehr so außergewöhnlich. Aber dass man am 3. Oktober mal in Erinnerungen schwelgt und an die Zeit vor dem Mauerfall zurückdenkt, ist wahrscheinlich auch völlig normal. Ich habe viel erlebt, auch sportlich. Spontan fallen mir die Meisterschaften, die Pokalsiege, die engen Freundschaften mit anderen Sportlern ein, die dort entstanden sind. Ich bin in jener Zeit als Persönlichkeit geprägt worden und habe eine Menge lernen dürfen.

DFB.de: Sie waren der erste Spieler mit großem Namen, der nach dem Mauerfall aus der ehemaligen DDR in die Bundesliga gewechselt ist. Haben Sie damit gerechnet, dass das solche Wellen schlagen würde?

Thom: Es war schon beachtlich. Ich habe es als sehr ereignisreiche und interessante Zeit in Erinnerung. Da ist eine Menge auf mich eingestürzt. Ich war damals Mitte 20, also noch ein eher junger Spieler. Es war schon einerseits beeindruckend, welche Aufmerksamkeit der Wechsel eines Fußballspielers auslösen kann. Aber andererseits war es auch eine besondere Situation. Aber ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Ich war froh, als es endlich wieder um den Sport ging. Nichtsdestotrotz würde ich diesen Schritt jederzeit wieder so machen.

DFB.de: Wie ging der Wechsel über die Bühne?

Thom: Das war eine ziemlich schnelle und spontane Angelegenheit. Rainer Calmund war damals Manager bei Bayer 04 Leverkusen, Gert-Achim Fischer der Präsident. Calmund hat erst mit mir gesprochen und die Perspektiven aufgezeigt. Das war unmittelbar nach unserem Qualifikationsspiel Österreich gegen die DDR, bei der er sich über einen Kontaktmann meine Telefonnummer und Adresse besorgt hatte. Am nächsten Tag stand er schon in meinem Wohnzimmer. Er hat wirklich alle Register gezogen, um mich zu überzeugen. Das war schon beeindruckend. Dann hat er mit den Verantwortlichen von Dynamo Berlin und den Verantwortlichen des Deutschen Fußball-Verbandes der DDR verhandelt.

DFB.de: Stimmt eigentlich die Geschichte, dass Calmund Ihnen damals für die Kinder eine Spielzeugeisenbahn geschickt hat, um Sie vom Wechsel zu überzeugen?

Thom: Die Eisenbahn suchen wir beide bis heute noch…

DFB.de: Wann haben Sie erstmals den Wunsch gespürt, in die Bundesliga zu wechseln?

Thom: Ich habe die Bundesliga schon zu DDR-Zeiten sehr interessiert im Fernsehen verfolgt, auch wenn das nicht erlaubt war. Dass mich ein Wechsel reizen würde habe ich erstmals 1988 öffentlich angesprochen. Zwei Jahre später waren die Vorzeichen mit den geöffneten Grenzen dann natürlich völlig anders und es hat geklappt. Abgehauen wäre ich wahrscheinlich niemals. Das hätte für meine Familie wohl zu große Probleme nach sich gezogen, das wollte ich ihnen nicht antun.

DFB.de: Also nicht wie Falko Götz vor dem Europapokalspiel 1983 mit dem BFC Dynamo Berlin bei Partizan Belgrad?

Thom: Nein, das war kein Thema. Es war schon eine aufregende Geschichte damals. Schließlich bin ich durch seine Flucht zu meinem ersten internationalen Einsatz gekommen.

DFB.de: Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Thom: Ich weiß es noch alles ganz genau, jedes Detail. Falko Götz und Dirk Schlegel waren kurz vor dem Anpfiff des Auswärtsspiels in der Hauptstadt des damaligen Jugoslawiens plötzlich weg. Der Trainer hat mich daraufhin gefragt, ob ich es mir zutrauen würde, in der Startelf zustehen. Natürlich war ich bereit, diese Chance wollte ich nutzen. Ich war damals 18 Jahre alt, hatte gerade mal ein paar Minuten in der Oberliga gespielt und musste im nächsten Moment in diesem Hexenkessel in Belgrad vor 55.000 Zuschauern dabei helfen, unseren 2:0-Vorsprung aus dem Hinspiel zu verteidigen. Logisch war ich aufgeregt, aber es hat geklappt. Wir haben zwar 0:1 verloren, sind aber in die nächste Runde eingezogen.

DFB.de: Wie ist der Fußball in der ehemaligen DDR und später im Westen vergleichbar?

Thom: Das ist schwer zu sagen. Auch in der DDR haben wir guten Fußball gespielt. Als ich bei Dynamo unter Vertrag stand, haben wir regelmäßig die Meisterschaft gewonnen und auch im Pokal waren wir erfolgreich. Wie gesagt: Auch das war eine sehr interessante Zeit, die ich nicht missen möchte. Aber generell lässt es sich nicht vergleichen, weil die Vorzeichen einfach völlig unterschiedlich waren. In der DDR wurde ein Spieler beispielsweise nicht transferiert, sondern zu einem anderen Verein delegiert. Davon war ich jedoch nicht betroffen.

DFB.de: Wenig später ist dann mit Ulf Kirsten ein weiterer Spieler aus der ehemaligen DDR nach Leverkusen gewechselt. Hat Ihnen das das Leben erleichtert?

Thom: Natürlich war das nicht schlecht für mich. Aber vor allem für die Mannschaft war das gut. Ulf Kirsten war schon in der DDR ein sehr guter Spieler, und das hat er ja dann in Leverkusen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Natürlich habe ich mich gefreut, als wir bei Bayer 04 erstmals gemeinsam auf dem Platz standen.

DFB.de: Im Dezember 1990 folgte dann ihr Länderspieldebüt für die DFB-Auswahl gegen die Schweiz.

Thom: Ja, ein großes Ereignis nicht nur für mich. Ich werde ungefähr 15 Minuten vor Schluss eingewechselt und mache mit meinem ersten Ballkontakt für die deutsche Mannschaft direkt das Tor. Es stand zu diesem Zeitpunkt zwar bereits 3:0. Für den Spielverlauf war es also nicht mehr ganz so wichtig, für mich persönlich natürlich schon. Es war einfach ein sehr, sehr schöner Moment. Ich habe mir hinterher gar nicht so viele Gedanken über die politische Bedeutung dieses Treffers gemacht – andere Leute schon.

DFB.de: Nach Leverkusen sind Sie über Celtic Glasgow wieder in Ihrer Heimat angekommen - zunächst als Spieler von Hertha BSC, jetzt als Trainer der B-Junioren. Ist das eine Rückkehr zu den Wurzeln?

Thom: Ja und nein. Ich bin zwar seit 1998 mit einer kurzen Unterbrechung wieder in Berlin. Aber früher habe ich logischerweise nur die Ostseite kennen gelernt. Inzwischen kenne ich die ganze Stadt – und die Trennung in Ost und West existiert für mich schon lange nicht mehr.

DFB.de: Im Sommer haben Sie wieder für Schlagzeilen gesorgt, weil Sie mit dem U 17-Nachwuchs von Hertha BSC die Deutsche Meisterschaft gewinnen konnten. Ihr größter Erfolg als Trainer?

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Thom: Das war schon ein Höhepunkt. Vor allem für die Spieler, aber sicher für mich als Trainer ebenfalls. Ich war vorher mit Holstein Kiel zwar bereits in die dritte Liga aufgestiegen. Aber auch die Deutsche Meisterschaft der B-Jugendlichen gewinnt man nicht im Vorbeigehen. Es war dramatisch. Im Halbfinale hatten wir das erste Duell beim Titelverteidiger 1. FC Köln 2:1 gewonnen, aber im Rückspiel lagen wir zwei Minuten vor Schluss 0:2 zurück, wie waren praktisch ausgeschieden. Danach haben wir ein sensationelles Freistoßtor gemacht und sind über das Elfmeterschießen ins Endspiel eingezogen. Dort haben wir gegen einen sehr starken VfB Stuttgart mit dem nötigen Glück 2:0 gewonnen. Es war ein unfassbar schönes Gefühl für alle, entsprechend groß war der Jubel – auch bei allen Betreuern, die großartige Arbeit gemacht haben.

DFB.de: Ist eine Wiederholung möglich?

Thom: Wir haben hohe Ziele und wollen wieder eine gute Saison spielen. Aber man darf nicht vergessen, dass ich eigentlich eine komplett neue Mannschaft betreue. Aus dem Kader des vergangenen Jahres ist nur noch ein Spieler übrig geblieben. Der Start war auf jeden Fall vielversprechend. Fünf Siege und eine Niederlage sind ein ordentlicher Auftakt. Aber im Moment gilt unsere gesamte Konzentration unserer kurzfristigen Aufgabe. Am Samstag spielen wir im Halbfinale des Pokals des Nordostdeutschen Fußballverbands gegen Energie Cottbus. Da wollen wir ins Endspiel einziehen.