Andreas Görlitz: "Der FC Bayern ist eine andere Welt"

Für Andreas Görlitz ist das Spiel heute (ab 20.30 Uhr, live bei Sky) etwas ganz Besonderes. In der zweiten Hauptrunde des DFB-Pokals spielt er mit dem Zweitligisten FC Ingolstadt in der Münchner Allianz-Arena beim FC Bayern. Bei seiner alten Liebe. Hier wurde er Nationalspieler, mit den Bayern feierte er seine größten Erfolge. Bevor seine Laufbahn durch viele Verletzungen einen Knick bekam.

„Ich bin mit meiner Karriere dennoch zufrieden“, sagt Görlitz im aktuellen DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke. Außerdem spricht der 29-Jährige über seine Erfahrungen in der Nationalmannschaft, das Spiel heute Abend, den Abstiegskampf mit Ingolstadt und über seine zweite große Leidenschaft, die Musik.

DFB.de: Herr Görlitz, heute steigt das große Spiel gegen den großen FC Bayern. Wie viel Vorfreude war in den vergangenen Tagen in Ingolstadt zu spüren?

Andreas Görlitz: Es war zu merken, dass etwas Außergewöhnliches bevorsteht. Beim Training beispielsweise waren mehr Journalisten also sonst dabei. Bei uns sind sonst maximal zwei Zeitungen vor Ort, beim Abschlusstraining war die Zahl viel größer, dazu waren noch drei oder vier Kamerateams anwesend. Es wird einiges an Rummel um das Spiel gemacht, und natürlich merkt dies die Mannschaft auch.

DFB.de: Und innerhalb der Mannschaft: Wie sehr fiebert das Team diesem Höhepunkt entgegen?

Görlitz: Natürlich freuen wir uns auf das Spiel. Aber wir würden uns noch mehr freuen, wenn wir in der Liga besser dastehen würden. Dann könnten wir das Spiel noch mehr genießen. So liegt unser Fokus eindeutig auf dem Alltag in der 2. Bundesliga. Aber ich denke, dass dies vergessen sein wird, wenn wir nachher zum Stadion fahren und das Spiel dann losgeht.

DFB.de: Wenn Sie wählen könnten: Ein Sieg im Pokal oder ein Sieg am Wochenende in Spiel gegen Eintracht Frankfurt - was würden Sie wählen?

Görlitz: (überlegt) Den Sieg gegen Frankfurt.

DFB.de: Sie haben ein wenig gezögert.

Görlitz: Ja. Ich habe überlegt, ob ich antworten soll, dass sich beides ja nicht ausschließt. Das Spiel gegen Frankfurt kommt nach dem Spiel in München, das können wir trotzdem noch gewinnen. Und natürlich wäre mir am Liebsten: zwei Siege in Folge.

DFB.de: Sie haben vier Jahre lang beim FC Bayern gespielt. Wie groß sind Ihre Verbindungen nach München noch?

Görlitz: Wenn man einen Klub verlässt, ist es meistens so, dass die Verbindungen ziemlich schnell lockerer werden. Man gewöhnt sich dann in einem neuen Umfeld ein, und automatisch verliert man die alten Drähte. Mit Philipp Lahm gibt es hin und wieder Kontakt, ansonsten gibt es noch Verbindungen zur Geschäftsstelle. Wenn ich mal in der Nähe bin, dann schaue ich schon vorbei. Am Montag war ich zum Beispiel dort und habe zwei Karten für das Spiel heute Abend abgeholt. Dann unterhält man sich mit den Leuten ein bisschen. Aber ansonsten sind die Verbindungen weitgehend eingeschlafen.

DFB.de: Obwohl sie mit einigen Bayern-Spielern auch privat Kontakt hatten. In einem Video ihrer Band Room 77 spielen Philipp Lahm und Mario Gomez mit.

Görlitz: Miroslav Klose war auch dabei.

DFB.de: Welchen Hintergrund hatte dies?

Görlitz: Als wir die Band gegründet haben, haben wir festgelegt, dass wir mit allen Einnahmen soziale Einrichtungen unterstützen wollen. In der Nähe meiner Heimat Roth am Lech ist ein SOS-Kinderdorf, eine tolle Einrichtung, die jede Förderung verdient. Wir haben uns dann entschieden, dass wir mit den Einnahmen aus CD-Verkäufen und Tickets und dergleichen dieses SOS-Kinderdorf unterstützen wollen. Einer unsere Songs heißt „Hope“, und als wir das Video dazu drehen wollten, habe ich die Jungs gefragt, ob sie mitmachen können. Sie haben sofort gesagt, dass sie Lust haben. Dann haben sie mitgemacht. Und ich denke, dass sie dabei richtig Spaß hatten.

DFB.de: Welcher Spieler der Bayern hat aus Ihrer Sicht den schlechtesten und wer den besten Musikgeschmack?

Görlitz: Mehmet Scholl hat einen überragenden Musikgeschmack. Sehr eigen zwar, und ziemlich alternativ. Ich finde das aber cool. Von ihm bekomme ich häufig eine SMS, in der er mich auf Lieder oder Bands aufmerksam macht. Wir liegen da auf einer Wellenlänge. Nächste Woche ist Mehmet in Ingolstadt. Sein Praktikum im Rahmen der Trainerausbildung macht er bei uns, darauf freue ich mich sehr.

DFB.de: Die Frage nach dem schlechten Geschmack haben Sie nicht beantwortet.

Görlitz: Das ist ja immer subjektiv. Außerdem weiß ich auch gar nicht, welche Musik bei wem unter den dicken Kopfhörern läuft. Viele hören Hip-Hop und dieses Zeugs, das ist nicht mein Fall. Aber es muss ja deswegen nicht schlecht sein.

DFB.de: Zum Sport - und eine Rückblende: Ihr Nationalmannschaftsdebüt liegt mittlerweile gut sieben Jahre zurück. Welche Erinnerungen haben Sie noch an das Spiel gegen Brasilien?

Görlitz: Für mich war es der totale Wahnsinn, dass ich dabei sein durfte. Ich hatte zuvor gerade erst zehn Spiele für Bayern gemacht. Für mich war es eine Riesenehre, so schnell für die Nationalmannschaft nominiert worden zu sein. Ich habe mich riesig drauf gefreut, gegen Brasilien, in Berlin. Ich habe zwar nur fünf Minuten gespielt, aber diese fünf Minuten waren ein sehr besonderes Erlebnis.

DFB.de: Beim zweiten Spiel gegen den Iran standen Sie dann gleich für 90 Minuten auf dem Platz.

Görlitz: Ja. Danach habe ich mich dann noch mehr als richtiger Nationalspieler gefühlt.

DFB.de: Die Reise war auch besonders, oder? In Teheran spielt man ja nicht jeden Tag.

Görlitz: Stimmt. Wir haben mit Bayern noch einmal dort gespielt, als wir vom Trainingslager in Dubai für ein Freundschaftsspiel rübergeflogen sind. Das war aber nach dem Länderspiel. Für mich war die Reise mit der Nationalmannschaft ein ganz großes Erlebnis. Die Fans dort haben sich so wahnsinnig gefreut, dass wir dort waren. Sie waren in ihrer Euphorie kaum zu bremsen, das ging schon am Flughafen los. Alle wollten uns anfassen, alle wollten uns umarmen. Ich werde diese Eindrücke nie vergessen.

DFB.de: Per Mertesacker hat damals sein Debüt für die Nationalmannschaft gegeben. Mittlerweile hat er 78 Länderspiele gemacht und zwei Weltmeisterschaften absolviert. Eine ähnliche Karriere wurde bei Ihnen durch viele Verletzungen verhindert. Wie oft kommt Ihnen der Gedanke, was möglich gewesen wäre, wenn Sie weniger Verletzungspech gehabt hätten?

Görlitz: Eigentlich nie. Direkt nach den Verletzungen kam dieser Gedanke hin und wieder. Aber ich bin zum Glück kein Grübler. Was gewesen ist, lässt sich sowieso nicht ändern. Die Situation ändert sich ja nicht, wenn man mit dem Schicksal hadert.

DFB.de: Vor sieben Jahren war Ihr Spiel gut genug für die Nationalmannschaft. Ist dieses Thema für Sie endgültig abgehakt?

Görlitz: (lacht) Das ist ganz weit weg. Man soll ja nie "nie" sagen, aber darüber habe ich mir wirklich schon lange keine Gedanken mehr gemacht. Dafür müssten schon einige günstige Zufälle zusammenkommen. Ich bin zwar noch jung, aber auch nicht mehr der Jüngste. Und ich bin realistisch genug, um zu erkennen, dass sich diese Frage wohl eher nicht mehr stellen wird. Ich bin mit meiner Karriere zufrieden, auch ohne dass ich in der Nationalmannschaft die ganz großen Spuren hinterlassen habe.

DFB.de: Sie sind heute Spieler des Tabellenletzten der 2. Bundesliga. Sie kommen vom FC Bayern, dem Tabellenführer der Bundesliga. Wenn Sie die Verhältnisse in München und Ingolstadt vergleichen: Wie groß ist der Unterschied?

Görlitz: Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass die Verhältnisse vergleichbar sind. Ich habe in meiner Karriere aber nicht nur beim FC Bayern, sondern auch bei den "Löwen" und in Karlsruhe gespielt. Und dahinter muss sich Ingolstadt nicht verstecken. Was das Stadion und die Trainingsmöglichkeiten angeht, kann Ingolstadt durchaus mithalten. Aber der FC Bayern, das ist eine andere Welt. Nicht nur im Vergleich zu Ingolstadt - auch im Vergleich zu anderen Vereinen in der Bundesliga.

DFB.de: Gibt es Dinge in Ingolstadt, die der Verein dem FC Bayern voraus hat? Vielleicht Abläufe innerhalb der Mannschaft.

Görlitz: (überlegt) Bei den Bayern ist vieles schon ziemlich perfekt. Alle Bereiche sind dort sehr professionell organisiert. Auch das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mannschaft war zu meiner Zeit in München sehr ausgeprägt. Dennoch: Jetzt in Ingolstadt unternimmt das Team mehr zusammen, die Spieler gehen gemeinsam essen, es gibt häufiger Mannschaftsabende. Das empfinde ich als sehr positiv.

DFB.de: Mit dem FCI haben Sie in der vergangenen Saison in einem Schlussspurt den Abstieg verhindert. Wie würden Sie diesen Erfolg im Vergleich zu den Deutschen Meisterschaften und DFB-Pokalsiegen mit dem FC Bayern einschätzen?

Görlitz: Auf dem Papier sind Meisterschaften und Pokalsiege wertvoller. Für das eigene Gefühl aber nicht. Schon weil ich zu unserem Erfolg in der vergangenen Saison viel mehr beitragen konnte. Ich schätze den Nichtabstieg in meiner Vita sehr weit oben ein. Mit uns hat keiner mehr gerechnet, wir waren weit abgeschlagen und haben es dennoch geschafft. Dieser Erfolg steht auf keinem Briefbogen, aber innerlich zählt er sehr viel.

DFB.de: Die aktuelle Spielzeit hat für Ingolstadt schleppend begonnen. Nach zwölf Spielen ist das Team 18. und Letzter. Sie haben - auch wegen einer Roten Karte - bisher nur bei der Hälfte der Begegnungen mitwirken können. Wie fällt die Bilanz der noch jungen Saison für Sie persönlich aus?

Görlitz: Wir stehen ganz unten, natürlich bin ich nicht zufrieden. Aber ich bin jetzt wieder auf einem guten Weg. Im ersten Spiel nach meiner Sperre habe ich mich ein bisschen schwer getan, aber beim letzten habe ich mich schon wieder viel besser gefühlt. Ich bin also optimistisch, dass es bei mir und mit der Mannschaft in den nächsten Wochen wieder deutlich aufwärts geht.

DFB.de: Erinnern Sie sich noch an den 7. November 2006?

Görlitz: Nein, keine Ahnung. Was soll da gewesen sein?

DFB.de: Damals haben Sie mit Bayern II gegen Ingolstadt gespielt, Sie haben 2:1 gewonnen.

Görlitz: Das kann sein, aber präsent habe ich dieses Spiel nicht mehr.

DFB.de: Macht ihnen dieses Spiel denn Hoffnung? Es ließe sich eine Regel ableiten: Immer wenn Bayern gegen Ingolstadt spielt, gewinnt die Mannschaft, für die Andreas Görlitz gegen den Ball tritt.

Görlitz: (lacht) Stimmt. Wir haben auch mal in der Vorbereitung mit Bayern gegen Ingolstadt gespielt. Auch da haben wir gewonnen, die Regel hat also gleich mehrere Belege.

DFB.de: Und ernsthaft: Mit welchen Ambitionen fahren Sie nach München?

Görlitz: Wie sagt man so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Für uns ist es aber gar nicht so entscheidend, ob wir nun gewinnen oder verlieren. Es geht für uns um etwas ganz Anderes: gut mitzuhalten, Erfahrungen zu sammeln und Selbstvertrauen zu tanken. Das können wir auch, wenn wir das Spiel nicht gewinnen. Wenn gegen Bayern Dinge klappen, wenn wir gut stehen, lange ohne Gegentor bleiben und auch offensiv einige Aktionen haben, dann kann uns dies für die kommenden Aufgaben in der Liga beflügeln.

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Für Andreas Görlitz ist das Spiel heute (ab 20.30 Uhr, live bei Sky) etwas ganz Besonderes. In der zweiten Hauptrunde des DFB-Pokals spielt er mit dem Zweitligisten FC Ingolstadt in der Münchner Allianz-Arena beim FC Bayern. Bei seiner alten Liebe. Hier wurde er Nationalspieler, mit den Bayern feierte er seine größten Erfolge. Bevor seine Laufbahn durch viele Verletzungen einen Knick bekam.

„Ich bin mit meiner Karriere dennoch zufrieden“, sagt Görlitz im aktuellen DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke. Außerdem spricht der 29-Jährige über seine Erfahrungen in der Nationalmannschaft, das Spiel heute Abend, den Abstiegskampf mit Ingolstadt und über seine zweite große Leidenschaft, die Musik.

DFB.de: Herr Görlitz, heute steigt das große Spiel gegen den großen FC Bayern. Wie viel Vorfreude war in den vergangenen Tagen in Ingolstadt zu spüren?

Andreas Görlitz: Es war zu merken, dass etwas Außergewöhnliches bevorsteht. Beim Training beispielsweise waren mehr Journalisten also sonst dabei. Bei uns sind sonst maximal zwei Zeitungen vor Ort, beim Abschlusstraining war die Zahl viel größer, dazu waren noch drei oder vier Kamerateams anwesend. Es wird einiges an Rummel um das Spiel gemacht, und natürlich merkt dies die Mannschaft auch.

DFB.de: Und innerhalb der Mannschaft: Wie sehr fiebert das Team diesem Höhepunkt entgegen?

Görlitz: Natürlich freuen wir uns auf das Spiel. Aber wir würden uns noch mehr freuen, wenn wir in der Liga besser dastehen würden. Dann könnten wir das Spiel noch mehr genießen. So liegt unser Fokus eindeutig auf dem Alltag in der 2. Bundesliga. Aber ich denke, dass dies vergessen sein wird, wenn wir nachher zum Stadion fahren und das Spiel dann losgeht.

DFB.de: Wenn Sie wählen könnten: Ein Sieg im Pokal oder ein Sieg am Wochenende in Spiel gegen Eintracht Frankfurt - was würden Sie wählen?

Görlitz: (überlegt) Den Sieg gegen Frankfurt.

DFB.de: Sie haben ein wenig gezögert.

Görlitz: Ja. Ich habe überlegt, ob ich antworten soll, dass sich beides ja nicht ausschließt. Das Spiel gegen Frankfurt kommt nach dem Spiel in München, das können wir trotzdem noch gewinnen. Und natürlich wäre mir am Liebsten: zwei Siege in Folge.

DFB.de: Sie haben vier Jahre lang beim FC Bayern gespielt. Wie groß sind Ihre Verbindungen nach München noch?

Görlitz: Wenn man einen Klub verlässt, ist es meistens so, dass die Verbindungen ziemlich schnell lockerer werden. Man gewöhnt sich dann in einem neuen Umfeld ein, und automatisch verliert man die alten Drähte. Mit Philipp Lahm gibt es hin und wieder Kontakt, ansonsten gibt es noch Verbindungen zur Geschäftsstelle. Wenn ich mal in der Nähe bin, dann schaue ich schon vorbei. Am Montag war ich zum Beispiel dort und habe zwei Karten für das Spiel heute Abend abgeholt. Dann unterhält man sich mit den Leuten ein bisschen. Aber ansonsten sind die Verbindungen weitgehend eingeschlafen.

DFB.de: Obwohl sie mit einigen Bayern-Spielern auch privat Kontakt hatten. In einem Video ihrer Band Room 77 spielen Philipp Lahm und Mario Gomez mit.

Görlitz: Miroslav Klose war auch dabei.

DFB.de: Welchen Hintergrund hatte dies?

Görlitz: Als wir die Band gegründet haben, haben wir festgelegt, dass wir mit allen Einnahmen soziale Einrichtungen unterstützen wollen. In der Nähe meiner Heimat Roth am Lech ist ein SOS-Kinderdorf, eine tolle Einrichtung, die jede Förderung verdient. Wir haben uns dann entschieden, dass wir mit den Einnahmen aus CD-Verkäufen und Tickets und dergleichen dieses SOS-Kinderdorf unterstützen wollen. Einer unsere Songs heißt „Hope“, und als wir das Video dazu drehen wollten, habe ich die Jungs gefragt, ob sie mitmachen können. Sie haben sofort gesagt, dass sie Lust haben. Dann haben sie mitgemacht. Und ich denke, dass sie dabei richtig Spaß hatten.

DFB.de: Welcher Spieler der Bayern hat aus Ihrer Sicht den schlechtesten und wer den besten Musikgeschmack?

Görlitz: Mehmet Scholl hat einen überragenden Musikgeschmack. Sehr eigen zwar, und ziemlich alternativ. Ich finde das aber cool. Von ihm bekomme ich häufig eine SMS, in der er mich auf Lieder oder Bands aufmerksam macht. Wir liegen da auf einer Wellenlänge. Nächste Woche ist Mehmet in Ingolstadt. Sein Praktikum im Rahmen der Trainerausbildung macht er bei uns, darauf freue ich mich sehr.

DFB.de: Die Frage nach dem schlechten Geschmack haben Sie nicht beantwortet.

Görlitz: Das ist ja immer subjektiv. Außerdem weiß ich auch gar nicht, welche Musik bei wem unter den dicken Kopfhörern läuft. Viele hören Hip-Hop und dieses Zeugs, das ist nicht mein Fall. Aber es muss ja deswegen nicht schlecht sein.

DFB.de: Zum Sport - und eine Rückblende: Ihr Nationalmannschaftsdebüt liegt mittlerweile gut sieben Jahre zurück. Welche Erinnerungen haben Sie noch an das Spiel gegen Brasilien?

Görlitz: Für mich war es der totale Wahnsinn, dass ich dabei sein durfte. Ich hatte zuvor gerade erst zehn Spiele für Bayern gemacht. Für mich war es eine Riesenehre, so schnell für die Nationalmannschaft nominiert worden zu sein. Ich habe mich riesig drauf gefreut, gegen Brasilien, in Berlin. Ich habe zwar nur fünf Minuten gespielt, aber diese fünf Minuten waren ein sehr besonderes Erlebnis.

DFB.de: Beim zweiten Spiel gegen den Iran standen Sie dann gleich für 90 Minuten auf dem Platz.

Görlitz: Ja. Danach habe ich mich dann noch mehr als richtiger Nationalspieler gefühlt.

DFB.de: Die Reise war auch besonders, oder? In Teheran spielt man ja nicht jeden Tag.

Görlitz: Stimmt. Wir haben mit Bayern noch einmal dort gespielt, als wir vom Trainingslager in Dubai für ein Freundschaftsspiel rübergeflogen sind. Das war aber nach dem Länderspiel. Für mich war die Reise mit der Nationalmannschaft ein ganz großes Erlebnis. Die Fans dort haben sich so wahnsinnig gefreut, dass wir dort waren. Sie waren in ihrer Euphorie kaum zu bremsen, das ging schon am Flughafen los. Alle wollten uns anfassen, alle wollten uns umarmen. Ich werde diese Eindrücke nie vergessen.

DFB.de: Per Mertesacker hat damals sein Debüt für die Nationalmannschaft gegeben. Mittlerweile hat er 78 Länderspiele gemacht und zwei Weltmeisterschaften absolviert. Eine ähnliche Karriere wurde bei Ihnen durch viele Verletzungen verhindert. Wie oft kommt Ihnen der Gedanke, was möglich gewesen wäre, wenn Sie weniger Verletzungspech gehabt hätten?

Görlitz: Eigentlich nie. Direkt nach den Verletzungen kam dieser Gedanke hin und wieder. Aber ich bin zum Glück kein Grübler. Was gewesen ist, lässt sich sowieso nicht ändern. Die Situation ändert sich ja nicht, wenn man mit dem Schicksal hadert.

DFB.de: Vor sieben Jahren war Ihr Spiel gut genug für die Nationalmannschaft. Ist dieses Thema für Sie endgültig abgehakt?

Görlitz: (lacht) Das ist ganz weit weg. Man soll ja nie "nie" sagen, aber darüber habe ich mir wirklich schon lange keine Gedanken mehr gemacht. Dafür müssten schon einige günstige Zufälle zusammenkommen. Ich bin zwar noch jung, aber auch nicht mehr der Jüngste. Und ich bin realistisch genug, um zu erkennen, dass sich diese Frage wohl eher nicht mehr stellen wird. Ich bin mit meiner Karriere zufrieden, auch ohne dass ich in der Nationalmannschaft die ganz großen Spuren hinterlassen habe.

DFB.de: Sie sind heute Spieler des Tabellenletzten der 2. Bundesliga. Sie kommen vom FC Bayern, dem Tabellenführer der Bundesliga. Wenn Sie die Verhältnisse in München und Ingolstadt vergleichen: Wie groß ist der Unterschied?

Görlitz: Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass die Verhältnisse vergleichbar sind. Ich habe in meiner Karriere aber nicht nur beim FC Bayern, sondern auch bei den "Löwen" und in Karlsruhe gespielt. Und dahinter muss sich Ingolstadt nicht verstecken. Was das Stadion und die Trainingsmöglichkeiten angeht, kann Ingolstadt durchaus mithalten. Aber der FC Bayern, das ist eine andere Welt. Nicht nur im Vergleich zu Ingolstadt - auch im Vergleich zu anderen Vereinen in der Bundesliga.

DFB.de: Gibt es Dinge in Ingolstadt, die der Verein dem FC Bayern voraus hat? Vielleicht Abläufe innerhalb der Mannschaft.

Görlitz: (überlegt) Bei den Bayern ist vieles schon ziemlich perfekt. Alle Bereiche sind dort sehr professionell organisiert. Auch das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mannschaft war zu meiner Zeit in München sehr ausgeprägt. Dennoch: Jetzt in Ingolstadt unternimmt das Team mehr zusammen, die Spieler gehen gemeinsam essen, es gibt häufiger Mannschaftsabende. Das empfinde ich als sehr positiv.

DFB.de: Mit dem FCI haben Sie in der vergangenen Saison in einem Schlussspurt den Abstieg verhindert. Wie würden Sie diesen Erfolg im Vergleich zu den Deutschen Meisterschaften und DFB-Pokalsiegen mit dem FC Bayern einschätzen?

Görlitz: Auf dem Papier sind Meisterschaften und Pokalsiege wertvoller. Für das eigene Gefühl aber nicht. Schon weil ich zu unserem Erfolg in der vergangenen Saison viel mehr beitragen konnte. Ich schätze den Nichtabstieg in meiner Vita sehr weit oben ein. Mit uns hat keiner mehr gerechnet, wir waren weit abgeschlagen und haben es dennoch geschafft. Dieser Erfolg steht auf keinem Briefbogen, aber innerlich zählt er sehr viel.

DFB.de: Die aktuelle Spielzeit hat für Ingolstadt schleppend begonnen. Nach zwölf Spielen ist das Team 18. und Letzter. Sie haben - auch wegen einer Roten Karte - bisher nur bei der Hälfte der Begegnungen mitwirken können. Wie fällt die Bilanz der noch jungen Saison für Sie persönlich aus?

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Görlitz: Wir stehen ganz unten, natürlich bin ich nicht zufrieden. Aber ich bin jetzt wieder auf einem guten Weg. Im ersten Spiel nach meiner Sperre habe ich mich ein bisschen schwer getan, aber beim letzten habe ich mich schon wieder viel besser gefühlt. Ich bin also optimistisch, dass es bei mir und mit der Mannschaft in den nächsten Wochen wieder deutlich aufwärts geht.

DFB.de: Erinnern Sie sich noch an den 7. November 2006?

Görlitz: Nein, keine Ahnung. Was soll da gewesen sein?

DFB.de: Damals haben Sie mit Bayern II gegen Ingolstadt gespielt, Sie haben 2:1 gewonnen.

Görlitz: Das kann sein, aber präsent habe ich dieses Spiel nicht mehr.

DFB.de: Macht ihnen dieses Spiel denn Hoffnung? Es ließe sich eine Regel ableiten: Immer wenn Bayern gegen Ingolstadt spielt, gewinnt die Mannschaft, für die Andreas Görlitz gegen den Ball tritt.

Görlitz: (lacht) Stimmt. Wir haben auch mal in der Vorbereitung mit Bayern gegen Ingolstadt gespielt. Auch da haben wir gewonnen, die Regel hat also gleich mehrere Belege.

DFB.de: Und ernsthaft: Mit welchen Ambitionen fahren Sie nach München?

Görlitz: Wie sagt man so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Für uns ist es aber gar nicht so entscheidend, ob wir nun gewinnen oder verlieren. Es geht für uns um etwas ganz Anderes: gut mitzuhalten, Erfahrungen zu sammeln und Selbstvertrauen zu tanken. Das können wir auch, wenn wir das Spiel nicht gewinnen. Wenn gegen Bayern Dinge klappen, wenn wir gut stehen, lange ohne Gegentor bleiben und auch offensiv einige Aktionen haben, dann kann uns dies für die kommenden Aufgaben in der Liga beflügeln.