Andrea Petkovic: "Torhüter ticken wie ich"

Andrea Petkovic schuftet täglich dafür, den großen Moment zu verpassen. Wenn Frankfurt in eineinhalb Wochen mit dem Spiel gegen Bayer 04 Leverkusen die Rückkehr in die Bundesliga feiert, will sie möglichst weit weg sein. Dabei ist sie großer Eintracht-Fan. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke über eine Tennisspielerin und ihr großes Herz für den Fußball.

Der Unterschied zwischen Andrea Petkovic und Franz Beckenbauer besteht in einem Weizenbier-Glas. Vor ihrem Auftritt an der Torwand des ZDF-Sportstudios hatte Petkovic den Mund vollgenommen. Nicht mit Bier, dafür mit einer großspurigen Ankündigung: sechs Treffer, kein Problem. Das Resultat in der Realität: Fehlschuss reihte sich an Fehlschuss, knapp war es selten. Null zu Sechs, ein Ergebnis, das beim Tennis allenfalls ihre Gegnerinnen kennen. "Petko" nahm die Pleite mit Humor. Sie hatte zwar keinen Treffer erzielt, dafür aber eine gute Erklärung. "Vielleicht hätte ich es auch vom Weizen-Glas probieren sollen", sagt die 24-Jährige. So wie der "Kaiser", der einst das Kunststück vollbrachte, den Ball von dort aus rechts unten in der Torwand zu versenken.

Sonderlich enttäuscht war Petkovic nach dem sechsten Fehlschuss dennoch nicht. Vielmehr war sie bemüht, das Positive zu sehen. Seit dem Auftritt an der Torwand ist sie sicherer denn je, mit ihrer Berufswahl keinen Fehler gemacht zu haben: "Sagen wir es so: Ich glaube, es war die richtige Entscheidung, dass ich mich für Tennis und nicht für Fußball entschieden habe."

Teil des deutschen Fräulein-Wunders

Wohl wahr. Petkovic ist Teil des deutschen Fräulein-Wunders im Tennis. In ihrer Vita stehen zwei Siege auf der WTA-Tour; bei den Australian Open, den French Open und den US Open erreichte sie jeweils das Viertelfinale. Im vergangenen Jahr wurde sie Zweite bei der Wahl zur "Sportlerin des Jahres". Petkovic kletterte bis auf Platz neun der Weltrangliste – und wer weiß, was alles möglich gewesen wäre, hätte sie nicht mit ständigen Verletzungen zu kämpfen.

So wie aktuell. 2012 ist für Petkovic ein Seuchenjahr. Im Januar erlitt die 24-Jährige einen Ermüdungsbruch, beim Comeback in Stuttgart drei Monate später zog sie sich einen doppelten Bänderriss zu. Die Verletzung kostete sie zweimal Wimbledon, zunächst beim bedeutendsten Grand-Slam-Turnier, später bei den Olympischen Spielen. Während Sabine Lisicki und Angelique Kerber in Einzel und Mixed Schlagzeilen machten, war Petkovic zum Daumendrücken verdammt. "Die Olympischen Spiele waren ein sehr großer Traum von mir, daher bin ich natürlich traurig, dass ich absagen musste", sagt sie.

"Laut bin ich auf jeden Fall"

Im Sportstudio hat sich Petkovic in dreifacher Hinsicht geoutet: als Fußballerin mit überschaubarem Talent, als Fußballfan – und als glühender Anhänger von Eintracht Frankfurt. "Wenn ich im Stadion bin, dann mit voller Leidenschaft. Laut bin ich auf jeden Fall", sagt sie. Bei ihr ist das Fan-Sein kein Lippenbekenntnis, sondern echte Liebe. Schon als Kind ging sie ins damalige Waldstadion, durchaus auch in Fan-Montur. Mit ihrer Begeisterung für die Eintracht bewegt sich die gebürtige Serbin mitunter an der Grenze zur Unvernunft. Wenn Petkovic auf der WTA-Tour die Welt bereist, kann es passieren, dass sie sich den Wecker stellt, um gegen sechs Uhr morgens die Spiele der Eintracht via Live-Stream im Internet zu verfolgen. "Das ist schon vorgekommen", sagt sie, "allerdings eher vor spielfreien Tagen. Vor einem wichtigen Match brauche ich genug Schlaf."



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Andrea Petkovic schuftet täglich dafür, den großen Moment zu verpassen. Wenn Frankfurt in eineinhalb Wochen mit dem Spiel gegen Bayer 04 Leverkusen die Rückkehr in die Bundesliga feiert, will sie möglichst weit weg sein. Dabei ist sie großer Eintracht-Fan. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke über eine Tennisspielerin und ihr großes Herz für den Fußball.

Der Unterschied zwischen Andrea Petkovic und Franz Beckenbauer besteht in einem Weizenbier-Glas. Vor ihrem Auftritt an der Torwand des ZDF-Sportstudios hatte Petkovic den Mund vollgenommen. Nicht mit Bier, dafür mit einer großspurigen Ankündigung: sechs Treffer, kein Problem. Das Resultat in der Realität: Fehlschuss reihte sich an Fehlschuss, knapp war es selten. Null zu Sechs, ein Ergebnis, das beim Tennis allenfalls ihre Gegnerinnen kennen. "Petko" nahm die Pleite mit Humor. Sie hatte zwar keinen Treffer erzielt, dafür aber eine gute Erklärung. "Vielleicht hätte ich es auch vom Weizen-Glas probieren sollen", sagt die 24-Jährige. So wie der "Kaiser", der einst das Kunststück vollbrachte, den Ball von dort aus rechts unten in der Torwand zu versenken.

Sonderlich enttäuscht war Petkovic nach dem sechsten Fehlschuss dennoch nicht. Vielmehr war sie bemüht, das Positive zu sehen. Seit dem Auftritt an der Torwand ist sie sicherer denn je, mit ihrer Berufswahl keinen Fehler gemacht zu haben: "Sagen wir es so: Ich glaube, es war die richtige Entscheidung, dass ich mich für Tennis und nicht für Fußball entschieden habe."

Teil des deutschen Fräulein-Wunders

Wohl wahr. Petkovic ist Teil des deutschen Fräulein-Wunders im Tennis. In ihrer Vita stehen zwei Siege auf der WTA-Tour; bei den Australian Open, den French Open und den US Open erreichte sie jeweils das Viertelfinale. Im vergangenen Jahr wurde sie Zweite bei der Wahl zur "Sportlerin des Jahres". Petkovic kletterte bis auf Platz neun der Weltrangliste – und wer weiß, was alles möglich gewesen wäre, hätte sie nicht mit ständigen Verletzungen zu kämpfen.

So wie aktuell. 2012 ist für Petkovic ein Seuchenjahr. Im Januar erlitt die 24-Jährige einen Ermüdungsbruch, beim Comeback in Stuttgart drei Monate später zog sie sich einen doppelten Bänderriss zu. Die Verletzung kostete sie zweimal Wimbledon, zunächst beim bedeutendsten Grand-Slam-Turnier, später bei den Olympischen Spielen. Während Sabine Lisicki und Angelique Kerber in Einzel und Mixed Schlagzeilen machten, war Petkovic zum Daumendrücken verdammt. "Die Olympischen Spiele waren ein sehr großer Traum von mir, daher bin ich natürlich traurig, dass ich absagen musste", sagt sie.

"Laut bin ich auf jeden Fall"

Im Sportstudio hat sich Petkovic in dreifacher Hinsicht geoutet: als Fußballerin mit überschaubarem Talent, als Fußballfan – und als glühender Anhänger von Eintracht Frankfurt. "Wenn ich im Stadion bin, dann mit voller Leidenschaft. Laut bin ich auf jeden Fall", sagt sie. Bei ihr ist das Fan-Sein kein Lippenbekenntnis, sondern echte Liebe. Schon als Kind ging sie ins damalige Waldstadion, durchaus auch in Fan-Montur. Mit ihrer Begeisterung für die Eintracht bewegt sich die gebürtige Serbin mitunter an der Grenze zur Unvernunft. Wenn Petkovic auf der WTA-Tour die Welt bereist, kann es passieren, dass sie sich den Wecker stellt, um gegen sechs Uhr morgens die Spiele der Eintracht via Live-Stream im Internet zu verfolgen. "Das ist schon vorgekommen", sagt sie, "allerdings eher vor spielfreien Tagen. Vor einem wichtigen Match brauche ich genug Schlaf."

Auch die Spiele der deutschen Nationalmannschaft sind für sie Pflichtprogramm. Wenn das Team von Joachim Löw den Rasen betritt, fiebert Petkovic mit. Mit Trikot und Begeisterung. Warum Fußball? Was fasziniert sie am Volkssport der Deutschen? Die Antwort ist vielschichtig. "Mich begeistert vor allem, wie groß Fußball als Sportart ist", sagt sie und gibt dafür ein anschauliches und nicht zur Umsetzung empfohlenes Beispiel. "Bei einem WM-Finale mit deutscher Beteiligung kann ich mich wahrscheinlich problemlos zum Schlafen auf die Autobahn legen", sagt sie. "Bei einem Wimbledon-Finale mit deutscher Beteiligung würde ich das lieber lassen."

"Den Torhütern fühle ich mich sehr verbunden"

Neben der Größe sind es die Unterschiede zwischen Tennis und Fußball, die Petkovic herausstellt. "Was mich fasziniert, ist, dass eine Mannschaft als Team funktionieren muss", sagt sie. "Das kennen wir Tennisspieler ja höchstens in abgewandelter Form vom Fed Cup. Sonst sind wir Einzelkämpfer." Wegen dieser Parallele spürt sie eine Nähe besonders zu den Einzelkämpfern des Fußballs. "Den Torhütern fühle ich mich sehr verbunden. Die ticken irgendwie wie ich", sagt sie. Wobei sie sich nicht nur mit Torhütern gut versteht. Mit Herthas Maik Franz ist sie befreundet, aus Darmstadt, ihrer Heimatstadt, hat sie guten Kontakt zu Bruno Labbadia. Und mittlerweile ist sie auch für einige Spieler der deutschen Nationalmannschaft keine Fremde mehr. Bei der Gala anlässlich der Wahl zu den "Sportlern des Jahres" hat sie mit Bastian Schweinsteiger geplaudert, mit Jürgen Klopp und den Dortmunder Spielern. In der Reha bei Klaus Eder, dem Physiotherapeuten des DFB-Teams, hat sie Mario Götze kennengelernt und mit ihm so manches Fußballspiel geschaut. "Es war eine gute Erfahrung und hat Spaß gemacht", sagt sie. "Natürlich ist es eine besondere Situation, wenn man so einen Experten neben sich sitzen hat, der einem noch ein paar Zusatzinfos geben kann."

Und warum die Eintracht? Ein Fußballfan in Darmstadt ist schließlich für gewöhnlich Fan der "Lilien". Nicht so Petkovic. Während ihre Schulkameraden zum Böllenfalltor gegangen sind, hat es die kleine Andrea in die große Stadt gezogen. Zu den großen Namen, ins große Stadion. "Das fing zu der Zeit von Jay-Jay Okocha an", sagt sie. Eintracht- Fan geworden ist sie also in Glanzzeiten des Vereins, Eintracht-Fan geblieben ist sie trotz schwieriger Jahre mit Ab- und Aufstiegen. "Die Fans haben nie die Hoffnung verloren und weitergesungen. Spätestens da habe ich mein Herz an die SGE verloren", sagt sie.

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Studium neben dem Profitennis

Andrea Petkovic ist ein Mensch mit vielen Facetten. Ihr Abitur hat sie mit einem Notenschnitt von 1,2 gemacht. Wie wenige andere Sportlerinnen ist sie zu Hause im Reich der neuen Medien. Auf YouTube hat sie mit "Petkorazzi" ihren eigenen Videoblog, auf Facebook ist sie ebenso aktiv wie bei Twitter. Neben der Tenniskarriere treibt sie ihre akademische Laufbahn voran und studiert an der Fernuniversität Hagen Literatur und Philosophie. Und wenn die Zeit es zulässt, legt sie als DJane Platten auf und lässt andere an ihrer Begeisterung für Musik teilhaben.

Zu den vielen Gesichtern von Petkovic gehört auch, dass sie neben Nationalmannschaft und Bundesliga auch ein Herz für den "kleinen" Fußball hat. Nicht selten sieht man sie etliche Ligen unter der Bundesliga am Spielrand stehen und hört sie lautstark fachsimpeln. "Ein paar meiner Freunde spielen in Amateurklassen, da habe ich mir auch schon Spiele angeschaut", sagt sie. "So ganz ehrlich mit alten Leuten, die mit Bier und Wurst direkt am Spielfeldrand stehen."

Wenn ihr Seuchenjahr 2012 etwas Gutes hatte, dann, dass sie wegen der Verletzungen häufiger zum Fußball gehen konnte. Doch natürlich fällt es ihr schwer, dies so zu sehen. Über den Aufstieg der Eintracht hat sie sich wahnsinnig gefreut, endlich ist "ihre" Mannschaft wieder erste Klasse. "Ich werde versuchen, so viel wie möglich zu sehen", sagt sie und muss dabei fast zwangsläufig lügen. Denn eigentlich unternimmt sie alles, um möglichst bald möglichst wenig Bundesliga sehen zu können. Jedenfalls live im Stadion. Schließlich hat sie als Tennisprofi noch viel vor. "Ich trainiere derzeit täglich für mein Comeback und freue mich, dass ich bald wieder einsteigen kann", sagt sie. Das erste Heimspiel der neuen Saison will sie deshalb unbedingt verpassen, gegen Leverkusen soll Frankfurt ohne Petkovic eine erfolgreiche Rückkehr feiern: "Zum Saisonauftakt werde ich nicht im Stadion sein, da ich da – bitte dreimal aufs Holz klopfen – selber wieder auf dem Platz stehe."