Afrika-Cup: Hier schreibt Weltenbummer Pfannenstiel

Er war überall zu Hause. Lutz Pfannenstiel ist der einzige Fußballer der Welt, der in allen sechs Kontinentalverbänden Profi war. Der ehemalige Torwart spielte innerhalb von 18 Jahren für 25 verschiedene Vereine. Heute ist er beim Bundesligisten TSG Hoffenheim für das Scouting und den Bereich internationale Beziehungen verantwortlich. Für den TV-Sender BBC World ist Pfannenstiel als Fußballexperte tätig. In beiden Funktionen ist der gebürtige Bayer beim Afrika-Cup vor Ort.

Pfannenstiel war in seiner Karriere unter anderem Spieler beim südafrikanischen Topklub Orlando Pirates und Trainer in Namibia, für den DFB und DOSB ist er als Auslandsexperte aktiv. Auf DFB.de wirft Lutz Pfannenstiel einen ausführlichen Blick auf das Turnier in Südafrika, das am Samstag beginnt, und den afrikanischen Fußball.

Zum vierten Mal beim Afrika-Cup

"Es ist mein vierter Afrika-Cup. Meinen ersten habe ich 2008 in Ghana erlebt. Schlimm war das Turnier zwei Jahre später in Angola, als auf die Nationalmannschaft Togos geschossen wurde. Außerdem gibt es kein anderes Land, in dem man so ausgenommen wird wie in Angola. Luanda ist für Auswärtige die teuerste Stadt der Welt, eine Übernachtung im Drei-Sterne-Hotel kostet dort locker 500 Euro. Während des Afrika-Cups war es ein Vielfaches. Wenn man abends mit Freunden Essen geht, sind locker 1000 Euro weg.

2012 habe ich als sehr interessanten Afrika-Cup in Erinnerung. Gabun und Äquatorialguinea waren spezielle Gastgeber. Gabun, weil ich es für ein faszinierendes Land halte. Äquatorialguinea, weil es ein Politikum war, da es sich um einen Monopolstaat handelt. Das geht soweit, dass sich der Präsident sogar persönlich mal einen Visa-Antrag zeigen lässt, um ihn dann abzulehnen.

Ungewollte Polizeieskorte zum Stadion

Meine Ankunft dort war irre. Wir sind gemeinsam mit dem Präsidenten Gabuns in Äquatorialguinea gelandet, mein Taxi ist anschließend mit 130 Sachen hinter seinem Auto durch die Stadt gebrettert. An einer Polizeisperre wurden wir angehalten. Der Polizist hat dem Taxifahrer zur Begrüßung erst einmal eine Kopfnuss und zwei Schläge verpasst. Dann hat er zu mir gesagt: "Hör zu mein Freund, du hast zwei Optionen: Entweder wir fahren dich in unserem Auto zum Stadion oder zurück zum Flughafen." Als ich fragte, ob es noch eine dritte Option gibt, antwortete er: "Drei Tage Gefängnis." Also habe ich mich von den Polizisten ins Stadion kutschieren lassen. Ab diesem Zeitpunkt bin ich überall eskortiert worden, um keinen Kontakt zur Bevölkerung zu haben.

Der nun anstehende Afrika-Cup ist der erste, der in einem ungeraden Jahr stattfindet. Diese Anpassung war längst nötig, damit das Turnier nicht mehr im gleichen Jahr wie die Weltmeisterschaft stattfindet. Organisatorisch bietet Gastgeber Südafrika die Möglichkeit, ein sehr "europäisches" Turnier zu sehen. Die fünf Stadien entsprechen nach der WM 2010 internationalen Topansprüchen, die Infrastruktur ist gut, die Verbindungen sind ordentlich. Das kommt den Mannschaften, den Scouts und der Presse nach manchem Abenteuer in den vergangenen Jahren sehr entgegen.

Kamerun fehlt zum zweiten Mal in Folge - das tut weh

Sportlich scheint das Turnier leider etwas ausgelutscht, weil der letzte Afrika-Cup erst ein Jahr her ist. Das Niveau ist insgesamt immer in Ordnung, pendelt allerdings von einem zum anderen Spiel zwischen Welt- und Kreisklasse. Einer Mannschaft, die gerade noch kein Bein vor das andere bekommen hat, kann in der nächsten Partie auf einmal alles gelingen. Der Afrika-Cup ist da deutlich inkonstanter als ein europäisches oder südamerikanisches Turnier.

Die meisten Schwergewichte sind in Südafrika dabei. Die Ausnahmen sind Ägypten, Kamerun und der Senegal. Bei Ägypten liegt es an der politischen Situation, der Ligabetrieb hat nach dem Umsturz und den Unruhen immer noch nicht begonnen. Schade, denn für mich ist Ägypten im afrikanischen Fußball das Maß aller Dinge mit der Teilnahme bei Olympia, der guten U 20 und der exzellenten U 23.

Kamerun ist bereits zum zweiten Mal in Folge nicht dabei. Als Vorreiter Afrikas damals bei der WM 1990 mit dem Einzug ins Viertelfinale tut das natürlich weh. Talent ist in Kamerun immer noch vorhanden, aber es gibt intern zu viele Probleme. Und Senegal? Die Mannschaft hat mit ihren vielen Europa-Profis nur Häuptlinge, aber keine Indianer.

Elfenbeinküste mit Drogba ist Mitfavorit

Auch in Afrika ist der Fußball enger zusammengerückt, das hat der sensationelle Titelgewinn Sambias vor einem Jahr gezeigt. Favoriten sind für mich trotzdem wieder Ghana und die Elfenbeinküste, auch wenn die Mannschaft um Didier Drogba (34) einen ziemlich hohen Altersschnitt hat und nicht viele junge Spieler nachrücken.

Sambia traue ich die Titelverteidigung nicht zu. Allerdings wäre ich froh, wenn das Team mich eines Besseren belehrt. Mich verbindet mit dem sambischen Fußballpräsidenten Kalusha Bwalya eine tiefe Freundschaft. In seiner Aktivenzeit war Kalusha fünf Jahre beim PSV Eindhoven und später der beste Außenbahnspieler der mexikanischen Liga. Er gehört für mich zu den zehn größten Menschen des afrikanischen Fußballs. Ihm ist wichtig, dass es seinem Land und seinen Fußballern gut geht - und weniger, dass es ihm selbst gut geht.

Das Problem mit den namhaften Trainern

Gastgeber Südafrika will nach einigen Enttäuschungen in der Vergangenheit sportlich wieder positive Schlagzeilen schreiben. Die Liga ist stark geworden, die strukturellen Bedingungen und Trainingsmöglichkeiten sind sehr gut. Das soll sich langsam auch im Nationalteam widerspiegeln. Der Trainerwechsel hat der Mannschaft gut getan. Gordon Igesund kennt die Verhältnisse und die einheimische Liga bestens.

Stichwort Trainer: In Afrika ist oft zu beobachten, dass sich ein Land mit einem einheimischen Trainer und vorwiegend Offensivfußball für die Weltmeisterschaft qualifiziert. Vor dem Turnier wird dann ein großer Name aus Europa oder Südamerika verpflichtet, der versucht, ganz anders zu spielen.

Die eigentlichen Stärken rücken in den Hintergrund, die Mannschaft soll stattdessen ein Spiel spielen, das keiner spielen will. Aus meiner Sicht ist das ein riesiges Problem des afrikanischen Fußballs und einer der Gründe dafür, dass Afrika genauso weit vom Gewinn des WM-Titels weg ist wie 1990.

Plädoyer für Vier-Jahres-Rhythmus und Verschiebung in den Sommer

Die größten Erfolge in Afrika haben Trainer, die weniger bekannt sind, sich aber sehr intensiv mit ihrer Aufgabe und den Menschen beschäftigen und sich auf diese einlassen. Ghana und Milovan Rajevac waren so ein Beispiel bei der WM 2010. Spieler und Trainer waren ein eingespieltes Team. Rajevac hat afrikanischen Spaßfußball mit einer soliden taktischen Ausrichtung kombiniert.

In Europa ist der Afrika-Cup nicht besonders beliebt. Der Termin im Januar bereitet vielen Vereinen Bauchschmerzen - verständlich. Sie haben Spieler unter Vertrag, die nach wochenlanger Belastung ausgezehrt vom Turnier zurückkehren und dann noch vier Monate Topleistungen abrufen sollen. Das ist mehr als schwierig. Die Frage ist auch, ob man den Afrika-Cup alle zwei Jahre haben muss. Ich wäre für einen Vier-Jahres-Rhythmus wie bei EM und WM sowie eine terminliche Verschiebung in den Sommer."

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Er war überall zu Hause. Lutz Pfannenstiel ist der einzige Fußballer der Welt, der in allen sechs Kontinentalverbänden Profi war. Der ehemalige Torwart spielte innerhalb von 18 Jahren für 25 verschiedene Vereine. Heute ist er beim Bundesligisten TSG Hoffenheim für das Scouting und den Bereich internationale Beziehungen verantwortlich. Für den TV-Sender BBC World ist Pfannenstiel als Fußballexperte tätig. In beiden Funktionen ist der gebürtige Bayer beim Afrika-Cup vor Ort.

Pfannenstiel war in seiner Karriere unter anderem Spieler beim südafrikanischen Topklub Orlando Pirates und Trainer in Namibia, für den DFB und DOSB ist er als Auslandsexperte aktiv. Auf DFB.de wirft Lutz Pfannenstiel einen ausführlichen Blick auf das Turnier in Südafrika, das am Samstag beginnt, und den afrikanischen Fußball.

Zum vierten Mal beim Afrika-Cup

"Es ist mein vierter Afrika-Cup. Meinen ersten habe ich 2008 in Ghana erlebt. Schlimm war das Turnier zwei Jahre später in Angola, als auf die Nationalmannschaft Togos geschossen wurde. Außerdem gibt es kein anderes Land, in dem man so ausgenommen wird wie in Angola. Luanda ist für Auswärtige die teuerste Stadt der Welt, eine Übernachtung im Drei-Sterne-Hotel kostet dort locker 500 Euro. Während des Afrika-Cups war es ein Vielfaches. Wenn man abends mit Freunden Essen geht, sind locker 1000 Euro weg.

2012 habe ich als sehr interessanten Afrika-Cup in Erinnerung. Gabun und Äquatorialguinea waren spezielle Gastgeber. Gabun, weil ich es für ein faszinierendes Land halte. Äquatorialguinea, weil es ein Politikum war, da es sich um einen Monopolstaat handelt. Das geht soweit, dass sich der Präsident sogar persönlich mal einen Visa-Antrag zeigen lässt, um ihn dann abzulehnen.

Ungewollte Polizeieskorte zum Stadion

Meine Ankunft dort war irre. Wir sind gemeinsam mit dem Präsidenten Gabuns in Äquatorialguinea gelandet, mein Taxi ist anschließend mit 130 Sachen hinter seinem Auto durch die Stadt gebrettert. An einer Polizeisperre wurden wir angehalten. Der Polizist hat dem Taxifahrer zur Begrüßung erst einmal eine Kopfnuss und zwei Schläge verpasst. Dann hat er zu mir gesagt: "Hör zu mein Freund, du hast zwei Optionen: Entweder wir fahren dich in unserem Auto zum Stadion oder zurück zum Flughafen." Als ich fragte, ob es noch eine dritte Option gibt, antwortete er: "Drei Tage Gefängnis." Also habe ich mich von den Polizisten ins Stadion kutschieren lassen. Ab diesem Zeitpunkt bin ich überall eskortiert worden, um keinen Kontakt zur Bevölkerung zu haben.

Der nun anstehende Afrika-Cup ist der erste, der in einem ungeraden Jahr stattfindet. Diese Anpassung war längst nötig, damit das Turnier nicht mehr im gleichen Jahr wie die Weltmeisterschaft stattfindet. Organisatorisch bietet Gastgeber Südafrika die Möglichkeit, ein sehr "europäisches" Turnier zu sehen. Die fünf Stadien entsprechen nach der WM 2010 internationalen Topansprüchen, die Infrastruktur ist gut, die Verbindungen sind ordentlich. Das kommt den Mannschaften, den Scouts und der Presse nach manchem Abenteuer in den vergangenen Jahren sehr entgegen.

Kamerun fehlt zum zweiten Mal in Folge - das tut weh

Sportlich scheint das Turnier leider etwas ausgelutscht, weil der letzte Afrika-Cup erst ein Jahr her ist. Das Niveau ist insgesamt immer in Ordnung, pendelt allerdings von einem zum anderen Spiel zwischen Welt- und Kreisklasse. Einer Mannschaft, die gerade noch kein Bein vor das andere bekommen hat, kann in der nächsten Partie auf einmal alles gelingen. Der Afrika-Cup ist da deutlich inkonstanter als ein europäisches oder südamerikanisches Turnier.

Die meisten Schwergewichte sind in Südafrika dabei. Die Ausnahmen sind Ägypten, Kamerun und der Senegal. Bei Ägypten liegt es an der politischen Situation, der Ligabetrieb hat nach dem Umsturz und den Unruhen immer noch nicht begonnen. Schade, denn für mich ist Ägypten im afrikanischen Fußball das Maß aller Dinge mit der Teilnahme bei Olympia, der guten U 20 und der exzellenten U 23.

Kamerun ist bereits zum zweiten Mal in Folge nicht dabei. Als Vorreiter Afrikas damals bei der WM 1990 mit dem Einzug ins Viertelfinale tut das natürlich weh. Talent ist in Kamerun immer noch vorhanden, aber es gibt intern zu viele Probleme. Und Senegal? Die Mannschaft hat mit ihren vielen Europa-Profis nur Häuptlinge, aber keine Indianer.

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Elfenbeinküste mit Drogba ist Mitfavorit

Auch in Afrika ist der Fußball enger zusammengerückt, das hat der sensationelle Titelgewinn Sambias vor einem Jahr gezeigt. Favoriten sind für mich trotzdem wieder Ghana und die Elfenbeinküste, auch wenn die Mannschaft um Didier Drogba (34) einen ziemlich hohen Altersschnitt hat und nicht viele junge Spieler nachrücken.

Sambia traue ich die Titelverteidigung nicht zu. Allerdings wäre ich froh, wenn das Team mich eines Besseren belehrt. Mich verbindet mit dem sambischen Fußballpräsidenten Kalusha Bwalya eine tiefe Freundschaft. In seiner Aktivenzeit war Kalusha fünf Jahre beim PSV Eindhoven und später der beste Außenbahnspieler der mexikanischen Liga. Er gehört für mich zu den zehn größten Menschen des afrikanischen Fußballs. Ihm ist wichtig, dass es seinem Land und seinen Fußballern gut geht - und weniger, dass es ihm selbst gut geht.

Das Problem mit den namhaften Trainern

Gastgeber Südafrika will nach einigen Enttäuschungen in der Vergangenheit sportlich wieder positive Schlagzeilen schreiben. Die Liga ist stark geworden, die strukturellen Bedingungen und Trainingsmöglichkeiten sind sehr gut. Das soll sich langsam auch im Nationalteam widerspiegeln. Der Trainerwechsel hat der Mannschaft gut getan. Gordon Igesund kennt die Verhältnisse und die einheimische Liga bestens.

Stichwort Trainer: In Afrika ist oft zu beobachten, dass sich ein Land mit einem einheimischen Trainer und vorwiegend Offensivfußball für die Weltmeisterschaft qualifiziert. Vor dem Turnier wird dann ein großer Name aus Europa oder Südamerika verpflichtet, der versucht, ganz anders zu spielen.

Die eigentlichen Stärken rücken in den Hintergrund, die Mannschaft soll stattdessen ein Spiel spielen, das keiner spielen will. Aus meiner Sicht ist das ein riesiges Problem des afrikanischen Fußballs und einer der Gründe dafür, dass Afrika genauso weit vom Gewinn des WM-Titels weg ist wie 1990.

Plädoyer für Vier-Jahres-Rhythmus und Verschiebung in den Sommer

Die größten Erfolge in Afrika haben Trainer, die weniger bekannt sind, sich aber sehr intensiv mit ihrer Aufgabe und den Menschen beschäftigen und sich auf diese einlassen. Ghana und Milovan Rajevac waren so ein Beispiel bei der WM 2010. Spieler und Trainer waren ein eingespieltes Team. Rajevac hat afrikanischen Spaßfußball mit einer soliden taktischen Ausrichtung kombiniert.

In Europa ist der Afrika-Cup nicht besonders beliebt. Der Termin im Januar bereitet vielen Vereinen Bauchschmerzen - verständlich. Sie haben Spieler unter Vertrag, die nach wochenlanger Belastung ausgezehrt vom Turnier zurückkehren und dann noch vier Monate Topleistungen abrufen sollen. Das ist mehr als schwierig. Die Frage ist auch, ob man den Afrika-Cup alle zwei Jahre haben muss. Ich wäre für einen Vier-Jahres-Rhythmus wie bei EM und WM sowie eine terminliche Verschiebung in den Sommer."