96-Legende Siemensmeyer: "Wahnsinn, was hier los ist"

DFB.de: Was trauen Sie der Mannschaft zu?

Siemensmeyer: Die Jungs können auch gegen Atletico weiterkommen. Sie müssen auf jeden Fall defensiv gut stehen. Bei den Spaniern fehlen zwei, drei Spieler, aber Diego ist wieder dabei. Vor ihm habe ich ein bisschen Angst, weil er ein Schlitzohr ist.

DFB.de: Was halten Sie von Ihren Nachfolgern im Trikot der 96er?

Siemensmeyer: Es ist sensationell, was die Mannschaft bisher erreicht hat. Schon die Qualifikation gegen den FC Sevilla war eine riesige Überraschung. Es läuft alles so, wie sich der Trainer das vorstellt. Das Team wurde gut verstärkt, der Verein hat es geschafft, gute Spieler für relativ wenig Geld zu bekommen.

DFB.de: Schauen Sie noch gerne zu?

Siemensmeyer: Ich sehe im Fernsehen jedes Spiel von Hannover. Ins Stadion gehe ich nicht mehr. Ich finde, es wird ein bisschen wenig für die Älteren gemacht. Ich finde es auch nicht gut, wenn aktuelle Spieler sagen, dass dies die beste Mannschaft ist, die Hannover je hatte – ohne zu wissen, was wir früher geleistet haben.

DFB.de: Gibt es derzeit einen Hannoveraner Spieler, in dem Sie sich ein bisschen wiederfinden?

Siemensmeyer: Nein. Es hört sich blöd an, aber die Art Fußballer, wie ich es war, gibt es heute nicht mehr. Ich habe alles gespielt: Libero, Verteidiger, Mittelfeld, Stürmer, Halbstürmer. Nur Torwart war ich nie, dafür war ich zu klein.



[bild1]

Geboren ist er in Oberhausen, eine Legende ist er in Hannover. Hans Siemensmeyer (71) gilt als der vielleicht beste Spieler in der Vereinsgeschichte der 96er. Von 1965 bis 1974 absolvierte er 278 Bundesligaspiele für die Niedersachsen. Mit 72 Toren ist er Bundesliga-Rekordschütze des Klubs. In den 80er Jahren trainierte Siemensmeyer die A-Jugend und für ein halbes Jahr auch die Profis. Bei der WM 2006 war der dreimalige Nationalspieler offizieller Botschafter des Spielortes Hannover.

Vor Hannovers Rückspiel im Viertelfinale der Europa League heute Abend gegen Atletico Madrid (21.05 Uhr, live bei Sky und in der Konferenz bei Kabel eins) werden bei Siemensmeyer Erinnerungen wach. Im Messepokal hatte er es einmal mit einem anderen großen spanischen Klub zu tun, dem FC Barcelona. Im DFB.de-Interview spricht Hans Siemensmeyer über große Erlebnisse, vergessene Tore, seine kurze Nationalmannschaftskarriere und seine Nachfolger im Hannoveraner Trikot.

DFB.de: Herr Siemensmeyer, wenn Sie das Stichwort Europapokal hören: Welche Bilder tauchen als erstes vor Ihrem geistigen Auge auf?

Hans Siemensmeyer: Die Duelle 1966 gegen den FC Barcelona. Wir hatten uns in der ersten Runde gegen den FC Porto durchgesetzt, dabei zu Hause 5:1 gewonnen. Gegen Barcelona siegten wir im Hinspiel 2:1, ich schoss beide Tore. Nach dem 0:1 im Rückspiel wurde auf dem Platz ausgelost, wo das Entscheidungsspiel stattfindet. Unser Kapitän gewann den Münzwurf, es ging also wieder ins Niedersachsenstadion. Dort stand es 1:1 nach Verlängerung, wieder musste das Los entscheiden. Diesmal wurde der Münzwurf aber nicht auf dem Platz und mit den Spielführern vorgenommen, sondern hinter verschlossener Tür mit den Präsidenten. Wir saßen in der Kabine. Als wir im Gang die Schreie hörten, wussten wir, dass wir raus sind.

DFB.de: Der Wettbewerb hieß damals noch Messepokal, es war der Vorläufer des UEFA-Cups und der heutigen Europa League. Für Sie ein besonderer Wettbewerb?

Siemensmeyer: Ja. Da sich damals die bestplatzierten Messestädte qualifizierten, waren wir fast immer dabei. Wir hatten tolle Gegner wie Ajax Amsterdam, den SSC Neapel oder Leeds United mit Jack Charlton, dem späteren englischen Weltmeister und irischen Nationaltrainer. Aber bei den Fans herrschte damals nicht so eine Euphorie wie das jetzt der Fall ist. Die Leute in Hannover sind ja heute alle bekloppt.

DFB.de: War die Begeisterung in Hannover schon einmal so groß?

Siemensmeyer: Nein. Man merkt die Euphorie nicht nur im Stadion, sondern in der ganzen Stadt. Man wird überall von den Fans angesprochen. Wahnsinn, was hier los ist. Ich hoffe, das nimmt kein Ende.

DFB.de: Was trauen Sie der Mannschaft zu?

Siemensmeyer: Die Jungs können auch gegen Atletico weiterkommen. Sie müssen auf jeden Fall defensiv gut stehen. Bei den Spaniern fehlen zwei, drei Spieler, aber Diego ist wieder dabei. Vor ihm habe ich ein bisschen Angst, weil er ein Schlitzohr ist.

DFB.de: Was halten Sie von Ihren Nachfolgern im Trikot der 96er?

Siemensmeyer: Es ist sensationell, was die Mannschaft bisher erreicht hat. Schon die Qualifikation gegen den FC Sevilla war eine riesige Überraschung. Es läuft alles so, wie sich der Trainer das vorstellt. Das Team wurde gut verstärkt, der Verein hat es geschafft, gute Spieler für relativ wenig Geld zu bekommen.

DFB.de: Schauen Sie noch gerne zu?

Siemensmeyer: Ich sehe im Fernsehen jedes Spiel von Hannover. Ins Stadion gehe ich nicht mehr. Ich finde, es wird ein bisschen wenig für die Älteren gemacht. Ich finde es auch nicht gut, wenn aktuelle Spieler sagen, dass dies die beste Mannschaft ist, die Hannover je hatte – ohne zu wissen, was wir früher geleistet haben.

[bild2]

DFB.de: Gibt es derzeit einen Hannoveraner Spieler, in dem Sie sich ein bisschen wiederfinden?

Siemensmeyer: Nein. Es hört sich blöd an, aber die Art Fußballer, wie ich es war, gibt es heute nicht mehr. Ich habe alles gespielt: Libero, Verteidiger, Mittelfeld, Stürmer, Halbstürmer. Nur Torwart war ich nie, dafür war ich zu klein.

DFB.de: Wie haben Sie eigentlich Ihre Tore gegen das große Barcelona in Erinnerung?

Siemensmeyer: Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht mehr genau, wie die Tore gefallen sind. Ich habe so viele Tore geschossen, ich kann mich an die meisten nicht mehr genau erinnern. Eine Ausnahme sind meine beiden Treffer beim 5:1 gegen Frankreich. Das war mein erstes Länderspiel, davon habe ich eine DVD, die gucke ich mir jede Woche an. (lacht) Aber an diese Tore würde ich mich auch ohne DVD erinnern.

DFB.de: Am Ende waren es drei Länderspiele in Ihrer Karriere. Zu wenig?

Siemensmeyer: Ich hatte schon gedacht, dass ich ein paar Länderspiele mehr mache. Aber Hannover 96 hatte beim Bundestrainer keine große Lobby. Wir haben nie oben mitgespielt, waren eine graue Maus. Hätte ich beim HSV, in Köln oder in München gespielt, wäre ich vielleicht auch auf 20 Länderspiele gekommen. Vielleicht hätte ich mal wechseln sollen. Aber ich bin Hannover treu geblieben.

DFB.de: Abschließend noch die Prognose für die EURO: Wie schneidet die deutsche Nationalmannschaft ab?

Siemensmeyer: Da gibt es nur eins: Europameister. Ich habe die Mannschaft gegen Brasilien und die Niederlande im Stadion gesehen, das waren tolle Spiele. Alle haben Respekt vor uns. Fest steht: Während der EM wird mein Garten schwarz-rot-gold geflaggt sein.