50 Jahre für den Fußball: "Es hat mich glücklich gemacht"

Ganz am Anfang musste ein Stallhase dran glauben, damit der kleine Alfred Lock Fußball spielen konnte. Später durfte er sogar Sepp Herberger zu Hause abholen und auch heute - 40 Jahre später - erinnert er sich noch an die vielen Fotos an den Wohnzimmerwänden im Hause Herberger. Erinnerungen, die der Fußball schuf. Bei Herberger, dem ein Wunder gelang, und bei Alfred Lock, dem sein ganz persönliches Wunder gelang. Die Zeit ist wohl das Kostbarste, was ein Mensch geben kann. Lock hat seine Zeit dem Fußball gegeben, wie tagtäglich 1,7 Millionen Menschen in Deutschland. Sie sind Schiedsrichter, Jugendtrainer oder Vereinsvorsitzende. Oder irgendwann mal alles, wie der heute 85-jährige Alfred Lock.

50 Jahre seines Lebens gehörten dem Fußball. Nicht ganz und gar, aber immerhin schon jede Menge. Als der Krieg endlich vorbei war, stand er vor seinem ersten Fußballspiel in der C-Jugend des TSV Jagstfeld in Offenau bei Heilbronn. Sein Vater war Turner und hatte eher wenig Verständnis dafür, dass der damals 13-jährige Junge 1946 nun also Fußball spielen wollte. Für sein erstes Spiel fehlte ihm daher etwas ganz Entscheidendes: ein Paar Fußballschuhe. Alfred wusste sich zu helfen und tauschte einen seiner Stallhasen ein. Die neuen Schuhe waren ihm zwar zu groß, aber gar nicht spielen war irgendwie auch keine Alternative. Über seine Klasse als Kicker sagt er heute mit breiten Grinsen: "Meine Technik war überschaubar, aber durch meinen kämpferischen Einsatz war ich eben doch wertvoll für die Mannschaft." Sein fußballerisches Vorbild? Der vor kurzem verstorbene Hans Schäfer. Wie der Weltmeister von 1954 spielte er auch als Linksaußen.

Vom aktiven Fußballer ins Ehrenamt

Lock entschied sich schon recht früh, ehrenamtlich tätig zu werden. So war er von 1955 bis 1960 Jugendbetreuer des TSV Jagstfeld und gehörte von 1959 bis 1964 dem Hauptausschuss des Vereins an. Schon 1955 legte Alfred Lock die Schiedsrichterprüfung ab und stieg 1959 in die 2. Amateurliga und 1961 gar in die 1. Amateurliga auf. 1961 pfiff er in der Regionalliga, der damals zweithöchsten Spielklasse in Deutschland. Kickers Offenbach, TSV 1860 München, Darmstadt 98 und Waldhof Mannheim sind nur einige Vereine, die er als Unparteiischer durch zahlreiche Begegnungen begleitete. Auch Spiele der U-Nationalmannschaften pfiff der junge Schiedsrichter. Dabei erinnert er sich besonders an zwei talentierte Spieler, die in den Jahrzehnten auf und außerhalb des Platzes den Fußball in Deutschland geprägt haben: Uli Hoeneß und Rainer Bonhof.

Auch Alfred Lock machte Karriere. Alfred Dusch, ein Schiedsrichter aus Kaiserslautern, war zu dieser Zeit sein Idol. Von 1962 bis 1972 wurde der damals 29-jährige Lock bereits Beisitzer des Schiedsrichterausschusses. Er erinnert sich an eine ganz besondere und vor allem lange Begegnung. In der 2. Runde des WFV-Verbandspokals 1967, bei der Lock selbst als Offizieller eingesetzt wurde, brauchte es erstmals 20 Elfmeter, um einen Sieger zu ermitteln. "Damals wurden die fünf Elfmeter nicht abwechselnd geschossen, sondern hintereinander", erzählt er. Mit 32 Jahren wurde er dann Schiedsrichterbeobachter und blieb es für die folgenden 20 Jahre.

Besuch bei Sepp Herberger: "Etwas Besonderes"

1974 leitete Lock sein letztes Spiel im bezahlten Fußball. Er trat freiwillig aus den höheren Klassen zurück, um den Nachwuchs Platz zu machen. Aber die sportlichen Tätigkeiten aufgeben? Keine Option, denn, so sagt er, "die soziale Bedeutung des Fußballs und das Gemeinwohl bestimmten mein Handeln und Wirken". Also kehrte er heim ins Ehrenamt und begann für den Württembergischen Fußballverband zu arbeiten. Irgendwann durfte er dann Sepp Herberger zu einem Termin abzuholen: "Es ist schon etwas ganz Besonderes, einen Weltmeister zu Hause zu besuchen. Vor lauter Fotos habe ich keine Tapete mehr gesehen", erinnert er sich.

In den folgenden 35 Jahren nahm er zahlreiche ehrenamtliche Aufgaben wahr: vom Staffelleiter der Bezirksliga bis hin zum Konfliktmoderator, wofür er 2002 eine eigene Ausbildung absolvierte. Mit 73 Jahren entschied sich Alfred Lock schließlich, seine sportlichen Tätigkeiten zu beenden. "Mir war es immer ungeheuer wichtig, Kinder aus sozial benachteiligten Familien sowie von Spätaussiedlern, Zuwanderern und unsere ausländischen Mitbürgern im Fußballsport einzubinden und zu integrieren", sagt Lock: "Unser Sport kann da ungeheuer viel bewirken. Und jedes Kind hat eine Chance verdient."

Alfred Lock hat sein kostbarstes Gut dem Fußball gegeben. Doch das Ehrenamt hat ihm ebenfalls etwas zurückgegeben. "Für mich war es niemals Arbeit, es hat mich glücklich gemacht, für andere da zu sein. Das Ehrenamt hat mir geholfen, meine teils schlimmen Erlebnisse aus dem Krieg zu verarbeiten", sagt er: "Und vor allem hat die Aufgabe als Schiedsrichter mein Selbstbewusstsein gestärkt. Und das hat mir dann überall weitergeholfen." Der Stallhase war also doch eine gute Investition.

[dfb]

Ganz am Anfang musste ein Stallhase dran glauben, damit der kleine Alfred Lock Fußball spielen konnte. Später durfte er sogar Sepp Herberger zu Hause abholen und auch heute - 40 Jahre später - erinnert er sich noch an die vielen Fotos an den Wohnzimmerwänden im Hause Herberger. Erinnerungen, die der Fußball schuf. Bei Herberger, dem ein Wunder gelang, und bei Alfred Lock, dem sein ganz persönliches Wunder gelang. Die Zeit ist wohl das Kostbarste, was ein Mensch geben kann. Lock hat seine Zeit dem Fußball gegeben, wie tagtäglich 1,7 Millionen Menschen in Deutschland. Sie sind Schiedsrichter, Jugendtrainer oder Vereinsvorsitzende. Oder irgendwann mal alles, wie der heute 85-jährige Alfred Lock.

50 Jahre seines Lebens gehörten dem Fußball. Nicht ganz und gar, aber immerhin schon jede Menge. Als der Krieg endlich vorbei war, stand er vor seinem ersten Fußballspiel in der C-Jugend des TSV Jagstfeld in Offenau bei Heilbronn. Sein Vater war Turner und hatte eher wenig Verständnis dafür, dass der damals 13-jährige Junge 1946 nun also Fußball spielen wollte. Für sein erstes Spiel fehlte ihm daher etwas ganz Entscheidendes: ein Paar Fußballschuhe. Alfred wusste sich zu helfen und tauschte einen seiner Stallhasen ein. Die neuen Schuhe waren ihm zwar zu groß, aber gar nicht spielen war irgendwie auch keine Alternative. Über seine Klasse als Kicker sagt er heute mit breiten Grinsen: "Meine Technik war überschaubar, aber durch meinen kämpferischen Einsatz war ich eben doch wertvoll für die Mannschaft." Sein fußballerisches Vorbild? Der vor kurzem verstorbene Hans Schäfer. Wie der Weltmeister von 1954 spielte er auch als Linksaußen.

Vom aktiven Fußballer ins Ehrenamt

Lock entschied sich schon recht früh, ehrenamtlich tätig zu werden. So war er von 1955 bis 1960 Jugendbetreuer des TSV Jagstfeld und gehörte von 1959 bis 1964 dem Hauptausschuss des Vereins an. Schon 1955 legte Alfred Lock die Schiedsrichterprüfung ab und stieg 1959 in die 2. Amateurliga und 1961 gar in die 1. Amateurliga auf. 1961 pfiff er in der Regionalliga, der damals zweithöchsten Spielklasse in Deutschland. Kickers Offenbach, TSV 1860 München, Darmstadt 98 und Waldhof Mannheim sind nur einige Vereine, die er als Unparteiischer durch zahlreiche Begegnungen begleitete. Auch Spiele der U-Nationalmannschaften pfiff der junge Schiedsrichter. Dabei erinnert er sich besonders an zwei talentierte Spieler, die in den Jahrzehnten auf und außerhalb des Platzes den Fußball in Deutschland geprägt haben: Uli Hoeneß und Rainer Bonhof.

Auch Alfred Lock machte Karriere. Alfred Dusch, ein Schiedsrichter aus Kaiserslautern, war zu dieser Zeit sein Idol. Von 1962 bis 1972 wurde der damals 29-jährige Lock bereits Beisitzer des Schiedsrichterausschusses. Er erinnert sich an eine ganz besondere und vor allem lange Begegnung. In der 2. Runde des WFV-Verbandspokals 1967, bei der Lock selbst als Offizieller eingesetzt wurde, brauchte es erstmals 20 Elfmeter, um einen Sieger zu ermitteln. "Damals wurden die fünf Elfmeter nicht abwechselnd geschossen, sondern hintereinander", erzählt er. Mit 32 Jahren wurde er dann Schiedsrichterbeobachter und blieb es für die folgenden 20 Jahre.

Besuch bei Sepp Herberger: "Etwas Besonderes"

1974 leitete Lock sein letztes Spiel im bezahlten Fußball. Er trat freiwillig aus den höheren Klassen zurück, um den Nachwuchs Platz zu machen. Aber die sportlichen Tätigkeiten aufgeben? Keine Option, denn, so sagt er, "die soziale Bedeutung des Fußballs und das Gemeinwohl bestimmten mein Handeln und Wirken". Also kehrte er heim ins Ehrenamt und begann für den Württembergischen Fußballverband zu arbeiten. Irgendwann durfte er dann Sepp Herberger zu einem Termin abzuholen: "Es ist schon etwas ganz Besonderes, einen Weltmeister zu Hause zu besuchen. Vor lauter Fotos habe ich keine Tapete mehr gesehen", erinnert er sich.

In den folgenden 35 Jahren nahm er zahlreiche ehrenamtliche Aufgaben wahr: vom Staffelleiter der Bezirksliga bis hin zum Konfliktmoderator, wofür er 2002 eine eigene Ausbildung absolvierte. Mit 73 Jahren entschied sich Alfred Lock schließlich, seine sportlichen Tätigkeiten zu beenden. "Mir war es immer ungeheuer wichtig, Kinder aus sozial benachteiligten Familien sowie von Spätaussiedlern, Zuwanderern und unsere ausländischen Mitbürgern im Fußballsport einzubinden und zu integrieren", sagt Lock: "Unser Sport kann da ungeheuer viel bewirken. Und jedes Kind hat eine Chance verdient."

Alfred Lock hat sein kostbarstes Gut dem Fußball gegeben. Doch das Ehrenamt hat ihm ebenfalls etwas zurückgegeben. "Für mich war es niemals Arbeit, es hat mich glücklich gemacht, für andere da zu sein. Das Ehrenamt hat mir geholfen, meine teils schlimmen Erlebnisse aus dem Krieg zu verarbeiten", sagt er: "Und vor allem hat die Aufgabe als Schiedsrichter mein Selbstbewusstsein gestärkt. Und das hat mir dann überall weitergeholfen." Der Stallhase war also doch eine gute Investition.

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