50 Jahre Bundesliga: Die Saison 2010/2011

Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich dazu gibt es auf DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst der Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: die Saison 2010/2011.

Natürlich hatten die Konkurrenten der Bayern insgeheim gehofft, dass sich das Gesetz der noch ziemlich kleinen Serie bestätigen würde: Nach großen Turnieren war der Rekordmeister zuvor zweimal in Folge leer ausgegangen: 2006/2007 und 2008/2009 waren die Nationalspieler nur schwer aus den Startlöchern gekommen.

Und da die Bayern bei der WM 2010 in Südafrika inklusive Legionären zwölf Spieler am Start hatten, die allesamt bis zuletzt blieben (Deutschland wurde Dritter, Holland Vizeweltmeister), erschienen die Hoffnungen der bajuwarischen Ligarivalen nicht ganz unbegründet.

Mainzer "Boygroup" sorgt für Furore

Zumal Arjen Robben, der Superstar und Erfolgsgarant der Vorsaison, verletzt zurückkam und die komplette Vorrunde ausfiel. Und tatsächlich hatten die Bayern mit dem Titelrennen nur wenig zu tun, nach der Vorrunde lagen sie auf Platz fünf, noch hinter Mainz 05.

Die spielten die Saison ihres Vereinslebens, gewannen die ersten sieben Spiele und stellten den Bundesligarekord ein. Wie vor zwei Jahren die Hoffenheimer stellte ein Außenseiter die Bundesliga auf den Kopf. Überregionale Zeitungen schrieben ganzseitige Essays über die Mainzer "Boygroup", die an der Eckfahne auch ohne Instrumente ein Freudenkonzert aufführte.

Die "Interpreten" Lewis Holtby, Adam Szalai und Andre Schürrle durften ihre Sangeskünste sogar im ZDF-Sportstudio aufführen. Hinter dem Erfolg stand ein kluger Kopf, der stets seinen Matchplan in der Tasche hatte: Der eloquente und temperamentvolle Trainer Thomas Tuchel, 37 Jahre jung, war der nächste aus der Riege jener forschen Taktik-Gurus, die selbst nie Bundesliga gespielt hatten und doch auf alles eine Antwort zu haben schienen.

"So eine Saison hat es noch nie gegeben"

Einer seiner Vorgänger war Jürgen Klopp, der Mainz in die Bundesliga geführt hatte. Nur seine Dortmunder spielten eine noch bessere Vorrunde, und so war im Herbst 2010 von der "Mainzer Schule" die Rede. Jürgen Klopp hatte vor der Saison prophezeit: "Meister werden die Bayern, bedrängt sicher von Schalke, Bremen und Wolfsburg." In einer normalen Saison hätte das gewiss so kommen können, doch 2010/2011 verließen nicht nur die Bayern ihre Spur.

Schalke, Werder und Wolfsburg spielten teils bis zuletzt gegen den Abstieg. Felix Magath, der im März über Nacht nach internen Spannungen von Schalke nach Wolfsburg zurückgekehrt war, schrieb in einer Kicker-Kolumne nach der Saison: "Seit 35 Jahren mische ich im Bundesligageschäft mit, aber eine Saison wie 2010/2011 hat es noch nie gegeben."

Favoriten im Abstiegskampf, Abstiegskandidaten auf den Europapokalplätzen - nach Mainz erreichten auch Hannover 96 und der 1. FC Nürnberg die Europa League. Die Tabelle stand kopf. Gerade aber weil die Liga einmal mehr bewies, dass jeder jeden schlagen kann (an einem guten Tag), sei sie laut Magath "die interessanteste der Welt". Ein schönes Zeugnis nach 48 Jahren Wechselbädern.

BVB stellt Rekorde auf - und feiert frühzeitig

Das Titelrennen freilich war denkbar uninteressant: Borussia Dortmund hatte schon im Winter zehn Punkte Vorsprung und gewann zum Rückrundenstart bei Verfolger Bayer Leverkusen im Stile eines Meisters mit 3:1. Am 31. Spieltag hätte die Meisterfeier bereits steigen können, doch der Tabellenletzte Mönchengladbach schlug den BVB 1:0 und belegte Magaths These. Eine Woche später war es aber so weit, vor eigenem Publikum feiert es sich ohnehin besser. Nürnberg wurde 2:0 besiegt, und BVB-Torwart Roman Weidenfeller erzählte einem arabischen TV-Reporter: "We have a grandios Saison gespielt." Ein Kultspruch, auch weil er stimmte.

Borussia gewann die ersten acht Auswärtsspiele (Bundesligarekord) und ging als jüngster Meister (Schnitt 24,27 Jahre) in die Annalen ein. Spielern wie Mario Götze, Kevin Großkreutz, Mats Hummels, Marcel Schmelzer oder Sven Bender sollte die Zukunft gehören, sie stürmten allesamt in die Nationalmannschaft.

Wie in Mainz verstand es Klopp, Unzufriedenheit gar nicht erst aufkommen zu lassen. Auch Reservist Dede, der am letzten Spieltag tränenreich Abschied nahm, fühlte sich dazugehörig. Das Jahr, in dem eine neue Ära begann, bezeichnete Sportdirektor Michael Zorc als "größte Leistung in der Vereinsgeschichte".

Van Gaal muss gehen

Bayern München schrieb dagegen wieder ein düsteres Kapitel. Reibereien mit Präsident Uli Hoeneß kosteten Louis van Gaal viel Kredit, zum Saisonende sollte der Niederländer gehen. Doch als der dritte Platz in Gefahr geriet, zogen die Bayern schon am 10. April 2011 die Notbremse. Van Gaal ahnte es und nahm schon im Bus auf der Rückfahrt aus Nürnberg Abschied. Assistent Andries Jonker brachte die Saison mit Anstand zu Ende.

Während er seinen Job erfüllte, scheiterte ein anderer grandios: Christoph Daum wurde sieben Spiele vor Schluss in Frankfurt engagiert, blieb trotz "täglich 25 Stunden Arbeit" sieglos. So lagen Freude und Trauer am 14. Mai dicht beieinander. Frankfurts Abstieg wurde während der Dortmunder Meisterfeierlichkeiten Realität. Nach nur einem Rückrundensieg der Eintracht kein Wunder.

Auch St. Pauli erlebte einen dramatischen Absturz. Nach dem Sieg im Stadtderby gegen den HSV holte die Kiez-Truppe aus elf Spielen nur noch einen Punkt. Der Fanfrust entlud sich bei beiden Absteigern, ein einzelner Hamburger Becherwerfer provozierte gegen Schalke den zweiten Spielabbruch, weil ein Unparteiischer getroffen worden war. Das kannte man von St. Paulis Anhang nicht. Wirklich keine normale Saison...

ZAHLEN UND FAKTEN DER 48. BUNDESLIGASAISON

Tore: 894 (2,92 pro Spiel)
Torschützenkönig: Mario Gomez (Bayern München) 28
Zuschauer: 12.882.904 (42.101 pro Spiel) - Rekord
Meister: Borussia Dortmund
Absteiger: Eintracht Frankfurt, FC St. Pauli
Aufsteiger: Hertha BSC, FC Augsburg
Trainerentlassungen: 14
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Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich dazu gibt es auf DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst der Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: die Saison 2010/2011.

Natürlich hatten die Konkurrenten der Bayern insgeheim gehofft, dass sich das Gesetz der noch ziemlich kleinen Serie bestätigen würde: Nach großen Turnieren war der Rekordmeister zuvor zweimal in Folge leer ausgegangen: 2006/2007 und 2008/2009 waren die Nationalspieler nur schwer aus den Startlöchern gekommen.

Und da die Bayern bei der WM 2010 in Südafrika inklusive Legionären zwölf Spieler am Start hatten, die allesamt bis zuletzt blieben (Deutschland wurde Dritter, Holland Vizeweltmeister), erschienen die Hoffnungen der bajuwarischen Ligarivalen nicht ganz unbegründet.

Mainzer "Boygroup" sorgt für Furore

Zumal Arjen Robben, der Superstar und Erfolgsgarant der Vorsaison, verletzt zurückkam und die komplette Vorrunde ausfiel. Und tatsächlich hatten die Bayern mit dem Titelrennen nur wenig zu tun, nach der Vorrunde lagen sie auf Platz fünf, noch hinter Mainz 05.

Die spielten die Saison ihres Vereinslebens, gewannen die ersten sieben Spiele und stellten den Bundesligarekord ein. Wie vor zwei Jahren die Hoffenheimer stellte ein Außenseiter die Bundesliga auf den Kopf. Überregionale Zeitungen schrieben ganzseitige Essays über die Mainzer "Boygroup", die an der Eckfahne auch ohne Instrumente ein Freudenkonzert aufführte.

Die "Interpreten" Lewis Holtby, Adam Szalai und Andre Schürrle durften ihre Sangeskünste sogar im ZDF-Sportstudio aufführen. Hinter dem Erfolg stand ein kluger Kopf, der stets seinen Matchplan in der Tasche hatte: Der eloquente und temperamentvolle Trainer Thomas Tuchel, 37 Jahre jung, war der nächste aus der Riege jener forschen Taktik-Gurus, die selbst nie Bundesliga gespielt hatten und doch auf alles eine Antwort zu haben schienen.

"So eine Saison hat es noch nie gegeben"

Einer seiner Vorgänger war Jürgen Klopp, der Mainz in die Bundesliga geführt hatte. Nur seine Dortmunder spielten eine noch bessere Vorrunde, und so war im Herbst 2010 von der "Mainzer Schule" die Rede. Jürgen Klopp hatte vor der Saison prophezeit: "Meister werden die Bayern, bedrängt sicher von Schalke, Bremen und Wolfsburg." In einer normalen Saison hätte das gewiss so kommen können, doch 2010/2011 verließen nicht nur die Bayern ihre Spur.

Schalke, Werder und Wolfsburg spielten teils bis zuletzt gegen den Abstieg. Felix Magath, der im März über Nacht nach internen Spannungen von Schalke nach Wolfsburg zurückgekehrt war, schrieb in einer Kicker-Kolumne nach der Saison: "Seit 35 Jahren mische ich im Bundesligageschäft mit, aber eine Saison wie 2010/2011 hat es noch nie gegeben."

Favoriten im Abstiegskampf, Abstiegskandidaten auf den Europapokalplätzen - nach Mainz erreichten auch Hannover 96 und der 1. FC Nürnberg die Europa League. Die Tabelle stand kopf. Gerade aber weil die Liga einmal mehr bewies, dass jeder jeden schlagen kann (an einem guten Tag), sei sie laut Magath "die interessanteste der Welt". Ein schönes Zeugnis nach 48 Jahren Wechselbädern.

BVB stellt Rekorde auf - und feiert frühzeitig

Das Titelrennen freilich war denkbar uninteressant: Borussia Dortmund hatte schon im Winter zehn Punkte Vorsprung und gewann zum Rückrundenstart bei Verfolger Bayer Leverkusen im Stile eines Meisters mit 3:1. Am 31. Spieltag hätte die Meisterfeier bereits steigen können, doch der Tabellenletzte Mönchengladbach schlug den BVB 1:0 und belegte Magaths These. Eine Woche später war es aber so weit, vor eigenem Publikum feiert es sich ohnehin besser. Nürnberg wurde 2:0 besiegt, und BVB-Torwart Roman Weidenfeller erzählte einem arabischen TV-Reporter: "We have a grandios Saison gespielt." Ein Kultspruch, auch weil er stimmte.

Borussia gewann die ersten acht Auswärtsspiele (Bundesligarekord) und ging als jüngster Meister (Schnitt 24,27 Jahre) in die Annalen ein. Spielern wie Mario Götze, Kevin Großkreutz, Mats Hummels, Marcel Schmelzer oder Sven Bender sollte die Zukunft gehören, sie stürmten allesamt in die Nationalmannschaft.

Wie in Mainz verstand es Klopp, Unzufriedenheit gar nicht erst aufkommen zu lassen. Auch Reservist Dede, der am letzten Spieltag tränenreich Abschied nahm, fühlte sich dazugehörig. Das Jahr, in dem eine neue Ära begann, bezeichnete Sportdirektor Michael Zorc als "größte Leistung in der Vereinsgeschichte".

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Van Gaal muss gehen

Bayern München schrieb dagegen wieder ein düsteres Kapitel. Reibereien mit Präsident Uli Hoeneß kosteten Louis van Gaal viel Kredit, zum Saisonende sollte der Niederländer gehen. Doch als der dritte Platz in Gefahr geriet, zogen die Bayern schon am 10. April 2011 die Notbremse. Van Gaal ahnte es und nahm schon im Bus auf der Rückfahrt aus Nürnberg Abschied. Assistent Andries Jonker brachte die Saison mit Anstand zu Ende.

Während er seinen Job erfüllte, scheiterte ein anderer grandios: Christoph Daum wurde sieben Spiele vor Schluss in Frankfurt engagiert, blieb trotz "täglich 25 Stunden Arbeit" sieglos. So lagen Freude und Trauer am 14. Mai dicht beieinander. Frankfurts Abstieg wurde während der Dortmunder Meisterfeierlichkeiten Realität. Nach nur einem Rückrundensieg der Eintracht kein Wunder.

Auch St. Pauli erlebte einen dramatischen Absturz. Nach dem Sieg im Stadtderby gegen den HSV holte die Kiez-Truppe aus elf Spielen nur noch einen Punkt. Der Fanfrust entlud sich bei beiden Absteigern, ein einzelner Hamburger Becherwerfer provozierte gegen Schalke den zweiten Spielabbruch, weil ein Unparteiischer getroffen worden war. Das kannte man von St. Paulis Anhang nicht. Wirklich keine normale Saison...

ZAHLEN UND FAKTEN DER 48. BUNDESLIGASAISON

Tore: 894 (2,92 pro Spiel)
Torschützenkönig: Mario Gomez (Bayern München) 28
Zuschauer: 12.882.904 (42.101 pro Spiel) - Rekord
Meister: Borussia Dortmund
Absteiger: Eintracht Frankfurt, FC St. Pauli
Aufsteiger: Hertha BSC, FC Augsburg
Trainerentlassungen: 14