50 Jahre Bundesliga: Die Saison 1998/1999

Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich dazu gibt es auf DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst der Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: die Saison 1998/1999.

Das Meisterschaftsrennen war das langweiligste aller Zeiten. Bayern München marschierte vorneweg und alle, alle applaudierten. In die Winterpause gingen sie bereits mit acht Punkten Vorsprung und die verdoppelte das Star-Ensemble des neuen Trainers Ottmar Hitzfeld fast noch. Mit 15 Zählern Vorsprung, einem neuen Bundesligarekord, liefen die Bayern ins Ziel ein. Schon am 31. Spieltag knallten nach einem 1:1 gegen Hertha BSC, das es überraschend in die Champions League schaffte, die Sektkorken. Hitzfelds persönliches Meisterstück war es, den FC Hollywood wieder aus den Schlagzeilen verschwinden zu lassen und einen Kader mit 17 Nationalspielern zu befrieden.

"Rotation wird bestimmt zum Fußball-Begriff der Saison“, sagte Rückkehrer Stefan Effenberg anerkennend. Hitzfeld schaffte die Stammplätze ab, von wenigen Ausnahmen wie Oliver Kahn, Lothar Matthäus oder Effenberg abgesehen. Sie konnten es sich leisten, es gab keine Verfolger 1998/99.

Titelverteidiger 1. FC Kaiserslautern kam durch einen Wechselfehler Rehhagels schon im September aus dem Tritt. Der Meister-Trainer setzte gegen Bochum einen vierten Ausländer aus einem Land, das nicht zur EU gehörte, ein und verlor die Punkte. Letztlich reichte es noch für einen Uefa-Cup-Platz. Bayer Leverkusen begann in jenen Tagen mit dem Sammeln zweiter Plätze, was mit der Teilnahme an der Champions League belohnt wurde.

Das schaffte neben den Berlinern auch Borussia Dortmund, die ihr Starensemble dem Jugendkoor-dinator übergab: Michael Skibbe (33) war kaum älter als seine Spieler, aber er erreichte weit mehr als sein Vorgänger Nevio Scala. Bemerkenswert.

Unvergesslich aber machte die Saison 1998/99 der dramatische Abstiegskampf, der am letzten Spieltag in einem nie dagewesenen Wechselbad der Gefühle bei den Beteiligten kulminierte. Bochum und Borussia Mönchengladbach, das eine katastrophale Saison spielte, hatten sich vorzeitig verabschiedet. Auch Weltmeister Rainer Bonhof auf der Bank konnte seine Borussen nicht mehr retten, sie stieg nach 34 Jahren erstmals überhaupt ab.

Vor dem Anpfiff zitterten an jenem 29. Mai 1999 aber immer noch fünf Mannschaften. Der VfB Stuttgart, der insgesamt vier Trainer ausprobierte, zog seinen Kopf schon in der ersten Halbzeit aus der Schlinge, aber ein Quartett musste bis zur letzten Sekunde der Saison durch die Hölle gehen. Zwei spielten direkt gegeneinander: Der 1. FC Nürnberg empfing den SC Freiburg. Hansa Rostock musste zum Absteiger VfL Bochum und Eintracht Frankfurt traf auf den 1. FC Kaiserslautern. Die Hessen standen auf dem Abstiegsplatz, Nürnberg wähnte sich als Zwölfter in Sicherheit und verkaufte schon Dauerkarten für die neue Bundesliga-Saison. Doch wer zu früh feiert, den bestraft das Abstiegsgespenst. Weil alle Konkurrenten gewannen und der Club sein Heimspiel 1:2 verlor, fiel der Zwölfte binnen 90 Minuten noch auf den Abstiegsplatz und Rundfunk-Reporter Günther Koch erlangte um 17. 21 Uhr mit seinem legendären Spruch Unsterblichkeit: "Hallo, hier ist Nürnberg. Wir melden uns vom Abgrund."

Eintracht Frankfurt dagegen schwebte auf Wolke 7, der im Endspurt verpflichtete Trainer Jörg Berger hatte sein im Vorjahr (Abstieg mit KSC) beschädigtes Retter-Image bestätigt. Die Hessen schossen in den letzten zehn Minuten drei Tore und gewannen 5:1. Es durfte keines weniger sein, die Eintracht blieb bei gleicher Differenz nur dank der mehr erzielten Tore drin – einmalig in 49 Bundesliga-Jahren.

Das Tor, das den Ausschlag gab, erlangte ebenfalls Kultstatus: der Norweger Jan-Aage Fjörtoft besaß die Chuzpe, im wichtigsten Moment der Saison noch einen Übersteiger zu machen, ehe er FCK-Torwart Reinke überwand. Ob in diesem Moment wirklich jeder wusste, wer gerettet war und wer verloren, muss bezweifelt werden. Zwischen 17.02 Uhr und 17.17 Uhr wechselt der Abstiegsplatz vier Mal. Bezeichnend Günther Kochs Ausruf, als Nürnberg gegen Freiburg auf 1:2 verkürzte, was zu dem Zeitpunkt reichte:

Tor in Nürnberg. Tor, Tor, Tor in Nürnberg. Ich pack das nicht, ich halt das nicht mehr aus, ich will das nicht mehr sehen. Und so ging es auch Millionen an den Bildschirmen, wo die neuartige TV-Konferenz bei Premiere eine Sternstunde erlebte. Drei Tage nachdem die Bayern in der Nachspielzeit das Champions League-Finale gegen Manchester United verloren hatten, setzte die Bundesliga noch einen drauf. Mehr Dramatik ging nicht. In den nächsten Jahren durfte dann auch wieder im Meisterrennen gerechnet und gezittert werden.

ZAHLEN UND FAKTEN DER 36. BUNDESLIGASAISON

Tore: 866 (2,83 pro Spiel)
Torschützenkönige: Michael Preetz (Hertha BSC) 23
Zuschauer: 9.456.428 (30.903 pro Spiel)
Meister: Bayern München
Absteiger: 1. FC Nürnberg, VfL Bochum, Borussia Mönchengladbach
Aufsteiger: SpVgg. Unterhaching, Arminia Bielefeld, SSV Ulm 1846
Trainerentlassungen: 11
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Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich dazu gibt es auf DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst der Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: die Saison 1998/1999.

Das Meisterschaftsrennen war das langweiligste aller Zeiten. Bayern München marschierte vorneweg und alle, alle applaudierten. In die Winterpause gingen sie bereits mit acht Punkten Vorsprung und die verdoppelte das Star-Ensemble des neuen Trainers Ottmar Hitzfeld fast noch. Mit 15 Zählern Vorsprung, einem neuen Bundesligarekord, liefen die Bayern ins Ziel ein. Schon am 31. Spieltag knallten nach einem 1:1 gegen Hertha BSC, das es überraschend in die Champions League schaffte, die Sektkorken. Hitzfelds persönliches Meisterstück war es, den FC Hollywood wieder aus den Schlagzeilen verschwinden zu lassen und einen Kader mit 17 Nationalspielern zu befrieden.

"Rotation wird bestimmt zum Fußball-Begriff der Saison“, sagte Rückkehrer Stefan Effenberg anerkennend. Hitzfeld schaffte die Stammplätze ab, von wenigen Ausnahmen wie Oliver Kahn, Lothar Matthäus oder Effenberg abgesehen. Sie konnten es sich leisten, es gab keine Verfolger 1998/99.

Titelverteidiger 1. FC Kaiserslautern kam durch einen Wechselfehler Rehhagels schon im September aus dem Tritt. Der Meister-Trainer setzte gegen Bochum einen vierten Ausländer aus einem Land, das nicht zur EU gehörte, ein und verlor die Punkte. Letztlich reichte es noch für einen Uefa-Cup-Platz. Bayer Leverkusen begann in jenen Tagen mit dem Sammeln zweiter Plätze, was mit der Teilnahme an der Champions League belohnt wurde.

Das schaffte neben den Berlinern auch Borussia Dortmund, die ihr Starensemble dem Jugendkoor-dinator übergab: Michael Skibbe (33) war kaum älter als seine Spieler, aber er erreichte weit mehr als sein Vorgänger Nevio Scala. Bemerkenswert.

Unvergesslich aber machte die Saison 1998/99 der dramatische Abstiegskampf, der am letzten Spieltag in einem nie dagewesenen Wechselbad der Gefühle bei den Beteiligten kulminierte. Bochum und Borussia Mönchengladbach, das eine katastrophale Saison spielte, hatten sich vorzeitig verabschiedet. Auch Weltmeister Rainer Bonhof auf der Bank konnte seine Borussen nicht mehr retten, sie stieg nach 34 Jahren erstmals überhaupt ab.

Vor dem Anpfiff zitterten an jenem 29. Mai 1999 aber immer noch fünf Mannschaften. Der VfB Stuttgart, der insgesamt vier Trainer ausprobierte, zog seinen Kopf schon in der ersten Halbzeit aus der Schlinge, aber ein Quartett musste bis zur letzten Sekunde der Saison durch die Hölle gehen. Zwei spielten direkt gegeneinander: Der 1. FC Nürnberg empfing den SC Freiburg. Hansa Rostock musste zum Absteiger VfL Bochum und Eintracht Frankfurt traf auf den 1. FC Kaiserslautern. Die Hessen standen auf dem Abstiegsplatz, Nürnberg wähnte sich als Zwölfter in Sicherheit und verkaufte schon Dauerkarten für die neue Bundesliga-Saison. Doch wer zu früh feiert, den bestraft das Abstiegsgespenst. Weil alle Konkurrenten gewannen und der Club sein Heimspiel 1:2 verlor, fiel der Zwölfte binnen 90 Minuten noch auf den Abstiegsplatz und Rundfunk-Reporter Günther Koch erlangte um 17. 21 Uhr mit seinem legendären Spruch Unsterblichkeit: "Hallo, hier ist Nürnberg. Wir melden uns vom Abgrund."

Eintracht Frankfurt dagegen schwebte auf Wolke 7, der im Endspurt verpflichtete Trainer Jörg Berger hatte sein im Vorjahr (Abstieg mit KSC) beschädigtes Retter-Image bestätigt. Die Hessen schossen in den letzten zehn Minuten drei Tore und gewannen 5:1. Es durfte keines weniger sein, die Eintracht blieb bei gleicher Differenz nur dank der mehr erzielten Tore drin – einmalig in 49 Bundesliga-Jahren.

Das Tor, das den Ausschlag gab, erlangte ebenfalls Kultstatus: der Norweger Jan-Aage Fjörtoft besaß die Chuzpe, im wichtigsten Moment der Saison noch einen Übersteiger zu machen, ehe er FCK-Torwart Reinke überwand. Ob in diesem Moment wirklich jeder wusste, wer gerettet war und wer verloren, muss bezweifelt werden. Zwischen 17.02 Uhr und 17.17 Uhr wechselt der Abstiegsplatz vier Mal. Bezeichnend Günther Kochs Ausruf, als Nürnberg gegen Freiburg auf 1:2 verkürzte, was zu dem Zeitpunkt reichte:

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Tor in Nürnberg. Tor, Tor, Tor in Nürnberg. Ich pack das nicht, ich halt das nicht mehr aus, ich will das nicht mehr sehen. Und so ging es auch Millionen an den Bildschirmen, wo die neuartige TV-Konferenz bei Premiere eine Sternstunde erlebte. Drei Tage nachdem die Bayern in der Nachspielzeit das Champions League-Finale gegen Manchester United verloren hatten, setzte die Bundesliga noch einen drauf. Mehr Dramatik ging nicht. In den nächsten Jahren durfte dann auch wieder im Meisterrennen gerechnet und gezittert werden.

ZAHLEN UND FAKTEN DER 36. BUNDESLIGASAISON

Tore: 866 (2,83 pro Spiel)
Torschützenkönige: Michael Preetz (Hertha BSC) 23
Zuschauer: 9.456.428 (30.903 pro Spiel)
Meister: Bayern München
Absteiger: 1. FC Nürnberg, VfL Bochum, Borussia Mönchengladbach
Aufsteiger: SpVgg. Unterhaching, Arminia Bielefeld, SSV Ulm 1846
Trainerentlassungen: 11