50 Jahre Bundesliga: Die Saison 1990/1991

Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich dazu startet DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst der Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: die Saison 1990/1991.

Die Meisterschaft war den Bayern mittlerweile zu wenig, selbst ein Hattrick wäre für sie nichts Besonderes mehr gewesen. Und so rief Trainer Jupp Heynckes am 12. Mai 1990 im Überschwang der Gefühle den jubelnden Fans vom Rathaus-Balkon am Münchner Marienplatz zu: "Im vergangenen Jahr habe ich euch versprochen, den Titel wieder nach München zu holen, nun verspreche ich euch für das nächste Jahr den Europapokal". Starke Worte.

Neu bei Bayern: Effenberg, Laudrup und Sternkopf

Mit den Riesentalenten Stefan Effenberg aus Mönchengladbach, Michael Sternkopf aus Karlsruhe und dem dänischen Dribbelkünstler Brian Laudrup aus Uerdingen schien der Rekordmeister den Kader noch einmal verstärkt zu haben. Mt dem Europapokal wurde es aber nichts, im Halbfinale von Belgrad endete der Traum auf groteske Weise nach einem Eigentor in letzter Minute.

Aber dass die Bayern auch national leer ausgingen, das war die weit größere Enttäuschung. Mit dem DFB-Pokal war es schon im August vorbei, mit allen Weltmeistern flogen sie beim badischen Oberligisten FV Weinheim raus. Und auch in der Bundesliga scheiterten sie an einem Provinzklub. Die Mannschaft aus der kleinsten Bundesligastadt der Saison 1990/1991, Kaiserslautern, vollbrachte Großes.

Niemand hatte den FCK auf der Rechnung, trotz des Pokalsieges im Mai 1990. In einem Saison-Vorschauheft stand: "Wenn jemand den Abonnementsmeister in der neuen Saison bremsen kann, dann die Klubs aus Köln, Leverkusen, Frankfurt, Dortmund oder Stuttgart." Von Kaiserslautern kein Wort. Ein führendes Wettbüro in Salzburg bot vor der Saison den 50-fachen Einsatz für den Meister-Fall Kaiserslautern. Manager Reiner Geye sagte: "Wir wollen nur nicht mehr zittern müssen."

6:2 in Köln: Lauterns Meisterstück

Das mussten sie dann doch noch – aber nur um den verdienten Lohn. Am vorletzten Spieltag lag die Meisterschale für die Auswahl von Trainer Kalli Feldkamp, aus der es trotz des Triumphs in jener Saison keiner zum Nationalspieler brachte, schon auf dem Silbertablett. Ein Punkt im Heimspiel gegen Mönchengladbach hätte schon gereicht, um die Bayern zu entthronen. Doch die Nerven versagten: Borussia gewann am Betzenberg 3:2, und Bayern (1:0 in Nürnberg) bekam noch seine Chance auf den Hattrick.

Sollte Stefan Effenberg doch recht bekommen? Im Herbst machte sich der Jungnationalspieler allgemein unbeliebt mit seiner kecken Prognose: "Die anderen Vereine sind einfach zu dumm für den Titel. Deshalb werden wir Meister!" Aber in Köln, von fast 40.000 eigenen Anhängern angetrieben, spielten die Pfälzer am 15. Juni 1991 meisterlich auf und gewannen 6:2.

Für FCK-Legende Fritz Walter war es "der schönste Tag seit dem 4. Juli 1954, als Deutschland sensationell Weltmeister wurde", schrieb er im Kicker. Auf einem Rheinschiff feierten die Helden um Feldkamp und Kapitän Stefan Kuntz bis zum Morgengrauen die dritte Meisterschaft ihres FCK.

Enttäuschte Leverkusener

Es war die größte Überraschung seit Braunschweigs Triumph 1967. Mit Rainer Ernst vom BFC Berlin hatte auch ein Spieler aus der am 3. Oktober aufgelösten DDR daran seinen Anteil, einer von immerhin neun im letzten Jahr vor der Fußball-Einheit.

Nur kurz schaute der Rostocker Thomas Doll vorbei. Der überragende Spieler des HSV nutzte das Schaufenster Bundesliga, um, wie in jenen Tagen üblich für einen Superstar, nach Italien (Lazio Rom) zu gehen. Vor der Saison verlor die Liga mit Kölns Thomas Häßler (Juventur Turin) und Bremens Karl-Heinz Riedle (Lazio Rom) zwei Weltmeister, fünf spielten schon in der Serie A.

Der HSV tröstete sich mit der Ablösesumme von 15 Millionen Mark, seiner Entschuldung und dem Einzug in den UEFA-Cup, den er auch Doll verdankte. Bayer Leverkusen dagegen war enttäuscht: Trotz Andreas Thom und Ulf Kirsten aus Dresden im Sturm reichte es nur für Platz acht – also für nichts.

Mehr Zuschauer und Tore: Bundesliga mit WM-Schwung

Warum ausgerechnet Aufsteiger Hertha BSC auf namhafte Ostspieler verzichtete, mussten sich die Verantwortlichen fragen lassen. Jahrzehntelang geographisch isoliert, hatte der künftige Hauptstadtklub nun ein riesiges Einzugsgebiet, aber er setzte auf die falschen Spieler. Am Ende standen 14 Punkte zu Buche, von vier verschiedenen Trainern zusammengeklaubt. So vergab Hertha BSC die Chance, die der Windhauch der Geschichte ihr ermöglicht hatte.

Mit der Bundesliga aber ging es aufwärts: Der WM-Schwung und das unerwartet spannende Meisterrennen bremsten den Zuschauerschwund, und endlich fielen wieder mehr Tore. Was auch an einer Neuerung gelegen haben mag: Die Schiedsrichter hatten nun Anweisung, bei Notbremsen kategorisch Rot zu ziehen. Das taten sie häufiger denn je, und so war auf manchem Spielfeld mehr Platz als üblich. Der Rot-Rekord von 46 Platzverweisen sollte aber nicht lange halten, denn dank der Einheit folgte die größte Bundesliga aller Zeiten.

ZAHLEN UND FAKTEN DER 28. BUNDESLIGASAISON

Tore: 886 (2,90 pro Spiel)
Torschützenkönig: Roland Wohlfarth (Bayern München) 21
Zuschauer: 6.339.201 (20.716 pro Spiel)
Meister: 1. FC Kaiserslautern
Absteiger: FC St. Pauli, Bayer Uerdingen, Hertha BSC
Aufsteiger: Dynamo Dresden, Hansa Rostock, Schalke 04, MSV Duisburg, Stuttgarter Kickers
Trainerentlassungen: 12 (Rekord)
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Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich dazu startet DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst der Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: die Saison 1990/1991.

Die Meisterschaft war den Bayern mittlerweile zu wenig, selbst ein Hattrick wäre für sie nichts Besonderes mehr gewesen. Und so rief Trainer Jupp Heynckes am 12. Mai 1990 im Überschwang der Gefühle den jubelnden Fans vom Rathaus-Balkon am Münchner Marienplatz zu: "Im vergangenen Jahr habe ich euch versprochen, den Titel wieder nach München zu holen, nun verspreche ich euch für das nächste Jahr den Europapokal". Starke Worte.

Neu bei Bayern: Effenberg, Laudrup und Sternkopf

Mit den Riesentalenten Stefan Effenberg aus Mönchengladbach, Michael Sternkopf aus Karlsruhe und dem dänischen Dribbelkünstler Brian Laudrup aus Uerdingen schien der Rekordmeister den Kader noch einmal verstärkt zu haben. Mt dem Europapokal wurde es aber nichts, im Halbfinale von Belgrad endete der Traum auf groteske Weise nach einem Eigentor in letzter Minute.

Aber dass die Bayern auch national leer ausgingen, das war die weit größere Enttäuschung. Mit dem DFB-Pokal war es schon im August vorbei, mit allen Weltmeistern flogen sie beim badischen Oberligisten FV Weinheim raus. Und auch in der Bundesliga scheiterten sie an einem Provinzklub. Die Mannschaft aus der kleinsten Bundesligastadt der Saison 1990/1991, Kaiserslautern, vollbrachte Großes.

Niemand hatte den FCK auf der Rechnung, trotz des Pokalsieges im Mai 1990. In einem Saison-Vorschauheft stand: "Wenn jemand den Abonnementsmeister in der neuen Saison bremsen kann, dann die Klubs aus Köln, Leverkusen, Frankfurt, Dortmund oder Stuttgart." Von Kaiserslautern kein Wort. Ein führendes Wettbüro in Salzburg bot vor der Saison den 50-fachen Einsatz für den Meister-Fall Kaiserslautern. Manager Reiner Geye sagte: "Wir wollen nur nicht mehr zittern müssen."

6:2 in Köln: Lauterns Meisterstück

Das mussten sie dann doch noch – aber nur um den verdienten Lohn. Am vorletzten Spieltag lag die Meisterschale für die Auswahl von Trainer Kalli Feldkamp, aus der es trotz des Triumphs in jener Saison keiner zum Nationalspieler brachte, schon auf dem Silbertablett. Ein Punkt im Heimspiel gegen Mönchengladbach hätte schon gereicht, um die Bayern zu entthronen. Doch die Nerven versagten: Borussia gewann am Betzenberg 3:2, und Bayern (1:0 in Nürnberg) bekam noch seine Chance auf den Hattrick.

Sollte Stefan Effenberg doch recht bekommen? Im Herbst machte sich der Jungnationalspieler allgemein unbeliebt mit seiner kecken Prognose: "Die anderen Vereine sind einfach zu dumm für den Titel. Deshalb werden wir Meister!" Aber in Köln, von fast 40.000 eigenen Anhängern angetrieben, spielten die Pfälzer am 15. Juni 1991 meisterlich auf und gewannen 6:2.

Für FCK-Legende Fritz Walter war es "der schönste Tag seit dem 4. Juli 1954, als Deutschland sensationell Weltmeister wurde", schrieb er im Kicker. Auf einem Rheinschiff feierten die Helden um Feldkamp und Kapitän Stefan Kuntz bis zum Morgengrauen die dritte Meisterschaft ihres FCK.

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Enttäuschte Leverkusener

Es war die größte Überraschung seit Braunschweigs Triumph 1967. Mit Rainer Ernst vom BFC Berlin hatte auch ein Spieler aus der am 3. Oktober aufgelösten DDR daran seinen Anteil, einer von immerhin neun im letzten Jahr vor der Fußball-Einheit.

Nur kurz schaute der Rostocker Thomas Doll vorbei. Der überragende Spieler des HSV nutzte das Schaufenster Bundesliga, um, wie in jenen Tagen üblich für einen Superstar, nach Italien (Lazio Rom) zu gehen. Vor der Saison verlor die Liga mit Kölns Thomas Häßler (Juventur Turin) und Bremens Karl-Heinz Riedle (Lazio Rom) zwei Weltmeister, fünf spielten schon in der Serie A.

Der HSV tröstete sich mit der Ablösesumme von 15 Millionen Mark, seiner Entschuldung und dem Einzug in den UEFA-Cup, den er auch Doll verdankte. Bayer Leverkusen dagegen war enttäuscht: Trotz Andreas Thom und Ulf Kirsten aus Dresden im Sturm reichte es nur für Platz acht – also für nichts.

Mehr Zuschauer und Tore: Bundesliga mit WM-Schwung

Warum ausgerechnet Aufsteiger Hertha BSC auf namhafte Ostspieler verzichtete, mussten sich die Verantwortlichen fragen lassen. Jahrzehntelang geographisch isoliert, hatte der künftige Hauptstadtklub nun ein riesiges Einzugsgebiet, aber er setzte auf die falschen Spieler. Am Ende standen 14 Punkte zu Buche, von vier verschiedenen Trainern zusammengeklaubt. So vergab Hertha BSC die Chance, die der Windhauch der Geschichte ihr ermöglicht hatte.

Mit der Bundesliga aber ging es aufwärts: Der WM-Schwung und das unerwartet spannende Meisterrennen bremsten den Zuschauerschwund, und endlich fielen wieder mehr Tore. Was auch an einer Neuerung gelegen haben mag: Die Schiedsrichter hatten nun Anweisung, bei Notbremsen kategorisch Rot zu ziehen. Das taten sie häufiger denn je, und so war auf manchem Spielfeld mehr Platz als üblich. Der Rot-Rekord von 46 Platzverweisen sollte aber nicht lange halten, denn dank der Einheit folgte die größte Bundesliga aller Zeiten.

ZAHLEN UND FAKTEN DER 28. BUNDESLIGASAISON

Tore: 886 (2,90 pro Spiel)
Torschützenkönig: Roland Wohlfarth (Bayern München) 21
Zuschauer: 6.339.201 (20.716 pro Spiel)
Meister: 1. FC Kaiserslautern
Absteiger: FC St. Pauli, Bayer Uerdingen, Hertha BSC
Aufsteiger: Dynamo Dresden, Hansa Rostock, Schalke 04, MSV Duisburg, Stuttgarter Kickers
Trainerentlassungen: 12 (Rekord)