50 Jahre, 50 Gesichter: Weltmeisterflair dank Morlock

50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: die Premierensaison 1963/1964. Den Auftakt macht Weltmeister Max Morlock vom 1. FC Nürnberg, einer der mythischen Helden von Bern.

Er hat die Bundesliga nicht mehr gebraucht, um berühmt zu werden. Die Bundesliga ihn schon. Max Morlock war einer der ersten großen Stars der neuen Liga, einer von drei Weltmeistern. Kölns Hans Schäfer und Meiderichs Helmut Rahn standen am 24. August 1963 ebenfalls auf dem Rasen, um den lang ersehnten Moment aus nächster Nähe miterleben zu dürfen.

Sie alle waren Kinder der Oberliga und Max Morlock deren Wunderkind. Als sie nach dem Krieg gegründet wurde, war er schon 23, und als sie 1963 abgeschafft wurde, hatte er im Süden mit Abstand die meisten Spiele (451) absolviert und die meisten Tore (286) erzielt.

"Sie müssen sich das doch nicht mehr antun"

Morlock war zudem Weltmeister, einer der Helden von Bern 1954. Das wusste jedes Kind, weil er doch "im Spagatschritt" im Wankdorfstadion nach frühem Zwei-Tore-Rückstand das wichtige 1:2 gegen die Ungarn erzielt hatte. Mit 26 Länderspielen (21 Tore) war er schon vor der Bundesligagründung Nürnbergs Rekordnationalspieler - und er ist es bis heute. Zu zwei Meisterschaften (1948 und 1961), die den Club zum damaligen Rekordmeister machten, kamen allerlei Ehrungen. Die Stolzeste: Fußballer des Jahres 1961 - im Alter von 36 Jahren.

Max Morlock hätte also, als die Bundesliga kam, guten Gewissens aufhören und sich um seine Familie (zwei Töchter) und die Lottoannahmestelle kümmern können. Aber Fußball war sein Leben, und solange es noch ging, wollte der "Maxl" seinen Club nicht im Stich lassen. "Sie müssen sich das doch nicht mehr antun", sagte Trainer Herbert Widmayer zu Morlock, wenn wieder mal ein Waldlauf anstand. Aber der Kapitän wollte keine Extrawürste und lief bis zuletzt vorneweg.

Kein Wunder, dass er am 24. August 1963 nach 40 Minuten auch das erste Nürnberger Bundesligator schoss. Damit schockte er 60.000 Zuschauer im Berliner Olympiastadion, die es natürlich mehrheitlich mit der Hertha hielten, in deren Abwehr ein gewisser Otto Rehhagel stand. Dass Morlock dann auch den Handelfmeter verursachte, der den 1:1-Endstand erbrachte, tat seinem Ansehen keinen Schaden an. 21-mal setzten ihn die Nürnberger Trainer (Widmayer und Jenö Csaknady) in der Premierensaison ein, acht Tore schoss der Routinier noch.

700. Tor kurz vor dem 39. Geburtstag

Zwei Tage vor seinem 39. Geburtstag jubelte Max Morlock zum angeblich 700. Mal im Club-Dress, die genaue Torzahl in exakt 30 Spieljahren hat nie jemand verlässlich ermittelt. Sicher ist jedoch, dass er mit jenem Tor am letzten Spieltag in Hamburg eine weitere Rekordmarke setzte. 23 Jahre lang firmierte er als ältester Bundesligatorschütze, ehe ihn Mannheims Günter Sebert 1987 ablöste. Noch heute ist die Bürnberger Legende die Nummer fünf in dieser Rangliste.

Eine Kuriosität aus Morlocks Anekdotenschatz dokumentiert die Zustände der damaligen Zeit: Der neue Trainer Csaknady, ein Ungar, traute seinen Spielern nicht über den Weg. Darum ließ er sich deren Adressen geben, kaufte sich einen Stadtplan und machte des Abends seine "Höflichkeitsbesuche". Einige Spieler konnten deshalb vor Angst kaum schlafen, sagt die Legende. Inge Morlock war entsetzt. "Wenn Csaknady in unser Schlafzimmer eindringt, schmeiße ich ihn zum Fenster raus", kündigte sie an.

Herr Csaknady kam trotzdem, begrüßte die Dame des Hauses mit Handkuss und brachte den bereits schlafenden Töchtern Ursula und Birgit je eine Puppe und einen Teddybären mit. "Ich bewundere Ihren Mann", sagte Schmeichler Csaknady der dennoch empörten Gemahlin. Aber beim zeit Lebens seriösen Berner Helden war nichts weiter zu beanstanden, und so setzte Csaknady beruhigt seine Kontrollfahrt fort. Den Max konnte er schon bald in Ruhe lassen, nach exakt 900 Spielen beendete der Weltmeister 1964, zehn Jahre nach dem Triumph in der Schweiz, seine Karriere.

Einer der ersten "Mentaltrainer" der Bundesliga

In der Abstiegssaison 1968/1969 gab er noch ein Comeback - quasi als einer der ersten Mentaltrainer der Bundesliga. Im April 1969 schrieb Morlock in der Vereinszeitung: "Nachdem Max Merkel auf eigenen Wunsch als Trainer ausgeschieden ist, hat mich die Vorstandschaft des Clubs gebeten, bis zum Schluss der Meisterschaftssaison die psychologische Betreuung unserer Lizenzspieler zu übernehmen. Mit der spielerischen Vorbereitung und der Mannschaftsaufstellung habe ich jedoch nichts zu tun. Meine Aufgabe besteht darin, unseren Lizenzspielern das verlorengegangene Selbstvertrauen zurückzugeben und für eine gute Kampfmoral zu sorgen."

Als er damals von einem Journalisten gefragt wurde, wen er als seinen sportlichen Nachfolger sähe, antwortete er: "Ehrlich gesagt, es gibt keinen. Aber behaupten will ich's nicht, sonst sagen die Leute, dass der Morlock überheblich ist." Das hat freilich nie jemand gesagt. Max Morlock starb am 10. September 1994, heute sind der Stadion-Vorplatz und ein Servicecenter in Nürnberg nach ihm benannt.

Max Morlocks Bundesligabilanz: 21 Spiele, 8 Tore.

Das meine DFB.de-User:

"Einfach wunderbar, von Spielerpersönlichkeiten aus einer Zeit zu lesen, als der Fussball noch bodenständig war. Ihnen vielen Dank - es ist wirklich ein Geschenk, das Sie mir - und bestimmt vielen anderen - damit machen. Einen freundlichen Gruß"(Willi Lück, Köln)

[um]

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50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: die Premierensaison 1963/1964. Den Auftakt macht Weltmeister Max Morlock vom 1. FC Nürnberg, einer der mythischen Helden von Bern.

Er hat die Bundesliga nicht mehr gebraucht, um berühmt zu werden. Die Bundesliga ihn schon. Max Morlock war einer der ersten großen Stars der neuen Liga, einer von drei Weltmeistern. Kölns Hans Schäfer und Meiderichs Helmut Rahn standen am 24. August 1963 ebenfalls auf dem Rasen, um den lang ersehnten Moment aus nächster Nähe miterleben zu dürfen.

Sie alle waren Kinder der Oberliga und Max Morlock deren Wunderkind. Als sie nach dem Krieg gegründet wurde, war er schon 23, und als sie 1963 abgeschafft wurde, hatte er im Süden mit Abstand die meisten Spiele (451) absolviert und die meisten Tore (286) erzielt.

"Sie müssen sich das doch nicht mehr antun"

Morlock war zudem Weltmeister, einer der Helden von Bern 1954. Das wusste jedes Kind, weil er doch "im Spagatschritt" im Wankdorfstadion nach frühem Zwei-Tore-Rückstand das wichtige 1:2 gegen die Ungarn erzielt hatte. Mit 26 Länderspielen (21 Tore) war er schon vor der Bundesligagründung Nürnbergs Rekordnationalspieler - und er ist es bis heute. Zu zwei Meisterschaften (1948 und 1961), die den Club zum damaligen Rekordmeister machten, kamen allerlei Ehrungen. Die Stolzeste: Fußballer des Jahres 1961 - im Alter von 36 Jahren.

Max Morlock hätte also, als die Bundesliga kam, guten Gewissens aufhören und sich um seine Familie (zwei Töchter) und die Lottoannahmestelle kümmern können. Aber Fußball war sein Leben, und solange es noch ging, wollte der "Maxl" seinen Club nicht im Stich lassen. "Sie müssen sich das doch nicht mehr antun", sagte Trainer Herbert Widmayer zu Morlock, wenn wieder mal ein Waldlauf anstand. Aber der Kapitän wollte keine Extrawürste und lief bis zuletzt vorneweg.

Kein Wunder, dass er am 24. August 1963 nach 40 Minuten auch das erste Nürnberger Bundesligator schoss. Damit schockte er 60.000 Zuschauer im Berliner Olympiastadion, die es natürlich mehrheitlich mit der Hertha hielten, in deren Abwehr ein gewisser Otto Rehhagel stand. Dass Morlock dann auch den Handelfmeter verursachte, der den 1:1-Endstand erbrachte, tat seinem Ansehen keinen Schaden an. 21-mal setzten ihn die Nürnberger Trainer (Widmayer und Jenö Csaknady) in der Premierensaison ein, acht Tore schoss der Routinier noch.

700. Tor kurz vor dem 39. Geburtstag

Zwei Tage vor seinem 39. Geburtstag jubelte Max Morlock zum angeblich 700. Mal im Club-Dress, die genaue Torzahl in exakt 30 Spieljahren hat nie jemand verlässlich ermittelt. Sicher ist jedoch, dass er mit jenem Tor am letzten Spieltag in Hamburg eine weitere Rekordmarke setzte. 23 Jahre lang firmierte er als ältester Bundesligatorschütze, ehe ihn Mannheims Günter Sebert 1987 ablöste. Noch heute ist die Bürnberger Legende die Nummer fünf in dieser Rangliste.

Eine Kuriosität aus Morlocks Anekdotenschatz dokumentiert die Zustände der damaligen Zeit: Der neue Trainer Csaknady, ein Ungar, traute seinen Spielern nicht über den Weg. Darum ließ er sich deren Adressen geben, kaufte sich einen Stadtplan und machte des Abends seine "Höflichkeitsbesuche". Einige Spieler konnten deshalb vor Angst kaum schlafen, sagt die Legende. Inge Morlock war entsetzt. "Wenn Csaknady in unser Schlafzimmer eindringt, schmeiße ich ihn zum Fenster raus", kündigte sie an.

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Herr Csaknady kam trotzdem, begrüßte die Dame des Hauses mit Handkuss und brachte den bereits schlafenden Töchtern Ursula und Birgit je eine Puppe und einen Teddybären mit. "Ich bewundere Ihren Mann", sagte Schmeichler Csaknady der dennoch empörten Gemahlin. Aber beim zeit Lebens seriösen Berner Helden war nichts weiter zu beanstanden, und so setzte Csaknady beruhigt seine Kontrollfahrt fort. Den Max konnte er schon bald in Ruhe lassen, nach exakt 900 Spielen beendete der Weltmeister 1964, zehn Jahre nach dem Triumph in der Schweiz, seine Karriere.

Einer der ersten "Mentaltrainer" der Bundesliga

In der Abstiegssaison 1968/1969 gab er noch ein Comeback - quasi als einer der ersten Mentaltrainer der Bundesliga. Im April 1969 schrieb Morlock in der Vereinszeitung: "Nachdem Max Merkel auf eigenen Wunsch als Trainer ausgeschieden ist, hat mich die Vorstandschaft des Clubs gebeten, bis zum Schluss der Meisterschaftssaison die psychologische Betreuung unserer Lizenzspieler zu übernehmen. Mit der spielerischen Vorbereitung und der Mannschaftsaufstellung habe ich jedoch nichts zu tun. Meine Aufgabe besteht darin, unseren Lizenzspielern das verlorengegangene Selbstvertrauen zurückzugeben und für eine gute Kampfmoral zu sorgen."

Als er damals von einem Journalisten gefragt wurde, wen er als seinen sportlichen Nachfolger sähe, antwortete er: "Ehrlich gesagt, es gibt keinen. Aber behaupten will ich's nicht, sonst sagen die Leute, dass der Morlock überheblich ist." Das hat freilich nie jemand gesagt. Max Morlock starb am 10. September 1994, heute sind der Stadion-Vorplatz und ein Servicecenter in Nürnberg nach ihm benannt.

Max Morlocks Bundesligabilanz: 21 Spiele, 8 Tore.

Das meine DFB.de-User:

"Einfach wunderbar, von Spielerpersönlichkeiten aus einer Zeit zu lesen, als der Fussball noch bodenständig war. Ihnen vielen Dank - es ist wirklich ein Geschenk, das Sie mir - und bestimmt vielen anderen - damit machen. Einen freundlichen Gruß"(Willi Lück, Köln)