50 Jahre, 50 Gesichter: Schulte erst Reporter, dann Schalke-Trainer

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50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: Helmut Schulte, der in der Vorrunde 1992/1993 als Co-Kommentator beim Privatfernsehen arbeitet und in der Rückrunde Schalke trainiert. Er symbolisiert den Aufbruch in ein neues Bundesliga-Fernsehzeitalter.

In ihrem 30. Jahr stieß die Bundesliga in eine neue Dimension vor. Das Privatfernsehen übernahm nun endgültig die Regie. Hatten RTL und ARD-Sportschau zuvor schon ein Weilchen gegeneinander gesendet, so erhielt Sat.1 ab der Saison 1992/1993 für fünf Jahre die Erstsenderechte - zum Preis von 600.000 Mark pro Spielzeit. Das Privileg nutzte der Privatsender weidlich. Jeden Tag eine Fußballsendung, und am Samstag sendete man schon ab 18 Uhr "ran", die Sportschau musste bis 19.15 Uhr warten.

Das Format war gewöhnungsbedürftig: An den Spieltagen gab es eine große Show mit johlendem Studiopublikum, Analysen, Interviews und Statistiken, die die Fußballwelt bis dahin nicht gebraucht hatte. Dafür brauchten sie sachkundige und eloquente Reporter und Experten. Einen wie Helmut Schulte, zum Beispiel.

Schulte verkörpert den neuen Trainertypus

Der diplomierte Sport- und Biologielehrer war nach einer passablen Spielerkarriere über Nacht berühmt geworden, weil er den Kultklub FC St. Pauli mit 31 Jahren in die Bundesliga geführt und dort fast zwei Jahre gehalten hatte. "Helmut"-Sprechchöre gehörten zum Ritual eines jeden Heimspiels am Millerntor. Mit seiner Schlagfertigkeit verkörperte er einen neuen Trainertypus: jung, offen, sympathisch, intelligent - aber kein Ex-Star.

Schulte (Zitat: "Wer unten steht, hat das Pech der Glücklosen") war der Klopp der Neunziger, und Reinhold Beckmann, der neue Sportchef von Sat.1, erkannte das. Da Schulte nach seiner Trainerstation 1991/1992 bei Dynamo Dresden, wo er am Saisonende gekündigt hatte, zufällig frei war, kam man ins Gespräch und schon bald ins Geschäft. Ein Bundesliga-Trainer wird "Runner", Stimmenfänger - was für ein gelungener PR-Gag. Schulte fand es interessant und war neugierig genug, um dabei zu sein beim Eintritt ins neue Fernsehzeitalter der Bundesliga.

Zum Auftakt am 15. August 1992 wurde er zum Spiel seines Ex-Klubs Dresden nach Frankfurt geschickt und mit einer Analyse beauftragt, die dpa unfreundlich als "fachlich dünn" bezeichnete, aber konzedierte, sie sei "unter Zeitdruck" entstanden. Schulte überlieferte der Nachwelt unter anderem 68 Ballkontakte und sieben Doppelpässe von Uwe Bein.

Lattek-Nachfolger auf Schalke

Drei Monate währte der ungewöhnliche Rollenwechsel, in diesem Zeitraum wurde Schulte immer mal wieder als Trainer gehandelt. In Bochum wurde im November 1992 ein Platz frei, aber Jürgen Gelsdorf erhielt den Vorzug. Schulte musste sich nicht lange grämen, auf ihn wartete Besseres.

Zum Jahreswechsel einigte sich Schalke-Präsident Günter Eichberg mit ihm auf eine Zusammenarbeit, die eigentlich erst am 1. Juli 1993 beginnen sollte. Doch dann warf Udo Lattek eher hin, weil ihn angeblich störte, dass Schulte schon mit seinen künftigen Spielern sprach. Und so trat jener seinen zweiten Job der Saison am 18. Januar 1993 an.

Auf die Frage des Kicker, warum er bloß "das angenehme Leben als TV-Reporter für Sat.1 mit dem Schalker Himmelfahrtskommando getauscht" habe, entgegnete Schulte: "Ich habe ja nicht in Dresden aufgehört, um für das Fernsehen zu arbeiten. Da hat sich so ergeben. Es war immer mein Ziel, als Profitrainer weiterzuarbeiten." Bei seinem Debüt fragte ihn Ex-Kollege Beckmann live über den Sender, ob sie sich eigentlich noch duzen dürften, wo er doch nun wieder auf der anderen Seite sei. Schulte stimmte gnädig zu.

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Ins Managerfach gewechselt

Laut Vertrag sollte er auf Schalke bis 30. Juni 1994 arbeiten. Aber Präsident Eichberg sagte ihm gleich zu Beginn, dass er "einen Schleudersitz" übernommen habe. Das erfuhr Schulte alsbald. In der Rückrunde kletterte er nur einen Platz hoch - von elf auf zehn - und verspielte ersten Kredit. Immerhin verdarb sein Team am letzten Spieltag den Bayern mit einem 3:3 die letzte Chance auf die Meisterschaft.

Als er in der neuen Saison von den ersten elf Spielen nur eines gewann, wurde er entlassen. Zu Sat.1 kehrte er nicht zurück, auf die Trainerbank auch nicht. Nunmehr reizte ihn die Erfahrung, als Manager zu arbeiten. Beim VfB Lübeck, seinem geliebten FC St. Pauli und jetzt bei Rapid Wien ist Schulte am Ball geblieben. Auch in diesem Job muss er täglich ran.

Helmut Schultes Bundesligabilanz: 161 Spiele als Trainer.

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50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: Helmut Schulte, der in der Vorrunde 1992/1993 als Co-Kommentator beim Privatfernsehen arbeitet und in der Rückrunde Schalke trainiert. Er symbolisiert den Aufbruch in ein neues Bundesliga-Fernsehzeitalter.

In ihrem 30. Jahr stieß die Bundesliga in eine neue Dimension vor. Das Privatfernsehen übernahm nun endgültig die Regie. Hatten RTL und ARD-Sportschau zuvor schon ein Weilchen gegeneinander gesendet, so erhielt Sat.1 ab der Saison 1992/1993 für fünf Jahre die Erstsenderechte - zum Preis von 600.000 Mark pro Spielzeit. Das Privileg nutzte der Privatsender weidlich. Jeden Tag eine Fußballsendung, und am Samstag sendete man schon ab 18 Uhr "ran", die Sportschau musste bis 19.15 Uhr warten.

Das Format war gewöhnungsbedürftig: An den Spieltagen gab es eine große Show mit johlendem Studiopublikum, Analysen, Interviews und Statistiken, die die Fußballwelt bis dahin nicht gebraucht hatte. Dafür brauchten sie sachkundige und eloquente Reporter und Experten. Einen wie Helmut Schulte, zum Beispiel.

Schulte verkörpert den neuen Trainertypus

Der diplomierte Sport- und Biologielehrer war nach einer passablen Spielerkarriere über Nacht berühmt geworden, weil er den Kultklub FC St. Pauli mit 31 Jahren in die Bundesliga geführt und dort fast zwei Jahre gehalten hatte. "Helmut"-Sprechchöre gehörten zum Ritual eines jeden Heimspiels am Millerntor. Mit seiner Schlagfertigkeit verkörperte er einen neuen Trainertypus: jung, offen, sympathisch, intelligent - aber kein Ex-Star.

Schulte (Zitat: "Wer unten steht, hat das Pech der Glücklosen") war der Klopp der Neunziger, und Reinhold Beckmann, der neue Sportchef von Sat.1, erkannte das. Da Schulte nach seiner Trainerstation 1991/1992 bei Dynamo Dresden, wo er am Saisonende gekündigt hatte, zufällig frei war, kam man ins Gespräch und schon bald ins Geschäft. Ein Bundesliga-Trainer wird "Runner", Stimmenfänger - was für ein gelungener PR-Gag. Schulte fand es interessant und war neugierig genug, um dabei zu sein beim Eintritt ins neue Fernsehzeitalter der Bundesliga.

Zum Auftakt am 15. August 1992 wurde er zum Spiel seines Ex-Klubs Dresden nach Frankfurt geschickt und mit einer Analyse beauftragt, die dpa unfreundlich als "fachlich dünn" bezeichnete, aber konzedierte, sie sei "unter Zeitdruck" entstanden. Schulte überlieferte der Nachwelt unter anderem 68 Ballkontakte und sieben Doppelpässe von Uwe Bein.

Lattek-Nachfolger auf Schalke

Drei Monate währte der ungewöhnliche Rollenwechsel, in diesem Zeitraum wurde Schulte immer mal wieder als Trainer gehandelt. In Bochum wurde im November 1992 ein Platz frei, aber Jürgen Gelsdorf erhielt den Vorzug. Schulte musste sich nicht lange grämen, auf ihn wartete Besseres.

Zum Jahreswechsel einigte sich Schalke-Präsident Günter Eichberg mit ihm auf eine Zusammenarbeit, die eigentlich erst am 1. Juli 1993 beginnen sollte. Doch dann warf Udo Lattek eher hin, weil ihn angeblich störte, dass Schulte schon mit seinen künftigen Spielern sprach. Und so trat jener seinen zweiten Job der Saison am 18. Januar 1993 an.

Auf die Frage des Kicker, warum er bloß "das angenehme Leben als TV-Reporter für Sat.1 mit dem Schalker Himmelfahrtskommando getauscht" habe, entgegnete Schulte: "Ich habe ja nicht in Dresden aufgehört, um für das Fernsehen zu arbeiten. Da hat sich so ergeben. Es war immer mein Ziel, als Profitrainer weiterzuarbeiten." Bei seinem Debüt fragte ihn Ex-Kollege Beckmann live über den Sender, ob sie sich eigentlich noch duzen dürften, wo er doch nun wieder auf der anderen Seite sei. Schulte stimmte gnädig zu.

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Ins Managerfach gewechselt

Laut Vertrag sollte er auf Schalke bis 30. Juni 1994 arbeiten. Aber Präsident Eichberg sagte ihm gleich zu Beginn, dass er "einen Schleudersitz" übernommen habe. Das erfuhr Schulte alsbald. In der Rückrunde kletterte er nur einen Platz hoch - von elf auf zehn - und verspielte ersten Kredit. Immerhin verdarb sein Team am letzten Spieltag den Bayern mit einem 3:3 die letzte Chance auf die Meisterschaft.

Als er in der neuen Saison von den ersten elf Spielen nur eines gewann, wurde er entlassen. Zu Sat.1 kehrte er nicht zurück, auf die Trainerbank auch nicht. Nunmehr reizte ihn die Erfahrung, als Manager zu arbeiten. Beim VfB Lübeck, seinem geliebten FC St. Pauli und jetzt bei Rapid Wien ist Schulte am Ball geblieben. Auch in diesem Job muss er täglich ran.

Helmut Schultes Bundesligabilanz: 161 Spiele als Trainer.