50 Jahre, 50 Gesichter: Grabowskis bitter-süßer Abschied

Doch dann kam der 15. März 1980. Im Waldstadion war Borussia Mönchengladbach zu Gast, man schrieb die 81. Minute, Spielstand 3:2. Grabowski führte den Ball, da grätschte ein gewisser Lothar Matthäus, damals 19 und in seiner ersten Bundesligasaison, "Grabi" in die Parade. Er ging zu Boden, hatte Schmerzen und humpelte vom Feld. Eine Spannverletzung. Unangenehm, aber eigentlich nicht schwer - und doch schwer genug.

Grabowskis Karriere endete in diesem Moment unrühmlich. Noch ahnte es keiner. Matthäus habe sich laut Grabowski "nie entschuldigt". Noch Jahrzehnte später verspürte Matthäus dazu keine Veranlassung: "Ein normaler Zweikampf, ich habe ihn nicht berührt. Es gab nicht mal Freistoß." Grabowski meinte: "Unter Sportsleuten tut's nicht weh, mal nachzufragen. Ich unterstell ihm ja keine Absicht beim Foul."

UEFA-Cup-Triumph gegen Gladbach

Die Geschichte ist damit noch nicht zu Ende. Die Eintracht erreichte auch ohne ihren Kapitän das UEFA-Cup-Finale. Am 21. Mai 1980 holte sie den Pott durch ein 1:0 im Waldstadion - ausgerechnet gegen Borussia Mönchengladbach. 60.000 Zuschauer waren aus dem Häuschen und feierten einen Mann in Zivilkleidung, der von den Eintracht-Helden auf Schultern getragen wurde: "Grabi, Grabi".

Noch am späten Abend würdigte ihn auch der Oberbürgermeister Frankfurts. Walter Wallmann sagte: "Sie sind das Symbol dieser Eintracht. Es war ein Augenblick von Freude und Trauer zugleich, als ihre Kameraden Sie auf die Schultern hoben und Ihnen den Pokal überreichten." Grabowski ging es nicht anders: "Das eine Auge lacht, das andere weint." Aber Tränen gehören zu jedem guten Abschied.

Jürgen Grabowskis Bundesligabilanz: 441 Spiele, 109 Tore; ein Spiel als Interimstrainer.

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50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute die Saison 1979/1980: Weltmeister Jürgen Grabowski gewinnt zum Ende seiner großen Karriere mit Eintracht Frankfurt den UEFA-Cup.

Einen Monat nach seinem 35. Geburtstag führte Jürgen Grabowski die Frankfurter Eintracht in die neue Saison. Als Spielführer natürlich, wie seit Jahren schon. Seit 1965 trug er den Adler auf der Brust, er war einer der letzten der in den Achtzigern aussterbenden Gattung von Spielern, die ihre Karriere nur bei einem Verein verbrachten. Längst nannten sie ihn "Mister Eintracht", und als er an der Seite von Teamkollege Bernd Hölzenbein 1974 Weltmeister geworden war, dichteten die Fans: "Frankfurts Stolz - der Grabi und der Holz". Der Kult lebt, T-Shirts mit diesem Schriftzug sind heute noch zu kaufen.

Dass auch seine Karriere einmal enden würde, war jedem klar, und doch in jenem Sommer 1979 irgendwie unvorstellbar. Noch immer war er ein Mann von internationalem Format; 1978 hatte ihn Bundestrainer Helmut Schön gar Hände ringend gebeten, doch mit zur WM nach Argentinien zu kommen. Der Mann aus Wiesbaden-Biebrich überlegte es sich, blieb aber bei seinem Nein. Ein Mann, ein Wort. Nach dem WM-Finale vier Jahre zuvor war er an seinem 30. Geburtstag zurückgetreten und seitdem nur noch für die Eintracht da. 416 Bundesligaspiele waren es vor seiner letzten Saison, unter dem Strich sollten 441 stehen. Nur Charly Körbel hat ihn übertroffen - in dieser Hinsicht.

Nie Deutscher Meister

Ein Schicksal teilen alle, die bei Eintracht in der Bundesliga kickten - Meister wurden sie nie. Auch nicht in der Ära Grabi und Holz. Vor seiner letzten Saison ließ Grabowski anklingen, dass er den Meistertraum noch nicht aufgegeben habe. "Ein Vorteil ist gewiss, dass in diesem Jahr die Erwartungen nicht so euphorisch sind wie vor zwei Jahren, als wir nach unserer Superserie (22-mal ungeschlagen; Anm. d. Red.) als einer der großen Favoriten in die Saison gestartet sind", so Grabowski. "Oder wie vor einem Jahr, als wir rund zwei Millionen Mark investiert hatten."

Nein, diesmal lauerte die Eintracht im Hintergrund. Mindestens genauso wichtig wie ein Titel war es für Grabowski, einen guten Abgang zu bekommen. 1979 war kein gutes Jahr für Weltmeister gewesen: Sepp Maier, Uli Hoeneß, Georg "Katsche" Schwarzenbeck und Gerd Müller traten alle unter unglücklichen Umständen ab.

Für Grabowski schien seine letzte Saison ("Ich sage zwar niemals nie, aber ich glaube doch, mich endgültig festgelegt zu haben") nach Wunsch zu laufen. Er verpasste keine einzige Minute in der Vorrunde, und auch in den ersten sieben Rückrundenpartien war er immer dabei. Die Eintracht stand passabel auf Platz sechs und war drauf und dran, das Halbfinale des UEFA-Pokals zu erreichen.

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Spannverletzung beendet Karriere jäh

Doch dann kam der 15. März 1980. Im Waldstadion war Borussia Mönchengladbach zu Gast, man schrieb die 81. Minute, Spielstand 3:2. Grabowski führte den Ball, da grätschte ein gewisser Lothar Matthäus, damals 19 und in seiner ersten Bundesligasaison, "Grabi" in die Parade. Er ging zu Boden, hatte Schmerzen und humpelte vom Feld. Eine Spannverletzung. Unangenehm, aber eigentlich nicht schwer - und doch schwer genug.

Grabowskis Karriere endete in diesem Moment unrühmlich. Noch ahnte es keiner. Matthäus habe sich laut Grabowski "nie entschuldigt". Noch Jahrzehnte später verspürte Matthäus dazu keine Veranlassung: "Ein normaler Zweikampf, ich habe ihn nicht berührt. Es gab nicht mal Freistoß." Grabowski meinte: "Unter Sportsleuten tut's nicht weh, mal nachzufragen. Ich unterstell ihm ja keine Absicht beim Foul."

UEFA-Cup-Triumph gegen Gladbach

Die Geschichte ist damit noch nicht zu Ende. Die Eintracht erreichte auch ohne ihren Kapitän das UEFA-Cup-Finale. Am 21. Mai 1980 holte sie den Pott durch ein 1:0 im Waldstadion - ausgerechnet gegen Borussia Mönchengladbach. 60.000 Zuschauer waren aus dem Häuschen und feierten einen Mann in Zivilkleidung, der von den Eintracht-Helden auf Schultern getragen wurde: "Grabi, Grabi".

Noch am späten Abend würdigte ihn auch der Oberbürgermeister Frankfurts. Walter Wallmann sagte: "Sie sind das Symbol dieser Eintracht. Es war ein Augenblick von Freude und Trauer zugleich, als ihre Kameraden Sie auf die Schultern hoben und Ihnen den Pokal überreichten." Grabowski ging es nicht anders: "Das eine Auge lacht, das andere weint." Aber Tränen gehören zu jedem guten Abschied.

Jürgen Grabowskis Bundesligabilanz: 441 Spiele, 109 Tore; ein Spiel als Interimstrainer.