50 Jahre, 50 Gesichter: Drei Trophäen in einem Jahr

50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: Jupp Heynckes, der 1975 Meister, UEFA-Cup-Sieger und Torschützenkönig wurde.

Im Sommer 1974 war Jupp Heynckes im Zwiespalt in der Bewertung dessen, was er in der abgelaufenen Saison geleistet und was er dafür geerntet hatte. Gewiss, er war auch Weltmeister geworden, aber im Finale saß er nach einer Verletzungspause 90 Minuten auf der Bank. Auch weil Kollege Bernd Hölzenbein die interne Abmachung "vergessen" hatte, dass der Linksaußen, der spielt, sich zehn Minuten vor Schluss auswechseln lassen solle. Hölzenbein sagte 2006: "Ich weiß, er ist heute noch sauer deswegen. Wir haben nie mehr drüber geredet." War Heynckes nun Weltmeister mit seinen drei Einsätzen ohne ein Tor? Er fand irgendwie nicht; "ich gehörte zum Weltmeisterschaftskreis", sagte er später.

Auch sein Triumph, sich erstmals Torschützenkönig nennen zu dürfen, hatte einen Makel. Musste er sich doch den Titel mit Gerd Müller teilen (beide 30 Treffer) und, wie mancher sagte, nur weil die Bayern im letzten Saisonspiel im quasi wehrlosen Zustand am Bökelberg aufgekreuzt waren. Einen Tag nach dem Europacupsieg gegen Atletico Madrid schenkten sie 0:5 ab, Müller wurde ausgewechselt und Heynckes holte ihn mit zwei Toren noch ein. Dass er mit Borussia eine tolle Saison gespielt hatte, zählte auch nicht allzu viel wenn man "nur" Zweiter wird. Nicht wenn man schon zwei Mal Meister geworden war. Es war die Zeit, als die Meister-Frage "Bayern oder Gladbach?" hieß und der Zweite war der erste Verlierer.

Elf Tore und Herbstmeister

In Jupp Heynckes, damals 29, brodelte es also gehörig, als die neue Saison begann. Im Oktober glaubte niemand, dass Borussia Meister werden würde, nach einem 3:4 in Offenbach war die Weisweiler-Elf Zehnter. Doch weil auch die Bayern in einer noch größeren Krise steckten und keiner das Machtvakuum ernstlich füllen könnte, wurde Borussia nach einem Zwischenspurt noch Herbstmeister. Heynckes hatte elf Tore geschossen, der Kaiserslauterer Roland Sandberg lag mit 14 an Weihnachten 1974 vorne. Gerd Müller saß Heynckes im mit zehn Toren im Nacken, war aber offenkundig nicht der Alte.

In der Rückrunde 1974/75 explodierten die Mönchengladbacher dann regelrecht und mit ihnen ihr torgefährlicher Linksaußen. Heynckes war trotz seiner gigantischen Gesamt-Ausbeute von 220 Treffern in der Bundesliga kein klassischer Mittelstürmer. Die Nummer 9 war er nur einst im Familienkreise: Jupp, der eigentlich Josef heißt, war das neunte von zehn Kindern. In Mönchengladbach war er 1974/75 dennoch der wichtigste Offensivspieler, trotz Allan Simonsen oder Henning Jensen. Im April verletzte er sich im Länderspiel gegen die Bulgaren und fiel vier Wochen aus. So verpasste er das erste Finale um den UEFA-Cup. Im "Heimspiel" in Düsseldorf gab es nur ein 0:0 gegen Twente Enschede und Bundestrainer Helmut Schön sagte: "Wenn ihr Heynckes in Enschede dabei habt, traue ich Euch den Cupgewinn zu." Prophetische Worte. In Enschede schoss Heynckes beim 5:1-Sieg drei Tore und verschliss dabei zwei paar Schuhe vor lauter Eifer. Bis heute spricht er von "meinem schönsten Spiel". Endlich ein Titel ohne Makel, auch das war schön für ihn. Mit elf Toren in zehn Einsätzen war er der Topscorer im Europapokal 1974/75.

Heynckes-Festspiele mit 27 Toren

Weiter gingen die Heynckes-Festspiele. Am 32. Spieltag schoss er Borussia mit seinem 3:1 auf Schalke zum Meister. Als er vom Feld ging, sagte er: "Jetzt will ich noch Torjäger der Bundesliga werden." Auch dieser Wunsch wurde ihm erfüllt, an seine 27 Tore kam kein Müller mehr ran – weder Gerd (23) noch der Kölner Dieter (24). Zum perfekten Jahr passte die Vertragsverlängerung. Hatte er im Frühjahr noch mit "hervorragenden Angeboten aus dem Ausland" kokettiert und bei Borussia gekündigt, so unterschrieb er zwei Tage nach der Meisterschaft einen neuen Kontrakt bis 1978. Und den hielt er ein.

In der Rangliste des Kicker landete er bei den Linksaußen an erster Stelle, Rubrik "Internationale Klasse". Darüber folgt nur noch die Weltklasse. Dafür reichte es nicht ganz, wie die Redaktion bedauerte, in Länderspielen habe er nicht getroffen. Mit diesem Makel konnte Heynckes leben – seht gut sogar nach einem solchen Super-Jahr.

Jupp Heynckes' Bundesligabilanz: 369 Spiele und 220 Tore als Spieler - vier Meisterschaften, zweimal Torschützenkönig. 624 Spiele als Trainer - zwei Meisterschaften.

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50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: Jupp Heynckes, der 1975 Meister, UEFA-Cup-Sieger und Torschützenkönig wurde.

Im Sommer 1974 war Jupp Heynckes im Zwiespalt in der Bewertung dessen, was er in der abgelaufenen Saison geleistet und was er dafür geerntet hatte. Gewiss, er war auch Weltmeister geworden, aber im Finale saß er nach einer Verletzungspause 90 Minuten auf der Bank. Auch weil Kollege Bernd Hölzenbein die interne Abmachung "vergessen" hatte, dass der Linksaußen, der spielt, sich zehn Minuten vor Schluss auswechseln lassen solle. Hölzenbein sagte 2006: "Ich weiß, er ist heute noch sauer deswegen. Wir haben nie mehr drüber geredet." War Heynckes nun Weltmeister mit seinen drei Einsätzen ohne ein Tor? Er fand irgendwie nicht; "ich gehörte zum Weltmeisterschaftskreis", sagte er später.

Auch sein Triumph, sich erstmals Torschützenkönig nennen zu dürfen, hatte einen Makel. Musste er sich doch den Titel mit Gerd Müller teilen (beide 30 Treffer) und, wie mancher sagte, nur weil die Bayern im letzten Saisonspiel im quasi wehrlosen Zustand am Bökelberg aufgekreuzt waren. Einen Tag nach dem Europacupsieg gegen Atletico Madrid schenkten sie 0:5 ab, Müller wurde ausgewechselt und Heynckes holte ihn mit zwei Toren noch ein. Dass er mit Borussia eine tolle Saison gespielt hatte, zählte auch nicht allzu viel wenn man "nur" Zweiter wird. Nicht wenn man schon zwei Mal Meister geworden war. Es war die Zeit, als die Meister-Frage "Bayern oder Gladbach?" hieß und der Zweite war der erste Verlierer.

Elf Tore und Herbstmeister

In Jupp Heynckes, damals 29, brodelte es also gehörig, als die neue Saison begann. Im Oktober glaubte niemand, dass Borussia Meister werden würde, nach einem 3:4 in Offenbach war die Weisweiler-Elf Zehnter. Doch weil auch die Bayern in einer noch größeren Krise steckten und keiner das Machtvakuum ernstlich füllen könnte, wurde Borussia nach einem Zwischenspurt noch Herbstmeister. Heynckes hatte elf Tore geschossen, der Kaiserslauterer Roland Sandberg lag mit 14 an Weihnachten 1974 vorne. Gerd Müller saß Heynckes im mit zehn Toren im Nacken, war aber offenkundig nicht der Alte.

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In der Rückrunde 1974/75 explodierten die Mönchengladbacher dann regelrecht und mit ihnen ihr torgefährlicher Linksaußen. Heynckes war trotz seiner gigantischen Gesamt-Ausbeute von 220 Treffern in der Bundesliga kein klassischer Mittelstürmer. Die Nummer 9 war er nur einst im Familienkreise: Jupp, der eigentlich Josef heißt, war das neunte von zehn Kindern. In Mönchengladbach war er 1974/75 dennoch der wichtigste Offensivspieler, trotz Allan Simonsen oder Henning Jensen. Im April verletzte er sich im Länderspiel gegen die Bulgaren und fiel vier Wochen aus. So verpasste er das erste Finale um den UEFA-Cup. Im "Heimspiel" in Düsseldorf gab es nur ein 0:0 gegen Twente Enschede und Bundestrainer Helmut Schön sagte: "Wenn ihr Heynckes in Enschede dabei habt, traue ich Euch den Cupgewinn zu." Prophetische Worte. In Enschede schoss Heynckes beim 5:1-Sieg drei Tore und verschliss dabei zwei paar Schuhe vor lauter Eifer. Bis heute spricht er von "meinem schönsten Spiel". Endlich ein Titel ohne Makel, auch das war schön für ihn. Mit elf Toren in zehn Einsätzen war er der Topscorer im Europapokal 1974/75.

Heynckes-Festspiele mit 27 Toren

Weiter gingen die Heynckes-Festspiele. Am 32. Spieltag schoss er Borussia mit seinem 3:1 auf Schalke zum Meister. Als er vom Feld ging, sagte er: "Jetzt will ich noch Torjäger der Bundesliga werden." Auch dieser Wunsch wurde ihm erfüllt, an seine 27 Tore kam kein Müller mehr ran – weder Gerd (23) noch der Kölner Dieter (24). Zum perfekten Jahr passte die Vertragsverlängerung. Hatte er im Frühjahr noch mit "hervorragenden Angeboten aus dem Ausland" kokettiert und bei Borussia gekündigt, so unterschrieb er zwei Tage nach der Meisterschaft einen neuen Kontrakt bis 1978. Und den hielt er ein.

In der Rangliste des Kicker landete er bei den Linksaußen an erster Stelle, Rubrik "Internationale Klasse". Darüber folgt nur noch die Weltklasse. Dafür reichte es nicht ganz, wie die Redaktion bedauerte, in Länderspielen habe er nicht getroffen. Mit diesem Makel konnte Heynckes leben – seht gut sogar nach einem solchen Super-Jahr.

Jupp Heynckes' Bundesligabilanz: 369 Spiele und 220 Tore als Spieler - vier Meisterschaften, zweimal Torschützenkönig. 624 Spiele als Trainer - zwei Meisterschaften.