1. FC Magdeburg: Ex-Europacupsieger kämpft gegen das Vergessen

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders an der Basis.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: der 1. FC Magdeburg. Der einzige Europapokalsieger der DDR bewegt sich seit der Wende zwischen Regional- und Oberliga.

Triumph gegen Trapattonis Milan-Starensemble

Dieser Tag hat seinen festen Platz in der Vereinsgeschichte des FC Magdeburg. Am 8. Mai 1974 treffen im Feyenoord-Stadion von Rotterdam im Finale des Europapokals der Pokalsieger zwei Klubs aufeinander, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Das Spitzenteam aus der DDR, der 1. FC Magdeburg, spielt gegen das mit Stars gespickte und hoch favorisierte Team vom AC Mailand um den damals 35-jährigen Trainer Giovanni Trapattoni und Abwehrchef Karl-Heinz Schnellinger. Magdeburg bezwingt den Klub aus der italienischen Metropole mit 2:0 und wird Europapokalsieger.

Magdeburgs Topstürmer Jürgen Sparwasser blieb in Rotterdam zwar torlos, hatte seiner Mannschaft das Endspiel aber durch sein Tor zum 2:1 gegen Sporting Lissabon im Halbfinale erst ermöglicht. "Diese beiden Spiele werde ich nie vergessen", sagt Sparwasser rückblickend. "Das Tor gegen Lissabon war für mich das wichtigste in meiner Karriere."

Dennoch: Ein Wermutstropfen ist hängen geblieben bei ihm. Die große Party auf dem Alten Markt in der Heimat verpasste Sparwasser mit einigen anderen Nationalspielern aus dem Kader der Magdeburger. Die Vorbereitung auf die WM in der Bundesrepublik Deutschland wartete. Die Nationalspieler mussten gleich zur Auswahl weiterreisen." Ich habe unseren Triumph dadurch nicht komplett aufsaugen und genießen können", sagt Sparwasser, der bei der WM aber immerhin ein auch nicht ganz unwichtiges Tor schoss.

Sensationssaison im DFB-Pokal mit Sieg gegen FC Bayern

Die Geschichte seines Treffers zum 1:0-Sieg gegen den späteren Weltmeister Bundesrepublik Deutschland ist bekannt. Den 1. FC Magdeburg haben nach der Wiedervereinigung dagegen viele Fans aus den Augen verloren. Der Sprung in den Profifußball ist dem Verein aus Sachsen-Anhalt nie gelungen. In der laufenden Saison steht der Klub auf Platz fünf der Regionalliga Nordost und hat keine Chance mehr, in den Aufstiegskampf einzugreifen.

Magdeburg ist der einzige Fußballverein aus den neuen Bundesländern, der einen Europapokal gewonnen hat. Nach der Wende sorgte der Klub nur bei einigen DFB-Pokalteilnahmen für Furore - besonders in der Saison 2000/2001. Nacheinander wurden der 1. FC Köln, der FC Bayern München und der Karlsruher SC ausgeschaltet, bevor im Viertelfinale gegen den FC Schalke 04 beim 0:1 Endstation war.

Fahrstuhlmannschaft zwischen Regional- und Oberliga

Woran liegt es, dass der mehrfache DDR-Meister zur Fahrstuhlmannschaft zwischen Regional- und Oberliga geworden ist? Sparwasser macht in erster Linie Fehler nach der Wendezeit für die Entwicklung verantwortlich: "Damals war der 1. FC Magdeburg wie viele andere Klubs zu einem Neuanfang gezwungen. Viele Spieler waren schon bei anderen Vereinen oder zumindest gedanklich nicht mehr in Magdeburg, sondern mit Angeboten zahlungskräftiger Klubs aus den alten Bundesländern beschäftigt. Es gab Auflösungserscheinungen. Sowohl wirtschaftlich als auch sportlich war der Verein nicht in der Lage, diesen Aderlass zu kompensieren."

Angebote von ihm selbst und anderen ehemaligen Spielern, den Klub bei der Sponsorensuche und darüber hinaus zu unterstützen, seien mehrfach abgelehnt worden. "Unser Einfluss war nicht erwünscht, der Verein hat so strukturell zunächst einmal den Anschluss verpasst", urteilt Sparwasser. "Dass Profisport auf hohem Niveau in Magdeburg möglich ist, sieht man beim Handball. Ich denke, der Handball hat auch von den Versäumnissen des Fußballvereins profitiert." Der SC Magdeburg spielt in der Handball-Bundesliga und gewann in der Saison 2001/2002 als erster deutscher Verein die Champions League.

Insolvenz und Zwangsabstieg

Dass es für Magdeburgs Fußballer bislang nicht für die Bundesliga oder 2. Bundesliga gereicht hat, liegt auch an vielen knapp verpassten Chancen. Allen voran in der Saison 2006/2007. Drei Matchbälle wurden an den letzten Spieltagen der Saison vergeben. Der VfL Osnabrück zog im Endspurt vorbei und zerstörte den Magdeburger Traum vom Sprung in die 2. Bundesliga. Der FCM hatte da schon schwere Zeiten hinter sich. Tiefpunkt war im Jahr 2002 ein Insolvenzverfahren, das zum Zwangsabstieg aus der Regionalliga führte.

Die Begeisterung für Fußball ist in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt dennoch bis heute vorhanden. "Den Fans muss man ein Riesenkompliment machen, dass sie dem Verein so lange die Treue halten", sagt Sparwasser. Der FCM hat in der vierten Liga einen Schnitt von knapp 6000 Zuschauern pro Heimspiel.

Jährliches Treffen der Europacup-Legenden

Sparwasser, der die Entwicklungen bei seinem Heimatverein aus der Entfernung seines neuen Zuhauses in Hessen verfolgt, sieht Licht am Ende des Tunnels und traut dem Verein in der kommenden Saison zu, um den Aufstieg in die 3. Liga mitzuspielen. "Die Voraussetzungen sind vorhanden", sagt er. "Das moderne Stadion, das Jugendinternat, das mindestens Zweitligaformat besitzt, und die begeisterungsfähigen Anhänger bieten ideale Voraussetzungen, um mittelfristig Profifußball in Magdeburg bieten zu können." Der Magdeburger Jugendabteilung entstammen übrigens so namhafte Spieler wie Nationalspieler Marcel Schmelzer oder Hertha-Profi Maik Franz.

Stolz ist der 64-jährige Sparwasser, der heute in der Fußballschule von Eintracht Frankfurt tätig ist, auf das jährliche Treffen des Teams, das 1974 den Europapokal nach Magdeburg holte: "Wir losen immer aus, wer für die Organisation zuständig ist. Am 8. Mai ist es wieder soweit. Da beneiden mich viele, wenn sie hören, dass wir diese Tradition über so einen langen Zeitraum beibehalten haben und jeder dabei ist." Es ist die Erinnerung an den größten Tag in der Geschichte des 1. FC Magdeburg.

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Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders an der Basis.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: der 1. FC Magdeburg. Der einzige Europapokalsieger der DDR bewegt sich seit der Wende zwischen Regional- und Oberliga.

Triumph gegen Trapattonis Milan-Starensemble

Dieser Tag hat seinen festen Platz in der Vereinsgeschichte des FC Magdeburg. Am 8. Mai 1974 treffen im Feyenoord-Stadion von Rotterdam im Finale des Europapokals der Pokalsieger zwei Klubs aufeinander, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Das Spitzenteam aus der DDR, der 1. FC Magdeburg, spielt gegen das mit Stars gespickte und hoch favorisierte Team vom AC Mailand um den damals 35-jährigen Trainer Giovanni Trapattoni und Abwehrchef Karl-Heinz Schnellinger. Magdeburg bezwingt den Klub aus der italienischen Metropole mit 2:0 und wird Europapokalsieger.

Magdeburgs Topstürmer Jürgen Sparwasser blieb in Rotterdam zwar torlos, hatte seiner Mannschaft das Endspiel aber durch sein Tor zum 2:1 gegen Sporting Lissabon im Halbfinale erst ermöglicht. "Diese beiden Spiele werde ich nie vergessen", sagt Sparwasser rückblickend. "Das Tor gegen Lissabon war für mich das wichtigste in meiner Karriere."

Dennoch: Ein Wermutstropfen ist hängen geblieben bei ihm. Die große Party auf dem Alten Markt in der Heimat verpasste Sparwasser mit einigen anderen Nationalspielern aus dem Kader der Magdeburger. Die Vorbereitung auf die WM in der Bundesrepublik Deutschland wartete. Die Nationalspieler mussten gleich zur Auswahl weiterreisen." Ich habe unseren Triumph dadurch nicht komplett aufsaugen und genießen können", sagt Sparwasser, der bei der WM aber immerhin ein auch nicht ganz unwichtiges Tor schoss.

Sensationssaison im DFB-Pokal mit Sieg gegen FC Bayern

Die Geschichte seines Treffers zum 1:0-Sieg gegen den späteren Weltmeister Bundesrepublik Deutschland ist bekannt. Den 1. FC Magdeburg haben nach der Wiedervereinigung dagegen viele Fans aus den Augen verloren. Der Sprung in den Profifußball ist dem Verein aus Sachsen-Anhalt nie gelungen. In der laufenden Saison steht der Klub auf Platz fünf der Regionalliga Nordost und hat keine Chance mehr, in den Aufstiegskampf einzugreifen.

Magdeburg ist der einzige Fußballverein aus den neuen Bundesländern, der einen Europapokal gewonnen hat. Nach der Wende sorgte der Klub nur bei einigen DFB-Pokalteilnahmen für Furore - besonders in der Saison 2000/2001. Nacheinander wurden der 1. FC Köln, der FC Bayern München und der Karlsruher SC ausgeschaltet, bevor im Viertelfinale gegen den FC Schalke 04 beim 0:1 Endstation war.

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Fahrstuhlmannschaft zwischen Regional- und Oberliga

Woran liegt es, dass der mehrfache DDR-Meister zur Fahrstuhlmannschaft zwischen Regional- und Oberliga geworden ist? Sparwasser macht in erster Linie Fehler nach der Wendezeit für die Entwicklung verantwortlich: "Damals war der 1. FC Magdeburg wie viele andere Klubs zu einem Neuanfang gezwungen. Viele Spieler waren schon bei anderen Vereinen oder zumindest gedanklich nicht mehr in Magdeburg, sondern mit Angeboten zahlungskräftiger Klubs aus den alten Bundesländern beschäftigt. Es gab Auflösungserscheinungen. Sowohl wirtschaftlich als auch sportlich war der Verein nicht in der Lage, diesen Aderlass zu kompensieren."

Angebote von ihm selbst und anderen ehemaligen Spielern, den Klub bei der Sponsorensuche und darüber hinaus zu unterstützen, seien mehrfach abgelehnt worden. "Unser Einfluss war nicht erwünscht, der Verein hat so strukturell zunächst einmal den Anschluss verpasst", urteilt Sparwasser. "Dass Profisport auf hohem Niveau in Magdeburg möglich ist, sieht man beim Handball. Ich denke, der Handball hat auch von den Versäumnissen des Fußballvereins profitiert." Der SC Magdeburg spielt in der Handball-Bundesliga und gewann in der Saison 2001/2002 als erster deutscher Verein die Champions League.

Insolvenz und Zwangsabstieg

Dass es für Magdeburgs Fußballer bislang nicht für die Bundesliga oder 2. Bundesliga gereicht hat, liegt auch an vielen knapp verpassten Chancen. Allen voran in der Saison 2006/2007. Drei Matchbälle wurden an den letzten Spieltagen der Saison vergeben. Der VfL Osnabrück zog im Endspurt vorbei und zerstörte den Magdeburger Traum vom Sprung in die 2. Bundesliga. Der FCM hatte da schon schwere Zeiten hinter sich. Tiefpunkt war im Jahr 2002 ein Insolvenzverfahren, das zum Zwangsabstieg aus der Regionalliga führte.

Die Begeisterung für Fußball ist in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt dennoch bis heute vorhanden. "Den Fans muss man ein Riesenkompliment machen, dass sie dem Verein so lange die Treue halten", sagt Sparwasser. Der FCM hat in der vierten Liga einen Schnitt von knapp 6000 Zuschauern pro Heimspiel.

Jährliches Treffen der Europacup-Legenden

Sparwasser, der die Entwicklungen bei seinem Heimatverein aus der Entfernung seines neuen Zuhauses in Hessen verfolgt, sieht Licht am Ende des Tunnels und traut dem Verein in der kommenden Saison zu, um den Aufstieg in die 3. Liga mitzuspielen. "Die Voraussetzungen sind vorhanden", sagt er. "Das moderne Stadion, das Jugendinternat, das mindestens Zweitligaformat besitzt, und die begeisterungsfähigen Anhänger bieten ideale Voraussetzungen, um mittelfristig Profifußball in Magdeburg bieten zu können." Der Magdeburger Jugendabteilung entstammen übrigens so namhafte Spieler wie Nationalspieler Marcel Schmelzer oder Hertha-Profi Maik Franz.

Stolz ist der 64-jährige Sparwasser, der heute in der Fußballschule von Eintracht Frankfurt tätig ist, auf das jährliche Treffen des Teams, das 1974 den Europapokal nach Magdeburg holte: "Wir losen immer aus, wer für die Organisation zuständig ist. Am 8. Mai ist es wieder soweit. Da beneiden mich viele, wenn sie hören, dass wir diese Tradition über so einen langen Zeitraum beibehalten haben und jeder dabei ist." Es ist die Erinnerung an den größten Tag in der Geschichte des 1. FC Magdeburg.