"Kein Fußball den Faschisten": Fanladen St. Pauli erhält Hirsch-Preis

Der Julius Hirsch Preis 2016 geht an den Fanladen FC St. Pauli. Im Februar trug die Mannschaft des Zweitligisten beim Heimspiel gegen RB Leipzig den Slogan "Kein Fußball den Faschisten" auf der Brust. Heute wurden die Hamburger im Alten Rathaus von Hannover im Beisein von DFB-Präsident Reinhard Grindel ausgezeichnet, die Laudatio hielt Herbert Grönemeyer.

Der Fanladen des FC St. Pauli ist eines von 57 vereinsunabhängigen Fanprojekten in Deutschland. Vor 27 Jahren begann alles in einem ehemaligen Friseursalon auf dem Kiez, nach dem vierten Umzug ist der Fanladen heute im Stadion untergebracht, direkt unter der Gegengerade. Justus Peltzer wirkt hier mit unschlagbarer Authentizität. Auf seiner Mütze steht "Hardcore St. Pauli", er war Fan, bevor er vor acht Jahren als Sozialpädagoge anfing.

Er erinnert sich, als man die Idee mit dem Logo des Fanladens auf dem Trikot erst mal ablehnte. Zum 25. Geburtstag nämlich hatte der Verein seinem Fanprojekt die Brust der Spieler geschenkt. "Weil wir nie einfach sind, haben wir gesagt, dass wir, wenn wir schon so eine prominente Fläche geschenkt bekommen, ein Statement machen wollen", sagt Peltzer. Das mehrheitlich favorisierte Statement lautete: "Kein Fußball den Faschisten".

"Kein Vergeben. Kein Vergessen."

Immer am 27. Januar, Datum der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, wird weltweit der Internationale Holocaust-Gedenktag begangen. Die Bürgerbewegung "Nie wieder!" sowie DFB und DFL rufen seit 2005 alle Fußballvereine auf, den Gedenktag im Stadion zu begehen. Am 21. Spieltag der vergangenen Saison liefen die Spieler vom FC St. Pauli beim Heimspiel gegen RB Leipzig mit dem Slogan "Kein Fußball den Faschisten" auf. Pauli-Präsident Oke Göttlich und Oliver Mintzlaff, Geschäftsführer des späteren Bundesliga-Aufsteigers, gaben auf dem Rasen im ausverkauften Millerntor eine gemeinsame Erklärung ab. Mintzlaff sagte, mit der Aktion wolle man "ein Zeichen gegen Fremdenhass" setzen. Göttlich sagte zum Abschluss: "Kein Vergeben. Kein Vergessen. Forza St. Pauli."

Historische Vorträge etwa über die Flucht aus Deutschland und ein Workshop über "Codes und Zeichen der Neonaziszene" sowie eine Kranzniederlegung gehörten zum Rahmenprogramm. Der Fanladen veranstaltet für Jugendliche Rundgänge durch das Viertel, bei dem Orte der Nazivergangenheit gezeigt und erklärt werden: enteignete jüdische Häuser, im ehemaligen HJ-Gebäude öffnet heute ein Musikclub abends die Tür. Der Rundgang endet immer vor der Gedenktafel an der Südkurve.

Lienen: "Es geht um die Verteidigung unserer Demokratie"

Bereits seit sieben Jahren organisiert der Fanladen Aktionen zum Holocaust-Gedenktag. Peltzer betont die Dringlichkeit: "Rechtextremes Gedankengut wandert immer mehr in die Mitte der Gesellschaft. Der Fußball ist nach wie vor ein Rekrutierungsfeld, auch für Neonazi-Gruppen." Dem Spieltag vorausgegangen waren intensive Gespräche mit dem Hauptsponsor und der DFL. Der Sponsor verzichtete freiwillig für ein Spiel auf sein Werberecht, die Liga gestattete den Slogan. Bis heute ist der FC St. Pauli der erste und einzige Lizenzverein, der den "Erinnerungstag des deutschen Fußballs" mit einer Botschaft auf dem Trikot gewürdigt hat.

Ewald Lienen findet sich in diesem Thema total wieder. "Es geht hier nicht um Fußball, sondern um die Verteidigung unserer Demokratie", sagt der Coach des Zweitligisten. Der FC St. Pauli ist viel mehr als seine 15. Trainerstation, es ist auch eine Heimkehr. Lienen sagt: "Der FC St. Pauli passt 100-prozentig zu meiner Vita und meiner Philosophie. Ich fühle mich hier zu Hause und bin megastolz auf unsere Leute im FC St. Pauli-Fanladen."

"Mittler im Dreieck Verein, Fans und Polizei"

Der "Weltpokalsiegerbesieger" ist natürlich eine Gemengelage: das weltoffene Lebensgefühl der Hafenstadt Hamburg, eine durchaus betont gelebte Anti-Haltung, ausbalanciert mit Selbstironie und nicht selten einer fußballerischen Underdog-Mentalität. Das berühmte Logo, der Totenkopf mit den gekreuzten Knochen, entstand, als ein junger Punk namens Doc Mabuse eine Fahne auf dem Dom klaute und, an einem Besenstiehl gehisst, ins Stadion trug.

Mittendrin in dieser Gemengelage arbeitet mit seinen fünf Mitarbeitern der Fanladen. Justus Peltzer sagt, er könne diesen Job für keinen anderen Fußballverein der Welt machen. Früher stand er selbst in der Kurve. "Der Kontakt zu allen Fangruppen ist uns wichtig", sagt er. "Wir sind das Sprachrohr der Fanszene, wir sehen uns als Mittler im Dreieck Verein, Fans und Polizei."

[th]

Der Julius Hirsch Preis 2016 geht an den Fanladen FC St. Pauli. Im Februar trug die Mannschaft des Zweitligisten beim Heimspiel gegen RB Leipzig den Slogan "Kein Fußball den Faschisten" auf der Brust. Heute wurden die Hamburger im Alten Rathaus von Hannover im Beisein von DFB-Präsident Reinhard Grindel ausgezeichnet, die Laudatio hielt Herbert Grönemeyer.

Der Fanladen des FC St. Pauli ist eines von 57 vereinsunabhängigen Fanprojekten in Deutschland. Vor 27 Jahren begann alles in einem ehemaligen Friseursalon auf dem Kiez, nach dem vierten Umzug ist der Fanladen heute im Stadion untergebracht, direkt unter der Gegengerade. Justus Peltzer wirkt hier mit unschlagbarer Authentizität. Auf seiner Mütze steht "Hardcore St. Pauli", er war Fan, bevor er vor acht Jahren als Sozialpädagoge anfing.

Er erinnert sich, als man die Idee mit dem Logo des Fanladens auf dem Trikot erst mal ablehnte. Zum 25. Geburtstag nämlich hatte der Verein seinem Fanprojekt die Brust der Spieler geschenkt. "Weil wir nie einfach sind, haben wir gesagt, dass wir, wenn wir schon so eine prominente Fläche geschenkt bekommen, ein Statement machen wollen", sagt Peltzer. Das mehrheitlich favorisierte Statement lautete: "Kein Fußball den Faschisten".

"Kein Vergeben. Kein Vergessen."

Immer am 27. Januar, Datum der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, wird weltweit der Internationale Holocaust-Gedenktag begangen. Die Bürgerbewegung "Nie wieder!" sowie DFB und DFL rufen seit 2005 alle Fußballvereine auf, den Gedenktag im Stadion zu begehen. Am 21. Spieltag der vergangenen Saison liefen die Spieler vom FC St. Pauli beim Heimspiel gegen RB Leipzig mit dem Slogan "Kein Fußball den Faschisten" auf. Pauli-Präsident Oke Göttlich und Oliver Mintzlaff, Geschäftsführer des späteren Bundesliga-Aufsteigers, gaben auf dem Rasen im ausverkauften Millerntor eine gemeinsame Erklärung ab. Mintzlaff sagte, mit der Aktion wolle man "ein Zeichen gegen Fremdenhass" setzen. Göttlich sagte zum Abschluss: "Kein Vergeben. Kein Vergessen. Forza St. Pauli."

Historische Vorträge etwa über die Flucht aus Deutschland und ein Workshop über "Codes und Zeichen der Neonaziszene" sowie eine Kranzniederlegung gehörten zum Rahmenprogramm. Der Fanladen veranstaltet für Jugendliche Rundgänge durch das Viertel, bei dem Orte der Nazivergangenheit gezeigt und erklärt werden: enteignete jüdische Häuser, im ehemaligen HJ-Gebäude öffnet heute ein Musikclub abends die Tür. Der Rundgang endet immer vor der Gedenktafel an der Südkurve.

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Lienen: "Es geht um die Verteidigung unserer Demokratie"

Bereits seit sieben Jahren organisiert der Fanladen Aktionen zum Holocaust-Gedenktag. Peltzer betont die Dringlichkeit: "Rechtextremes Gedankengut wandert immer mehr in die Mitte der Gesellschaft. Der Fußball ist nach wie vor ein Rekrutierungsfeld, auch für Neonazi-Gruppen." Dem Spieltag vorausgegangen waren intensive Gespräche mit dem Hauptsponsor und der DFL. Der Sponsor verzichtete freiwillig für ein Spiel auf sein Werberecht, die Liga gestattete den Slogan. Bis heute ist der FC St. Pauli der erste und einzige Lizenzverein, der den "Erinnerungstag des deutschen Fußballs" mit einer Botschaft auf dem Trikot gewürdigt hat.

Ewald Lienen findet sich in diesem Thema total wieder. "Es geht hier nicht um Fußball, sondern um die Verteidigung unserer Demokratie", sagt der Coach des Zweitligisten. Der FC St. Pauli ist viel mehr als seine 15. Trainerstation, es ist auch eine Heimkehr. Lienen sagt: "Der FC St. Pauli passt 100-prozentig zu meiner Vita und meiner Philosophie. Ich fühle mich hier zu Hause und bin megastolz auf unsere Leute im FC St. Pauli-Fanladen."

"Mittler im Dreieck Verein, Fans und Polizei"

Der "Weltpokalsiegerbesieger" ist natürlich eine Gemengelage: das weltoffene Lebensgefühl der Hafenstadt Hamburg, eine durchaus betont gelebte Anti-Haltung, ausbalanciert mit Selbstironie und nicht selten einer fußballerischen Underdog-Mentalität. Das berühmte Logo, der Totenkopf mit den gekreuzten Knochen, entstand, als ein junger Punk namens Doc Mabuse eine Fahne auf dem Dom klaute und, an einem Besenstiehl gehisst, ins Stadion trug.

Mittendrin in dieser Gemengelage arbeitet mit seinen fünf Mitarbeitern der Fanladen. Justus Peltzer sagt, er könne diesen Job für keinen anderen Fußballverein der Welt machen. Früher stand er selbst in der Kurve. "Der Kontakt zu allen Fangruppen ist uns wichtig", sagt er. "Wir sind das Sprachrohr der Fanszene, wir sehen uns als Mittler im Dreieck Verein, Fans und Polizei."

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