"Wir alle müssen füreinander einstehen"

Rassistische Vorfälle nehmen in der Gesellschaft immer weiter zu. Auch auf den Fußballplätzen in Deutschland ist diese Entwicklung zu beobachten. Deswegen setzt sich der DFB entschieden dagegen ein - mit Fußball Verein(t) gegen Rassismus und dem Projekt zur wirksamen und nachhaltigen Anti-Rassismus-Arbeit im Amateurfußball. Younis Kamil und Huda Mahmood sind Vorfälle, die sich speziell gegen muslimische Spieler*innen richten, nicht fremd. Kamil, 39 Jahre alt, ist Sportwissenschaftler, Projektleiter beim DOSB und Vorstandsvorsitzender beim Internationalen Sportclub Al Hilal in Bonn. Die 24-jährige Mahmood ist Trainerin einer Mädchenmannschaft beim gleichen Verein. Beide haben auf dem Fußballplatz schon Erfahrungen mit Hass und Rassismus gemacht. Anlässlich des Tages gegen antimuslimischen Rassismus hat DFB.de mit den beiden gesprochen.

DFB.de: Herr Kamil, was genau ist eigentlich antimuslimischer Rassismus?

Younis Kamil: Rassismus geht immer davon aus, dass wir Menschen aufgrund ihrer biologischen Herkunft unveränderliche Verhaltens- und Charakterweisen zuschreiben. Antimuslimischer Rassismus stellt jedoch nicht die biologischen, sondern die kulturellen Faktoren in den Vordergrund. Einer bestimmten Kulturgruppe werden aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Religion oder Kultur bestimmte Verhaltensweisen zugeschrieben. Gerade bei muslimischen Menschen gibt es zurzeit ein starkes Framing bezüglich der Eigenschaften und Verhaltensweisen. Diese Stereotype sind jedoch ausschließlich negativ.

DFB.de: Was hilft gegen antimuslimischen Rassismus?

Kamil: Sichtbarkeit und darüber sprechen. Allein, dass wir dieses Interview hier heute führen, bedeutet mir persönlich unglaublich viel, aber auch den ganzen Musliminnen und Muslimen da draußen auf den Fußballplätzen. Die Message, die bei ihnen ankommt, ist, dass sie endlich gesehen und ihre Positionen gehört werden.

DFB.de: Welche Erfahrungen haben Sie beide bereits mit Rassismus gemacht?

Kamil: Wir erleben oft Rassismus. Erst kürzlich kam es erneut vor, dass unsere Spieler aufgrund ihrer Herkunft schlecht behandelt wurden, was dazu geführt hat, dass unsere 15-jährigen Jungs nach dem Spiel in der Kabine geweint haben. Das macht mich wütend.

Huda Mahmood: Ein Erlebnis, das mir einfällt: Wir waren bei einem Auswärtsspiel und von Anfang herrschte uns gegenüber eine  feindselige Stimmung. Als später eine unserer Spielerinnen wegen Handspiels eine Rote Karte sah, jubelten die Zuschauer und es wurde gerufen: "Das habt ihr verdient, schon wieder die mit dem Kopftuch."

DFB.de: Wie geht eine betroffene Person damit am besten um?

Kamil: Du musst mit jemandem reden und versuchen, Gerechtigkeit herzustellen. Wenn das nicht möglich ist, fühlt man sich hilflos und diese Gefühle müssen irgendwie raus. Viele Spieler und Spielerinnen im Amateurfußball kennen die existierenden Anlaufstellen und Angebote gar nicht. Unsere Spielerinnen und Spieler im Verein haben das Glück, dass sie Vorsitzende und Trainer haben, die für das Thema sensibilisiert sind und an die sie sich wenden können. Doch nicht alle haben dieses Glück. Wenn man als junger Mensch immer wieder benachteiligt wird, dann macht das etwas mit dir. Das löst sehr negative Gefühle aus.

Mahmood: Für mich ist es ein Unterschied, ob es mir passiert, oder ob ich solche Vorfälle bei jemand anderem mitbekomme. Bei mir selbst bin ich es schon so gewohnt und kann damit umgehen, aber es tut mir weh, wenn ich sehe, dass es jemanden in meinem Umfeld sehr mitnimmt. Es erweckt in mir einen Beschützerinneninstinkt und ich würde dann eher etwas dagegen sagen. Vor allem bei den Mädchen, die ich trainiere. Da weiß ich auch, dass meine Trainerin-Kollegin dabei ist, dann fühlt man sich nicht so allein. Wie Younis sagt, wenn man selbst betroffen ist, hat man das Gefühl, allein und hilflos zu sein.

DFB.de: Wie soll ich handeln, wenn ich Rassismus mitbekomme, aber nicht selbst betroffen bin?

Kamil: Als wir einen Rassismusvorfall hatten, sind ein paar Spieler der gegnerischen Mannschaft auf uns zugekommen und haben gesagt: "Das, was passiert ist, ist nicht in Ordnung und es tut uns leid." Der erste Schritt ist, dass sie es wahrgenommen haben. Deswegen wünsche ich mir, dass wir, wenn so etwas passiert, dagegen einstehen und wenn es sein muss, das Spiel abbrechen. Mein größter Wunsch ist, dass wir so solidarisch miteinander sind, dass wir nicht zuerst auf die drei Punkte schauen, sondern dass ein Elternteil oder ein Trainer zu uns kommt und sagt: "Was passiert ist, geht nicht. Was können wir machen?" Wenn man das nicht tut, dann passiert genau das, was gerade auch in unserer Gesellschaft passiert: Wir distanzieren uns. Mein Team und ich haben an dem Tag den Platz mit dem Gefühl verlassen, dass man sich nicht für uns eingesetzt und uns im Stich gelassen hat.

DFB.de: Was wünschen Sie sich für die Zukunft und wie kann Fußball ein "Safe Space" für jeden werden?

Kamil: Es braucht Lösungen, wie man mit rassistischen Vorfällen am Fußballplatz umgeht und wie wir in so einer Situation handeln können. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass alle so solidarisch miteinander sind, dass wir merken, wenn jemandem Unrecht geschieht und wir dann füreinander einstehen. Von den Verbänden wünsche ich mir klare und eindeutige Positionierungen und vor allem Taten. Dass man uns Glauben schenkt, wenn rassistische Vorfälle zur Sprache gebracht werden. Für Personen, die so etwas ausüben, wünsche ich mir, dass es drastische Strafen gibt als Signalwirkung für alle anderen. So ein Verhalten sollte auf deutschen Fußballplätzen nicht geduldet werden. Zusätzlich zu Kampagnen braucht es auch tatkräftige Unterstützung und das Vertrauen, dass auf solche Vorfälle Konsequenzen folgen.

Mahmood: Ich würde mir im Fußball wünschen, dass man den Gegner ganz normal bewertet, egal ob Migrationsgeschichte oder nicht. Ich glaube, das vergessen die Menschen oft. Zu oft scheint es mir so, als wollen manche ihren Frust im Fußball auslassen. Wir wollen doch alle nur Fußball spielen. Von Vereinen, Trainer*innen und Verbänden würde ich mir wünschen, dass sie sich über das Thema Rassismus informieren und offener werden. Sie sollen den Menschen sehen, anstatt ihn mit bestimmten Vorurteilen zu konfrontieren.

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Rassistische Vorfälle nehmen in der Gesellschaft immer weiter zu. Auch auf den Fußballplätzen in Deutschland ist diese Entwicklung zu beobachten. Deswegen setzt sich der DFB entschieden dagegen ein - mit Fußball Verein(t) gegen Rassismus und dem Projekt zur wirksamen und nachhaltigen Anti-Rassismus-Arbeit im Amateurfußball. Younis Kamil und Huda Mahmood sind Vorfälle, die sich speziell gegen muslimische Spieler*innen richten, nicht fremd. Kamil, 39 Jahre alt, ist Sportwissenschaftler, Projektleiter beim DOSB und Vorstandsvorsitzender beim Internationalen Sportclub Al Hilal in Bonn. Die 24-jährige Mahmood ist Trainerin einer Mädchenmannschaft beim gleichen Verein. Beide haben auf dem Fußballplatz schon Erfahrungen mit Hass und Rassismus gemacht. Anlässlich des Tages gegen antimuslimischen Rassismus hat DFB.de mit den beiden gesprochen.

DFB.de: Herr Kamil, was genau ist eigentlich antimuslimischer Rassismus?

Younis Kamil: Rassismus geht immer davon aus, dass wir Menschen aufgrund ihrer biologischen Herkunft unveränderliche Verhaltens- und Charakterweisen zuschreiben. Antimuslimischer Rassismus stellt jedoch nicht die biologischen, sondern die kulturellen Faktoren in den Vordergrund. Einer bestimmten Kulturgruppe werden aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Religion oder Kultur bestimmte Verhaltensweisen zugeschrieben. Gerade bei muslimischen Menschen gibt es zurzeit ein starkes Framing bezüglich der Eigenschaften und Verhaltensweisen. Diese Stereotype sind jedoch ausschließlich negativ.

DFB.de: Was hilft gegen antimuslimischen Rassismus?

Kamil: Sichtbarkeit und darüber sprechen. Allein, dass wir dieses Interview hier heute führen, bedeutet mir persönlich unglaublich viel, aber auch den ganzen Musliminnen und Muslimen da draußen auf den Fußballplätzen. Die Message, die bei ihnen ankommt, ist, dass sie endlich gesehen und ihre Positionen gehört werden.

DFB.de: Welche Erfahrungen haben Sie beide bereits mit Rassismus gemacht?

Kamil: Wir erleben oft Rassismus. Erst kürzlich kam es erneut vor, dass unsere Spieler aufgrund ihrer Herkunft schlecht behandelt wurden, was dazu geführt hat, dass unsere 15-jährigen Jungs nach dem Spiel in der Kabine geweint haben. Das macht mich wütend.

Huda Mahmood: Ein Erlebnis, das mir einfällt: Wir waren bei einem Auswärtsspiel und von Anfang herrschte uns gegenüber eine  feindselige Stimmung. Als später eine unserer Spielerinnen wegen Handspiels eine Rote Karte sah, jubelten die Zuschauer und es wurde gerufen: "Das habt ihr verdient, schon wieder die mit dem Kopftuch."

DFB.de: Wie geht eine betroffene Person damit am besten um?

Kamil: Du musst mit jemandem reden und versuchen, Gerechtigkeit herzustellen. Wenn das nicht möglich ist, fühlt man sich hilflos und diese Gefühle müssen irgendwie raus. Viele Spieler und Spielerinnen im Amateurfußball kennen die existierenden Anlaufstellen und Angebote gar nicht. Unsere Spielerinnen und Spieler im Verein haben das Glück, dass sie Vorsitzende und Trainer haben, die für das Thema sensibilisiert sind und an die sie sich wenden können. Doch nicht alle haben dieses Glück. Wenn man als junger Mensch immer wieder benachteiligt wird, dann macht das etwas mit dir. Das löst sehr negative Gefühle aus.

Mahmood: Für mich ist es ein Unterschied, ob es mir passiert, oder ob ich solche Vorfälle bei jemand anderem mitbekomme. Bei mir selbst bin ich es schon so gewohnt und kann damit umgehen, aber es tut mir weh, wenn ich sehe, dass es jemanden in meinem Umfeld sehr mitnimmt. Es erweckt in mir einen Beschützerinneninstinkt und ich würde dann eher etwas dagegen sagen. Vor allem bei den Mädchen, die ich trainiere. Da weiß ich auch, dass meine Trainerin-Kollegin dabei ist, dann fühlt man sich nicht so allein. Wie Younis sagt, wenn man selbst betroffen ist, hat man das Gefühl, allein und hilflos zu sein.

DFB.de: Wie soll ich handeln, wenn ich Rassismus mitbekomme, aber nicht selbst betroffen bin?

Kamil: Als wir einen Rassismusvorfall hatten, sind ein paar Spieler der gegnerischen Mannschaft auf uns zugekommen und haben gesagt: "Das, was passiert ist, ist nicht in Ordnung und es tut uns leid." Der erste Schritt ist, dass sie es wahrgenommen haben. Deswegen wünsche ich mir, dass wir, wenn so etwas passiert, dagegen einstehen und wenn es sein muss, das Spiel abbrechen. Mein größter Wunsch ist, dass wir so solidarisch miteinander sind, dass wir nicht zuerst auf die drei Punkte schauen, sondern dass ein Elternteil oder ein Trainer zu uns kommt und sagt: "Was passiert ist, geht nicht. Was können wir machen?" Wenn man das nicht tut, dann passiert genau das, was gerade auch in unserer Gesellschaft passiert: Wir distanzieren uns. Mein Team und ich haben an dem Tag den Platz mit dem Gefühl verlassen, dass man sich nicht für uns eingesetzt und uns im Stich gelassen hat.

DFB.de: Was wünschen Sie sich für die Zukunft und wie kann Fußball ein "Safe Space" für jeden werden?

Kamil: Es braucht Lösungen, wie man mit rassistischen Vorfällen am Fußballplatz umgeht und wie wir in so einer Situation handeln können. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass alle so solidarisch miteinander sind, dass wir merken, wenn jemandem Unrecht geschieht und wir dann füreinander einstehen. Von den Verbänden wünsche ich mir klare und eindeutige Positionierungen und vor allem Taten. Dass man uns Glauben schenkt, wenn rassistische Vorfälle zur Sprache gebracht werden. Für Personen, die so etwas ausüben, wünsche ich mir, dass es drastische Strafen gibt als Signalwirkung für alle anderen. So ein Verhalten sollte auf deutschen Fußballplätzen nicht geduldet werden. Zusätzlich zu Kampagnen braucht es auch tatkräftige Unterstützung und das Vertrauen, dass auf solche Vorfälle Konsequenzen folgen.

Mahmood: Ich würde mir im Fußball wünschen, dass man den Gegner ganz normal bewertet, egal ob Migrationsgeschichte oder nicht. Ich glaube, das vergessen die Menschen oft. Zu oft scheint es mir so, als wollen manche ihren Frust im Fußball auslassen. Wir wollen doch alle nur Fußball spielen. Von Vereinen, Trainer*innen und Verbänden würde ich mir wünschen, dass sie sich über das Thema Rassismus informieren und offener werden. Sie sollen den Menschen sehen, anstatt ihn mit bestimmten Vorurteilen zu konfrontieren.

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