Woche der Vielfalt: "Wir müssen immer Haltung zeigen"

Regenbogenfarben als Zeichen für mehr Vielfalt: Der VfL Wolfsburg beteiligt sich wieder an den internationalen Wochen gegen Rassismus. Am Vielfaltsspieltag laufen die Bundesliga-Frauen und Männer mit dem Volkswagen Logo in Regenbogenfarben auf. Elke Heitmüller, Leiterin Volkswagen Group Diversity Management, und Christian Rudolph, Leiter der zentralen DFB-Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt, sprechen über männliche Stereotype im Profifußball und verraten, was Unternehmen und Sport beim Thema Vielfalt voneinander lernen können.

Frage: Frau Heitmüller, Herr Rudolph, warum ist es auch im Jahr 2021 noch so wichtig, das Thema Vielfalt aktiv hervorzuheben?

Elke Heitmüller: Unser Ziel ist es, Diversity und Inklusion in der Gesellschaft besser zu leben und auch bei Volkswagen weiter zu stärken. Das ist ein Marathon und kein Sprint. Ohne Diversity können Kulturwandel und Transformation bei Volkswagen nicht funktionieren. Beides müssen wir voranbringen. Wir können auf eine Perspektivenvielfalt, die eine diverse Belegschaft mit sich bringt, nicht verzichten. Wir müssen die verschiedenen Erfahrungen der Mitarbeitenden nutzen.

Christian Rudolph: Dem kann ich nur zustimmen. Ich finde es unheimlich wichtig, dass wir nicht nur heute, sondern auch in Zukunft immer Haltung zeigen. Wir müssen Vielfalt auch selber leben und uns dafür einsetzen. Da sind wir alle gefragt. Der Fußball ist so vielfältig, gerade an der Basis. Aber die Vielfalt wird an der Spitze noch nicht abgebildet. Die Diversität fehlt uns noch. Es existieren falsche Stereotype, die wir auflösen müssen. Dafür ist es wichtig, dass wir die Vielfalt fördern und befördern.

Heitmüller: Ja, das ist ein Prozess. Um die Transformation und den Kulturwandel bei Volkswagen weiter voranzutreiben, brauchen wir auch ein modernisiertes Managementverständnis. Genau da setzen wir zum Beispiel mit unserem Konzernprogramm diversity wins @ Volkswagen an: Das Training sensibilisiert Führungskräfte für unbewusste Vorurteile und den Nutzen von Perspektivenvielfalt, die erfolgreiche Teams ausmacht.

Frage: Was bedeutet Diversität für Sie?

Rudolph: Für mich ist Vielfalt, wenn wir es schaffen, alle Menschen abzubilden und einzubeziehen, die in unserer Gesellschaft leben. Auf den Fußball bezogen: Die Amateur*innen leisten gute Basisarbeit für ein gutes Miteinander, ein gutes Zusammenleben. Auf dem Fußballplatz kommen so viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Backgrounds zusammen. Diese Menschen sind aber noch nicht überall vertreten. Ich kenne zum Beispiel kaum Schwarze Schiedsrichter*innen im europäischen Spitzenfußball. Genauso wenig kenne ich Menschen mit Behinderung, die bei einem Profi-Verein im Vorstand oder in der Geschäftsführung aktiv sind. Da sind wir noch mehr gefordert.

Heitmüller: Vielfalt heißt für mich, dass sich jeder Mensch mit seinem Wissen und seiner Erfahrung einbringen kann – unabhängig vom Alter, vom kulturellen Hintergrund, von der Herkunft, vom Geschlecht, von der Hautfarbe oder von der sexuellen Orientierung. Es geht darum, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, mit Respekt behandelt wird und dann sein volles Potenzial entfalten kann. Das heißt aber auch, dass diese Interessensgruppen in Führungspositionen stärker vertreten sein müssen – egal ob im Fußball, in der Politik oder in der Wirtschaft. Gerade in diesen Positionen braucht es die Perspektivenvielfalt.

Frage: Gemeinsam mit dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seit Beginn des Jahres eine zentrale Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt eingerichtet. Was ist der Grundgedanke dabei?

Rudolph: Uns ist es wichtig, Sichtbarkeit für das Thema zu schaffen und weiter aufzuklären, im Profibereich wie auch bei den Amateuren. Wir sind eine Anlaufstelle für LSBTI+ Menschen und haben diese Stelle extra „Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt“ genannt. Die Förderung von geschlechtlicher Vielfalt ist da ein wichtiger Punkt: Wir sprechen über trans*, inter*, divers oder nonbinär. Uns können aber auch alle, die im Fußball aktiv sind und Beratung wünschen, kontaktieren.

Frage: Wie wird die DFB-Anlaufstelle bislang angenommen?

Rudolph: Gut. Wir haben die Anlaufstelle in der Community schon lange gefordert, weil wir die Unterstützung vom Fußball und speziell vom DFB brauchen. In den ersten Monaten hat die Anlaufstelle große öffentliche Aufmerksamkeit bekommen. Es gab viele Anfragen aus der Community, auch die Landesverbände sind schon auf mich zugekommen. Eines der Hauptthemen ist das Spielrecht für trans* und inter* Spieler*innen und Spieler*innen mit dem Geschlechtseintrag "divers".

Frage: Gibt es auch bei Volkswagen eine zentrale Anlaufstelle, Frau Heitmüller?

Heitmüller: Wir haben bei Volkswagen mehrere Anlaufstellen: Das Group Diversity Management und Diversity-Ansprechpartner*innen in allen größeren Werken und beim Betriebsrat. Unsere Mitarbeitenden-Netzwerke nehmen eine entscheidende Rolle ein. Wir haben ein sehr aktives LGBTIQ*-and-friends-Netzwerk, mit dem wir Veranstaltungen anbieten und Wissen vermitteln. Viele Menschen haben Vorbehalte, weil sie nicht gut informiert sind. Unsere Aufgabe ist es, dass das Thema bekannter wird. Menschen, die sich noch nicht voll anerkannt fühlen, sollen Ansprechpartner*innen haben und wissen, an wen sie sich wenden können. Sie sollen wissen, dass sie nicht alleine sind und wir die Herausforderung gemeinsam lösen können.

Frage: Warum ist Diversität im Profifußball häufig noch ein Tabuthema, wenn es zum Beispiel um das Outing von Profisportler*innen geht?

Rudolph: Eine große Schwierigkeit sind die Stereotype, die es im Fußballgibt: diese übertriebene Männlichkeit, Kampfstärke, Durchsetzungsvermögen. Über Depressionen, den großen Druck vor wichtigen Spielen oder Verletzungstiefs wird im Profibereich dagegen sehr wenig gesprochen. Ein Grund dafür ist sicherlich die große Öffentlichkeit, auch durch Social Media. Die Profis stehen ständig unter Beobachtung, werden hochgejubelt und ebenso schnell ausgepfiffen. Deshalb wollen sich die meisten nicht angreifbar machen.

Frage: Welchen Beitrag kann der Vielfaltsspieltag beim VfL Wolfsburg leisten?

Heitmüller: Jede und jeder hat die Verantwortung dafür, Vielfalt in der Gesellschaft zu leben. Alle Menschen sind gefordert, ihre Komfortzone zu verlassen und mit Menschen, die einem erstmal nicht vertraut sind, ins Gespräch zu kommen. Dann bewegt sich etwas. Der Fußball hat einen Vorbildcharakter und eine wahnsinnige Reichweite, die wir nutzen müssen. Der große Leistungsdruck im Profifußball ist vergleichbar mit dem Druck im Top-Management. Menschen neigen unter Druck dazu, in althergebrachte und bewährte Verhaltensweisen zu verfallen, weil sie scheinbar Sicherheit geben. Sie bewegen sich dann in eher homogenen, bestätigenden Kreisen. Deshalb ist es so wichtig, zunächst einmal ein positives Verhältnis zur Vielfalt zu entwickeln. Der Schritt raus aus der Komfortzone lohnt sich ungemein.

Rudolph: Das ist ein guter, wichtiger Punkt: Der Vielfaltsspieltag schafft ein Bewusstsein für andere Blickwinkel. Wir können mit der queeren Community in den Austausch kommen. Dafür ist so ein Spieltag eine schöne Gelegenheit, der alle miteinbezieht: Alle Geschlechter, Jung und Alt. Der Profi-Fußball lebt zuweilen in seiner eigenen Blase. Ich erhoffe mir, dass der Profibereich durch den Vielfaltsspieltag wieder mehr mit dem Amateursport in Kontakt kommt und sich die Lücke verkleinert.

Frage: Im letzten Jahr war die Volkwagen Kampagne "WeDriveDiversity" sehr erfolgreich. Warum hilft die Plattform Fußball immer wieder dabei, Aufmerksamkeit für das Thema Vielfalt zu schaffen?

Heitmüller: Die erfolgreichen Teams sind divers. Fußball transportiert wunderbar die Message: Homogenität ist innovationsfeindlich und führt nicht zu guten Ergebnissen. Das Erfolgskonzept ist, dass jeder Mensch nach seinen Fähigkeiten am optimalen Platz eingesetzt ist und seine Fähigkeiten vielfältig sind. Das kann man beim Sport lernen. Der Fußball verknüpft den Diversity-Gedanken mit Spiel, Spaß und Wettbewerb

Frage: Das Fußballmagazin 11Freunde hat zuletzt mit der Kampagne "Ihr könnt auf uns zählen" ebenfalls auf das Thema Vielfalt aufmerksam gemacht. Dabei haben über 800 Profifußballer*innen, unter anderem auch Torhüterin Almuth Schult vom VfL Wolfsburg, homosexuellen Profis den Rücken gestärkt. Welchen Umgang mit dem Thema wünschen Sie sich im öffentlichen Diskurs?

Rudolph: Ich fand es wirklich stark, dass ein Medienmagazin wie 11Freunde diese Kampagne initiiert hat. Das habe ich mir schon lange gewünscht. Gerade beim Thema Homophobie und Sexismus hatte ich das Gefühl, dass sich die Spieler*innen davor scheuen, Stellung zu beziehen. Wenn wir über gleichgeschlechtliche Liebe sprechen, dann geht es darum, dass Menschen komplett zu sich selbst stehen können. Jeder heterosexuelle Fußballer kann problemlos erzählen, was er am Wochenende mit seiner Familie gemacht hat. Queere Menschen nicht. Am Ende geht es um einen selbstverständlichen Umgang und eine Sensibilität.

Heitmüller: Starke und mutige Statements von bekannten Menschen sind wichtig, weil es viele Berührungsängste gibt, die gar nicht böse gemeint sind. Es sind eben Ängste. Da helfen Vorbilder und eine Speak-up-Kultur. Die Frage ist also: Wie bekommen wir es hin, mehr Offenheit und Akzeptanz zu schaffen, obwohl es eine große Unsicherheit gibt? Daher ist eine Vorbildkultur immens wichtig. Unser gesamtes Vorstandsteam steht ein für Vielfalt, Respekt und Akzeptanz und bekennt Farbe. Das ist eine wichtige Grundvoraussetzung, um das Thema Vielfalt im Unternehmen zu leben.

Rudolph: Das ist wirklich vorbildlich. Eine solche Unterstützung wünsche ich mir auch von Trainer*innen und Vorstandsmitgliedern in den Vereinen und Verbänden. Man sollte nicht den Fehler machen und die gesamte Verantwortung bei den Fußballer*innen abladen.

Heitmüller: Was bei euch die Trainer*innen sind, das sind bei uns die Führungskräfte. Sie haben einfach eine ganz besondere Verantwortung. Sie sind Multiplikator*innen und haben es ein Stück weit in der Hand, eine inklusive und vorurteilsfreie Kultur im Team zu schaffen und zu stärken. Auch Führungskräfte und Trainer*innen sind Menschen, die Fehler machen dürfen. Die Diskussion um Verfehlungen ist mir manchmal zu hart, denn wir müssen darüber reden und kommen nur weiter, wenn wir uns offen austauschen.

Frage: Was kann Volkswagen als Konzern beim Thema Diversität vom Sport lernen?

Heitmüller: Volkswagen kann vom Sport lernen, dass erfolgreiche Teams diverse Teams sind. Auch in Sachen Fairplay und Teamplay können wir uns einiges abschauen. Auf dem Fußballplatz steht das gemeinsame Ziel im Vordergrund – unabhängig davon, wo jemand herkommt. Homogenität wäre dort nicht erfolgreich. Der DFB und Volkswagen haben beide die Herausforderung, dass es eine sehr männlich geprägte Entscheidungskulturgibt. Was die Teams schon leben, ist noch längst nicht auf allen Ebenen umgesetzt. Es geht nur gemeinsam: Wir haben eine gemeinsame Verantwortung als Vorbild für die Gesellschaft.

Frage: Was kann der DFB von Unternehmen wie Volkswagen lernen?

Rudolph: Ich nehme vor allem die vielen LSBTI-Netzwerke positiv wahr. Volkswagen gelingt es durch die Netzwerke, Mitarbeiter*innen zu stärken und vielfältige Mitarbeiter*innen zu gewinnen. Beim DFB haben wir 7 Millionen Mitglieder und viele Ehrenamtliche, die wir mitnehmen müssen. Beim Werben und Weiterentwickeln von qualifiziertem Personal kann der Fußball sehr viel aus der Wirtschaft lernen. Dem Fußball tut es gut, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen – auch auf andere Sportarten.


LSBTI+ steht als Abkürzung für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Trans*, Inter*.

LGBTIQ* ist die aus dem englischen Sprachraum übernommene Abkürzung für "Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersex, Queer" (Lesbisch, Schwul, Bi, Trans*, Inter*, Queer). Die Abkürzung kam in den USA auf und wurde auch in Deutschland gängig. Sie bezeichnet kurz und knapp Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität oder ihres Körpers von der heterosexuellen Norm abweichen.

[vw/dfb]

Regenbogenfarben als Zeichen für mehr Vielfalt: Der VfL Wolfsburg beteiligt sich wieder an den internationalen Wochen gegen Rassismus. Am Vielfaltsspieltag laufen die Bundesliga-Frauen und Männer mit dem Volkswagen Logo in Regenbogenfarben auf. Elke Heitmüller, Leiterin Volkswagen Group Diversity Management, und Christian Rudolph, Leiter der zentralen DFB-Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt, sprechen über männliche Stereotype im Profifußball und verraten, was Unternehmen und Sport beim Thema Vielfalt voneinander lernen können.

Frage: Frau Heitmüller, Herr Rudolph, warum ist es auch im Jahr 2021 noch so wichtig, das Thema Vielfalt aktiv hervorzuheben?

Elke Heitmüller: Unser Ziel ist es, Diversity und Inklusion in der Gesellschaft besser zu leben und auch bei Volkswagen weiter zu stärken. Das ist ein Marathon und kein Sprint. Ohne Diversity können Kulturwandel und Transformation bei Volkswagen nicht funktionieren. Beides müssen wir voranbringen. Wir können auf eine Perspektivenvielfalt, die eine diverse Belegschaft mit sich bringt, nicht verzichten. Wir müssen die verschiedenen Erfahrungen der Mitarbeitenden nutzen.

Christian Rudolph: Dem kann ich nur zustimmen. Ich finde es unheimlich wichtig, dass wir nicht nur heute, sondern auch in Zukunft immer Haltung zeigen. Wir müssen Vielfalt auch selber leben und uns dafür einsetzen. Da sind wir alle gefragt. Der Fußball ist so vielfältig, gerade an der Basis. Aber die Vielfalt wird an der Spitze noch nicht abgebildet. Die Diversität fehlt uns noch. Es existieren falsche Stereotype, die wir auflösen müssen. Dafür ist es wichtig, dass wir die Vielfalt fördern und befördern.

Heitmüller: Ja, das ist ein Prozess. Um die Transformation und den Kulturwandel bei Volkswagen weiter voranzutreiben, brauchen wir auch ein modernisiertes Managementverständnis. Genau da setzen wir zum Beispiel mit unserem Konzernprogramm diversity wins @ Volkswagen an: Das Training sensibilisiert Führungskräfte für unbewusste Vorurteile und den Nutzen von Perspektivenvielfalt, die erfolgreiche Teams ausmacht.

Frage: Was bedeutet Diversität für Sie?

Rudolph: Für mich ist Vielfalt, wenn wir es schaffen, alle Menschen abzubilden und einzubeziehen, die in unserer Gesellschaft leben. Auf den Fußball bezogen: Die Amateur*innen leisten gute Basisarbeit für ein gutes Miteinander, ein gutes Zusammenleben. Auf dem Fußballplatz kommen so viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Backgrounds zusammen. Diese Menschen sind aber noch nicht überall vertreten. Ich kenne zum Beispiel kaum Schwarze Schiedsrichter*innen im europäischen Spitzenfußball. Genauso wenig kenne ich Menschen mit Behinderung, die bei einem Profi-Verein im Vorstand oder in der Geschäftsführung aktiv sind. Da sind wir noch mehr gefordert.

Heitmüller: Vielfalt heißt für mich, dass sich jeder Mensch mit seinem Wissen und seiner Erfahrung einbringen kann – unabhängig vom Alter, vom kulturellen Hintergrund, von der Herkunft, vom Geschlecht, von der Hautfarbe oder von der sexuellen Orientierung. Es geht darum, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, mit Respekt behandelt wird und dann sein volles Potenzial entfalten kann. Das heißt aber auch, dass diese Interessensgruppen in Führungspositionen stärker vertreten sein müssen – egal ob im Fußball, in der Politik oder in der Wirtschaft. Gerade in diesen Positionen braucht es die Perspektivenvielfalt.

Frage: Gemeinsam mit dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seit Beginn des Jahres eine zentrale Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt eingerichtet. Was ist der Grundgedanke dabei?

Rudolph: Uns ist es wichtig, Sichtbarkeit für das Thema zu schaffen und weiter aufzuklären, im Profibereich wie auch bei den Amateuren. Wir sind eine Anlaufstelle für LSBTI+ Menschen und haben diese Stelle extra „Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt“ genannt. Die Förderung von geschlechtlicher Vielfalt ist da ein wichtiger Punkt: Wir sprechen über trans*, inter*, divers oder nonbinär. Uns können aber auch alle, die im Fußball aktiv sind und Beratung wünschen, kontaktieren.

Frage: Wie wird die DFB-Anlaufstelle bislang angenommen?

Rudolph: Gut. Wir haben die Anlaufstelle in der Community schon lange gefordert, weil wir die Unterstützung vom Fußball und speziell vom DFB brauchen. In den ersten Monaten hat die Anlaufstelle große öffentliche Aufmerksamkeit bekommen. Es gab viele Anfragen aus der Community, auch die Landesverbände sind schon auf mich zugekommen. Eines der Hauptthemen ist das Spielrecht für trans* und inter* Spieler*innen und Spieler*innen mit dem Geschlechtseintrag "divers".

Frage: Gibt es auch bei Volkswagen eine zentrale Anlaufstelle, Frau Heitmüller?

Heitmüller: Wir haben bei Volkswagen mehrere Anlaufstellen: Das Group Diversity Management und Diversity-Ansprechpartner*innen in allen größeren Werken und beim Betriebsrat. Unsere Mitarbeitenden-Netzwerke nehmen eine entscheidende Rolle ein. Wir haben ein sehr aktives LGBTIQ*-and-friends-Netzwerk, mit dem wir Veranstaltungen anbieten und Wissen vermitteln. Viele Menschen haben Vorbehalte, weil sie nicht gut informiert sind. Unsere Aufgabe ist es, dass das Thema bekannter wird. Menschen, die sich noch nicht voll anerkannt fühlen, sollen Ansprechpartner*innen haben und wissen, an wen sie sich wenden können. Sie sollen wissen, dass sie nicht alleine sind und wir die Herausforderung gemeinsam lösen können.

Frage: Warum ist Diversität im Profifußball häufig noch ein Tabuthema, wenn es zum Beispiel um das Outing von Profisportler*innen geht?

Rudolph: Eine große Schwierigkeit sind die Stereotype, die es im Fußballgibt: diese übertriebene Männlichkeit, Kampfstärke, Durchsetzungsvermögen. Über Depressionen, den großen Druck vor wichtigen Spielen oder Verletzungstiefs wird im Profibereich dagegen sehr wenig gesprochen. Ein Grund dafür ist sicherlich die große Öffentlichkeit, auch durch Social Media. Die Profis stehen ständig unter Beobachtung, werden hochgejubelt und ebenso schnell ausgepfiffen. Deshalb wollen sich die meisten nicht angreifbar machen.

Frage: Welchen Beitrag kann der Vielfaltsspieltag beim VfL Wolfsburg leisten?

Heitmüller: Jede und jeder hat die Verantwortung dafür, Vielfalt in der Gesellschaft zu leben. Alle Menschen sind gefordert, ihre Komfortzone zu verlassen und mit Menschen, die einem erstmal nicht vertraut sind, ins Gespräch zu kommen. Dann bewegt sich etwas. Der Fußball hat einen Vorbildcharakter und eine wahnsinnige Reichweite, die wir nutzen müssen. Der große Leistungsdruck im Profifußball ist vergleichbar mit dem Druck im Top-Management. Menschen neigen unter Druck dazu, in althergebrachte und bewährte Verhaltensweisen zu verfallen, weil sie scheinbar Sicherheit geben. Sie bewegen sich dann in eher homogenen, bestätigenden Kreisen. Deshalb ist es so wichtig, zunächst einmal ein positives Verhältnis zur Vielfalt zu entwickeln. Der Schritt raus aus der Komfortzone lohnt sich ungemein.

Rudolph: Das ist ein guter, wichtiger Punkt: Der Vielfaltsspieltag schafft ein Bewusstsein für andere Blickwinkel. Wir können mit der queeren Community in den Austausch kommen. Dafür ist so ein Spieltag eine schöne Gelegenheit, der alle miteinbezieht: Alle Geschlechter, Jung und Alt. Der Profi-Fußball lebt zuweilen in seiner eigenen Blase. Ich erhoffe mir, dass der Profibereich durch den Vielfaltsspieltag wieder mehr mit dem Amateursport in Kontakt kommt und sich die Lücke verkleinert.

Frage: Im letzten Jahr war die Volkwagen Kampagne "WeDriveDiversity" sehr erfolgreich. Warum hilft die Plattform Fußball immer wieder dabei, Aufmerksamkeit für das Thema Vielfalt zu schaffen?

Heitmüller: Die erfolgreichen Teams sind divers. Fußball transportiert wunderbar die Message: Homogenität ist innovationsfeindlich und führt nicht zu guten Ergebnissen. Das Erfolgskonzept ist, dass jeder Mensch nach seinen Fähigkeiten am optimalen Platz eingesetzt ist und seine Fähigkeiten vielfältig sind. Das kann man beim Sport lernen. Der Fußball verknüpft den Diversity-Gedanken mit Spiel, Spaß und Wettbewerb

Frage: Das Fußballmagazin 11Freunde hat zuletzt mit der Kampagne "Ihr könnt auf uns zählen" ebenfalls auf das Thema Vielfalt aufmerksam gemacht. Dabei haben über 800 Profifußballer*innen, unter anderem auch Torhüterin Almuth Schult vom VfL Wolfsburg, homosexuellen Profis den Rücken gestärkt. Welchen Umgang mit dem Thema wünschen Sie sich im öffentlichen Diskurs?

Rudolph: Ich fand es wirklich stark, dass ein Medienmagazin wie 11Freunde diese Kampagne initiiert hat. Das habe ich mir schon lange gewünscht. Gerade beim Thema Homophobie und Sexismus hatte ich das Gefühl, dass sich die Spieler*innen davor scheuen, Stellung zu beziehen. Wenn wir über gleichgeschlechtliche Liebe sprechen, dann geht es darum, dass Menschen komplett zu sich selbst stehen können. Jeder heterosexuelle Fußballer kann problemlos erzählen, was er am Wochenende mit seiner Familie gemacht hat. Queere Menschen nicht. Am Ende geht es um einen selbstverständlichen Umgang und eine Sensibilität.

Heitmüller: Starke und mutige Statements von bekannten Menschen sind wichtig, weil es viele Berührungsängste gibt, die gar nicht böse gemeint sind. Es sind eben Ängste. Da helfen Vorbilder und eine Speak-up-Kultur. Die Frage ist also: Wie bekommen wir es hin, mehr Offenheit und Akzeptanz zu schaffen, obwohl es eine große Unsicherheit gibt? Daher ist eine Vorbildkultur immens wichtig. Unser gesamtes Vorstandsteam steht ein für Vielfalt, Respekt und Akzeptanz und bekennt Farbe. Das ist eine wichtige Grundvoraussetzung, um das Thema Vielfalt im Unternehmen zu leben.

Rudolph: Das ist wirklich vorbildlich. Eine solche Unterstützung wünsche ich mir auch von Trainer*innen und Vorstandsmitgliedern in den Vereinen und Verbänden. Man sollte nicht den Fehler machen und die gesamte Verantwortung bei den Fußballer*innen abladen.

Heitmüller: Was bei euch die Trainer*innen sind, das sind bei uns die Führungskräfte. Sie haben einfach eine ganz besondere Verantwortung. Sie sind Multiplikator*innen und haben es ein Stück weit in der Hand, eine inklusive und vorurteilsfreie Kultur im Team zu schaffen und zu stärken. Auch Führungskräfte und Trainer*innen sind Menschen, die Fehler machen dürfen. Die Diskussion um Verfehlungen ist mir manchmal zu hart, denn wir müssen darüber reden und kommen nur weiter, wenn wir uns offen austauschen.

Frage: Was kann Volkswagen als Konzern beim Thema Diversität vom Sport lernen?

Heitmüller: Volkswagen kann vom Sport lernen, dass erfolgreiche Teams diverse Teams sind. Auch in Sachen Fairplay und Teamplay können wir uns einiges abschauen. Auf dem Fußballplatz steht das gemeinsame Ziel im Vordergrund – unabhängig davon, wo jemand herkommt. Homogenität wäre dort nicht erfolgreich. Der DFB und Volkswagen haben beide die Herausforderung, dass es eine sehr männlich geprägte Entscheidungskulturgibt. Was die Teams schon leben, ist noch längst nicht auf allen Ebenen umgesetzt. Es geht nur gemeinsam: Wir haben eine gemeinsame Verantwortung als Vorbild für die Gesellschaft.

Frage: Was kann der DFB von Unternehmen wie Volkswagen lernen?

Rudolph: Ich nehme vor allem die vielen LSBTI-Netzwerke positiv wahr. Volkswagen gelingt es durch die Netzwerke, Mitarbeiter*innen zu stärken und vielfältige Mitarbeiter*innen zu gewinnen. Beim DFB haben wir 7 Millionen Mitglieder und viele Ehrenamtliche, die wir mitnehmen müssen. Beim Werben und Weiterentwickeln von qualifiziertem Personal kann der Fußball sehr viel aus der Wirtschaft lernen. Dem Fußball tut es gut, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen – auch auf andere Sportarten.


LSBTI+ steht als Abkürzung für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Trans*, Inter*.

LGBTIQ* ist die aus dem englischen Sprachraum übernommene Abkürzung für "Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersex, Queer" (Lesbisch, Schwul, Bi, Trans*, Inter*, Queer). Die Abkürzung kam in den USA auf und wurde auch in Deutschland gängig. Sie bezeichnet kurz und knapp Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität oder ihres Körpers von der heterosexuellen Norm abweichen.

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