Hrubesch über DFB-Frauen bei EM: "Bislang komplett überzeugt"

Es sind gerade spannende Tage für Horst Hrubesch. Einerseits verfolgt der frühere Bundestrainer der DFB-Frauen ganz genau die Europameisterschaft in England. Andererseits hat der 71 Jahre alte Europameister von 1980 die Schirmherrschaft des internationalen Walther-Bensemann-Gedächtnisturniers übernommen, das vom 28. bis zum 31. Juli auf der Anlage des 1. FC Nürnberg stattfindet. Im DFB.de-Interview spricht Hrubesch über beide Themen: die Chancen der DFB-Auswahl im EM-Viertelfinale heute (ab 21 Uhr, live in der ARD und bei DAZN) gegen Österreich und den möglichen Titelgewinn sowie über sein soziales Engagement.

DFB.de: Herr Hrubesch, wie bewerten Sie die Auftritte der DFB-Auswahl bei der Europameisterschaft bisher?

Horst Hrubesch: Sie sind absolut überzeugend, ich bin hochzufrieden. Der Auftaktsieg gegen Dänemark war stark. Gegen Spanien haben wir dank der viel zitierten deutschen Tugenden verdient gewonnen. Und zuletzt gegen Finnland war es auch in Ordnung. Da hat die Bundestrainerin ein wenig durchgewechselt und das eine oder andere probiert. Dazu kam der Coronaausfall von Lea Schüller. Vor diesem Hintergrund muss man sagen, dass wir eine überragende Vorrunde gespielt haben. Aber jetzt muss es weitergehen. Die Aufgaben werden nicht leichter.

DFB.de: Im Viertelfinale geht es nun gegen Österreich.

Hrubesch: Wenn man die Kader direkt vergleicht, sollten wir dieses Spiel gewinnen. Aber man darf die Österreicherinnen nicht unterschätzen. Sie haben eine extrem starke Mentalität. Sie werden alles geben, zu was sie fähig sind. Dennoch sollten wir mit unserer individuellen Klasse die Partie für uns entscheiden, dabei bleibe ich.

DFB.de: Bislang hat auch Alexandra Popp überzeugt, die sehr kopfballstark agiert - genau wie Sie früher.

Hrubesch: Es gibt wenige Spielerinnen auf der Welt, die ähnliche Qualitäten haben wie Alex Popp. Sie ist ja nicht nur kopfballstark. Auch mit ihrer tollen Einstellung ist sie für jede Mannschaft ein Gewinn. Dazu ist sie technisch stark und hat einen guten linken Fuß. Sie kann nicht nur zentral ganz vorne spielen, sondern auch auf mehreren anderen Positionen. Ich hätte nichts dagegen, wenn sie nun auch noch ein paar Tore mit dem Fuß machen würde. (lacht)

DFB.de: Ist für Deutschland sogar der Titelgewinn möglich?

Hrubesch: Ja, ich glaube schon. Zwei Nationen haben bislang komplett überzeugt. Das sind wir und die Engländerinnen. Die Französinnen haben das Problem, dass sie mehrere Ausfälle wichtiger Spielerinnen zu beklagen haben. Wir müssen erst Österreich schlagen, dann könnte unser Weg zum Titel über Duelle mit Frankreich und schließlich England führen. So sieht es zumindest jetzt aus. Aber wir sollten eine Aufgabe nach der anderen lösen.

DFB.de: Wie schätzen Sie das Niveau der Begegnungen insgesamt ein?

Hrubesch: Ich finde es völlig in Ordnung. Klar gab es auch die eine oder andere Enttäuschung. Aber was vor allem Deutschland und England bislang auf dem Rasen gezeigt haben, war große Klasse. Ich bin gespannt, was die Niederländerinnen noch leisten können. Die haben mich bisher noch nicht restlos überzeugt. Lassen wir uns mal überraschen, wie es ausgeht.

DFB.de: Alle loben die Stimmung während des Turniers. Wie sehen Sie das?

Hrubesch: Es passt sportlich und atmosphärisch. Der Frauenfußball hat diese Kulisse verdient. Da hinken wir leider in Deutschland noch etwas hinterher und müssen etwas tun. Die Mädels machen gerade richtig Werbung für sich. Diesen Schwung müssen wir mitnehmen in den deutschen Vereinsfußball - sowohl in der Bundesliga als auch in der 2. Bundesliga. Ich glaube, dass wir nicht breit genug aufgestellt sind. Vielleicht würde es Sinn machen, die zweite Liga um die Topteams aus der Regionalliga zu erweitern.

DFB.de: Der DFB hat sich gemeinsam mit Belgien und den Niederlanden um die Austragung der Weltmeisterschaft 2027 beworben. Wie wichtig wäre es, hier den Zuspruch zu bekommen?

Hrubesch: Sehr wichtig. Aber noch wichtiger ist es, dass wir nicht auf das Turnier 2027 warten, sondern jetzt an den Defiziten arbeiten, die offensichtlich sind. Ich hoffe wirklich, dass die Mädels bis ins Finale gehen und möglichst den Titel holen. Auch wenn ich mich wiederhole: Diesen Schwung müssen wir dann mitnehmen. Das ist eine riesige Chance. Wir müssen zusehen, dass wir in den nächsten Jahr etwas auf die Beine stellen.

DFB.de: Für Sie steht zunächst ein anderes wichtiges Event auf dem Programm. Vom 28. bis zum 31. Juli findet das internationale Walther-Bensemann-Gedächtnisturnier statt, bei dem Sie die Schirmherrschaft übernommen haben. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Hrubesch: Man muss ja nur mal zurückblicken und die Geschichte von Walther Bensemann nachlesen, dann weiß man ziemlich schnell, wie wichtig sein Wirken historisch gesehen ist. Er hat in diesen schwierigen Zeiten gelebt und den Fußball trotzdem weit nach vorne gebracht hat. Davor muss man einfach den Hut ziehen. Er gilt als einer der bedeutendsten Pioniere im deutschen Fußball.

DFB.de: Unter anderem war er 1900 einer der Gründer des DFB, 1920 hat er kurz nach dem Ersten Weltkrieg das Sportmagazin kicker ins Leben gerufen.

Hrubesch: Das sind nur zwei von ganz vielen großen Taten. Er hat sich immer an Dinge gewagt, die anderen zu heikel waren. Das hat ihn ausgezeichnet. Er war sehr hartnäckig und hat seine Ideen gegen alle Widerstände durchgezogen. Bensemann hat immer dafür geworben, dass Sport und speziell Fußball einen Beitrag zur grenzüberschreitenden Verständigung und Frieden leisten können.

DFB.de: Sie sind 2018 mit dem Walther-Bensemann-Preis ausgezeichnet worden, der Personen der Zeitgeschichte würdigt, die im Sinne der Völkerverständigung Besonderes für den Fußball geleistet haben. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung im Rückblick?

Hrubesch: Sie macht mich auch heute noch unglaublich stolz. Viele große Persönlichkeiten haben diesen Preis bekommen. Aber letztlich sollte es hier nicht um meine Auszeichnung gehen. Mir ist viel wichtiger, dass die Jugend in den Fokus gerückt wird - so, wie es beim Bensemann-Turnier der Fall ist. Der Nachwuchs ist unser Fundament.

DFB.de: Das Engagement von Walther Bensemann treibt Sie auch persönlich an.

Hrubesch: Ja, absolut. Mir ist ganz wichtig, dass sein Einsatz nicht in Vergessenheit gerät. Unsere Zeit ist sehr schnelllebig. Ich finde die Nachhaltigkeit, die Walther Bensemann mit seinem Wirken erreicht hat, einfach klasse.

DFB.de: Wird sein Einsatz heutzutage überhaupt genug gewürdigt?

Hrubesch: Nicht wirklich. Umso wichtiger ist es, immer wieder darauf aufmerksam zu machen. Deshalb engagiere ich mich gerne und mit großer Leidenschaft. Gemeinsam sind wir aber in der Lage, sein Vermächtnis in Erinnerung zu rufen. Das internationale Walther-Bensemann-Gedächtnisturnier ist dabei eine von mehreren Maßnahmen.

DFB.de: Auch sportlich ist das Turnier sehr interessant. Nachwuchsteams des FC Chelsea, von Bayern München, Eintracht Frankfurt, Maccabi Tel Aviv, Gastgeber 1. FC Nürnberg und viele weitere sind am Start.

Hrubesch: Absolut! Da kann man sich hervorragenden Jugendfußball anschauen. Große Vereine stehen bei dem Turnier in der Siegerliste. Besonders freut es mich, dass Teams aus verschiedenen Ländern dabei sind. Da sieht man mal wieder die verbindende Kraft des Fußballs. Das müssen wir fördern. Ich werde mich für solche Themen immer gerne engagieren.

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Es sind gerade spannende Tage für Horst Hrubesch. Einerseits verfolgt der frühere Bundestrainer der DFB-Frauen ganz genau die Europameisterschaft in England. Andererseits hat der 71 Jahre alte Europameister von 1980 die Schirmherrschaft des internationalen Walther-Bensemann-Gedächtnisturniers übernommen, das vom 28. bis zum 31. Juli auf der Anlage des 1. FC Nürnberg stattfindet. Im DFB.de-Interview spricht Hrubesch über beide Themen: die Chancen der DFB-Auswahl im EM-Viertelfinale heute (ab 21 Uhr, live in der ARD und bei DAZN) gegen Österreich und den möglichen Titelgewinn sowie über sein soziales Engagement.

DFB.de: Herr Hrubesch, wie bewerten Sie die Auftritte der DFB-Auswahl bei der Europameisterschaft bisher?

Horst Hrubesch: Sie sind absolut überzeugend, ich bin hochzufrieden. Der Auftaktsieg gegen Dänemark war stark. Gegen Spanien haben wir dank der viel zitierten deutschen Tugenden verdient gewonnen. Und zuletzt gegen Finnland war es auch in Ordnung. Da hat die Bundestrainerin ein wenig durchgewechselt und das eine oder andere probiert. Dazu kam der Coronaausfall von Lea Schüller. Vor diesem Hintergrund muss man sagen, dass wir eine überragende Vorrunde gespielt haben. Aber jetzt muss es weitergehen. Die Aufgaben werden nicht leichter.

DFB.de: Im Viertelfinale geht es nun gegen Österreich.

Hrubesch: Wenn man die Kader direkt vergleicht, sollten wir dieses Spiel gewinnen. Aber man darf die Österreicherinnen nicht unterschätzen. Sie haben eine extrem starke Mentalität. Sie werden alles geben, zu was sie fähig sind. Dennoch sollten wir mit unserer individuellen Klasse die Partie für uns entscheiden, dabei bleibe ich.

DFB.de: Bislang hat auch Alexandra Popp überzeugt, die sehr kopfballstark agiert - genau wie Sie früher.

Hrubesch: Es gibt wenige Spielerinnen auf der Welt, die ähnliche Qualitäten haben wie Alex Popp. Sie ist ja nicht nur kopfballstark. Auch mit ihrer tollen Einstellung ist sie für jede Mannschaft ein Gewinn. Dazu ist sie technisch stark und hat einen guten linken Fuß. Sie kann nicht nur zentral ganz vorne spielen, sondern auch auf mehreren anderen Positionen. Ich hätte nichts dagegen, wenn sie nun auch noch ein paar Tore mit dem Fuß machen würde. (lacht)

DFB.de: Ist für Deutschland sogar der Titelgewinn möglich?

Hrubesch: Ja, ich glaube schon. Zwei Nationen haben bislang komplett überzeugt. Das sind wir und die Engländerinnen. Die Französinnen haben das Problem, dass sie mehrere Ausfälle wichtiger Spielerinnen zu beklagen haben. Wir müssen erst Österreich schlagen, dann könnte unser Weg zum Titel über Duelle mit Frankreich und schließlich England führen. So sieht es zumindest jetzt aus. Aber wir sollten eine Aufgabe nach der anderen lösen.

DFB.de: Wie schätzen Sie das Niveau der Begegnungen insgesamt ein?

Hrubesch: Ich finde es völlig in Ordnung. Klar gab es auch die eine oder andere Enttäuschung. Aber was vor allem Deutschland und England bislang auf dem Rasen gezeigt haben, war große Klasse. Ich bin gespannt, was die Niederländerinnen noch leisten können. Die haben mich bisher noch nicht restlos überzeugt. Lassen wir uns mal überraschen, wie es ausgeht.

DFB.de: Alle loben die Stimmung während des Turniers. Wie sehen Sie das?

Hrubesch: Es passt sportlich und atmosphärisch. Der Frauenfußball hat diese Kulisse verdient. Da hinken wir leider in Deutschland noch etwas hinterher und müssen etwas tun. Die Mädels machen gerade richtig Werbung für sich. Diesen Schwung müssen wir mitnehmen in den deutschen Vereinsfußball - sowohl in der Bundesliga als auch in der 2. Bundesliga. Ich glaube, dass wir nicht breit genug aufgestellt sind. Vielleicht würde es Sinn machen, die zweite Liga um die Topteams aus der Regionalliga zu erweitern.

DFB.de: Der DFB hat sich gemeinsam mit Belgien und den Niederlanden um die Austragung der Weltmeisterschaft 2027 beworben. Wie wichtig wäre es, hier den Zuspruch zu bekommen?

Hrubesch: Sehr wichtig. Aber noch wichtiger ist es, dass wir nicht auf das Turnier 2027 warten, sondern jetzt an den Defiziten arbeiten, die offensichtlich sind. Ich hoffe wirklich, dass die Mädels bis ins Finale gehen und möglichst den Titel holen. Auch wenn ich mich wiederhole: Diesen Schwung müssen wir dann mitnehmen. Das ist eine riesige Chance. Wir müssen zusehen, dass wir in den nächsten Jahr etwas auf die Beine stellen.

DFB.de: Für Sie steht zunächst ein anderes wichtiges Event auf dem Programm. Vom 28. bis zum 31. Juli findet das internationale Walther-Bensemann-Gedächtnisturnier statt, bei dem Sie die Schirmherrschaft übernommen haben. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Hrubesch: Man muss ja nur mal zurückblicken und die Geschichte von Walther Bensemann nachlesen, dann weiß man ziemlich schnell, wie wichtig sein Wirken historisch gesehen ist. Er hat in diesen schwierigen Zeiten gelebt und den Fußball trotzdem weit nach vorne gebracht hat. Davor muss man einfach den Hut ziehen. Er gilt als einer der bedeutendsten Pioniere im deutschen Fußball.

DFB.de: Unter anderem war er 1900 einer der Gründer des DFB, 1920 hat er kurz nach dem Ersten Weltkrieg das Sportmagazin kicker ins Leben gerufen.

Hrubesch: Das sind nur zwei von ganz vielen großen Taten. Er hat sich immer an Dinge gewagt, die anderen zu heikel waren. Das hat ihn ausgezeichnet. Er war sehr hartnäckig und hat seine Ideen gegen alle Widerstände durchgezogen. Bensemann hat immer dafür geworben, dass Sport und speziell Fußball einen Beitrag zur grenzüberschreitenden Verständigung und Frieden leisten können.

DFB.de: Sie sind 2018 mit dem Walther-Bensemann-Preis ausgezeichnet worden, der Personen der Zeitgeschichte würdigt, die im Sinne der Völkerverständigung Besonderes für den Fußball geleistet haben. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung im Rückblick?

Hrubesch: Sie macht mich auch heute noch unglaublich stolz. Viele große Persönlichkeiten haben diesen Preis bekommen. Aber letztlich sollte es hier nicht um meine Auszeichnung gehen. Mir ist viel wichtiger, dass die Jugend in den Fokus gerückt wird - so, wie es beim Bensemann-Turnier der Fall ist. Der Nachwuchs ist unser Fundament.

DFB.de: Das Engagement von Walther Bensemann treibt Sie auch persönlich an.

Hrubesch: Ja, absolut. Mir ist ganz wichtig, dass sein Einsatz nicht in Vergessenheit gerät. Unsere Zeit ist sehr schnelllebig. Ich finde die Nachhaltigkeit, die Walther Bensemann mit seinem Wirken erreicht hat, einfach klasse.

DFB.de: Wird sein Einsatz heutzutage überhaupt genug gewürdigt?

Hrubesch: Nicht wirklich. Umso wichtiger ist es, immer wieder darauf aufmerksam zu machen. Deshalb engagiere ich mich gerne und mit großer Leidenschaft. Gemeinsam sind wir aber in der Lage, sein Vermächtnis in Erinnerung zu rufen. Das internationale Walther-Bensemann-Gedächtnisturnier ist dabei eine von mehreren Maßnahmen.

DFB.de: Auch sportlich ist das Turnier sehr interessant. Nachwuchsteams des FC Chelsea, von Bayern München, Eintracht Frankfurt, Maccabi Tel Aviv, Gastgeber 1. FC Nürnberg und viele weitere sind am Start.

Hrubesch: Absolut! Da kann man sich hervorragenden Jugendfußball anschauen. Große Vereine stehen bei dem Turnier in der Siegerliste. Besonders freut es mich, dass Teams aus verschiedenen Ländern dabei sind. Da sieht man mal wieder die verbindende Kraft des Fußballs. Das müssen wir fördern. Ich werde mich für solche Themen immer gerne engagieren.

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