Welttorhüter Neuer: Bald auch Weltfußballer?

Wer ist auf seiner Position der Beste, den es gibt? Eine Frage, die unter Fußballern und Experten immer diskutiert wird und bei der es so gut wie nie einstimmige Urteile gibt. Im Tor ist das mittlerweile anders. Der beste Torwart der Welt kommt aus Deutschland und heißt Manuel Neuer, das bestreitet keiner. 2014 war das beste Jahr seiner Karriere, er hat Titel gewonnen, die viele in ihrer gesamten Karriere nicht gewinnen.

Er hat gehalten, was sich alle von ihm versprochen haben. Mit 28 Jahren ist er schon ein Vorbild - und kann jetzt sogar "Weltfußballer" werden. Heute (ab 18.30 Uhr, live bei Eurosport, n-tv und Sky) entscheidet sich bei der FIFA-Gala in Zürich zwischen Manuel Neuer, Cristiano Ronaldo und Lionel Messi, wer den "Ballon d'Or" bekommt.

Ron-Robert Zieler. Marc-André ter Stegen. Bernd Leno. Oliver Baumann. Timo Horn. Ralf Fährmann. Kevin Trapp. Man könnte diese Namen jetzt mal auf einen virtuellen Transfermarkt werfen, auf einen Transfermarkt für Nationalmannschaften, und dann müsste man mal ein paar Tage abwarten. Wahrscheinlich würde es nicht mal so lange dauern, ein paar Stunden würden genügen, und dann kämen sie alle. Die Brasilianer, die Argentinier, die Franzosen, die Portugiesen, die Engländer sowieso, womöglich die Spanier, vielleicht sogar die Italiener - sie würden den Finger heben, großzügige Angebote machen und sofort einen dieser Torhüter verpflichten. Zieler für England? Ter Stegen für Brasilien? Leno für Argentinien? Das geht nicht, natürlich nicht. Aber man darf davon ausgehen: Jeder von ihnen wäre in jedem dieser Länder die Nummer eins.

Die Konkurrenz ist chancenlos

Die deutschen Torhüter, die nicht Manuel Neuer heißen, leben in einer eigenartigen Welt. Sie sind so gut und doch im Moment chancenlos. Jeder von ihnen ist herausragend ausgebildet, jeder von ihnen beherrscht das zeitgenössische offensive Torwartspiel, und wenn sie sich zwischendurch auch alle mal ein Fehlerchen leisten, so spielen sie doch mit einer Konstanz, die einen dramatischen Widerspruch bildet zu ihrer Jugend. Die jungen Burschen sind 21, 22 oder 25 Jahre alt, sie können warten, sie haben alles noch vor sich. Ihr Problem ist nur: Sie haben auch einen vor sich. Manuel Neuer.



Wer ist auf seiner Position der Beste, den es gibt? Eine Frage, die unter Fußballern und Experten immer diskutiert wird und bei der es so gut wie nie einstimmige Urteile gibt. Im Tor ist das mittlerweile anders. Der beste Torwart der Welt kommt aus Deutschland und heißt Manuel Neuer, das bestreitet keiner. 2014 war das beste Jahr seiner Karriere, er hat Titel gewonnen, die viele in ihrer gesamten Karriere nicht gewinnen.

Er hat gehalten, was sich alle von ihm versprochen haben. Mit 28 Jahren ist er schon ein Vorbild - und kann jetzt sogar "Weltfußballer" werden. Heute (ab 18.30 Uhr, live bei Eurosport, n-tv und Sky) entscheidet sich bei der FIFA-Gala in Zürich zwischen Manuel Neuer, Cristiano Ronaldo und Lionel Messi, wer den "Ballon d'Or" bekommt.

Ron-Robert Zieler. Marc-André ter Stegen. Bernd Leno. Oliver Baumann. Timo Horn. Ralf Fährmann. Kevin Trapp. Man könnte diese Namen jetzt mal auf einen virtuellen Transfermarkt werfen, auf einen Transfermarkt für Nationalmannschaften, und dann müsste man mal ein paar Tage abwarten. Wahrscheinlich würde es nicht mal so lange dauern, ein paar Stunden würden genügen, und dann kämen sie alle. Die Brasilianer, die Argentinier, die Franzosen, die Portugiesen, die Engländer sowieso, womöglich die Spanier, vielleicht sogar die Italiener - sie würden den Finger heben, großzügige Angebote machen und sofort einen dieser Torhüter verpflichten. Zieler für England? Ter Stegen für Brasilien? Leno für Argentinien? Das geht nicht, natürlich nicht. Aber man darf davon ausgehen: Jeder von ihnen wäre in jedem dieser Länder die Nummer eins.

Die Konkurrenz ist chancenlos

Die deutschen Torhüter, die nicht Manuel Neuer heißen, leben in einer eigenartigen Welt. Sie sind so gut und doch im Moment chancenlos. Jeder von ihnen ist herausragend ausgebildet, jeder von ihnen beherrscht das zeitgenössische offensive Torwartspiel, und wenn sie sich zwischendurch auch alle mal ein Fehlerchen leisten, so spielen sie doch mit einer Konstanz, die einen dramatischen Widerspruch bildet zu ihrer Jugend. Die jungen Burschen sind 21, 22 oder 25 Jahre alt, sie können warten, sie haben alles noch vor sich. Ihr Problem ist nur: Sie haben auch einen vor sich. Manuel Neuer.

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Wenn man die Qualität eines Sportlers ermessen will, dann hilft es manchmal, ihn ins Verhältnis zu setzen. Es gibt Sportler, die unumstritten sind und an denen niemand zweifelt, aber das kann auch daran liegen, dass sie keine tauglichen Konkurrenten haben. Im Falle Manuel Neuer ist das Gegenteil der Fall: Er hat mehr hochkarätige Konkurrenten, als für einen Sportler gut sein können - das sollte man zumindest meinen. Aber Manuel Neuer stört das nicht. Er ist in der glücklichen Lage, zu wissen: Wenn ich einfach nur mein ganz normales Spiel spiele, dann spiele ich außer Konkurrenz. Neuer kann alles, was die Rivalen können, er ist das Original, und mit jedem weiteren Spiel wird er noch erfahrener, noch cooler und noch wettbewerbshärter. Wo soll das bloß hinführen?

Um es klar zu sagen: Manuel Neuer im Tor einer sehr guten Mannschaft, das ist eigentlich Wettbewerbsverzerrung.

Die große Kunst: Paraden, ohne den Ball zu berühren

Das Jahr 2014 war das Jahr, in dem der deutsche Fußball Weltmeister wurde, aber es war auch das Jahr des Manuel Neuer. Niemand kann sagen, ob der deutsche Fußball ohne seinen Torwart das WM-Achtelfinale überhaupt überstanden hätte, und noch beeindruckender als Neuers Libero-Einlagen gegen Algerien war diese eine Parade im Finale gegen Argentinien. Vielleicht kann das im Moment auch nur Manuel Neuer: Paraden machen, ohne den Ball zu berühren. Gonzalo Higuaín stand im Finale einmal frei vor ihm, ein Stürmer, der nichts anderes ist als Weltklasse, aber er schoss in dieser Szene so holprig vorbei, als habe sich plötzlich ein nicht besonders talentierter Kreisligakicker in seinen Körper geschlichen. Man wird es nicht beweisen können, aber für jeden Augenzeugen im Stadion war der Fall klar: Higuaín hatte einen Heidenrespekt. Er wusste, mit wem er es zu tun hatte, er wusste, er müsste es jetzt besonders gut machen, um zu treffen – und dann machte er es besonders schlecht.

Das ist wahrscheinlich das Höchste, was einem Sportler widerfahren kann: dass er sich abkoppelt von den Regeln und von der Psychologie des Spiels. Manuel Neuer hat das Spiel verändert, weil er Manuel Neuer ist. Bei ihm reagieren Stürmer inzwischen anders als bei anderen Torhütern. Es war jene Szene im WM-Endspiel 2014, die markant an eine andere Torwartszene erinnerte, die ebenfalls aus diesem Jahrtausend stammt. Bei der WM 2002 stand ein Kameruner namens Samuel Olembe ebenfalls frei vor dem deutschen WM-Torwart und brachte nur ein groteskes Schüsschen zustande. "Oh, ich hatte solche Angst vor diesem Kahn", klagte er später. Kahn war damals auf der Höhe seiner Kunst, oder besser: auf der Höhe seiner Macht. Er konnte die Bälle hypnotisieren damals, er konnte das Spiel auf seine Seite zwingen.

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Turek, Maier, Kahn, Neuer: In einer Reihe mit den ganz Großen

Manuel Neuer ist handwerklich ein komplett anderer Torwart als Kahn. Aber was die Ausstrahlung seines Spiels anbelangt, ist er ein direkter Nachfahre. Wenn man so will, dann hat Kahn die Kunst des Torwartspiels zur Vollendung gebracht. Oliver Kahn ist der Höhe- und der Schlusspunkt der großen deutschen Geschichte, die mit Heiner Stuhlfauth begann und sich über Toni Turek, Sepp Maier, Toni Schumacher, Andreas Köpke fortsetzte bis zu Oliver Kahn und seinem ewigen Gegenstück, dem Sommermärchen-Torwart Jens Lehmann. Lehmann war stilistisch schon ein anderer Keeper als Kahn, er bildet den Übergang zur Neuzeit.

Manuel Neuer hat den deutschen Torwart weiterentwickelt; zumindest jenen, der sich bei seinen Streif- und Beutezügen weitgehend auf sein Revier verlässt. Neuer hat die Arbeitszone ausgeweitet, er ist kein Linien- und auch kein Reaktionstorwart mehr, obwohl er natürlich auch diese Disziplin beherrscht. Neuer ist der erste elfte Feldspieler im deutschen Fußball. Er wird in der Nationalmannschaft und beim FC Bayern als offiziell anerannte Anspielstation in die Überlegungen der Trainer mit einbezogen, und er ermöglicht seinen Trainern auch, eine etwas andere Art von Fußball zu spielen. Sie können ihre Reihen höher stellen, sie können mehr wagen, weil sie wissen: Manuel Neuer ist auch noch da. Wenn der Gegner mal durchbricht mit einem Konter, dann muss er damit rechnen, dass ihm 50 Meter vor dem Tor ein Torwart entgegenkommt.

Es ist ein riskanter Stil, den Neuer pflegt, es bleibt nicht aus, dass man sich auch mal um einen halben Meter oder Zentimeter verschätzt und ein Tor verschuldet. Aber angesichts der Häufigkeit solcher Szenen ist es fast atemberaubend, wie präzise Neuers Timing ist; man kann sich spontan an keine Szene erinnern, in der Neuer zu spät grätscht oder die Rote Karte sieht, weil er statt des Balls den Gegner erwischt. Wenn Neuer in Schwierigkeiten gerät, dann höchstens, weil der Lausbub manchmal immer noch ein bisschen Schabernack treibt. Manchmal leitet er Bälle mit der Hacke weiter, oder es reizt ihn, ein Dribbling nach links zu wagen, obwohl rechts ein Mitspieler frei steht.

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"Weltfußballer"-Wahl: Neuer, Ronaldo oder Messi?

Angesichts solcher Kunstfertigkeiten ist es wahrscheinlich kein Wunder, dass Neuer jetzt auch noch im letzten Revier wildert, das den Feldspielern noch geblieben ist. Neuer ist inzwischen ein natürlicher, absolut selbstverständlicher Kandidat für die Fußballerwahlen geworden, die traditionell veranstaltet werden. Er hat es in die Top Drei geschafft, aus der heute der Weltfußballer 2014 bestimmt wird. Und das ist insofern schon mal ein monströses Kompliment, weil zwei der drei Kandidaten eigentlich seit Jahren feststehen: Cristiano Ronaldo und Lionel Messi. Dass Neuer die Aufnahme in diese prominente Feldspieler-Gesellschaft geschafft hat, sagt alles, was man über das Fußballjahr dieses Sportlers wissen muss.

Was bedeutet das nun für die jungen Keeper, was für die routinierten, die schon länger dabei sind? Sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass es im Moment nur um die Nummer zwei im deutschen Tor geht. Torwarttrainer Andreas Köpke wird die Entwicklung hinter Neuer genau beobachten, und er kann dabei sehr beruhigt zuschauen: Er weiß, dass der deutsche Fußball auf dieser Position jahrelang keine Probleme haben wird. Neuer ist erst 28 und immer noch so motiviert wie am ersten Tag, und wenn es irgendwann mal um seine Nachfolge gehen wird, dann wird die Auswahl groß und hochkarätig sein.

Neuers Nachfolger werden Torhüter sein, die modern und stilsicher sind. Es werden elfte Feldspieler sein, sie werden spielen wie ihr Vorbild. Sie werden spielen wie Manuel Neuer.