Vor einem Jahr: Denkzettel gegen Ghana

Bis Joachim Löw auf Miroslav zusteuerte und diesem signalisierte, dass er gleich eingewechselt werden würde. Nach seiner Einwechslung war es dann Klose, der schnell dem ghanaischen Strafraum entgegensteuerte. Was dort geschah ist schon beschrieben, nicht aber, was Klose nach seinem 15. WM-Treffer durch den Kopf ging. "Ich weiß, dass ich auf dem Weg zur Mittellinie geschaut habe, wie lange noch zu spielen ist", sagt er. "Ich war dann optimistisch, dass wir noch die eine oder andere Möglichkeit bekommen werden, den Siegtreffer zu erzielen. Das war dann auch so, wobei wir auch sagen müssen, dass wir durchaus noch einen Gegentreffer hätten kassieren können."

"Härtetest für den Willen"

Zwei Mal Konjunktiv, es blieb beim 2:2. Nach dem 4:0 zum Auftakt gegen Portugal auch in Spiel zwei wieder vier Tore. Eine Kleinigkeit störte: 50 Prozent der vier Tore sind auf der falschen Seite gefallen. Die Reisegesellschaft von Fortaleza nach Porto Seguro war dennoch nicht niedergeschlagen, als sie sich auf dem Weg zurück ins Campo Bahia machte. Das DFB-Team hatte sich gegen Ghana gewehrt – und nach vier Punkten aus zwei Spielen vor dem finalen Gruppenspiel gegen die USA alle Trümpfe in der Hand. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach war folglich zufrieden. Das Flugzeug mit der deutschen Nationalmannschaft an Bord befand sich schon im Sinkflug, als Niersbach seine Stimme erhob.

Der DFB-Präsident schnappte sich das Bordmikrofon, ihm war es ein Anliegen, den Spielern mit auf den Weg zu geben, dass sie stolz auf die Leistung sein können. "Es war ein tolles WM-Spiel, es war alles drin. Vor allem war es ein echter Härtetest für den Willen", sagte Niersbach. Führung, Ausgleich, Rückstand, kurz gewackelt, einmal geschüttelt, Ausgleich. Emotionen in allen Facetten, Härtetest bestanden. "Ihr könnt stolz auf euch sein", rief Niersbach den Spielern zu.

Zwei Spieler galt es an diesem Abend besonders zu erwähnen. Per Mertesacker hatte gegen Ghana sein 100. Länderspiel bestritten, und Niersbach benötigte wenige Worte, um seinem Respekt dafür Ausdruck zu geben: "Langer, Du bist ein Großer", sagte der DFB-Präsident. Um sich dann einem Spieler zuzuwenden, dem dieses Prädikat an diesem Abend sogar noch mehr gebührte: Klose. "Es gibt in der Geschichte der WM keinen Spieler, der mehr Tore geschossen hat", sagte Niersbach. Wie dies zu bewerten ist, gab der Rekordtorschütze einen Tag später selber vor. Klose sagte: "20 Spiele, 15 Kisten, das ist schon nicht schlecht." Nicht schlecht - kann man so sehen. Da darf dann ruhig auch mal der anschließende Salto in die Hose gehen.

[sl]


Vor einem Jahr - da war doch was. Sommer 2014, sieben Spiele bis zum Glück. Es begann in Salvador mit einem Traum, es endete in Rio mit dessen Erfüllung. Ein Jahr nach dem Triumph von Maracana lässt DFB.de die sieben deutschen Spiele bei der WM 2014 in Brasilien noch mal Revue passieren. Heute vor 365 Tagen - diesmal: Geschichten rund um das 2:2 im zweiten Gruppenspiel gegen Ghana am 21. Juni 2014 in Fortaleza.

Einfacher Salto, ohne besondere Schwierigkeit. Nicht gestreckt, nicht gehechtet, nicht mit Schraube versehen. Kein Auerbach, kein Ginger - und doch fast gestürzt. Beim Wasserspringen oder am Reck wären die Kampfrichter gezwungen gewesen, eine sehr niedrige Bewertung vorzunehmen. Ein Patzer bei einem Standard, viele Argumente für viele Punkte hätten sich nicht gefunden. Auch Miroslav Klose war nicht zufrieden. Am Tag nach seinem missglückten Salto ging der Stürmer noch hart mit sich ins Gericht. Als völlig missraten bezeichnete er seinen Salto, mildernde weil besondere Umstände wollte er nicht gelten lassen. "Ich weiß auch nicht, was mich dazu getrieben hat, den Salto zu machen", sagte er. "Man hat gesehen, dass ich in dieser Hinsicht völlig aus der Übung bin."

In anderer Hinsicht zum Glück nicht. Denn Klose führte seinen Salto nicht beim Wasserspringen oder beim Turnen auf, es gab keine Kampfrichter, die sich über die Landung auf dem Allerwertesten hätten ereifern können. Die Geschichte des Spiels gegen Ghana ist auch nicht die des freien Überschlags um die Breitenachse des Körpers, die Geschichte des Spiels gegen Ghana erzählt von den Sekunden, die dem Salto vorgelagert waren. Die wenigen an diesem Abend in Fortaleza - und die vielen seit dem 1. Juni 2002. In Sapporo erzielte Klose mit einem Flugkopfball zum 1:0 in der 21. Minute des Spiels gegen Saudi-Arabien seinen ersten WM-Treffer, in den 13 Jahren bis zum Spiel gegen Ghana bei der WM in Brasilien sollten 13 weitere Treffer folgen. Vor dem zweiten Spiel der WM 2014 summierten sich Kloses Treffer damit auf 14. Und das bedeutete: Ein Tor fehlte dem Deutschen, um in der ewigen Torschützenliste mit dem Brasilianer Ronaldo gleichzuziehen.

Klose: Von der Bank zum Rekordtor

Zunächst sprach nicht viel dafür, dass Klose den Rekord gegen die Afrikaner einstellen würde können. Ganz entscheidend dies nicht: Klose saß lediglich auf der Bank, und von dort aus ist das mit dem Tore-Erzielen selbst für die treffsichersten Stürmer nicht so ganz leicht. 69 Minuten musste der 36-Jährige zuschauen – dann wurde er für Mario Götze eingewechselt. Bundestrainer Joachim Löw bewies damit ein glückliches Händchen - es folgte Historisches. Was genau, beschreibt der glaubwürdigste Augenzeuge, Miroslav Klose, wie folgt. "Ich kam rein, dann gab es schnell die Ecke", sagt Klose. "Ich habe gedacht, dass ich zum Kopfball gehen muss und bin angetreten. Aber irgendetwas hat mir gesagt, dass ich abrechen und auf den zweiten Pfosten gehen muss. Diesem Instinkt bin ich zum Glück gefolgt, genau dort kam der Ball hin."

Weil sich der weltbeste Linksverteidiger, der eigentlich Innenverteidiger ist, im gegnerischen Strafraum tummelte. Benedikt Höwedes war es, der den Ball nach der Ecke von Toni Kroos an den zweiten Pfosten verlängerte. Für Klose war es dann ein Leichtes, den Ball zum Rekordtor über die Linie zu drücken. "Man muss ein Näschen dafür haben, wo der Ball hinkommen könnte", sagt er. "In diesem Augenblick hat alles gestimmt. Ich war mir sicher, dass ich noch hinter dem Verteidiger stehe, ich wusste, wo ich mich positionieren muss und habe den Ball sicher über die Linie befördert."

Ghana der erwartet starke Gegner

Kloses Treffer war fußballgeschichtlich bedeutsam, er war aber auch in der Aktualität von einigem Wert. Spiel zwei der WM in Brasilien bedeutete für Deutschland eine Rückkehr in die Realität. Nach dem furiosen Auftakt mit dem 4:0 gegen Portugal konnte sich das DFB-Team vor Hymnen kaum wehren. Deutschland galt nun noch mehr als sonst als Topfavorit, für manche war Ghana nicht mehr als Zwischenstation für eine unstoppbare Mannschaft.

Spieler und Trainer haben sich von der Hysterie nicht anstecken lassen. "Unser Auftaktsieg war wichtig und gut, aber wir müssen jetzt nachlegen. Mit einem Sieg können wir in der Gruppe davonziehen", sagte Bundestrainer Joachim Löw. Vor Ghana warnte er eindringlich, wegen der individuellen Qualität der Spieler des Gegners, auch wegen der Konstellation nach der Auftaktniederlage von Kevin-Prince Boateng und Co. gegen die USA. "Für Ghana ist es bereits ein Endspiel. Sie werden kämpfen bis aufs Blut. Wenn sie nicht gewinnen, wird es für sie sehr schwierig."

Führung hält nur drei Minuten

Die Warnung hatte Wirkung. Gegen Ghana lief es zunächst besser als befürchtet. Das DFB-Team agierte zwar ohne den ganz großen spielerischen Glanz, dafür mit hoher Effizienz. Bezeichnend dafür das 1:0 von Mario Götze, der in der 51. Minuten nach einer Flanke von Thomas Müller unfreiwillig mit sich selber Doppelpass spielte. Von seinem Kopf sprang der Ball an sein linkes Knie – und von dort ins Tor. "Es war etwas glücklich, dass der Ball reingegangen ist", räumte Götze ein. Sei's drum, Deutschland steuerte dem zweiten Sieg im zweiten Spiel entgegen. Für ganze drei Minuten, dann traf Andre Ayew für Ghana. Und nach dem 2:1 von Asamoah Gyan in der 63. Minute steuerte auf einmal Deutschland der ersten Niederlage entgegen.

Bis Joachim Löw auf Miroslav zusteuerte und diesem signalisierte, dass er gleich eingewechselt werden würde. Nach seiner Einwechslung war es dann Klose, der schnell dem ghanaischen Strafraum entgegensteuerte. Was dort geschah ist schon beschrieben, nicht aber, was Klose nach seinem 15. WM-Treffer durch den Kopf ging. "Ich weiß, dass ich auf dem Weg zur Mittellinie geschaut habe, wie lange noch zu spielen ist", sagt er. "Ich war dann optimistisch, dass wir noch die eine oder andere Möglichkeit bekommen werden, den Siegtreffer zu erzielen. Das war dann auch so, wobei wir auch sagen müssen, dass wir durchaus noch einen Gegentreffer hätten kassieren können."

"Härtetest für den Willen"

Zwei Mal Konjunktiv, es blieb beim 2:2. Nach dem 4:0 zum Auftakt gegen Portugal auch in Spiel zwei wieder vier Tore. Eine Kleinigkeit störte: 50 Prozent der vier Tore sind auf der falschen Seite gefallen. Die Reisegesellschaft von Fortaleza nach Porto Seguro war dennoch nicht niedergeschlagen, als sie sich auf dem Weg zurück ins Campo Bahia machte. Das DFB-Team hatte sich gegen Ghana gewehrt – und nach vier Punkten aus zwei Spielen vor dem finalen Gruppenspiel gegen die USA alle Trümpfe in der Hand. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach war folglich zufrieden. Das Flugzeug mit der deutschen Nationalmannschaft an Bord befand sich schon im Sinkflug, als Niersbach seine Stimme erhob.

Der DFB-Präsident schnappte sich das Bordmikrofon, ihm war es ein Anliegen, den Spielern mit auf den Weg zu geben, dass sie stolz auf die Leistung sein können. "Es war ein tolles WM-Spiel, es war alles drin. Vor allem war es ein echter Härtetest für den Willen", sagte Niersbach. Führung, Ausgleich, Rückstand, kurz gewackelt, einmal geschüttelt, Ausgleich. Emotionen in allen Facetten, Härtetest bestanden. "Ihr könnt stolz auf euch sein", rief Niersbach den Spielern zu.

Zwei Spieler galt es an diesem Abend besonders zu erwähnen. Per Mertesacker hatte gegen Ghana sein 100. Länderspiel bestritten, und Niersbach benötigte wenige Worte, um seinem Respekt dafür Ausdruck zu geben: "Langer, Du bist ein Großer", sagte der DFB-Präsident. Um sich dann einem Spieler zuzuwenden, dem dieses Prädikat an diesem Abend sogar noch mehr gebührte: Klose. "Es gibt in der Geschichte der WM keinen Spieler, der mehr Tore geschossen hat", sagte Niersbach. Wie dies zu bewerten ist, gab der Rekordtorschütze einen Tag später selber vor. Klose sagte: "20 Spiele, 15 Kisten, das ist schon nicht schlecht." Nicht schlecht - kann man so sehen. Da darf dann ruhig auch mal der anschließende Salto in die Hose gehen.