Von Paris zur EM: Sicherheit geht vor

Die Ereignisse von Paris und Hannover Mitte November haben auch im Fußball das Thema Sicherheit noch stärker in die Diskussion gerückt. Nicht erst seit diesen Tagen werden umfangreiche Vorkehrungen getroffen, um das Erlebnis Fußball zu einem unbeschwerten Fest für die ganze Familie zu machen. Das gilt auch für die EM im kommenden Jahr in Frankreich.

Am Abend des 13. November 2015 kam der Terror nach Paris. In der französischen Hauptstadt verloren 130 Menschen ihr Leben. Das Leid der Opfer, der Angehörigen und Freunde ist unvorstellbar. Am Abend des 13. November sollten nach dem Willen der Attentäter aber noch mehr Menschen sterben, am Stade de France. Dort, wo der Weltmeister zu dieser Zeit gegen den Gastgeber der EM 2016 spielte, gegen Frankreich.

Der Plan wurde vereitelt, zum Glück, nicht aus Glück. Er wurde vereitelt, weil Menschen richtig reagiert haben, weil die Behörden gut gearbeitet haben, weil im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen getroffen wurden. Ähnlich war es auch vier Tage später in Hannover, als das Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Niederlande aus Sicherheitsgründen abgesagt wurde. Das Stadion wurde evakuiert, die Fans gingen ruhig und geordnet nach Hause. Opfer gab es nicht.

Hendrik Große Lefert, der Sicherheitsbeauftragte des DFB, war in Paris und Hannover an zentraler Stelle involviert. Er arbeitete im Stade de France eng mit den Sicherheitsverantwortlichen der Polizei und des Verbandes zusammen. Genauso wie in Deutschland. Und er sagt: "Wenn es um die Sicherheit geht, dürfen keine Kompromisse gemacht werden. In Paris und in Hannover hat sich das gute Netzwerk mit den Behörden bewährt. Ich bin der Überzeugung, dass dies wesentlich dazu beigetragen hat, noch Schlimmeres zu verhindern." Dennoch: Mit dem 13. November hat sich die Diskussion verändert. Zum ersten Mal wurde für Fans und Spieler aus einer abstrakten Terror-Gefahr eine konkrete Bedrohung. Und seither steht eine Frage im Raum, die sich für alle öffentlichen Veranstaltungen stellt: Wie sicher sind sie?

Mehr Aufwand, Kosten und Personal

Große Lefert weiß, welche Antwort sich die Menschen erhoffen. Er kennt das Bedürfnis nach absoluter Sicherheit, gleichwohl muss er sagen: "Es wäre nicht seriös, wenn wir den Menschen erzählen würden, dass wir alle Gefahren komplett ausschließen können." Etwas anderes aber kann er garantieren: dass hart dafür gearbeitet wird, um das höchstmögliche Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Das gilt gleichermaßen für die Spiele der Klubs in Deutschland und für die Spiele der Nationalmannschaft. Und genauso für die Europameisterschaft im kommenden Jahr in Frankreich. Die Fans vertrauen weiter darauf, das zeigen die vollen Stadien.

Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens um die Ausrichtung der EM-Endrunde hat der Staat die Sicherheitsgarantien für das Turnier übernommen. Unabhängig von Kosten und Aufwand hat sich Frankreich verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, die für eine ordnungsgemäße und sichere Durchführung der EM erforderlich sind. Nach dem 13. November wurden und werden die Konzepte noch einmal überarbeitet und angepasst, und dies bleibt ein kontinuierlicher Prozess.

Nicht gewagt ist die Prognose, dass das Sicherheitsbudget für das Turnier in Frankreich aufgestockt wird, dass die Zahl der Einsatzkräfte steigen wird, dass auch der technische Aufwand wachsen wird. Viele Maßnahmen sind beschlossen, auch mit Blick auf die EURO, aber nicht kommuniziert. Und das wird sich auch nicht ändern. "Prävention lebt bei diesem Thema davon, dass viele Mittel und Maßnahmen geheim und damit wirksam bleiben", sagt Große Lefert.

Der Sicherheitsbeauftragte des DFB ist kein Freund von populistischen Maßnahmen und Äußerungen. Es kursieren ja diverse Vorschläge, wie Stadien und Fan-Feste künftig zu schützen sind. Als Option immer wieder genannt werden Stadion-Einlasskontrollen wie am Flughafen, also ein Scannen der Fans und ihrer Taschen. Das Problem: Sprengstoffe werden bei herkömmlichen Geräten vielfach nicht aufgespürt. Außerdem: Auch dies schafft keine hundertprozentige Sicherheit. Also wo fängt man an, wo hört man auf? Was ist realistisch? "Wir können hochrüsten. Aber wir können aus einem Stadion keine Festung machen. Zu Ende gedacht, entsteht irgendwann ein absoluter Überwachungsstaat", sagt Große Lefert. "Und das kann niemand wollen." Seine Antwort auf die Frage nach mehr Sicherheit: "Wir müssen die bestehende und funktionierende Sicherheitsarchitektur weiter ausbauen und optimieren."

"Faktor Mensch wird immer entscheidend sein"

Paris und Hannover haben verdeutlicht, dass die Sicherheitsmechanismen in diesen Fällen gegriffen haben. Aber gilt das grundsätzlich? Nach Paris und Hannover wurden auch in Deutschland alle Sicherheitskonzepte im Fußball hinterfragt und überprüft. Viele Ergebnisse waren sehr zufriedenstellend, es wurde aber auch die eine oder andere Stelle identifiziert, die optimiert werden kann. "Wir haben Anpassungen vorgenommen", sagt Große Lefert. Und betont: "Wir brauchen vor allem das Bewusstsein und auch die Bereitschaft jedes einzelnen Zuschauers für unsere Sicherheitsmaßnahmen. Egal, ob wegen intensiver Kontrollen von Personen und Fahrzeugen möglichst keine Taschen oder Gegenstände mit ins Stadion genommen werden, oder einfach eine frühzeitige Anreise zum Stadion eingeplant wird." Konkreter kann und will er nicht werden. Nur so viel: "Der Faktor Mensch wird für die Sicherheit immer entscheidend sein." Paris hat das gezeigt. Und Bastian Schweinsteiger erinnert daran. Der Kapitän der Nationalmannschaft sagt: "Ich habe später von einem Ordner gelesen, der einen Attentäter daran gehindert hat, ins Stadion zu kommen. Der ist ein wahrer Held."

Auch für Große Lefert haben die Ordner im Sicherheitsgefüge hohen Stellenwert. Im DFB wurde schon vor Paris und Hannover ein modernes Qualifizierungskonzept für Ordner erarbeitet, Große Lefert sieht darin einen wichtigen Hebel. Und eine große Notwendigkeit. Ein paar Zahlen verdeutlichen die Dimension. In der Saison 2014 /2015 kamen in Deutschland bei Spielen in den ersten drei Ligen insgesamt mehr als 300.000 Ordnungskräfte zum Einsatz. An jedem Wochenende sind allein im Profifußball in Deutschland etwa 8.700 Ordnungskräfte im Einsatz.

Bestreben des DFB ist es, diese Kräfte flächendeckend zu qualifizieren. Mit dem Ziel einer staatlichen Anerkennung, vor allem aber mit dem Ziel, die Qualität der Ordnungskräfte noch mehr zu steigern und sie gezielt auf die Anforderungen rund um ein Fußballspiel vorzubereiten. "Wir brauchen diese fußballspezifische Qualifizierung", sagt Große Lefert. "Und wir haben sie gemeinsam mit allen relevanten Netzwerkpartnern insbesondere der Polizei, so konzipiert, dass der Aufwand verhältnismäßig ist. Nur wenn wir die Inhalte zielgruppengerecht und einfach zugänglich machen, können wir genügend Ordner überhaupt qualifizieren. Und das müssen wir. Dafür ist dieser Bereich zu sensibel."

Er ist dies auch noch aus einem anderen Grund. Der DFB will die Ordner qualifizieren, er will aber auch die Möglichkeit eröffnen, dass diese in Bezug auf ihre Zuverlässigkeit überprüft werden können. Dann kann ausgeschlossen werden, dass Sicherheitspersonal im Einzelfall zu einer Sicherheitsgefahr wird. Aktuell ist eine behördliche Zuverlässigkeitsüberprüfung aller Ordnungsdienste rund um Fußballspiele rechtlich nicht oder nur eingeschränkt möglich. Führungszeugnisse und Auskünfte aus dem Bundeszentralregister können für Ordnungsdienste nur eingeholt werden, wenn diese gewerblich tätig sind, oder die Veranstaltung als besonders gefährdet eingestuft ist. "Und Fußballspiele fallen völlig zu Recht nicht darunter", sagt Große Lefert. "Die Zuverlässigkeitsüberprüfung ist für uns alle gleichwohl von großer Bedeutung. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird. Das Land Hessen ist hier bereits einen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Aber hier brauchen wir eine bundesweite Lösung – das ist ganz klar im Interesse der Sicherheit.“ Und damit im Interesse aller.

[sl]

Die Ereignisse von Paris und Hannover Mitte November haben auch im Fußball das Thema Sicherheit noch stärker in die Diskussion gerückt. Nicht erst seit diesen Tagen werden umfangreiche Vorkehrungen getroffen, um das Erlebnis Fußball zu einem unbeschwerten Fest für die ganze Familie zu machen. Das gilt auch für die EM im kommenden Jahr in Frankreich.

Am Abend des 13. November 2015 kam der Terror nach Paris. In der französischen Hauptstadt verloren 130 Menschen ihr Leben. Das Leid der Opfer, der Angehörigen und Freunde ist unvorstellbar. Am Abend des 13. November sollten nach dem Willen der Attentäter aber noch mehr Menschen sterben, am Stade de France. Dort, wo der Weltmeister zu dieser Zeit gegen den Gastgeber der EM 2016 spielte, gegen Frankreich.

Der Plan wurde vereitelt, zum Glück, nicht aus Glück. Er wurde vereitelt, weil Menschen richtig reagiert haben, weil die Behörden gut gearbeitet haben, weil im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen getroffen wurden. Ähnlich war es auch vier Tage später in Hannover, als das Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Niederlande aus Sicherheitsgründen abgesagt wurde. Das Stadion wurde evakuiert, die Fans gingen ruhig und geordnet nach Hause. Opfer gab es nicht.

Hendrik Große Lefert, der Sicherheitsbeauftragte des DFB, war in Paris und Hannover an zentraler Stelle involviert. Er arbeitete im Stade de France eng mit den Sicherheitsverantwortlichen der Polizei und des Verbandes zusammen. Genauso wie in Deutschland. Und er sagt: "Wenn es um die Sicherheit geht, dürfen keine Kompromisse gemacht werden. In Paris und in Hannover hat sich das gute Netzwerk mit den Behörden bewährt. Ich bin der Überzeugung, dass dies wesentlich dazu beigetragen hat, noch Schlimmeres zu verhindern." Dennoch: Mit dem 13. November hat sich die Diskussion verändert. Zum ersten Mal wurde für Fans und Spieler aus einer abstrakten Terror-Gefahr eine konkrete Bedrohung. Und seither steht eine Frage im Raum, die sich für alle öffentlichen Veranstaltungen stellt: Wie sicher sind sie?

Mehr Aufwand, Kosten und Personal

Große Lefert weiß, welche Antwort sich die Menschen erhoffen. Er kennt das Bedürfnis nach absoluter Sicherheit, gleichwohl muss er sagen: "Es wäre nicht seriös, wenn wir den Menschen erzählen würden, dass wir alle Gefahren komplett ausschließen können." Etwas anderes aber kann er garantieren: dass hart dafür gearbeitet wird, um das höchstmögliche Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Das gilt gleichermaßen für die Spiele der Klubs in Deutschland und für die Spiele der Nationalmannschaft. Und genauso für die Europameisterschaft im kommenden Jahr in Frankreich. Die Fans vertrauen weiter darauf, das zeigen die vollen Stadien.

Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens um die Ausrichtung der EM-Endrunde hat der Staat die Sicherheitsgarantien für das Turnier übernommen. Unabhängig von Kosten und Aufwand hat sich Frankreich verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, die für eine ordnungsgemäße und sichere Durchführung der EM erforderlich sind. Nach dem 13. November wurden und werden die Konzepte noch einmal überarbeitet und angepasst, und dies bleibt ein kontinuierlicher Prozess.

Nicht gewagt ist die Prognose, dass das Sicherheitsbudget für das Turnier in Frankreich aufgestockt wird, dass die Zahl der Einsatzkräfte steigen wird, dass auch der technische Aufwand wachsen wird. Viele Maßnahmen sind beschlossen, auch mit Blick auf die EURO, aber nicht kommuniziert. Und das wird sich auch nicht ändern. "Prävention lebt bei diesem Thema davon, dass viele Mittel und Maßnahmen geheim und damit wirksam bleiben", sagt Große Lefert.

Der Sicherheitsbeauftragte des DFB ist kein Freund von populistischen Maßnahmen und Äußerungen. Es kursieren ja diverse Vorschläge, wie Stadien und Fan-Feste künftig zu schützen sind. Als Option immer wieder genannt werden Stadion-Einlasskontrollen wie am Flughafen, also ein Scannen der Fans und ihrer Taschen. Das Problem: Sprengstoffe werden bei herkömmlichen Geräten vielfach nicht aufgespürt. Außerdem: Auch dies schafft keine hundertprozentige Sicherheit. Also wo fängt man an, wo hört man auf? Was ist realistisch? "Wir können hochrüsten. Aber wir können aus einem Stadion keine Festung machen. Zu Ende gedacht, entsteht irgendwann ein absoluter Überwachungsstaat", sagt Große Lefert. "Und das kann niemand wollen." Seine Antwort auf die Frage nach mehr Sicherheit: "Wir müssen die bestehende und funktionierende Sicherheitsarchitektur weiter ausbauen und optimieren."

"Faktor Mensch wird immer entscheidend sein"

Paris und Hannover haben verdeutlicht, dass die Sicherheitsmechanismen in diesen Fällen gegriffen haben. Aber gilt das grundsätzlich? Nach Paris und Hannover wurden auch in Deutschland alle Sicherheitskonzepte im Fußball hinterfragt und überprüft. Viele Ergebnisse waren sehr zufriedenstellend, es wurde aber auch die eine oder andere Stelle identifiziert, die optimiert werden kann. "Wir haben Anpassungen vorgenommen", sagt Große Lefert. Und betont: "Wir brauchen vor allem das Bewusstsein und auch die Bereitschaft jedes einzelnen Zuschauers für unsere Sicherheitsmaßnahmen. Egal, ob wegen intensiver Kontrollen von Personen und Fahrzeugen möglichst keine Taschen oder Gegenstände mit ins Stadion genommen werden, oder einfach eine frühzeitige Anreise zum Stadion eingeplant wird." Konkreter kann und will er nicht werden. Nur so viel: "Der Faktor Mensch wird für die Sicherheit immer entscheidend sein." Paris hat das gezeigt. Und Bastian Schweinsteiger erinnert daran. Der Kapitän der Nationalmannschaft sagt: "Ich habe später von einem Ordner gelesen, der einen Attentäter daran gehindert hat, ins Stadion zu kommen. Der ist ein wahrer Held."

Auch für Große Lefert haben die Ordner im Sicherheitsgefüge hohen Stellenwert. Im DFB wurde schon vor Paris und Hannover ein modernes Qualifizierungskonzept für Ordner erarbeitet, Große Lefert sieht darin einen wichtigen Hebel. Und eine große Notwendigkeit. Ein paar Zahlen verdeutlichen die Dimension. In der Saison 2014 /2015 kamen in Deutschland bei Spielen in den ersten drei Ligen insgesamt mehr als 300.000 Ordnungskräfte zum Einsatz. An jedem Wochenende sind allein im Profifußball in Deutschland etwa 8.700 Ordnungskräfte im Einsatz.

Bestreben des DFB ist es, diese Kräfte flächendeckend zu qualifizieren. Mit dem Ziel einer staatlichen Anerkennung, vor allem aber mit dem Ziel, die Qualität der Ordnungskräfte noch mehr zu steigern und sie gezielt auf die Anforderungen rund um ein Fußballspiel vorzubereiten. "Wir brauchen diese fußballspezifische Qualifizierung", sagt Große Lefert. "Und wir haben sie gemeinsam mit allen relevanten Netzwerkpartnern insbesondere der Polizei, so konzipiert, dass der Aufwand verhältnismäßig ist. Nur wenn wir die Inhalte zielgruppengerecht und einfach zugänglich machen, können wir genügend Ordner überhaupt qualifizieren. Und das müssen wir. Dafür ist dieser Bereich zu sensibel."

Er ist dies auch noch aus einem anderen Grund. Der DFB will die Ordner qualifizieren, er will aber auch die Möglichkeit eröffnen, dass diese in Bezug auf ihre Zuverlässigkeit überprüft werden können. Dann kann ausgeschlossen werden, dass Sicherheitspersonal im Einzelfall zu einer Sicherheitsgefahr wird. Aktuell ist eine behördliche Zuverlässigkeitsüberprüfung aller Ordnungsdienste rund um Fußballspiele rechtlich nicht oder nur eingeschränkt möglich. Führungszeugnisse und Auskünfte aus dem Bundeszentralregister können für Ordnungsdienste nur eingeholt werden, wenn diese gewerblich tätig sind, oder die Veranstaltung als besonders gefährdet eingestuft ist. "Und Fußballspiele fallen völlig zu Recht nicht darunter", sagt Große Lefert. "Die Zuverlässigkeitsüberprüfung ist für uns alle gleichwohl von großer Bedeutung. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird. Das Land Hessen ist hier bereits einen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Aber hier brauchen wir eine bundesweite Lösung – das ist ganz klar im Interesse der Sicherheit.“ Und damit im Interesse aller.

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