Turnierbilanz: Makellos gegen Schottland

Das Torverhältnis aus 17 Länderspielen mit dem Auftaktgegner bei dieser Europameisterschaft beträgt 26:23. Das sagt allerhand über die deutsch-schottische Fußball-Geschichte: Immer war es knapp, die Kontrahenten schenkten sich nichts. Bei Turnieren sahen sie sich nur zweimal - das EM-Eröffnungsspiel heute (ab 21 Uhr, live im ZDF und bei MagentaTV) in München ist erst das dritte Duell. DFB.de blickt zurück auf zwei deutsche Siege, die teuer erkauft waren. Einen bei einer WM, einen bei einer EM. 

Bei der WM 1986 trafen sie sich in Mexiko zum zweiten Vorrundenspiel. "In allen meinen Kalkulationen hatte ich einen Sieg gegen Schottland eingeplant", sagte Teamchef Franz Beckenbauer hinterher – nachdem sein Plan aufgegangen war. Dabei hatte es in neun Duellen erst zwei Siege gegeben, der wichtigste 1969 in Hamburg (3:2) war hart errungen worden und öffnete den Weg zur ersten Mexiko-WM. 1986 waren sie beide in Mexiko. Deutschland war Vize-Weltmeister und Favorit, war gegen Uruguay aber mühsam ins Turnier gestartet (1:1). Die von Alex Ferguson trainierten Schotten standen nach dem 0:1 gegen Dänemark schon mit dem Rücken zur Wand und beklagten Ausfälle. Ferguson: "Schlimmer hätte es nicht kommen können. Ich muss meine gesamte Angriffsstrategie umwerfen. Und dabei müssen wir gegen Deutschland voll auf Sieg spielen und jedes Risiko in Kauf nehmen."

"Das kann nur der Rudi"

So begannen sie auch in Queretaro und gingen durch Gordon Strachan, der Schumacher mit einem noch abgefälschten Schuss ins kurze Eck überraschte, in Führung (18.). Ein früher Rückstand bei 38 Grad im Schatten – das wünscht sich keiner. Doch im Gegensatz zum Uruguay-Spiel fiel der Ausgleich fast im Gegenzug: über Pierre Littbarski und Klaus Allofs kam der Ball von links halbhoch zum sträflich frei stehenden Rudi Völler, der wuchtete ihn aus zwei Metern mit dem Knie ins Tor (23.). "Das kann nur der Rudi", brüllte sein stolzer Bremer Vereinstrainer Otto Rehhagel, in Mexiko Co-Kommentator für das ZDF, in sein Mikrofon.

In der Halbzeit sagte Franz Beckenbauer vor dem Herausgehen tatsächlich mal die oft zitierten Worte: "Geht’s raus und spielt’s Fußball!" Unverändert kamen beide Teams zurück. Aber schon nach fünf Minuten änderte sich jedenfalls der Spielstand. Völler dribbelte sich zunächst fest, kein Wunder bei gleich drei Gegenspielern. Eher zufällig trudelte der Ball zum frei stehenden Allofs und der traf auch in seinem zweiten WM-Spiel. Es war der Siegtreffer, der Schottlands Heimreise fast schon garantierte. Immerhin bekamen die Bravehearts ein Lob vom Kaiser: "Die Schotten waren der erwartet starke Gegner, der uns bis zum Schlusspfiff alles abverlangt hat."

"Wir schicken die Schotten am Montag nach Glasgow zurück"

Wie sechs Jahre später bei der EM in Schweden. In Norrköping traf man sich wieder zum zweiten Gruppenspiel und wieder hatte Deutschland zuvor 1:1 gespielt (gegen GUS) und Schottland 0:1 (gegen die Niederlande). Für Weltmeister Deutschland war ein Sieg Pflicht, zumal im letzten Gruppenspiel Europameister Niederlande wartete. Den Schotten ging es nicht besser, ein Punkt war das Minimalziel. Das Stadion war ausverkauft, aber nur selten hatte die DFB-Elf weniger Zuschauer bei einem Turnier: 17.638 wurden Zeuge eines harten Fights, knapp die Hälfte aus Deutschland.

Bei den seit 1990 von Berti Vogts betreuten Deutschen herrschte nach dem Fehlstart Alarm, erst in letzter Minute hatte ein Häßler-Freistoß eine Niederlage verhindert. Das Spiel war eines Weltmeisters nicht würdig gewesen, zudem hatte sich Kapitän Rudi Völler den Unterarm gebrochen und schon die Heimreise angetreten. "Schon auf der Rückfahrt wussten Rainer Bonhof und ich, wie und mit wem wir spielen werden", beruhigte Vogts die Heimat. An hochrangigen Alternativen mangelte es nicht: Andy Möller, Matthias Sammer und Jürgen Klinsmann kamen in die Elf, aus der Thomas Doll, Stefan Reuter und – notgedrungen – Völler wichen. Acht Weltmeister standen in der Elf, dazu Sammer als einziger Nationalspieler der ehemaligen DDR, Stefan Effenberg als einziger Bayern-Profi und Frankfurts Manfred Binz als Libero.

Vogts schwärmte vom "größeren spielerischen Potenzial" seiner Mannschaft und versprach: "Wir schicken die Schotten am Montag nach Glasgow zurück." Den ersten Nadelstich hatte allerdings Kollege Andy Roxburgh gesetzt: "Wir werden die Deutschen ausknocken."

"Abend der Brummschädel"

Damit sollte er gar nicht mal so falsch liegen. Das EM-Spiel von Norrköping ging als der "Abend der Brummschädel" in die Annalen ein, denn es gab mehr Kopfverletzungen als Tore auf deutscher Seite – und die verbuchte immerhin einen 2:0-Sieg. Der war hochverdient, wenn die Tore auch glücklich zustande kamen. Karl-Heinz Riedle schoss durch die Beine eines Verteidigers (30.) und Stefan Effenbergs abgefälschte Flanke schlug im langen Eck ein (47.).

Dafür landete manch gut gemeinter Schuss am Pfosten, wie der von Möller (59.) und der von Häßler (67.). Auch der Einsatz stimmte, alle eingesetzten Spieler hatten eine positive Zweikampfbilanz – bis auf Stefan Reuter. Der war nur vier Minuten auf dem Feld und wurde eines von drei Opfern schottischer "Treffer". Kaum eingewechselt, musste er mit blutender Platzwunde an der Stirn wieder raus, während der Schotte McCall weiter machen konnte. Reuters Wunde wurde zunächst geklammert, musste später mit fünf Stichen genäht werden. Mit einem Handtuch um den Kopf wurde er abgeführt, es war blutig und ZDF-Reporter Dieter Kürten fühlte sich an das Pokalfinale 1982 erinnert, als Bayerns Dieter Hoeneß mit blutgetränktem Turban weiter spielte. Kürten wusste zu berichten, dass es bei Platzwunden am Kopf "unglaublich viel Blutverlust" gebe.

Reuter war schon das zweite Opfer des Tages. Er war für Riedle gekommen, der im Luftkampf mit Gough einen Schlag auf die Nasenwurzel bekam. Auch der Stürmer war blutend vom Feld gegangen und merkte an: "Schlimmer können Schmerzen bei einem Nasenbeinbruch auch nicht sein." Schließlich wurde Guido Buchwald nach einem Zusammenprall, wieder mit Gough, kurz ohnmächtig und befand sich sogar in akuter Gefahr, weil er seine Zunge zu verschlucken drohte. Das wurde verhindert, und weil auch sein Ohr blutete, bekam er von Teamarzt Dr. Heß einen Turban gewickelt. Auch der war blutbefleckt. Dann trugen sie ihn mit drei Mann runter, Kapitän Andy Brehme packte mit an.

Mit allen Mitteln gegen das Vorrundenaus

Da nicht mehr gewechselt werden konnte, wollte Guido wieder rein, aber das ließen die Betreuer nicht zu. Reichlich benommen wurde auch er abgeführt, und Kürten sagte: "Gut, dass das Spiel bald zu Ende ist, sonst hätten wir hier bald ein richtiges Lazarett." In den letzten sechs Minuten in Unterzahl, rettete der Weltmeister den Vorsprung über die Zeit. Auch dank Torwart Bodo Illgner, der ein starkes Spiel machte. Buchwald hatte übrigens keine Erinnerung mehr an den Zusammenprall und so fragte man ihn besser mal nach seinem Namen. Antwort: "Na klar, ich bin der Jürgen Klinsmann." Ein Scherz im Hochgefühl eines teuer erkauften Sieges gegen eine Mannschaft, die sich mit allen Mitteln gegen das Vorrundenaus wehrte. Ohne Rücksicht auf (deutsche) Verluste. Aber die Zusammenstöße in der Luft waren unglücklicher Natur und taten auch den Schotten weh, sie bekamen nur eine Gelbe Karte für ein zu rabiates Tackling.

Immerhin: Sie zeigten sich als wahre Sportsmänner, indem sie im letzten Gruppenspiel die GUS 3:0 schlugen und damit Deutschland im Turnier hielten. Wo der Weg immerhin bis ins Finale führte - das dann aber Dänemark 2:0 gewann.

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Das Torverhältnis aus 17 Länderspielen mit dem Auftaktgegner bei dieser Europameisterschaft beträgt 26:23. Das sagt allerhand über die deutsch-schottische Fußball-Geschichte: Immer war es knapp, die Kontrahenten schenkten sich nichts. Bei Turnieren sahen sie sich nur zweimal - das EM-Eröffnungsspiel heute (ab 21 Uhr, live im ZDF und bei MagentaTV) in München ist erst das dritte Duell. DFB.de blickt zurück auf zwei deutsche Siege, die teuer erkauft waren. Einen bei einer WM, einen bei einer EM. 

Bei der WM 1986 trafen sie sich in Mexiko zum zweiten Vorrundenspiel. "In allen meinen Kalkulationen hatte ich einen Sieg gegen Schottland eingeplant", sagte Teamchef Franz Beckenbauer hinterher – nachdem sein Plan aufgegangen war. Dabei hatte es in neun Duellen erst zwei Siege gegeben, der wichtigste 1969 in Hamburg (3:2) war hart errungen worden und öffnete den Weg zur ersten Mexiko-WM. 1986 waren sie beide in Mexiko. Deutschland war Vize-Weltmeister und Favorit, war gegen Uruguay aber mühsam ins Turnier gestartet (1:1). Die von Alex Ferguson trainierten Schotten standen nach dem 0:1 gegen Dänemark schon mit dem Rücken zur Wand und beklagten Ausfälle. Ferguson: "Schlimmer hätte es nicht kommen können. Ich muss meine gesamte Angriffsstrategie umwerfen. Und dabei müssen wir gegen Deutschland voll auf Sieg spielen und jedes Risiko in Kauf nehmen."

"Das kann nur der Rudi"

So begannen sie auch in Queretaro und gingen durch Gordon Strachan, der Schumacher mit einem noch abgefälschten Schuss ins kurze Eck überraschte, in Führung (18.). Ein früher Rückstand bei 38 Grad im Schatten – das wünscht sich keiner. Doch im Gegensatz zum Uruguay-Spiel fiel der Ausgleich fast im Gegenzug: über Pierre Littbarski und Klaus Allofs kam der Ball von links halbhoch zum sträflich frei stehenden Rudi Völler, der wuchtete ihn aus zwei Metern mit dem Knie ins Tor (23.). "Das kann nur der Rudi", brüllte sein stolzer Bremer Vereinstrainer Otto Rehhagel, in Mexiko Co-Kommentator für das ZDF, in sein Mikrofon.

In der Halbzeit sagte Franz Beckenbauer vor dem Herausgehen tatsächlich mal die oft zitierten Worte: "Geht’s raus und spielt’s Fußball!" Unverändert kamen beide Teams zurück. Aber schon nach fünf Minuten änderte sich jedenfalls der Spielstand. Völler dribbelte sich zunächst fest, kein Wunder bei gleich drei Gegenspielern. Eher zufällig trudelte der Ball zum frei stehenden Allofs und der traf auch in seinem zweiten WM-Spiel. Es war der Siegtreffer, der Schottlands Heimreise fast schon garantierte. Immerhin bekamen die Bravehearts ein Lob vom Kaiser: "Die Schotten waren der erwartet starke Gegner, der uns bis zum Schlusspfiff alles abverlangt hat."

"Wir schicken die Schotten am Montag nach Glasgow zurück"

Wie sechs Jahre später bei der EM in Schweden. In Norrköping traf man sich wieder zum zweiten Gruppenspiel und wieder hatte Deutschland zuvor 1:1 gespielt (gegen GUS) und Schottland 0:1 (gegen die Niederlande). Für Weltmeister Deutschland war ein Sieg Pflicht, zumal im letzten Gruppenspiel Europameister Niederlande wartete. Den Schotten ging es nicht besser, ein Punkt war das Minimalziel. Das Stadion war ausverkauft, aber nur selten hatte die DFB-Elf weniger Zuschauer bei einem Turnier: 17.638 wurden Zeuge eines harten Fights, knapp die Hälfte aus Deutschland.

Bei den seit 1990 von Berti Vogts betreuten Deutschen herrschte nach dem Fehlstart Alarm, erst in letzter Minute hatte ein Häßler-Freistoß eine Niederlage verhindert. Das Spiel war eines Weltmeisters nicht würdig gewesen, zudem hatte sich Kapitän Rudi Völler den Unterarm gebrochen und schon die Heimreise angetreten. "Schon auf der Rückfahrt wussten Rainer Bonhof und ich, wie und mit wem wir spielen werden", beruhigte Vogts die Heimat. An hochrangigen Alternativen mangelte es nicht: Andy Möller, Matthias Sammer und Jürgen Klinsmann kamen in die Elf, aus der Thomas Doll, Stefan Reuter und – notgedrungen – Völler wichen. Acht Weltmeister standen in der Elf, dazu Sammer als einziger Nationalspieler der ehemaligen DDR, Stefan Effenberg als einziger Bayern-Profi und Frankfurts Manfred Binz als Libero.

Vogts schwärmte vom "größeren spielerischen Potenzial" seiner Mannschaft und versprach: "Wir schicken die Schotten am Montag nach Glasgow zurück." Den ersten Nadelstich hatte allerdings Kollege Andy Roxburgh gesetzt: "Wir werden die Deutschen ausknocken."

"Abend der Brummschädel"

Damit sollte er gar nicht mal so falsch liegen. Das EM-Spiel von Norrköping ging als der "Abend der Brummschädel" in die Annalen ein, denn es gab mehr Kopfverletzungen als Tore auf deutscher Seite – und die verbuchte immerhin einen 2:0-Sieg. Der war hochverdient, wenn die Tore auch glücklich zustande kamen. Karl-Heinz Riedle schoss durch die Beine eines Verteidigers (30.) und Stefan Effenbergs abgefälschte Flanke schlug im langen Eck ein (47.).

Dafür landete manch gut gemeinter Schuss am Pfosten, wie der von Möller (59.) und der von Häßler (67.). Auch der Einsatz stimmte, alle eingesetzten Spieler hatten eine positive Zweikampfbilanz – bis auf Stefan Reuter. Der war nur vier Minuten auf dem Feld und wurde eines von drei Opfern schottischer "Treffer". Kaum eingewechselt, musste er mit blutender Platzwunde an der Stirn wieder raus, während der Schotte McCall weiter machen konnte. Reuters Wunde wurde zunächst geklammert, musste später mit fünf Stichen genäht werden. Mit einem Handtuch um den Kopf wurde er abgeführt, es war blutig und ZDF-Reporter Dieter Kürten fühlte sich an das Pokalfinale 1982 erinnert, als Bayerns Dieter Hoeneß mit blutgetränktem Turban weiter spielte. Kürten wusste zu berichten, dass es bei Platzwunden am Kopf "unglaublich viel Blutverlust" gebe.

Reuter war schon das zweite Opfer des Tages. Er war für Riedle gekommen, der im Luftkampf mit Gough einen Schlag auf die Nasenwurzel bekam. Auch der Stürmer war blutend vom Feld gegangen und merkte an: "Schlimmer können Schmerzen bei einem Nasenbeinbruch auch nicht sein." Schließlich wurde Guido Buchwald nach einem Zusammenprall, wieder mit Gough, kurz ohnmächtig und befand sich sogar in akuter Gefahr, weil er seine Zunge zu verschlucken drohte. Das wurde verhindert, und weil auch sein Ohr blutete, bekam er von Teamarzt Dr. Heß einen Turban gewickelt. Auch der war blutbefleckt. Dann trugen sie ihn mit drei Mann runter, Kapitän Andy Brehme packte mit an.

Mit allen Mitteln gegen das Vorrundenaus

Da nicht mehr gewechselt werden konnte, wollte Guido wieder rein, aber das ließen die Betreuer nicht zu. Reichlich benommen wurde auch er abgeführt, und Kürten sagte: "Gut, dass das Spiel bald zu Ende ist, sonst hätten wir hier bald ein richtiges Lazarett." In den letzten sechs Minuten in Unterzahl, rettete der Weltmeister den Vorsprung über die Zeit. Auch dank Torwart Bodo Illgner, der ein starkes Spiel machte. Buchwald hatte übrigens keine Erinnerung mehr an den Zusammenprall und so fragte man ihn besser mal nach seinem Namen. Antwort: "Na klar, ich bin der Jürgen Klinsmann." Ein Scherz im Hochgefühl eines teuer erkauften Sieges gegen eine Mannschaft, die sich mit allen Mitteln gegen das Vorrundenaus wehrte. Ohne Rücksicht auf (deutsche) Verluste. Aber die Zusammenstöße in der Luft waren unglücklicher Natur und taten auch den Schotten weh, sie bekamen nur eine Gelbe Karte für ein zu rabiates Tackling.

Immerhin: Sie zeigten sich als wahre Sportsmänner, indem sie im letzten Gruppenspiel die GUS 3:0 schlugen und damit Deutschland im Turnier hielten. Wo der Weg immerhin bis ins Finale führte - das dann aber Dänemark 2:0 gewann.

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