Tilkowski: "Es passt im Moment einfach alles zusammen"

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Vize-Weltmeister 1966, einer der besten deutschen Torhüter aller Zeiten: Viel zu oft wird Hans Tilkowski ausschließlich mit dem legendären Wembley-Tor in Verbindung gebracht. Im DFB.de-Interview spricht der 78-Jährige über den Einzug der DFB-Auswahl ins WM-Endspiel. Über den Gegner Argentinien. Und – natürlich – über die bisherigen Leistungen von Manuel Neuer bei diesem Turnier.

"Manuel Neuer bringt alles mit, was einen guten Torwart heutzutage auszeichnet. Er kann hervorragend Fußball spielen und er kann die Situation antizipieren. Zudem ist er eine Persönlichkeit auf dem Platz", sagt Tilkowski im DFB.de-Interview. "Er strahlt das nötige Selbstvertrauen aus und macht damit seine Mitspieler auch stärker. Außerdem wirkt er nie verkrampft, sondern immer locker und ausgeglichen. Aber der Grat ist schmal. Das darf nicht in Überheblichkeit oder Leichtsinn umschlagen."

DFB.de: Herr Tilkowski, als ehemaliger deutscher Nationaltorhüter und Vize-Weltmeister von 1966 – wie bewerten Sie die Leistung von Manuel Neuer bislang?

Hans Tilkowski: Man muss großen Respekt haben. Manuel Neuer macht das ganz hervorragend. Er gibt mit seiner Ausstrahlung und seiner Klasse der gesamten Hintermannschaft Sicherheit. Und deshalb ist er natürlich ein ganz entscheidender Faktor dafür, dass die DFB-Auswahl das WM-Endspiel erreicht hat.

DFB.de: Wie haben Sie das Halbfinale gegen Brasilien erlebt?

Tilkowski: Es war beeindruckend, was die Mannschaft besonders in der ersten halben Stunde gezeigt hat. Ich habe schon viele Fußballspiele gesehen, aber so etwas erlebt man nur ganz, ganz selten. Ich hatte den Eindruck, die Brasilianer wussten teilweise gar nicht mehr, wo sie waren. Nach den beiden ersten Gegentoren sind sie über den Platz gelaufen wie ein getroffener Boxer.

DFB.de: Kam dieser deutsche Auftritt nach dem mühsamen Sieg gegen Algerien und dem erkämpften Erfolg gegen Frankreich überraschend?

Tilkowski: In dieser Form war damit nicht zu rechnen. Aber auf gewisse Weise schon. Ich hatte vorher auf ein 3:0 getippt. Brasilien war einfach nicht so stark, wie man sie immer gemacht hat. Das hat man schon gegen Mexiko in der Vorrunde gesehen und natürlich auch im Achtelfinale gegen Chile. Und noch zum anderen Teil Ihrer Frage: Meiner Meinung nach ist es schwieriger, gegen Algerien oder Ghana zu spielen als gegen Frankreich. Man weiß einfach immer noch nicht genau, was einen bei diesen afrikanischen Teams erwartet. Frankreich und Brasilien hingegen kennt man ganz genau.

DFB.de: Wie wirkt sich dieses Ergebnis auf das anstehende Finale aus?

Tilkowski: Deutschland ist nun der große Favorit. Das Selbstvertrauen wird riesig sein, die Euphorie ebenfalls. Aber das sind auch die Momente, in denen man die schlimmsten Fehler machen kann. Ich warne eindringlich davor, überheblich zu werden.

DFB.de: Steht mit Deutschland die beste Mannschaft des Turniers im Endspiel?

Tilkowski: Ja. Und ich gehe noch einen Schritt weiter: Deutschland wird Weltmeister, daran habe ich keinen Zweifel mehr.

DFB.de: Im Finale geht es gegen Argentinien…

Tilkowski: … wir sollten Respekt vor denen haben, aber keine Angst. Argentinien ist eine defensiv sehr starke Mannschaft. Aber sie hatten auch Probleme bislang. Nicht ohne Grund haben sie ihre Spiele alle nur sehr knapp gewonnen. Also, noch einmal: Wer Weltmeister werden will, muss diese argentinische Mannschaft besiegen. Und das wird uns gelingen.

DFB.de: Was macht Sie so sicher?

Tilkowski: Es passt im Moment einfach alles zusammen. Das spielerische Potenzial ist vorhanden. Taktisch hat Joachim Löw tolle Arbeit geleistet. Auch der Teamgeist stimmt. Das ist für mich der entscheidende Faktor. Nur wenn der Zusammenhalt da ist, kann man erfolgreich sein. Dazu haben wir einen bislang herausragenden Torwart. Aber darüber haben wir ja bereits gesprochen.

DFB.de: Was zeichnet Neuer bislang aus?

Tilkowski: Es geht ja nicht nur darum, dass er auf der Linie kaum zu überwinden ist. Sein Stellungsspiel im Strafraum ist gut, er kann hervorragend Fußball spielen und er kann die Situation antizipieren. Zudem ist er eine Persönlichkeit auf dem Platz. Er strahlt das nötige Selbstvertrauen aus und macht damit seine Mitspieler ebenfalls stärker. Außerdem wirkt er nie verkrampft, sondern immer locker und ausgeglichen. Aber der Grat ist schmal. Das darf nicht in Leichtsinn umschlagen.

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DFB.de: Haben Sie diese Sorge?

Tilkowski: Nein, eigentlich nicht. Es ist halt seine Art, sehr offensiv am Spielgeschehen teilzunehmen. Aber das war früher zu meiner Zeit nicht anders. Sepp Herberger hat immer wieder betont, dass ein guter Torwart mitspielen muss und dementsprechend auch fußballerisch ordentlich ausgebildet sein sollte. Und auch der lange Abwurf hat damals bereits zu unserem Konzept gehört. Herberger hat immer ein Beispiel gebracht, das mir sehr einleuchtend war: Die Feldspieler rennen teilweise minutenlang über den Platz, um dem Gegner den Ball abzunehmen. Es könne ja nicht sein, dass der eigene Torwart mit einem schlechten Abschlag oder einem unglücklichen Abwurf den Ball direkt wieder herschenke. Deshalb war es ihm so wichtig, dass auch Torhüter die fußballerischen Grundlagen besitzen, um ein Spiel zumindest sicher eröffnen zu können. Dafür haben wir vor 40 oder 50 Jahren häufig mit den Feldspielern zusammen trainiert.

DFB.de: Also findet gerade keine Neuerfindung des Torwartspiels statt?

Tilkowski: Nein, das glaube ich nicht. Wir hatten schon häufig Torhüter, die man auch fußballerisch gebrauchen konnte und die teilweise die Funktion des freien Mannes übernommen haben. Erst als die große Zeit des klassischen Liberos angebrochen war, war das nicht mehr so nötig, weil er die Lücke zwischen den Verteidigern und dem Schlussmann geschlossen hat. Jetzt sollte diese Aufgabe möglichst der Torhüter übernehmen. Für mich ist das nur die logische Folge. Aber nochmal: Manuel Neuer macht das auf seine Art und Weise herausragend gut.

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Vize-Weltmeister 1966, einer der besten deutschen Torhüter aller Zeiten: Viel zu oft wird Hans Tilkowski ausschließlich mit dem legendären Wembley-Tor in Verbindung gebracht. Im DFB.de-Interview spricht der 78-Jährige über den Einzug der DFB-Auswahl ins WM-Endspiel. Über den Gegner Argentinien. Und – natürlich – über die bisherigen Leistungen von Manuel Neuer bei diesem Turnier.

"Manuel Neuer bringt alles mit, was einen guten Torwart heutzutage auszeichnet. Er kann hervorragend Fußball spielen und er kann die Situation antizipieren. Zudem ist er eine Persönlichkeit auf dem Platz", sagt Tilkowski im DFB.de-Interview. "Er strahlt das nötige Selbstvertrauen aus und macht damit seine Mitspieler auch stärker. Außerdem wirkt er nie verkrampft, sondern immer locker und ausgeglichen. Aber der Grat ist schmal. Das darf nicht in Überheblichkeit oder Leichtsinn umschlagen."

DFB.de: Herr Tilkowski, als ehemaliger deutscher Nationaltorhüter und Vize-Weltmeister von 1966 – wie bewerten Sie die Leistung von Manuel Neuer bislang?

Hans Tilkowski: Man muss großen Respekt haben. Manuel Neuer macht das ganz hervorragend. Er gibt mit seiner Ausstrahlung und seiner Klasse der gesamten Hintermannschaft Sicherheit. Und deshalb ist er natürlich ein ganz entscheidender Faktor dafür, dass die DFB-Auswahl das WM-Endspiel erreicht hat.

DFB.de: Wie haben Sie das Halbfinale gegen Brasilien erlebt?

Tilkowski: Es war beeindruckend, was die Mannschaft besonders in der ersten halben Stunde gezeigt hat. Ich habe schon viele Fußballspiele gesehen, aber so etwas erlebt man nur ganz, ganz selten. Ich hatte den Eindruck, die Brasilianer wussten teilweise gar nicht mehr, wo sie waren. Nach den beiden ersten Gegentoren sind sie über den Platz gelaufen wie ein getroffener Boxer.

DFB.de: Kam dieser deutsche Auftritt nach dem mühsamen Sieg gegen Algerien und dem erkämpften Erfolg gegen Frankreich überraschend?

Tilkowski: In dieser Form war damit nicht zu rechnen. Aber auf gewisse Weise schon. Ich hatte vorher auf ein 3:0 getippt. Brasilien war einfach nicht so stark, wie man sie immer gemacht hat. Das hat man schon gegen Mexiko in der Vorrunde gesehen und natürlich auch im Achtelfinale gegen Chile. Und noch zum anderen Teil Ihrer Frage: Meiner Meinung nach ist es schwieriger, gegen Algerien oder Ghana zu spielen als gegen Frankreich. Man weiß einfach immer noch nicht genau, was einen bei diesen afrikanischen Teams erwartet. Frankreich und Brasilien hingegen kennt man ganz genau.

DFB.de: Wie wirkt sich dieses Ergebnis auf das anstehende Finale aus?

Tilkowski: Deutschland ist nun der große Favorit. Das Selbstvertrauen wird riesig sein, die Euphorie ebenfalls. Aber das sind auch die Momente, in denen man die schlimmsten Fehler machen kann. Ich warne eindringlich davor, überheblich zu werden.

DFB.de: Steht mit Deutschland die beste Mannschaft des Turniers im Endspiel?

Tilkowski: Ja. Und ich gehe noch einen Schritt weiter: Deutschland wird Weltmeister, daran habe ich keinen Zweifel mehr.

DFB.de: Im Finale geht es gegen Argentinien…

Tilkowski: … wir sollten Respekt vor denen haben, aber keine Angst. Argentinien ist eine defensiv sehr starke Mannschaft. Aber sie hatten auch Probleme bislang. Nicht ohne Grund haben sie ihre Spiele alle nur sehr knapp gewonnen. Also, noch einmal: Wer Weltmeister werden will, muss diese argentinische Mannschaft besiegen. Und das wird uns gelingen.

DFB.de: Was macht Sie so sicher?

Tilkowski: Es passt im Moment einfach alles zusammen. Das spielerische Potenzial ist vorhanden. Taktisch hat Joachim Löw tolle Arbeit geleistet. Auch der Teamgeist stimmt. Das ist für mich der entscheidende Faktor. Nur wenn der Zusammenhalt da ist, kann man erfolgreich sein. Dazu haben wir einen bislang herausragenden Torwart. Aber darüber haben wir ja bereits gesprochen.

DFB.de: Was zeichnet Neuer bislang aus?

Tilkowski: Es geht ja nicht nur darum, dass er auf der Linie kaum zu überwinden ist. Sein Stellungsspiel im Strafraum ist gut, er kann hervorragend Fußball spielen und er kann die Situation antizipieren. Zudem ist er eine Persönlichkeit auf dem Platz. Er strahlt das nötige Selbstvertrauen aus und macht damit seine Mitspieler ebenfalls stärker. Außerdem wirkt er nie verkrampft, sondern immer locker und ausgeglichen. Aber der Grat ist schmal. Das darf nicht in Leichtsinn umschlagen.

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DFB.de: Haben Sie diese Sorge?

Tilkowski: Nein, eigentlich nicht. Es ist halt seine Art, sehr offensiv am Spielgeschehen teilzunehmen. Aber das war früher zu meiner Zeit nicht anders. Sepp Herberger hat immer wieder betont, dass ein guter Torwart mitspielen muss und dementsprechend auch fußballerisch ordentlich ausgebildet sein sollte. Und auch der lange Abwurf hat damals bereits zu unserem Konzept gehört. Herberger hat immer ein Beispiel gebracht, das mir sehr einleuchtend war: Die Feldspieler rennen teilweise minutenlang über den Platz, um dem Gegner den Ball abzunehmen. Es könne ja nicht sein, dass der eigene Torwart mit einem schlechten Abschlag oder einem unglücklichen Abwurf den Ball direkt wieder herschenke. Deshalb war es ihm so wichtig, dass auch Torhüter die fußballerischen Grundlagen besitzen, um ein Spiel zumindest sicher eröffnen zu können. Dafür haben wir vor 40 oder 50 Jahren häufig mit den Feldspielern zusammen trainiert.

DFB.de: Also findet gerade keine Neuerfindung des Torwartspiels statt?

Tilkowski: Nein, das glaube ich nicht. Wir hatten schon häufig Torhüter, die man auch fußballerisch gebrauchen konnte und die teilweise die Funktion des freien Mannes übernommen haben. Erst als die große Zeit des klassischen Liberos angebrochen war, war das nicht mehr so nötig, weil er die Lücke zwischen den Verteidigern und dem Schlussmann geschlossen hat. Jetzt sollte diese Aufgabe möglichst der Torhüter übernehmen. Für mich ist das nur die logische Folge. Aber nochmal: Manuel Neuer macht das auf seine Art und Weise herausragend gut.