"Semester drangehängt, um WM zu sehen": Fans erinnern sich an 1990

Auf den Tag genau 25 Jahre ist es heute her, dass die DFB-Auswahl bei der WM 1990 den Titel holte. Und dennoch sind die Erinnerungen an das Finale von Rom noch allgegenwärtig. Wir hatten Euch aufgerufen, uns Eure Erinnerungen an das Endspiel gegen Argentinien aufzuschreiben. Wir haben einige Beiträge zusammengefasst, die uns per Mail erreichten.

Gib dem Kellner Gläser

Jörg Lauer: „Ich war zu dieser Zeit noch mit meinen Eltern und meinem Bruder im Sommerurlaub in einem Hotel in Spanien. Am Abend versammelten sich alle Gäste - überwiegend deutsche Touristen - im großen Speisesaal des Hotels, um das Spiel gemeinsam zu verfolgen. So weit, so gut. Gegen Ende der zweiten Halbzeit machte ein Kellner das Licht im Saal an, anscheinend um Bestellungen aufzunehmen. Der Stromkreis war überlastet und die Sicherung flog raus. Fernseher aus. Folge: Tumultartige Zustände. Gläser wurden nach dem Kellner geworfen. Als Minuten später Strom und Fernsehbild wieder da waren, sah man Andy Brehme, wie er sich den Ball auf dem Punkt zurechtlegte. Eine Sekunde überraschte Stille im Saal, dann ein kollektiver Freudenschrei: ELFMETER!!! Der Kellner war vergessen, alles Andere ist Geschichte.“

Prioritäten gesetzt: WM statt Studium

Hans-Jochen Leinung: „Ich lebte damals in meiner Heimatstadt Hannover. Ich habe jedes Spiel mit drei Freunden in einer Studentenbude geguckt. Die Anstoßzeiten waren so günstig, dass wir vor und nach jedem Spiel Skat gespielt haben. Das ging um 15 Uhr los und endete meist nicht vor 3 Uhr morgens. Da ich als Einziger mit dem Fahrrad da war, musste ich vor dem letzten Spiel des Tages immer zum Griechen fahren, um Verpflegung zu holen. Einer von uns hat ungefähr drei Wochen lang stets dasselbe bestellt. Er war es auch, der während der WM versucht hat, sein Studium zu beenden. Ist ihm tatsächlich gelungen. Ich habe dagegen ein Semester drangehängt, um mich ganz auf die WM konzentrieren zu können. Man muss schließlich Prioritäten im Leben setzen.“

Erste Schritte am historischen Tag

Otto Müller: „Dieser Sonntag war ja nicht nur der Tag des WM-Endspiels, sondern auch Finaltag in Wimbledon. Also ein harter Tag für alle Fernsehsportler. Auch ich hatte es mir vor dem Fernseher bequem gemacht. Allerdings hatte ich auch die "Zusatzaufgabe", auf unseren Sohn aufzupassen. Den hatte ich wohl irgendwann aus den Augen verloren. Als ich nach ihm schaute, kam er mir vom Balkon aus entgegen. Er machte seine ersten Schritte ohne fremde Hilfe. Wenn heute jemand fragt, wann er mit dem Laufen begonnen hat, kann ich wie aus der Pistole geschossen das Datum nennen. Der 8. Juli 1990, genau zwei Wochen und einen Tag vor seinem ersten Geburtstag. Meine damalige Prognose, dass so jemand ein begnadeter Sportler werden wird, hat sich leider nicht bewahrheitet. Er geht bis zum heutigen Tag jedem Ball weiträumig aus dem Weg, ist aber zwischenzeitlich auch Vater und wartet auf die ersten Schritte seiner Tochter.“

Finaler Elfer und finale Zigarette

Siegfried Kupczok: „Ich habe das Finale bei meinem Bruder in Berlin verfolgt. War gerade in einer Raucherentwöhnungsphase, da ich als starker Raucher Marathon laufen wollte. Ich war schon einige Zeit „Nikotin clean“ als es den Elfmeter für Deutschland gab. Ich war super aufgeregt und forderte von meinem Bruder eine Zigarette. Ich zündete sie an und beim ersten Zug war mir klar, das schmeckt ja scheußlich, das brauche ich nicht mehr. Brehme versenkte den finalen Elfer und ich meine finale Zigarette. Deutschland war Weltmeister und ich Nichtraucher! Nie werde ich diesen Tag vergessen.“

Die seit 1990 ungewaschene Deutschland-Fahne

Michael Bamberger: „Es ist der 8.Juli 1990. Thomas, Raffi, Martin, Peter und Michael treffen sich im "Hülsenbaum" in Offenburg, um das legendäre Endspiel zu schauen. Die ganze WM haben die Anfangzwanziger sich schon zu den deutschen Spielen versammelt, haben mitgefiebert, haben feuchtfröhlich gefeiert. Und nun gemeinsam dieses nervenraubende Endspiel schauen, in einer der damals wenigen Kneipen die ein "public viewing" veranstaltet. Die große Deutschlandfahne leidet unter einer enormen Bierschwemme als das Siegtor fällt, sie ist das Utensil auf der anschließenden Siegesfeier in ganz Offenburg. Sie trocknet bei einem unvergesslichen Autokorso. Und sie ist 24 Jahre später wieder dabei! Ungewaschen tut sie auch 2014 ihren Dienst, als sich Thomas, Raffi, Martin, Peter und Michael in Freiburg im "Zuhause-Gucken" abwechseln. Über viele Jahre hinweg waren sie unterschiedliche berufliche wie private Wege gegangen und sind in den vergangenen Jahren nacheinander in Freiburg gelandet. Und wieder ist WM, wieder wird zusammen geschaut und wieder wird Deutschland Weltmeister. Der Kreis hat sich geschlossen.“

Im Kissen erstickte Schreie

Regine und Michael: „Wir haben mit unserem besten Freund geguckt, der damals alleine bei uns zu Besuch war. Auch er hatte eine ein Jahr alte Tochter, die mit seiner Frau zu Hause geblieben war. Unsere Tochter, auch ein Jahr alt, schlief im Nebenzimmer. Da sie einen leichten Schlaf hatte und wir Angst hatten, dass sie wach wird, saßen wir alle drei vor dem Fernseher und hatten jeweils ein Kissen in der Hand. Und jedes Mal bei einer spannenden Szene schrien wir in die Kissen hinein. Unsere Tochter ist auch nicht wach geworden. Am Ende des Spiels lagen wir uns alle in den Armen. Heute lachen wir noch oft über diesen Abend.“

Falschmeldung verschafft Exklusivität

Florian Endres: „Ich war zehn Jahre alt und hatte gerade erst angefangen, Fußball-Fan zu sein. Zum WM-Finale war meine Tante zu Besuch. Wir haben das Spiel zusammen geschaut und je länger das Spiel lief, verschwanden nach und nach meine Mutter, mein Vater, meine Tante und meine Schwester in der Küche. Als es dann zum Elfmeter kam, rief ich in die Küche: „Kommt schnell, Elfmeterschießen.“ Worauf ich nur die Antwort von meinem (bis heute nicht besonders an Fußball interessierten) Vater bekam: „Elfmeterschießen ist erst am Ende, wenn es Verlängerung gab.“ Daher kam niemand aus der Küche zurück ins Wohnzimmer und so bin ich, wegen meiner damals nicht eindeutigen Aufforderung, der Einzige aus meiner Familie, der das Tor zum WM-Titel 1990 live gesehen hat!“

Alle feiern, nur die U-Bahn macht schlapp

Alexandra Siegle: „Wir hatten den Fernseher im Garten stehen und haben mit den Nachbarn geschaut. Danach sind einige Freunde und ich mit der U-Bahn U9 von Steglitz zum Ku'damm aufgebrochen. Die Fahrt endete allerdings schon am U-Bahnhof Güntzelstraße. Die U-Bahn schwankte durch die Feiernden so stark, dass ein Weiterfahren nicht mehr möglich war und somit der Rest der Strecke zu Fuß zurück gelegt werden musste. War ja nicht schlimm, weil ja eh alle im Freudentaumel waren.“

Fahrrad-Korso auf dem Campingplatz

Mirco Neuhaus: „Es ist den ganzen Tag über heiß gewesen. Ich war ziemlich platt vom Strand am Balaton in Zarmadi/Ungarn. Auf unserem Campingplatz sind viele Deutsche und am Abend schaut natürlich jeder das Endspiel. Ich bin zwölf Jahre alt und trotz meiner Müdigkeit halte ich durch. Gianna Nanini schmettert im Duett den WM-Song. Den Refrain gröle ich mit, ich mag das Lied. Die Nationalhymne natürlich auch. Alle Campingfreunde, auch wir Kinder, stehen dabei auf. Auf dem Campingplatz herrscht eine ausgelassene Stimmung. Vier Jahre zuvor waren wir auch hier, da hat es nicht geklappt. Doch heute soll es soweit sein, das Spiel beginnt. Die Männer trinken Bier, wir Cola. Der Grill hat Glut. Würstchen und Steaks liegen drauf. Die Mütter machen Salate. Das Spiel läuft. Die Anspannung steigt. Auch bei uns Kids. Alles springt auf: Klarer Elfmeter. Doch er gibt ihn nicht. Wir feiern Guido Buchwald. Wie er Maradona im Griff hat, genial. Ich als Kölner jubele bei jeder Parade von Bodo Illgner. Geile Leistung im Halbfinal-Elfmeter-Krimi gegen England. Ich freue mich auf Littis-O-Beine, auf Icke Häßler und finde es schade, dass Paul Steiner nicht spielt. Irgendwann ist es soweit. Der Elfmeter. Jeder sagt: Auf geht's Loddar. Doch Andy Brehme läuft an. Der Blick von ihm macht ängstlich. Ich bin nervös. Der Argentinier im Tor gilt als Elfmetertöter. Tooooooooor! Grenzenloser Jubel. Wir liegen uns alle in den Armen. Die letzten Minuten: Spannung, Freude, und immer wieder grenzenloser Jubel. Wir Jungs setzen uns aufs Fahrrad. Drehen eine Fahrrad-Korso um den Campingplatz. Statt hupen läuft unsere Fahrradklingel heiß. Endlich, der Pokal. Da ist er. Hoch in den Himmel von Rom. Deutschland ist Weltmeister.“

Schlaflos in Menden

Budde: „Wir hatten Karten für alle Spiele, waren die ganze Zeit am Gardasee, Klaus, Joerg und ich. Für das Endspiel hatten wir jedoch keine Karten bekommen. Was sollten wir nun machen? Zwei Tage vor dem Endspiel haben wir uns ins Auto gesetzt und sind nach Hause gefahren. Nach 20 Stunden Fahrt sind wir in Menden angekommen. Ich wollte gerade den Wagen auspacken, da kam ein Kollege über die Straße gelaufen. In Trikot und mit Fahne. Wo willst Du hin, frage ich ihn, das Endspiel ist doch erst morgen. Er antwortet: Ja, ich fahre nach Rom. Mir fällt die Kinnlade runter: Wie? Du hast Karten fürs Finale? Antwort: Ja, in zwei Stunden fahren wir los, von Unna aus, mit dem Bus, ich glaube, es sind noch zwei Plätze frei. Auto abgeschlossen, ans Telefon und – Bingo! Keine Minute geschlafen, ab nach Unna und nach Rom gefahren. Geil, dann waren wir Weltmeister. Nach dem Spiel direkt wieder zurück. Aber egal: Wir waren die Nummer 1. Nur das zählte.“


Auf den Tag genau 25 Jahre ist es heute her, dass die DFB-Auswahl bei der WM 1990 den Titel holte. Und dennoch sind die Erinnerungen an das Finale von Rom noch allgegenwärtig. Wir hatten Euch aufgerufen, uns Eure Erinnerungen an das Endspiel gegen Argentinien aufzuschreiben. Wir haben einige Beiträge zusammengefasst, die uns per Mail erreichten.

Gib dem Kellner Gläser

Jörg Lauer: „Ich war zu dieser Zeit noch mit meinen Eltern und meinem Bruder im Sommerurlaub in einem Hotel in Spanien. Am Abend versammelten sich alle Gäste - überwiegend deutsche Touristen - im großen Speisesaal des Hotels, um das Spiel gemeinsam zu verfolgen. So weit, so gut. Gegen Ende der zweiten Halbzeit machte ein Kellner das Licht im Saal an, anscheinend um Bestellungen aufzunehmen. Der Stromkreis war überlastet und die Sicherung flog raus. Fernseher aus. Folge: Tumultartige Zustände. Gläser wurden nach dem Kellner geworfen. Als Minuten später Strom und Fernsehbild wieder da waren, sah man Andy Brehme, wie er sich den Ball auf dem Punkt zurechtlegte. Eine Sekunde überraschte Stille im Saal, dann ein kollektiver Freudenschrei: ELFMETER!!! Der Kellner war vergessen, alles Andere ist Geschichte.“

Prioritäten gesetzt: WM statt Studium

Hans-Jochen Leinung: „Ich lebte damals in meiner Heimatstadt Hannover. Ich habe jedes Spiel mit drei Freunden in einer Studentenbude geguckt. Die Anstoßzeiten waren so günstig, dass wir vor und nach jedem Spiel Skat gespielt haben. Das ging um 15 Uhr los und endete meist nicht vor 3 Uhr morgens. Da ich als Einziger mit dem Fahrrad da war, musste ich vor dem letzten Spiel des Tages immer zum Griechen fahren, um Verpflegung zu holen. Einer von uns hat ungefähr drei Wochen lang stets dasselbe bestellt. Er war es auch, der während der WM versucht hat, sein Studium zu beenden. Ist ihm tatsächlich gelungen. Ich habe dagegen ein Semester drangehängt, um mich ganz auf die WM konzentrieren zu können. Man muss schließlich Prioritäten im Leben setzen.“

Erste Schritte am historischen Tag

Otto Müller: „Dieser Sonntag war ja nicht nur der Tag des WM-Endspiels, sondern auch Finaltag in Wimbledon. Also ein harter Tag für alle Fernsehsportler. Auch ich hatte es mir vor dem Fernseher bequem gemacht. Allerdings hatte ich auch die "Zusatzaufgabe", auf unseren Sohn aufzupassen. Den hatte ich wohl irgendwann aus den Augen verloren. Als ich nach ihm schaute, kam er mir vom Balkon aus entgegen. Er machte seine ersten Schritte ohne fremde Hilfe. Wenn heute jemand fragt, wann er mit dem Laufen begonnen hat, kann ich wie aus der Pistole geschossen das Datum nennen. Der 8. Juli 1990, genau zwei Wochen und einen Tag vor seinem ersten Geburtstag. Meine damalige Prognose, dass so jemand ein begnadeter Sportler werden wird, hat sich leider nicht bewahrheitet. Er geht bis zum heutigen Tag jedem Ball weiträumig aus dem Weg, ist aber zwischenzeitlich auch Vater und wartet auf die ersten Schritte seiner Tochter.“

Finaler Elfer und finale Zigarette

Siegfried Kupczok: „Ich habe das Finale bei meinem Bruder in Berlin verfolgt. War gerade in einer Raucherentwöhnungsphase, da ich als starker Raucher Marathon laufen wollte. Ich war schon einige Zeit „Nikotin clean“ als es den Elfmeter für Deutschland gab. Ich war super aufgeregt und forderte von meinem Bruder eine Zigarette. Ich zündete sie an und beim ersten Zug war mir klar, das schmeckt ja scheußlich, das brauche ich nicht mehr. Brehme versenkte den finalen Elfer und ich meine finale Zigarette. Deutschland war Weltmeister und ich Nichtraucher! Nie werde ich diesen Tag vergessen.“

Die seit 1990 ungewaschene Deutschland-Fahne

Michael Bamberger: „Es ist der 8.Juli 1990. Thomas, Raffi, Martin, Peter und Michael treffen sich im "Hülsenbaum" in Offenburg, um das legendäre Endspiel zu schauen. Die ganze WM haben die Anfangzwanziger sich schon zu den deutschen Spielen versammelt, haben mitgefiebert, haben feuchtfröhlich gefeiert. Und nun gemeinsam dieses nervenraubende Endspiel schauen, in einer der damals wenigen Kneipen die ein "public viewing" veranstaltet. Die große Deutschlandfahne leidet unter einer enormen Bierschwemme als das Siegtor fällt, sie ist das Utensil auf der anschließenden Siegesfeier in ganz Offenburg. Sie trocknet bei einem unvergesslichen Autokorso. Und sie ist 24 Jahre später wieder dabei! Ungewaschen tut sie auch 2014 ihren Dienst, als sich Thomas, Raffi, Martin, Peter und Michael in Freiburg im "Zuhause-Gucken" abwechseln. Über viele Jahre hinweg waren sie unterschiedliche berufliche wie private Wege gegangen und sind in den vergangenen Jahren nacheinander in Freiburg gelandet. Und wieder ist WM, wieder wird zusammen geschaut und wieder wird Deutschland Weltmeister. Der Kreis hat sich geschlossen.“

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Im Kissen erstickte Schreie

Regine und Michael: „Wir haben mit unserem besten Freund geguckt, der damals alleine bei uns zu Besuch war. Auch er hatte eine ein Jahr alte Tochter, die mit seiner Frau zu Hause geblieben war. Unsere Tochter, auch ein Jahr alt, schlief im Nebenzimmer. Da sie einen leichten Schlaf hatte und wir Angst hatten, dass sie wach wird, saßen wir alle drei vor dem Fernseher und hatten jeweils ein Kissen in der Hand. Und jedes Mal bei einer spannenden Szene schrien wir in die Kissen hinein. Unsere Tochter ist auch nicht wach geworden. Am Ende des Spiels lagen wir uns alle in den Armen. Heute lachen wir noch oft über diesen Abend.“

Falschmeldung verschafft Exklusivität

Florian Endres: „Ich war zehn Jahre alt und hatte gerade erst angefangen, Fußball-Fan zu sein. Zum WM-Finale war meine Tante zu Besuch. Wir haben das Spiel zusammen geschaut und je länger das Spiel lief, verschwanden nach und nach meine Mutter, mein Vater, meine Tante und meine Schwester in der Küche. Als es dann zum Elfmeter kam, rief ich in die Küche: „Kommt schnell, Elfmeterschießen.“ Worauf ich nur die Antwort von meinem (bis heute nicht besonders an Fußball interessierten) Vater bekam: „Elfmeterschießen ist erst am Ende, wenn es Verlängerung gab.“ Daher kam niemand aus der Küche zurück ins Wohnzimmer und so bin ich, wegen meiner damals nicht eindeutigen Aufforderung, der Einzige aus meiner Familie, der das Tor zum WM-Titel 1990 live gesehen hat!“

Alle feiern, nur die U-Bahn macht schlapp

Alexandra Siegle: „Wir hatten den Fernseher im Garten stehen und haben mit den Nachbarn geschaut. Danach sind einige Freunde und ich mit der U-Bahn U9 von Steglitz zum Ku'damm aufgebrochen. Die Fahrt endete allerdings schon am U-Bahnhof Güntzelstraße. Die U-Bahn schwankte durch die Feiernden so stark, dass ein Weiterfahren nicht mehr möglich war und somit der Rest der Strecke zu Fuß zurück gelegt werden musste. War ja nicht schlimm, weil ja eh alle im Freudentaumel waren.“

Fahrrad-Korso auf dem Campingplatz

Mirco Neuhaus: „Es ist den ganzen Tag über heiß gewesen. Ich war ziemlich platt vom Strand am Balaton in Zarmadi/Ungarn. Auf unserem Campingplatz sind viele Deutsche und am Abend schaut natürlich jeder das Endspiel. Ich bin zwölf Jahre alt und trotz meiner Müdigkeit halte ich durch. Gianna Nanini schmettert im Duett den WM-Song. Den Refrain gröle ich mit, ich mag das Lied. Die Nationalhymne natürlich auch. Alle Campingfreunde, auch wir Kinder, stehen dabei auf. Auf dem Campingplatz herrscht eine ausgelassene Stimmung. Vier Jahre zuvor waren wir auch hier, da hat es nicht geklappt. Doch heute soll es soweit sein, das Spiel beginnt. Die Männer trinken Bier, wir Cola. Der Grill hat Glut. Würstchen und Steaks liegen drauf. Die Mütter machen Salate. Das Spiel läuft. Die Anspannung steigt. Auch bei uns Kids. Alles springt auf: Klarer Elfmeter. Doch er gibt ihn nicht. Wir feiern Guido Buchwald. Wie er Maradona im Griff hat, genial. Ich als Kölner jubele bei jeder Parade von Bodo Illgner. Geile Leistung im Halbfinal-Elfmeter-Krimi gegen England. Ich freue mich auf Littis-O-Beine, auf Icke Häßler und finde es schade, dass Paul Steiner nicht spielt. Irgendwann ist es soweit. Der Elfmeter. Jeder sagt: Auf geht's Loddar. Doch Andy Brehme läuft an. Der Blick von ihm macht ängstlich. Ich bin nervös. Der Argentinier im Tor gilt als Elfmetertöter. Tooooooooor! Grenzenloser Jubel. Wir liegen uns alle in den Armen. Die letzten Minuten: Spannung, Freude, und immer wieder grenzenloser Jubel. Wir Jungs setzen uns aufs Fahrrad. Drehen eine Fahrrad-Korso um den Campingplatz. Statt hupen läuft unsere Fahrradklingel heiß. Endlich, der Pokal. Da ist er. Hoch in den Himmel von Rom. Deutschland ist Weltmeister.“

Schlaflos in Menden

Budde: „Wir hatten Karten für alle Spiele, waren die ganze Zeit am Gardasee, Klaus, Joerg und ich. Für das Endspiel hatten wir jedoch keine Karten bekommen. Was sollten wir nun machen? Zwei Tage vor dem Endspiel haben wir uns ins Auto gesetzt und sind nach Hause gefahren. Nach 20 Stunden Fahrt sind wir in Menden angekommen. Ich wollte gerade den Wagen auspacken, da kam ein Kollege über die Straße gelaufen. In Trikot und mit Fahne. Wo willst Du hin, frage ich ihn, das Endspiel ist doch erst morgen. Er antwortet: Ja, ich fahre nach Rom. Mir fällt die Kinnlade runter: Wie? Du hast Karten fürs Finale? Antwort: Ja, in zwei Stunden fahren wir los, von Unna aus, mit dem Bus, ich glaube, es sind noch zwei Plätze frei. Auto abgeschlossen, ans Telefon und – Bingo! Keine Minute geschlafen, ab nach Unna und nach Rom gefahren. Geil, dann waren wir Weltmeister. Nach dem Spiel direkt wieder zurück. Aber egal: Wir waren die Nummer 1. Nur das zählte.“