Roque Santa Cruz: Er rockt noch immer

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Vor mehr als einem Jahrzehnt galt Roque Santa Cruz als der kommende Wunderstürmer. Eine Verheißung, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht so ganz erfüllte. Mit 32 spielt der Angreifer, der einst mit den Bayern die Champions League gewann, in Spanien - und kehrt heute (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) mit Paraguays Nationalteam in das Land zurück, in dem er nicht nur als Fußballer erfolgreich war.

Im August 1999 zahlten die Menschen noch mit Mark, Lira oder Peseten, und E-Mails galten als verrückte Sache. Der russische Präsident Boris Jelzin ernannte einen gewissen Wladimir Putin zum Regierungschef. Lothar Matthäus war Libero des FC Bayern und der deutschen Nationalmannschaft. Ebenfalls in München gab Roque Santa Cruz sein Bundesligadebüt - eine Woche später als geplant, weil er dafür gemäß der Profi statuten erst 18 Jahre alt werden musste.

So lange ist sie jetzt schon dabei, die Teenager-Sensation von einst. Der "Wunderstürmer", wie die Zeitungen schrieben, verpflichtet für sieben Millionen Dollar von Olimpia aus Asunción. Das war ungewöhnlich viel Geld damals in der Bundesliga für einen so jungen Spieler. Aber die Bayern investierten es nur zu gern. Sie sahen darin einen Wechsel auf die Zukunft, auf das Versprechen einer großen Karriere.

92 Länderspiele für Paraguay

14 Jahre später kommt Santa Cruz mit Paraguay nach Kaiserslautern. Zu Buche stehen 92 Länderspiele, 61 Einsätze in der Champions League, 155-mal Bundesliga in Deutschland für den FC Bayern, 86-mal Premier Liga in England für die Blackburn Rovers und Manchester City, 64-mal in Spanien für Betis Sevilla und den FC Málaga, wo er gerade einen neuen Dreijahresvertrag unterschrieben hat. Viel Fußball und eine Frage: Wie groß ist sie denn nun wirklich geworden, die Karriere des Roque Santa Cruz?

Nur selten hat dieser elegante, spielstarke Stürmer rundherum enttäuscht. Auf Länderspielebene ist er seit Juni mit 26 Toren der Rekordtorschütze Paraguays. Aber den kühnen Hoffnungen zu Beginn seiner Laufbahn ist er nicht gerecht worden. "Er ist in fünf Jahren wahrscheinlich der Beste, den wir weltweit haben", sagte der damalige Bayern-Manager Uli Hoeneß 1999 über seinen Einkauf. So weit ist es nicht gekommen. Auch weil Santa Cruz gar nicht die Chance bekam, es zu versuchen.

Die Würdigung seiner Laufbahn wird immer von der Frage begleitet werden: Was hätte sein können, wenn? Wenn nicht diese Verletzungen gewesen wären. Allein während seiner acht Jahre in München erlitt er: Außenbandriss, Sprunggelenksverletzung, Mittelhandbruch, Innenbandriss (mehrfach), Meniskusschaden, Knieverletzung und schließlich, im Oktober 2005, einen Kreuzbandriss. Selbst seine Befürworter in München glaubten jetzt nicht mehr daran, dass sein Körper jemals sein Talent aushalten würde.

2007 ging er, ohne überhaupt einmal länger Stammspieler gewesen zu sein: Santa Cruz galt in Deutschland als gescheitert. Er selbst blickte zurück mit einer Mischung aus Dankbarkeit und Zorn. Der Verein hatte ihn lange mitgezogen, aber in acht Jahren, so seine Klage, habe er so ziemlich überall gespielt, nur nicht auf seiner Lieblingsposition: "Man gab mir nie die Chance, Mittelstürmer zu sein." Es folgte das beste Jahr seiner Laufbahn. Bei den Blackburn Rovers durfte er endlich das sein, was er immer wollte: Nummer neun. Er erzielte 19 Saisontore in der Liga, mit Abstand die beste Quote seiner Karriere, wurde zu Blackburns Spieler des Jahres gewählt und verdiente sich ein Jahr später den Wechsel zu Manchester City. Dort wiederholte sich allerdings das Muster seiner Bayern-Zeit: Unter der größeren Konkurrenz beim ambitionierten Scheichklub konnte er sich nicht entscheidend durchsetzen, wobei erneut auch Verletzungspech eine Rolle spielte. Wieder schien seine Karriere in der Sackgasse, wie- der trotzte er der Untergangsstimmung und befreite sich durch einen Wechsel an ein etwas kleineres Theater, erst nach Sevilla, dann nach Málaga.

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Gewissenhafter, kollegialer und feinsinniger Profi

Lebensqualität und familiäre Erwägungen: So begründet Santa Cruz, warum er trotz lukrativer Angebote aus anderen Ländern, unter anderem vom Hamburger SV, den Südspaniern die Treue hielt - als Einziger von deren Stars. Angesichts finanzieller Probleme und der Sperre für den diesjährigen Europapokal muss Málaga wieder ziemlich weit unten anfangen. Auftritte in der Champions League wie im Frühjahr bei der dra- matischen Viertelfinal-Niederlage gegen Borussia Dortmund gibt es erst mal nicht mehr. Aber einen neuen Trainer, Bernd Schuster, der große Stücke auf Santa Cruz hält - als Spieler, aber vor allem auch als Leitbild für die Jüngeren.

Santa Cruz gilt als gewissenhafter, kollegialer und feinsinniger Profi, und wie immer es auch sportlich lief an seinen vielen Stationen, so ist er doch stets beliebt gewesen. Zu seiner Karriere gehört auch der Mensch, und da sind sich alle einig, die ihn näher kennengelernt haben: Der ist eine Erfolgsstory. Beim FC Bayern erinnern sich die Mitarbeiter noch heute gern daran, wie er jeden gleich behandelte, mit Respekt und ohne Allüren. Auf die branchenübliche Entourage aus Beratern und Bodyguards verzichtete er. Musste er mal wieder verletzt aussetzen, besuchte er während der Halbzeitpause von Bundesligaspielen lieber seine Kinder im Vereinskindergarten, als sich nebenan auf der VIP-Tribüne zu produzieren.

Der dreifache Vater, seit zehn Jahren verheiratet mit der jüngeren Schwester eines einstigen Olimpia-Teamkollegen, ist privat eher religiös denn glamourös unterwegs - auch wenn das vor allem früher, als er das Haar noch lang trug, oft ganz anders aussah. Bei der WM 2006 gewann er den inoffiziellen Titel des Schönheitskönigs, vor so prominenten Mitbewerbern wie David Beckham und Cristiano Ronaldo.

Paraguay derzeit nicht in Topform

Außerdem war da ja immer dieser Name: Roque Santa Cruz, cooler geht es kaum. Die Münchner Band Sportfreunde Stiller inspirierte er zu einem Wortspiel. Bei "Ich Roque" singt Santa Cruz kurz selbst mit; der Song brachte es unter die Top 40 der Hitparade. Roque rockt noch immer.

Was zuletzt allerdings so gar nicht rocken wollte, ist die paraguayische Nationalmannschaft. Dabei wurde noch bei der WM 2010 im Viertelfinale dem späteren Weltmeister Spanien alles abverlangt und ein Jahr später das Finale der Südamerika-Meisterschaft erreicht. Dann ging Trainer Gerardo Martino; er ist inzwischen beim FC Barcelona angelangt. Paraguay hingegen spielt eine enttäuschende Ausscheidung zur WM 2014, in der es fortan mit Víctor Genes bereits der dritte Trainer versucht. Als Gruppenletzter in Südamerika gibt es nur noch eine entfernte theoretische Chance auf die Teilnahme in Brasilien. Ausgerechnet bei der Endrunde auf dem eigenen Kontinent wird Paraguay erstmals seit 1994 wohl nicht dabei sein.

Es wäre gleichzeitig die wohl letzte WM für Roque Santa Cruz gewesen. Zwei Tage nach dem Spiel in Kaiserslautern wird er 32 Jahre alt. Er hat viel erlebt, kam viel herum, er spricht sechs Sprachen und ist ein allseits geschätzter "Elder Statesman". Es mag nicht die ganz große Weltkarriere geworden sein. Aber Santa Cruz hat seinen Frieden gemacht. Fragt man ihn selbst, dann wird er sagen, es war mehr Glück als Pech dabei.

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Vor mehr als einem Jahrzehnt galt Roque Santa Cruz als der kommende Wunderstürmer. Eine Verheißung, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht so ganz erfüllte. Mit 32 spielt der Angreifer, der einst mit den Bayern die Champions League gewann, in Spanien - und kehrt heute (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) mit Paraguays Nationalteam in das Land zurück, in dem er nicht nur als Fußballer erfolgreich war.

Im August 1999 zahlten die Menschen noch mit Mark, Lira oder Peseten, und E-Mails galten als verrückte Sache. Der russische Präsident Boris Jelzin ernannte einen gewissen Wladimir Putin zum Regierungschef. Lothar Matthäus war Libero des FC Bayern und der deutschen Nationalmannschaft. Ebenfalls in München gab Roque Santa Cruz sein Bundesligadebüt - eine Woche später als geplant, weil er dafür gemäß der Profi statuten erst 18 Jahre alt werden musste.

So lange ist sie jetzt schon dabei, die Teenager-Sensation von einst. Der "Wunderstürmer", wie die Zeitungen schrieben, verpflichtet für sieben Millionen Dollar von Olimpia aus Asunción. Das war ungewöhnlich viel Geld damals in der Bundesliga für einen so jungen Spieler. Aber die Bayern investierten es nur zu gern. Sie sahen darin einen Wechsel auf die Zukunft, auf das Versprechen einer großen Karriere.

92 Länderspiele für Paraguay

14 Jahre später kommt Santa Cruz mit Paraguay nach Kaiserslautern. Zu Buche stehen 92 Länderspiele, 61 Einsätze in der Champions League, 155-mal Bundesliga in Deutschland für den FC Bayern, 86-mal Premier Liga in England für die Blackburn Rovers und Manchester City, 64-mal in Spanien für Betis Sevilla und den FC Málaga, wo er gerade einen neuen Dreijahresvertrag unterschrieben hat. Viel Fußball und eine Frage: Wie groß ist sie denn nun wirklich geworden, die Karriere des Roque Santa Cruz?

Nur selten hat dieser elegante, spielstarke Stürmer rundherum enttäuscht. Auf Länderspielebene ist er seit Juni mit 26 Toren der Rekordtorschütze Paraguays. Aber den kühnen Hoffnungen zu Beginn seiner Laufbahn ist er nicht gerecht worden. "Er ist in fünf Jahren wahrscheinlich der Beste, den wir weltweit haben", sagte der damalige Bayern-Manager Uli Hoeneß 1999 über seinen Einkauf. So weit ist es nicht gekommen. Auch weil Santa Cruz gar nicht die Chance bekam, es zu versuchen.

Die Würdigung seiner Laufbahn wird immer von der Frage begleitet werden: Was hätte sein können, wenn? Wenn nicht diese Verletzungen gewesen wären. Allein während seiner acht Jahre in München erlitt er: Außenbandriss, Sprunggelenksverletzung, Mittelhandbruch, Innenbandriss (mehrfach), Meniskusschaden, Knieverletzung und schließlich, im Oktober 2005, einen Kreuzbandriss. Selbst seine Befürworter in München glaubten jetzt nicht mehr daran, dass sein Körper jemals sein Talent aushalten würde.

2007 ging er, ohne überhaupt einmal länger Stammspieler gewesen zu sein: Santa Cruz galt in Deutschland als gescheitert. Er selbst blickte zurück mit einer Mischung aus Dankbarkeit und Zorn. Der Verein hatte ihn lange mitgezogen, aber in acht Jahren, so seine Klage, habe er so ziemlich überall gespielt, nur nicht auf seiner Lieblingsposition: "Man gab mir nie die Chance, Mittelstürmer zu sein." Es folgte das beste Jahr seiner Laufbahn. Bei den Blackburn Rovers durfte er endlich das sein, was er immer wollte: Nummer neun. Er erzielte 19 Saisontore in der Liga, mit Abstand die beste Quote seiner Karriere, wurde zu Blackburns Spieler des Jahres gewählt und verdiente sich ein Jahr später den Wechsel zu Manchester City. Dort wiederholte sich allerdings das Muster seiner Bayern-Zeit: Unter der größeren Konkurrenz beim ambitionierten Scheichklub konnte er sich nicht entscheidend durchsetzen, wobei erneut auch Verletzungspech eine Rolle spielte. Wieder schien seine Karriere in der Sackgasse, wie- der trotzte er der Untergangsstimmung und befreite sich durch einen Wechsel an ein etwas kleineres Theater, erst nach Sevilla, dann nach Málaga.

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Gewissenhafter, kollegialer und feinsinniger Profi

Lebensqualität und familiäre Erwägungen: So begründet Santa Cruz, warum er trotz lukrativer Angebote aus anderen Ländern, unter anderem vom Hamburger SV, den Südspaniern die Treue hielt - als Einziger von deren Stars. Angesichts finanzieller Probleme und der Sperre für den diesjährigen Europapokal muss Málaga wieder ziemlich weit unten anfangen. Auftritte in der Champions League wie im Frühjahr bei der dra- matischen Viertelfinal-Niederlage gegen Borussia Dortmund gibt es erst mal nicht mehr. Aber einen neuen Trainer, Bernd Schuster, der große Stücke auf Santa Cruz hält - als Spieler, aber vor allem auch als Leitbild für die Jüngeren.

Santa Cruz gilt als gewissenhafter, kollegialer und feinsinniger Profi, und wie immer es auch sportlich lief an seinen vielen Stationen, so ist er doch stets beliebt gewesen. Zu seiner Karriere gehört auch der Mensch, und da sind sich alle einig, die ihn näher kennengelernt haben: Der ist eine Erfolgsstory. Beim FC Bayern erinnern sich die Mitarbeiter noch heute gern daran, wie er jeden gleich behandelte, mit Respekt und ohne Allüren. Auf die branchenübliche Entourage aus Beratern und Bodyguards verzichtete er. Musste er mal wieder verletzt aussetzen, besuchte er während der Halbzeitpause von Bundesligaspielen lieber seine Kinder im Vereinskindergarten, als sich nebenan auf der VIP-Tribüne zu produzieren.

Der dreifache Vater, seit zehn Jahren verheiratet mit der jüngeren Schwester eines einstigen Olimpia-Teamkollegen, ist privat eher religiös denn glamourös unterwegs - auch wenn das vor allem früher, als er das Haar noch lang trug, oft ganz anders aussah. Bei der WM 2006 gewann er den inoffiziellen Titel des Schönheitskönigs, vor so prominenten Mitbewerbern wie David Beckham und Cristiano Ronaldo.

Paraguay derzeit nicht in Topform

Außerdem war da ja immer dieser Name: Roque Santa Cruz, cooler geht es kaum. Die Münchner Band Sportfreunde Stiller inspirierte er zu einem Wortspiel. Bei "Ich Roque" singt Santa Cruz kurz selbst mit; der Song brachte es unter die Top 40 der Hitparade. Roque rockt noch immer.

Was zuletzt allerdings so gar nicht rocken wollte, ist die paraguayische Nationalmannschaft. Dabei wurde noch bei der WM 2010 im Viertelfinale dem späteren Weltmeister Spanien alles abverlangt und ein Jahr später das Finale der Südamerika-Meisterschaft erreicht. Dann ging Trainer Gerardo Martino; er ist inzwischen beim FC Barcelona angelangt. Paraguay hingegen spielt eine enttäuschende Ausscheidung zur WM 2014, in der es fortan mit Víctor Genes bereits der dritte Trainer versucht. Als Gruppenletzter in Südamerika gibt es nur noch eine entfernte theoretische Chance auf die Teilnahme in Brasilien. Ausgerechnet bei der Endrunde auf dem eigenen Kontinent wird Paraguay erstmals seit 1994 wohl nicht dabei sein.

Es wäre gleichzeitig die wohl letzte WM für Roque Santa Cruz gewesen. Zwei Tage nach dem Spiel in Kaiserslautern wird er 32 Jahre alt. Er hat viel erlebt, kam viel herum, er spricht sechs Sprachen und ist ein allseits geschätzter "Elder Statesman". Es mag nicht die ganz große Weltkarriere geworden sein. Aber Santa Cruz hat seinen Frieden gemacht. Fragt man ihn selbst, dann wird er sagen, es war mehr Glück als Pech dabei.