Ribbeck: Der Nagelsmann der 60er-Jahre

Seine Ausdrucksweise und sein gepflegtes Äußeres haben ihn eines Tages in der Medienlandschaft zum "Sir" gemacht, obwohl Erich Ribbeck nie von irgendeiner Königin dazu ernannt worden war. Er ist ja kein Engländer, er ist ein Rheinländer aus Wuppertal. Heute lebt der einstige Fußballtrainer in Pulheim bei Köln und freut sich auf die Gäste, die ihm zum 80. Geburtstag die Ehre geben.

Der Sportinformationsdienst hat ihn bei der Gelegenheit gefragt, an was er sich besonders gern zurück erinnere. Die Antwort: "Der UEFA-Cup-Sieg 1988 mit Bayer Leverkusen ragt schon heraus." Wie könnte er auch nicht, bis heute ist es der größte Erfolg der Leverkusener, die nach einer 0:3-Hinspielpleite bei Espanol Barcelona den Spieß noch umdrehten und im Elfmeterschießen den Cup gewannen. Eine Sternstunde deutscher Europapokalgeschichte.

Ribbeck hinterließ Bayer den UEFA-Pokal quasi als Abschiedsgeschenk. Nach 21 Jahren wollte er nie mehr Trainer sein und wechselte mit 50 Jahren die Perspektive, nicht aber die Sportart. Beim Hamburger SV arbeitete er als Sportchef als Nachfolger von Günter Netzer. Doch nur für eine Saison, dann warf er wieder hin. Von September 1990 bis März 1992 war Ribbeck Sportmarketingmanager bei Opel, was ihn nicht von Stadionbesuchen abhielt. Oder dem Besuch von Hallenturnieren, nicht immer in Sachen Fußball.

Intermezzo beim FC Bayern

Am 10. März 1992 saß er in seiner Funktion als Opel-Repräsentant in Hannover beim Tischtennis - Deutschland gegen Schweden -, als ihn der Hallensprecher ausriefen ließ. Es waren die Bayern, Kaiser Franz höchstpersönlich, mit dem er sich im Vorgespräch schon geeinigt hatte, im Fall der Fälle einzuspringen. Der Fall war eingetreten, die in Not geratenen Münchner, zu deren Sponsoren auch Opel gehörte, brauchten mal wieder einen Trainer. Und den Bitten eines Franz Beckenbauer konnte er nicht widerstehen. Der Mann, der ihn 1984 (keineswegs beabsichtigt) um den Bundestrainerposten gebracht hatte. Ribbeck hätte als Assistent den zurückgetretenen Jupp Derwall gern beerbt, war immer noch Beckenbauers Freund, gemeinsam gingen sie jährlich mit den "Schneeforschern" Ski fahren.

Trainer bei Bayern wird man nicht alle Tage, dachte sich Ribbeck und kehrte in die Tretmühle zurück. Der einzige Unterschied zu 1988 sei, "dass ich jetzt eine Brille brauche, um die Aufstellungszettel lesen zu können", witzelte er. Vielleicht war sein Comeback doch ein Fehler. Er verhinderte zwar den damals tatsächlich drohenden Abstieg, holte aber im nächsten Jahr keinen Titel und wurde in der Winterpause 1993/1994 entlassen. München lag damals gleich neben Hollywood, es gab täglich Theater in den frühen Neunzigern, in denen das Privat-TV erwachte.

Kein Glück bei Rückkehr nach Leverkusen

Ribbeck hatte mit der Zeit gehen wollen und den Libero abgeschafft, doch seine Viererkette war löchrig und überforderte die Spieler. Vizepräsident Beckenbauer pfiff ihn schon im September 1993 zurück. Schlimmer noch: Spieler wie Jan Wouters oder Jorginho stellten sich gegen Erich Ribbeck, und Raimond Aumann trat als Kapitän zurück, "weil ich nie das Vertrauen des Trainers gespürt habe." Am Tag nach Weihnachten 1993 trennten sich die Wege, Franz Beckenbauer selbst bekam wieder mal Ribbecks Posten und wurde prompt noch Meister, was Ribbeck immerhin noch die volle Meisterprämie in Höhe von 250.000 Mark einbrachte.

Aber nach dem München-Intermezzo verließ ihn das Glück. Auch beim nächsten Retter-Job in Leverkusen (April 1995 bis April 1996), wo sie mit ihm an glorreiche Zeiten anknüpfen wollten und fast abgestiegen wären. Manager Rainer Calmund schmeichelte zunächst: "Wenn er 1988 nicht seinen Hut genommen hätte, wäre er wohl heute noch unser Trainer." Doch die Zeiten hatten sich geändert, die Profis auch. Im Machtkampf mit Superstar Bernd Schuster, der sich ins Training einklagte, verschliss der Coach sich, es gab nur Verlierer. Und Bayer zog die Reißleine. Ribbeck ging mit der Bilanz von 569 Bundesligaspielen, nur zwei Trainer (Rehhagel und Lattek) haben mehr auf dem Konto.

"Ausnahmslos furchtbare Erinnerungen" an Confed Cup 1999

Zwei Jahre war es ruhig um Ribbeck, dann kam der 7. September 1998. Berti Vogts trat als Bundestrainer über Nacht zurück, und aus einer Fülle von öffentlich gehandelten Kandidaten erwählte der DFB den mittlerweile 61 Jahre alten Erich Ribbeck. Der bei Dienstantritt älteste war auch der statistisch schlechteste Bundestrainer, von 24 Länderspielen gewann er nur zehn. Doch wer will sagen, ob ein Herberger, Schön oder Beckenbauer mit den Spielern um die Jahrtausendwende besser abgeschnitten hätte?

Der deutsche Fußball war an einem Tiefpunkt, und Ribbeck, der beim Dienstantritt noch verkündete, "dass die Arbeit mit der Nationalelf ein Traumjob ist", musste den Mangel an spielerischer Klasse und an Talenten verwalten und sah sich schon bald eines Besseren belehrt. Beim Confed Cup 1999 war sein ersatzgeschwächstes Team chancenlos, bis heute hat Sir Erich "ausnahmslos furchtbare Erinnerungen" an die Tage von Guadalajara.

Vorrundenaus bei der EM 2000

Im Oktober 1999 qualifizierte sich das DFB-Team mit einem 0:0 im Münchner Heimspiel gegen die Türkei zur EM 2000. Das Turnier in Belgien und den Niederlanden markiert einen Tiefpunkt der Nationalmannschaftshistorie. Nur ein Punkt in der Vorrunde, das ernüchternde Aus. Ribbeck trat noch am 21. Juni zurück, dem Abend des 0:3 gegen Portugal.

Es war sein letzter Job im Fußball, Ribbeck hatte genug und genoss das Leben, oft und gern mit Frau Ulla in seinem Feriendomizil auf Teneriffa. Weil der letzte Eindruck oft bleibt und er nichts mehr tat, um ihn zu korrigieren oder in Interviews nach Ausflüchten zu suchen, hat er in der Öffentlichkeit des Landes, das vier Weltmeistertitel und drei Europameisterschaften feierte, keinen allzu hohen Stellenwert.

Schon mit 31 Jahren Bundesligatrainer

Und doch: Gerecht wird ihm diese Reduzierung der Fakten nicht. Fünf Jahre lang - von 1968 bis 1973 - trainierte Erich Ribbeck Eintracht Frankfurt, schon mit 31 Jahren saß er in der Bundesliga auf der Trainerbank und war so etwas wie der Nagelsmann der Sechziger. Dann ging er nach Kaiserslautern, wieder für fünf Jahre, erreichte mit dem FCK das Pokalfinale 1976. Zehn Jahre Bundesliga ohne eine Entlassung, das musste ihm erst mal einer nachmachen.

Der DFB wurde aufmerksam und machte ihn zum Assistenten des neuen Bundestrainers Jupp Derwall. Weil er 1984 nicht dessen Nachfolger wurde, ging Ribbeck wieder in die Bundesliga, heuerte im Oktober 1984 bei Borussia Dortmund an und verhinderte dort den Abstieg. Es folgte zum vermeintlich krönenden Abschluss eine dreijährige Amtszeit in Leverkusen (1985 bis 1988), in die auch die inoffizielle Herbstmeisterschaft 1986/1987 fällt. Ribbeck ging als Triumphator und hätte es bleiben können. Aber wer sich selbst mit 80 noch so fit fühlt, der konnte ja mit 50 nicht einfach aufhören.

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Seine Ausdrucksweise und sein gepflegtes Äußeres haben ihn eines Tages in der Medienlandschaft zum "Sir" gemacht, obwohl Erich Ribbeck nie von irgendeiner Königin dazu ernannt worden war. Er ist ja kein Engländer, er ist ein Rheinländer aus Wuppertal. Heute lebt der einstige Fußballtrainer in Pulheim bei Köln und freut sich auf die Gäste, die ihm zum 80. Geburtstag die Ehre geben.

Der Sportinformationsdienst hat ihn bei der Gelegenheit gefragt, an was er sich besonders gern zurück erinnere. Die Antwort: "Der UEFA-Cup-Sieg 1988 mit Bayer Leverkusen ragt schon heraus." Wie könnte er auch nicht, bis heute ist es der größte Erfolg der Leverkusener, die nach einer 0:3-Hinspielpleite bei Espanol Barcelona den Spieß noch umdrehten und im Elfmeterschießen den Cup gewannen. Eine Sternstunde deutscher Europapokalgeschichte.

Ribbeck hinterließ Bayer den UEFA-Pokal quasi als Abschiedsgeschenk. Nach 21 Jahren wollte er nie mehr Trainer sein und wechselte mit 50 Jahren die Perspektive, nicht aber die Sportart. Beim Hamburger SV arbeitete er als Sportchef als Nachfolger von Günter Netzer. Doch nur für eine Saison, dann warf er wieder hin. Von September 1990 bis März 1992 war Ribbeck Sportmarketingmanager bei Opel, was ihn nicht von Stadionbesuchen abhielt. Oder dem Besuch von Hallenturnieren, nicht immer in Sachen Fußball.

Intermezzo beim FC Bayern

Am 10. März 1992 saß er in seiner Funktion als Opel-Repräsentant in Hannover beim Tischtennis - Deutschland gegen Schweden -, als ihn der Hallensprecher ausriefen ließ. Es waren die Bayern, Kaiser Franz höchstpersönlich, mit dem er sich im Vorgespräch schon geeinigt hatte, im Fall der Fälle einzuspringen. Der Fall war eingetreten, die in Not geratenen Münchner, zu deren Sponsoren auch Opel gehörte, brauchten mal wieder einen Trainer. Und den Bitten eines Franz Beckenbauer konnte er nicht widerstehen. Der Mann, der ihn 1984 (keineswegs beabsichtigt) um den Bundestrainerposten gebracht hatte. Ribbeck hätte als Assistent den zurückgetretenen Jupp Derwall gern beerbt, war immer noch Beckenbauers Freund, gemeinsam gingen sie jährlich mit den "Schneeforschern" Ski fahren.

Trainer bei Bayern wird man nicht alle Tage, dachte sich Ribbeck und kehrte in die Tretmühle zurück. Der einzige Unterschied zu 1988 sei, "dass ich jetzt eine Brille brauche, um die Aufstellungszettel lesen zu können", witzelte er. Vielleicht war sein Comeback doch ein Fehler. Er verhinderte zwar den damals tatsächlich drohenden Abstieg, holte aber im nächsten Jahr keinen Titel und wurde in der Winterpause 1993/1994 entlassen. München lag damals gleich neben Hollywood, es gab täglich Theater in den frühen Neunzigern, in denen das Privat-TV erwachte.

Kein Glück bei Rückkehr nach Leverkusen

Ribbeck hatte mit der Zeit gehen wollen und den Libero abgeschafft, doch seine Viererkette war löchrig und überforderte die Spieler. Vizepräsident Beckenbauer pfiff ihn schon im September 1993 zurück. Schlimmer noch: Spieler wie Jan Wouters oder Jorginho stellten sich gegen Erich Ribbeck, und Raimond Aumann trat als Kapitän zurück, "weil ich nie das Vertrauen des Trainers gespürt habe." Am Tag nach Weihnachten 1993 trennten sich die Wege, Franz Beckenbauer selbst bekam wieder mal Ribbecks Posten und wurde prompt noch Meister, was Ribbeck immerhin noch die volle Meisterprämie in Höhe von 250.000 Mark einbrachte.

Aber nach dem München-Intermezzo verließ ihn das Glück. Auch beim nächsten Retter-Job in Leverkusen (April 1995 bis April 1996), wo sie mit ihm an glorreiche Zeiten anknüpfen wollten und fast abgestiegen wären. Manager Rainer Calmund schmeichelte zunächst: "Wenn er 1988 nicht seinen Hut genommen hätte, wäre er wohl heute noch unser Trainer." Doch die Zeiten hatten sich geändert, die Profis auch. Im Machtkampf mit Superstar Bernd Schuster, der sich ins Training einklagte, verschliss der Coach sich, es gab nur Verlierer. Und Bayer zog die Reißleine. Ribbeck ging mit der Bilanz von 569 Bundesligaspielen, nur zwei Trainer (Rehhagel und Lattek) haben mehr auf dem Konto.

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"Ausnahmslos furchtbare Erinnerungen" an Confed Cup 1999

Zwei Jahre war es ruhig um Ribbeck, dann kam der 7. September 1998. Berti Vogts trat als Bundestrainer über Nacht zurück, und aus einer Fülle von öffentlich gehandelten Kandidaten erwählte der DFB den mittlerweile 61 Jahre alten Erich Ribbeck. Der bei Dienstantritt älteste war auch der statistisch schlechteste Bundestrainer, von 24 Länderspielen gewann er nur zehn. Doch wer will sagen, ob ein Herberger, Schön oder Beckenbauer mit den Spielern um die Jahrtausendwende besser abgeschnitten hätte?

Der deutsche Fußball war an einem Tiefpunkt, und Ribbeck, der beim Dienstantritt noch verkündete, "dass die Arbeit mit der Nationalelf ein Traumjob ist", musste den Mangel an spielerischer Klasse und an Talenten verwalten und sah sich schon bald eines Besseren belehrt. Beim Confed Cup 1999 war sein ersatzgeschwächstes Team chancenlos, bis heute hat Sir Erich "ausnahmslos furchtbare Erinnerungen" an die Tage von Guadalajara.

Vorrundenaus bei der EM 2000

Im Oktober 1999 qualifizierte sich das DFB-Team mit einem 0:0 im Münchner Heimspiel gegen die Türkei zur EM 2000. Das Turnier in Belgien und den Niederlanden markiert einen Tiefpunkt der Nationalmannschaftshistorie. Nur ein Punkt in der Vorrunde, das ernüchternde Aus. Ribbeck trat noch am 21. Juni zurück, dem Abend des 0:3 gegen Portugal.

Es war sein letzter Job im Fußball, Ribbeck hatte genug und genoss das Leben, oft und gern mit Frau Ulla in seinem Feriendomizil auf Teneriffa. Weil der letzte Eindruck oft bleibt und er nichts mehr tat, um ihn zu korrigieren oder in Interviews nach Ausflüchten zu suchen, hat er in der Öffentlichkeit des Landes, das vier Weltmeistertitel und drei Europameisterschaften feierte, keinen allzu hohen Stellenwert.

Schon mit 31 Jahren Bundesligatrainer

Und doch: Gerecht wird ihm diese Reduzierung der Fakten nicht. Fünf Jahre lang - von 1968 bis 1973 - trainierte Erich Ribbeck Eintracht Frankfurt, schon mit 31 Jahren saß er in der Bundesliga auf der Trainerbank und war so etwas wie der Nagelsmann der Sechziger. Dann ging er nach Kaiserslautern, wieder für fünf Jahre, erreichte mit dem FCK das Pokalfinale 1976. Zehn Jahre Bundesliga ohne eine Entlassung, das musste ihm erst mal einer nachmachen.

Der DFB wurde aufmerksam und machte ihn zum Assistenten des neuen Bundestrainers Jupp Derwall. Weil er 1984 nicht dessen Nachfolger wurde, ging Ribbeck wieder in die Bundesliga, heuerte im Oktober 1984 bei Borussia Dortmund an und verhinderte dort den Abstieg. Es folgte zum vermeintlich krönenden Abschluss eine dreijährige Amtszeit in Leverkusen (1985 bis 1988), in die auch die inoffizielle Herbstmeisterschaft 1986/1987 fällt. Ribbeck ging als Triumphator und hätte es bleiben können. Aber wer sich selbst mit 80 noch so fit fühlt, der konnte ja mit 50 nicht einfach aufhören.

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